1. Titel
2. Verfasser
Der Martialische Schau-Platz wurde anonym publiziert.
3. Publikation
3.1. Erstdruck
Erschienen 1690 bei Johann Hoffmann in Nürnberg und gedruckt bei Stephan Rolck in Öttingen. Hoffmann publizierte noch im gleichen Jahr eine weitere, textlich identische Ausgabe mit lediglich minimal veränderter Variante des Titelblattes (VD17 39:150925A).
Standorte des Erstdrucks
- Bayerische Staatsbibliothek München, Sign. 4 Ded. 42
- Eutiner Landesbibliothek, Sign. IV g 92
- Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. M: Gm 3899
- Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Sign. MB D 2 : 125
- Historisches Museum Basel, Sign. HM Ga qu 3
- Linköpings stadsbibliotek, Sign. Stiftsbiblioteket (Ex.: 90240)
- Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim, Sign. B 563
- Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Sign. Hist.univ.B.218
- Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Sign. 4 Bud.Hist.un.124(1)
- Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle, Sign. AB 44 5/h, 10 (22)
- Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Sign. Hist 8° 01247
- Universitätsbibliothek Augsburg, Sign. 02/IV.13.4.83
- Universitätsbibliothek Heidelberg, Sign. B 1938 A
- Universitätsbibliothek Wien, Sign. I-23520
- Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Sign. HB 4631
3.2. Weitere Ausgaben
3.2.1. Digitale Ausgaben
- Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2010 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. Gm 3899.
- München: Bayerische Staatsbibliothek 2010. Vorlage: Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign. 4 Ded. 42.
4. Inhalt
Die im Vergleich zu anderen Titeln der Theatrum-Literatur extrem kurze, nur zwei Seiten lange „Vorred an den Nach Stands Gebühr Geehrten und geneigten Leser“ liefert die besondere Legitimation des Gegenstandes. Der anonyme Autor des Martialischen Schau-Platzes stilisiert das Rheingebiet nicht nur als „importanten Strohm“ (unpag.) – vielmehr habe der Fluss seit jeher eine historische wie umkämpfte Sonderstellung inne: „Daß der Welt-beruffene Rhein-Strohm/ vor vielen andern einer der considerablesten Kriegs-Schau-Plätze in Europa gewesen/ wird jeder gestehen müssen/ welchem die Kriegs- und Welt-Händel/ so wol der alten als heutigen teutschen/ Römer und Gallier nicht unbekannt seyn“ (unpag.). Und auf diesem Martialischen Schau-Platz vollziehe sich auch das gegenwärtige „Martialische Seculo“ (unpag.), mit dessen Beschreibung sich das vorliegende Werk befasst. Autor und Verleger sehen dabei offensichtlich eine Art Marktlücke gefüllt: Denn was bis dahin vom und über den Rhein publiziert wurde, „seynd meistentheils Geographien und Städte-Beschreibungen/ denen nur hin und wieder nach Gelegenheit der Oerter/ die Begebenheiten mit eingemischet worden“ (unpag.).
Der Martialische Schau-Platz besteht aus zwei Büchern bzw. Teilen, die wiederum in viele, jeweils kurze „Capitel“ bzw. „Eintheilungen“ strukturiert sind. Bevor sich das erste Buch der Konfliktregion Rhein aus militärischer Perspektive nähert, liefert der Text in einer Art Großaufnahme zunächst einen geographisch-topographischen Überblick und Einstieg, der in Anschluss an den reißerischen Titel sogleich deutlich macht, dass dem Autor an keiner nüchternen Darstellung seines Gegenstandes gelegen ist: Vielmehr wird das wirkmächtige Bild der deutschen Lebensader konstruiert, die in Verbindung mit einem Anspruch auf Vormachtstellung des Deutschen Reichs gesetzt wird – so sei es dem Rhein zu verdanken, dass „[...] das grosse Allemanien oder Teutschland zu verschiedenen Stücken vor andern Welt-Reichen und Nationen keinen geringen Vorzug hat“ (S. 1). Und genau aus dem Grund der begehrten Rheingegend sei Deutschland in der Geschichte immer wieder das Ziel von Eroberungsversuchen geworden. Mit Blick auf die Theatrum-Metaphorik erscheint das Rheingebiet in diesem Kontext als eine der dramatischsten Bühnen der Zeit: „Gleichwie nun dieses gantze Revier eine der schönsten und lustigsten in gantz Teutschland/ ja in Europa billich zu nennen; Also ist sie auch hingegen zu gewissen Zeiten eine von denen traurigsten und blutigsten gewesen/ massen sie zu verschiedenen mahlen von gewaltigen Feinden mit grossen Armeen überzogen/ jämmerlich verwüstet und zum Schau-Platz aller Kriegs-Bedrängnis gemachet worden“ (S. 3). Als Konfliktregion wird das Rheingebiet hier vor allem in seinem Charakter als Grenzregion verstanden: „[...] weiln mehrgemeldter Rhein-Strohm von langen Zeiten die Gräntze gewaltiger Reiche und Herrschafften [...] gewesen [...]