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Arlequin et Scaramouche Voleurs [Auszug]

3) Arlequin et Scaramouche Voleurs, nach dem Entwurfe des Hrn. Gandini, in fünf Aufzügen, zum erstenmal aufgeführt den 5 December 1747.

Personen. Pantalon. Der Doctor. Flaminia, des Pantalons Tochter. Lucinde des Doctors Tochter. Mario des Doctors Sohn. Lelio, des Pantalons Sohn. Coraline, Kammer frau bey der Flaminia. Nicolo, Bedienter des Pantalon. Ein Hauptmann. Scaramouche, das Haupt einer Bande Spitzbuben. Harlequin, Spitzbube. Spitzbuben, als Soldaten, Häscher und Bediente verkleidet. Verschiedene Nebenpersonen. Erster Aufzug. (Das Theater stellt eine Straasse vor, in welcher man das Haus des Doctors und des Pantalon siehet.) Harle quin, ein Spitzbube, beklagt sich bey seinem Hauptmann, dem Scara mouche, daß er nicht die gehörige Achtung vor ihn habe. Scaramouche antwortet ihm, es sey seine eigene Schuld, weil er sich der Profeßion nicht besser befleißige. Hierauf giebt er ihm verschiedene Lehren, die sich Harlequin zu Nutze zu machen verspricht, und beyde begeben sich weg. Mario tritt auf, und giebt in einem Monologue zu verstehen, daß er sich in Flaminien, des Pantalons Tochter verliebte; er klopft an des letztern Thüre an; Coraline kömmt heraus, und giebt ihm von ihrer Gebieterin, der Flaminia, einen Brief. Er fängt ihn an zu lesen; Scaramouche wird ihn von weiten gewahr, und zeigt ihn dem Harlequin. Dieser nahet sich ihm, und da er siehet, daß Mario den Brief der Flaminia einsteckt, so bittet er ihn, weil er doch lesen könne, die Gütigkeit zu haben, und ihm auch einen Brief zu lesen, den er ihm dabey einhändiget. Mario will ihm diese Gefälligkeit erweisen, und indem er es eben thun will, stiehlt ihm Harlequin sein Schnupf tuch, und macht sich mit davon. Mario wird es gewahr und läuft ihm nach. Der Doctor tritt auf, und sagt, daß Pantalon, sein guter Freund, eben itzt die Heyrath seiner Tochter mit einem sehr reichen Fremden geschlossen habe, welcher Fremde ein Landsmann und Anver wandter von demjenigen sey, dem er seine Tochter bestimmt, er wolle also gehen, und ihm Glück wünschen. Er klopft bey dem Pantalon an; Coraline macht auf und sagt ihm, daß sich Pantalon eben an ziehe. Der Doctor sagt, er wolle ihn auf dem Caffeehause erwarten, und geht fort. Pantalon kömmt aus seinem Hause heraus; Coraline
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bestellt bey ihm, was ihr der Doctor eben gesagt; er heißt sie wieder ins Haus gehen, und will sich zu seinem Freunde begeben. Als er fort ist, kömmt Lelio und unterhält sich ganz allein mit seiner Liebe zu Lucinden, des Doctors Tochter. Scaramouche, als ein vornehmer Herr gekleidet, den Harlequin als Stallmeister, und verschiedene Spitz buben in Livrey hinter sich, redet ihn höflich an. Er sagt ihm, daß er ein Fremder von Stande sey, der zu seinem Vergnügen reise, und nicht gerne in einem Wirtshause einkehren wolle; er bittet ihn, ihm ein Haus irgend einer angesehenen Person in der Stadt zu nennen, wo er sich durch den Namen, welchen sich Scaramouche giebt, hinter gehen, und versichert, daß ihn sein Vater, Pantalon, mit Vergnügen aufnehmen werde. Da Lelio zugleich hört, daß dieser Herr seinem Stallmeister befiehlt, die Mauleseltreiber, welche seine Bagage geführt, zu bezahlen, der Stallmeister aber kein Geld bey sich zu haben vor giebt, so erbietet sich Lelio, die nöthige Summe vorzuschiessen, und wird beym Worte gehalten. Er zahlt den Mauleseltreibern das geforderte Geld, und will seinen Beutel wieder zu sich stecken; Harlequin aber practiciret ihm den Beutel weg, ohne daß er es merkt. Lelio nimmt von dem fremden Herren Abschied, nachdem er ihm das Haus seines Vaters gewiesen, und sagt, er wolle gehen, die Zimmer für ihn zu recht machen zu lassen. Er kömmt aber den Augenblick wieder, weil er seinen Beutel vermißt; er ersucht den Fremden, ihm zu sagen, ob nicht etwa einer von seinen Leuten seinen Beutel aufgehoben, den er ohne Zweifel fallen lassen, indem er ihn einzustecken geglaubt. Mein Herr, ruft Scaramouche, Sie können leicht Recht haben. Und huy daß mein Stallmeister diesen Fund gethan hat. Ich habe seit einiger Zeit ohnedem Ursache, dem Burschen nicht zu trauen; und sobald ich von meinen Reisen wieder zu Hause komme, werde ich ihn sicherlich zum Henker jagen. Der Stallmeister nimmt den Verdacht sehr übel, und ant wortet trotzig, daß diese Rede seinem Herrn das Leben kosten solle. Lelio bittet für ihn um Gnade, und indem er sich zwischen sie beyde stellen will, kömmt er ins Gedrenge, und verlieret seinen Hut. Der Herr, der Stallmeister und die Bedienten sprengen auseinander, der
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eine dahin und der andre dorthin; Lelio verfolgt sie, und der erste Aufzug ist aus. Zweyter Aufzug. Harlequin und Scaramouche eröfnen, so wie den ersten, also auch den zweyten Act. Harlequin weis sich sehr viel damit, daß er die Lehren, die ihm Scaramouche gegeben, so gut in Ausübung gebracht; und dieser gesteht ihm auch zu, daß er sich zu bilden anfange. Sie hören jemand kommen, und begeben sich weg. Mario tritt auf, und beklagt sich über die Heyrath, welche Pantalon zwischen seiner Tochter und einem Fremden geschlossen. Scaramouche erscheint, und scheinet, gegen die hinterste Scene redend, sehr ver drießlich, daß ein Mensch, an den er zwanzig Louisd'or auf sein Wort verloren, Mißtrauen in ihn setzt und ihm nicht einmahl vier und zwanzig Stunden nachsehen will. Er sey so rasend, sagt er, daß er einen Demant, den er am Finger habe und der gern hundert Louisd'or werth sey, lieber gleich für zwanzig verkauffen möchte, damit er nur mit einem so unbilligen Menschen weiter nichts zu thun haben dürfe. Mario, der den Wechsel des Spiels auch schon oft erfahren, läßt sich seinen Verdruß nahe gehen, redet ihn an, und erbietet sich großmüthig, ihn aus der Verlegenheit zu reissen und ihm, so viel er nöthig habe, zu leihen. Scaramouche nimmt das Anerbieten mit der Bedingung an, daß er seinen Ring zum Unterpfande nehmen soll. Mario, der seinen Beutel schon aufgemacht hat, weigert sich dessen; Scaramouche aber wirft ihm wider seinen Willen den Ring in den Beutel, und faßt zugleich darnach, indem Mario die zwanzig Louisd'or herauslangen will. Mario erstaunt, und will den Beutel wieder an sich ziehen; der Doctor kömmt dazu, und Scaramouche beklagt sich, daß ihm Mario einen Beutel, den er fallen lassen, nicht wiedergeben wolle; zum Be weise, daß der Beutel ihm gehöre, könne der und der Ring dienen, der sich nebst seinem Gelde darinn befinde. Nachdem der Doctor die Sache so befunden, giebt er seinem Sohne, ohne ihn anzuhören, Un recht, und überliefert dem Scaramouche den Beutel, der sich vergnügt davon macht. Endlich bringt Mario, aber zu spät, seinen Vater aus dem Irrthume, und eilet dem Spitzbuben nach. Der Doctor bleibt allein, und giebt zu verstehen, daß Soldaten in die Stadt gekommen und er einen Officier in sein Haus werde einehmen müssen. Er klopft an sein Haus an, und befiehlt seiner Tochter, welche herauskömmt,