“ (S. 3). Bereits hier spricht der Autor in abwehrender Haltung von den Prätentionen der „herrschsüchtigen Nachbaren“ (S. 3) – namentlich betrifft das vor allem die „regiersüchtige Cron Franckreich“ (S. 4), die zum primären Antagonisten der Jahrhundert-Chronik wird. So stehen ab dem dritten Kapitel (S. 5) – dem Auftakt der Chronik – in der Schilderung von hauptsächlich rheinischen Konflikten immer auch die französischen Interessen mit im Mittelpunkt – etwa ab dem 1609 schwelenden Jülisch-Klevischen Erbfolgestreit im Vorfeld des 30-jährigen Krieges. Die in den folgenden Kapiteln dargestellte Ereigniskette streift unter anderem die etwa zeitgleichen Zusammenschlüsse der katholischen Reichsstände zur Katholischen Liga und der lutherischen Fürsten zur Protestantischen Union, angereichert um die Publikation diverser Dokumente und „Schreiben an etliche Reichs-Stände“ (S. 11). Mit Blick auf den 30-jährigen Krieg behält der Autor zunächst eine gesamteuropäische Perspektive bei, indem parallel der schon lange währende spanisch-niederländische Konflikt (Achtzigjähriger Krieg) in die Darstellung mit einbezogen wird. Im Mittelpunkt steht allerdings die minutiöse Rekonstruktion des verwickelten Kriegsverlaufs samt seiner Parteien; große Ereignisbögen werden ebenso dargestellt wie punktuelle Geschehnisse – etwa lokale Scharmützel und Belagerungen. Detaillierte Schlachtenbeschreibungen und –bilder werden dabei gleichwohl ausgespart. Die Berichtskette wird aus einer übergeordneten Perspektive immer wieder von allgemeinen Kommentaren durchsetzt und zusammengehalten. Etwa: „Dann als man sahe/ daß das Haus Oesterreich und dessen Alliirte mehr Lust hatten/ den Krieg fortzusetzen; als wurden viel ausländische Potentaten und Republiquen nunmehro veranlasset/ in ein gesamtes Bündnus zu treten und den Harnisch anzulegen/ um dem Vorgeben nach/ die Teutsche Freyheit und Länder zu schätzen/ hingegen aber die Spanischen Herrschsüchtigen Anschläge/ äusserster Macht zu unterbrechen“ (S. 32). Wiederholt wird exkursgleich auch das Schicksal berühmter Feldherren im Einzelnen verfolgt, so etwa das von Bernhard von Sachsen-Weimar (1604-1639) (S. 50). Zwangsläufig überschreitet der Text wegen des großflächigen Konfliktes seinen erklärtermaßen rheinzentrierten Fokus, häufig wird die Ereigniskette in ihrer Bedeutung jedoch an den rheinischen „Schauplatz“ zurückgebunden: „Der Verlust Philippsburg hat alsobald viel Veränderung/ sonderlich am Ober-Rhein-Strom/ nach sich gezogen/ und denen Kaiserl. Waffen einen ziemlichen Stoß gethan [...]“ (S. 61).
Da der Berichtszeitraum mit dem Westfälischen Frieden nicht endet, knüpft der Martialische Schau-Platz nach 1648 wieder an ältere Konflikte an, die in der Schlussphase des 30-jährigen Krieges wieder aufflammten, so auch der Jülisch-Klevische Konflikt: „Der Frieden war kaum geschlossen/ so zogen sich am Nieder-Rhein-Strohm in denen Güllischen Ländern Anno 1651. schon neue Kriegs-Wolcken/ zwischen Chur-Brandenburg und Pfaltz-Neuburg/ wiederum auf [...]“ (S. 64). Auch die französischen Interessen mit Blick auf die Rheingrenze rücken mit den gegen Frankreich gerichteten Drohungen des lothringischen Herzogs Karl IV. (1625-1675) verstärkt in den Blick (S. 73). Frankreich wird durch seine aggressive Annexions- und Expansionspolitik an der Rheingrenze sogar mehr und mehr zum Hauptakteur auf dem „Kriegstheater“. Theater-Metaphorisch heißt es: „Gestalt Anno 1672. die Cron Franckreich/ welche seithero hinter dem Vorhang starck zu einem grossen Kriege sich gerüstet/ denselben nunmehro eröffnete/ und die Länder-begierigen Waffen/ mit grosser Macht und Ungestümm wieder Holland los druckte [...]“ (S. 81). Der ab 1672 bis 1679 geführte Niederländisch-Französische Krieg dominiert die demnach die folgenden Kapitel; der erste Teil des Martialischen Schau-Platzes endet mit der Darstellung des Friedens von Nimwegen von 1678 (S. 140).