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den neuen Gast zu empfangen; sie verspricht zu gehorchen und gehet wieder hinein. Scaramouche und Harlequin, welche den Doctor be horcht, begeben sich schleunig weg; aber in dem Augenblicke ist Harle quin auch wieder da, und zeigt sich dem Doctor als einen zerstümmelten Officier, dem beyde Beine abgeschossen worden. Er sitzt in einer Sänfte, und die Träger sind als Soldaten verkleidete Spitzbuben. Indessen aber, daß Harlequin dem Doctor seine Heldenthaten erzehlt, und dieser ihn eben zu sich hineinführen will, kömmt der wahre Capitain, der bey ihm logiren soll, und der Betrug wird entdeckt. Die Träger so wohl als der Krüppel nehmen Reißaus, und der zweyte Aufzug schließt sich mit grossem Tumulte. Dritter Aufzug. Pantalon sagt zu seiner Tochter Flaminia, daß er itzt nicht bey baarem Gelde sey, und da ihre Heyrath, die er nunmehr richtig gemacht, ihm ganz gewiß starke Ausgaben machen werde, so wolle er ein Theil von seinem Silberwerke versetzen, damit ihm bey solchen Umständen nichts fehle. Er befiehlt also seiner Tochter, die entbehrlichen Stücke bey Seite zu setzen. Harlequin und Scara mouche haben alles mit angehört, und dieser sagt jenem etwas ins Ohr. Sie gehen beyde fort, kommen aber sogleich wieder, Harlequin als Gerichtsfrohn, mit Spitzbuben, die sich in Häscher verkleidet, und Scaramouche, als ein Kaufmann, den man Schulden haber, in Ver haft genommen. Scaramouche erblickt den Pantalon und ersucht ihn um Hülfe; er sey, sagt er, sehr unglücklich, daß man ihn um tausend Thaler setzen wolle, da er doch bey sich zu Hause für noch einmal so viel Waaren habe. Aber, setzt er hinzu, da mir diese Traban ten nicht erlauben wollen, nach Hause zu gehen, so haben Sie doch die Gütigkeit, ich bitte Sie, und schrei ben ein Paar Worte für mich an meine Tochter; denn wie Sie sehen, (er zeigt ihm seinen Arm, den er in der Binde trägt) ich kann es selbst nicht thun. Pantalon, der sich nichts böses vermuthet, schreibt folgende Worte, die er ihm vorsagt: Liebe Tochter, Ueberbringern dieses händige sogleich das Be wußte ein. Indem Pantalon den Zettel schreibt, mauset ihm Har lequin die Uhr, und Scaramouche begiebt sich, sobald er den Pan talon weit genug von seinem Hause vermuthet, mit dem Zettel zu der Flaminia, die ihm sogleich, weil sie ihres Vaters Hand kennet,
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die ausgesetzten Stücke Silber überliefert. Als Pantalon bald darauf mit einem Wucherer, der das Silber abhohlen will, nach Hause kömmt, und von Flaminien und Coralinen, was bereits damit geschehen, er fährt, läuft er plötzlich fort, um den Dieb, wo möglich, noch einzu hohlen; und Flaminia geht mit Coralinen wieder hinein. Lelio tritt allein auf, und sagt, daß er mit seiner Geliebten gern sprechen möchte; er klopft an des Doctors Thüre an, und Lucinde kömmt heraus. Sie haben eine zärtliche Scene mit einander, in welcher ihm Lucinde mel det, daß sie ihr Vater an einen Fremden versprochen, der ein Lands mann desjenigen sey, dem Pantalon die Flaminia zugesagt. Lelio ver sichert sie, daß er diese Heyrath schon zu verhindern wissen werde; sie geht wieder hinein, und ihr Liebhaber begiebt sich fort. Pantalon und der Doctor treten mit einander auf; der Doctor sagt seinem Freunde, daß er den Augenblick einen Brief erhalten, in welchem man ihm die baldige Ankunft ihrer künftigen Schwiegersöhne berichte, daher sie alle Augenblicke zu erwarten stünden. Scaramouche, der sie be ständig auf dem Korne hat, sagt dem Harlequin etwas ins Ohr und geht mit ihm ab. Den Augenblick darauf kömmt Harlequin, als ein Bedienter verkleidet, und meldet dem Pantalon die Ankunft des künf tigen Gemahls