Dass der Schwerpunkt der Chronik im zweiten Teil fast ausschließlich auf der politisch-militärischen Strategie Frankreichs liegt, zeigt bereits der Titel: Der ander Theil des teutsch-Französischen Schau-Platzes (S. 141). Die Darstellung nimmt den chronologischen Faden wieder auf und konzentriert sich auf Frankreichs Versuche, den geschlossenen Frieden „[...] auszuspannen oder vielmehr zu rormentiren und [zu] kräncken [...]“ (S. 162). Folglich bildet die andauernde Annexionspolitik Ludwig XIV. das zentrale Thema im zweiten Teil – ständig sei der französische König mit „[...] weitaussehenden Monarchischen Anschlägen von neuem schwanger“ (S. 178) gegangen. Unter anderem wird der ab 1683 an Schärfe zunehmende Konflikt zwischen Spanien und Frankreich verfolgt, was der anonyme Autor einmal mehr durch den Wiederabdruck entsprechender Dokumente verfolgt: „Da kam es zwischen beyden Cronen so weit/ daß sie einander den Krieg abermal ankündigten/ wie aus folgender Declaration erhellet [...]“ (S. 182). Mit Blick auf die Rheinregion und die gewaltsamen Expansionsversuche Frankreichs bildet der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688-1697) den letzten thematischen Schwerpunkt; das Ende des Krieges wird vom Schluss des Berichtszeitraums der Chronik (1690) nicht mehr abgedeckt.
5. Kontext und Klassifizierung
Der Martialische Schau-Platz gehört in die mehr als dreißig Titel umfassende Gruppe der Kriegstheatra – zwischen der medialen Repräsentation des Krieges und der Theatrum-Metaphorik bestand eine besonders starke Affinität. Neben kartographischen Kriegstheatra sind die meisten Werke des kleinen Korpus dem Grenzbereich von Historiographie und Chronistik zuzuschreiben, so auch der Martialische Schau-Platz. Das größte konzeptionelle Vorbild für die allgemeine Chronistik des 17. Jahrhunderts – und auch für die chronistischen Kriegstheatra – war zweifellos das Theatrum Europaeum (1633-1738), das inhaltlich wesentlich vom Bericht über die kriegerischen Schlüsselereignisse der Zeit dominiert war. Vergleichend lassen sich Parallelen und Unterschiede benennen: Wie das Theatrum Europaeum, so wäre auch der Martialische Schau-Platz ohne die vielfältigen publizistischen Quellen der Zeit nicht denkbar gewesen. Beide Werke legen ihre Quellen an so gut wie keiner Stelle offen, doch bauen sie grundlegend auf dem Zusammenhang von Krieg und Publizistik auf: Neben dem 30-Jährigen Krieg waren auch die im Martialischen Schau-Platz im Mittelpunkt stehenden französischen Reunionskriege nicht zuletzt „Federkriege“ (Würgler, S. 128) – das moderne Phänomen des auch psychologisch geführten Krieges als Medienschlacht hat hier im weitesten Sinne seine Wurzeln. Periodische Kriegsberichterstattung in den ersten Zeitungen verhalf nicht nur einem gänzlich neuen Pressemedium zum historischen Erfolg; vielmehr flankierten die Kriegsparteien im 17. Jahrhundert ihre konkreten militärischen Schachzüge erstmals auch mit publizistischer Propaganda und wollten so die politisch-mediale Öffentlichkeit agitatorisch von der eigenen Sache und dem Unrecht ‚der Anderen’ überzeugen. Dem Krieg der Bilder und der gedruckten Worte kam eine entscheidende Bedeutung zu – ein Umstand, der im Martialischen Schau-Platz sogar ansatzweise reflektiert wird. Über versuchte Medienkontrolle während einer Episode der Reunionskriege heißt es: „ja, man schriebe noch ferner in die Welt/ als wann die Franzosen etlichen Zeitungs-Schreibern Geld spendiret/ sie möchten doch diesen ihres General Melacs schmählichen Tod nicht ferner offentlich in ihren Gazetten und Relationen melden/ sondern vielmehr bemänteln und berichten/ daß es sich damit nicht also verhielte/ sondern ein erdichtetes Werck und Spargiment sey“ (S. 368). Von den Kriegsparteien wurde das gesamte druckmediale Spektrum der Zeit instrumentalisiert – Pamphlete, Dekrete, Vergleiche, politische Testamente, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse begleiteten und kommentierten die ‚öffentlichen’ Kriege in jedem Detail und fanden sich nicht nur in Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch auf Flugblättern und Flugschriften; diese bildeten wiederum den Fundus für die zeitgenössische und zeitnahe Chronistik. Sowohl das Theatrum Europaeum als auch der Martialische Schau-Platz sind durchzogen von der Zweitverwertung zahlloser Dokumente, die bereits zuvor vereinzelt und in anderen medialen Kontexten veröffentlicht worden waren. Die spezifische Leistung der Chronistik besteht darin, dass sie die vielfältigen Quellen der Tagespublizistik retrospektiv in größere Ereigniszusammenhänge einbettet und erst aus Vergangenheit ‚Geschichte macht’; denn erst als solche und im Prozess des Überblicks gewinnt die Vergangenheit den exemplarischen Charakter der im Titel erwähnten polit- und historischen Beschreibung: „Diese denckwürdige Niederlage bey Rheinfelden/ konte nicht nur allein denen Kaiserlichen/ sondern auch vielen andern Kriegsbedienten zur Warnung und Beyspiel dienen/ nicht so sicher/ nach einer guten Verrichtung/ zu leben/ und den Feind als von weitem sich einzubilden/ oder wol gar in Wind zu schlagen/ welcher zuweilen als ein unverhofftes Sturmwetter wieder komt/ und alles darnieder schläget“ (S. 45). Mit dieser Funktion geht ein zweiter Aspekt des Martialischen Schau-Platzes einer, durch welchen sich das Werk zugleich von der Konzeption des Theatrum Europaeum erheblich unterscheidet: Der Martialische Schau-Platz rekonstruiert und kontextualisiert die Ereignisse nicht nur, er kommentiert sie auch. Während das Theatrum Europaeum gemäß der Prämisse der Unparteilichkeit eine vergleichsweise ‚objektive’ Nachrichtenchronistik zumindest suggeriert, macht der Martialische Schau-Platz von Beginn an keinen Hehl aus seiner antifranzösischen Haltung. Den aggressiven französischen Expansionen des Jahrhunderts wird analog eine drastische, kämpferische Polemik entgegengesetzt – aus Franzosen werden so unversehens Barbaren, wie der Martialische Schau-Platz unter Berufung auf vermeintlich glaubwürdige Zeugen versichert: „Die Franzosen haben vieler verständigen Leute Aussagen nach/ bey diesem Kriege so viel unchristliche Feindseligkeiten verübet/ als wol die barbaristen Heyden jemals gethan“ (S. 114). Das Kriegstheatrum dürfte damit selbst seine Rolle im erwähnten Medienkrieg des Jahrhunderts eingenommen haben. Da der Berichtszeitraum der Chronik im Jahr ihrer Publikation (1690) abbricht – zu einem Zeitpunkt, als Frankreichs militärische Expansion noch nicht beendet war – versäumt es der Autor am Ende nicht, zumindest noch prospektive Genugtuung zu formulieren. Mit Blick auf Ludwig XIV. heißt es: „Dem Ansehen nach dürffte dieser uneztige Held mit seinen Franzosen in Teutschland wol mehr Gefahr und Schläge/ als Ehre/ zur Beute unter sich zu theilen bekommen/ welche wir ihnen zum verdienten Lohn auch lassen/ und hiemit beschliessen wollen“ (S. 371).
6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
- VD17 3:605784N [vd17]
- Wolfgang Burgdorf: Der intergouvernementale Diskurs. Deduktionen und politische Gelegenheitsschriften und ihre Bedeutung für die Entstehung politischer Öffentlichkeit im Alten Reich, in: Johannes Arndt (Hg.): Das Medien-System im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750. Göttingen 2010, S. 75-99 [opac]
- Andreas Würgler: Medien in der Frühen Neuzeit. München 2009 [opac]