der Flaminia, und bittet ihn, die Thüre offen zu halten, um seinen Koffer und übrige Equipage einzunehmen; hiemit geht er ab, und der Doctor verläßt den Pantalon, um sich zu er kundigen, ob sein künftiger Schwiegersohn nicht auch zugleich mit an gelangt; Pantalon gehet aber in sein Haus, um das Nöthige zu ver anstalten. Das Theater verändert sich und stellt ein Zimmer mit einem Bette und einem Schreibtische vor; auf dem Tische stehet ein angezündetes Wachslicht, weil es Nacht geworden. Man sieht Fla minien, die sich gegen Coralinen wegen des Schicksales beklagt, das ihr Vater ihr zugedacht; diese tröstet sie; Pantalon kömmt dazu und meldet ihr die Ankunft ihres Bräutigams; sie fängt ihre Klagen aufs neue an, die aber durch den Nicolo, einen Bedienten aus dem Hause, unterbrochen werden, der ihnen meldet, daß der Bediente des Herrn, den Flaminia beyrathen solle, mit dessen Koffer angekommen sey. Fla minia geht voller Verdruß ab, und Coraline folgt ihr. Harlequin, als ein Bedienter verkleidet, bringt einen sehr schweren Koffer, den ihm Nicolo hereintragen hilft. Pantalon befiehlt diesem, es dem erstern an
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nichts fehlen zu lassen, und begiebt sich weg. Nicolo will den Har lequin mit zum Abendessen nehmen; Harlequin schlägt es aus; Nicolo dringt vergebens in ihn, und stellt ihm vergebens vor, daß er ihn selbst um eine gute Mahlzeit, die er auf Kosten seines Herrn mit ihm thun könnte, brächte, dem Harlequin ist allzuviel daran gelegen, allein zu bleiben, als daß er sich erbitten lassen sollte. Da endlich Nicolo sieht, daß er nichts ausrichten kann, so schlägt er ihm vor, zu Bette zu gehen, und sagt, daß er bey ihm werde schlafen müssen, weil noch keine Kammer für ihn zurecht gemacht worden. Dieses setzt den Har lequin in eine neue Verlegenheit; er giebt dem Nicolo zu verstehen, daß er gern allein schlafe, und lieber die Nacht hier auf seinem Koffer zubringen, als bey einem andern im Bette liegen wolle. Nicolo ver setzt, daß er zu wohl zu leben wisse, als daß er ihn auf dem Koffer werde schlafen lassen. Um ihn los zu werden, vertraut ihm Harlequin, daß er ihm eine gewisse kleine Krankheit, die er seit einigen Tagen merke, mitzutheilen fürchte; doch Nicolo versteht gleich, was er für eine Krankheit meine, und heißt ihn deswegen ausser Sorgen seyn, weil er ihm das nicht erst mittheilen dürfe, was er schon habe. Harlequin wird ungeduldig, und vertrauet ihm ferner, daß er sehr unruhige Träume zu haben pflege; daß er sich oft im Schlafe, von seinen Fein den verfolgt zu werden einbilde; daß er auch schon einmal das Un glück gehabt, einen seiner besten Freunde, der an seiner Seite ge schlafen, mit dem Dolche zu erstechen, weil ihm geträumt, als müsse er sich gegen einen Mörder vertheidigen. Aber diese Gefahr schreckt den Nicolo noch weniger ab, weil er gleichfalls sehr schlimme Träume zu haben pflege, und wohl gar, wenn man sich an seiner Seite nur ein wenig rühre, im Schlafe seinen Mann anfasse, und ihn zum Fenster herauswerfe. Harlequin bekömmt also noch weniger Luft, das Bette mit dem Nicolo zu theilen; er wird in allem Ernste auf ihn böse, und da dieser Bediente dem Pantalon zu mißfallen fürchtet, wenn er den Diener seines Schwiegersohns durch eine überlästige Höflichkeit noch ungehaltener mache, so läßt er ihn endlich zufrieden und begiebt sich fort. Sogleich kömmt Scaramouche aus dem Koffer, in welchem er verschlossen war, hervor; Harlequin leuchtet ihm und sie nahen sich dem Schreibtische, ihn zu erbrechen. Scaramouche hat Meissel und Hammer, und will das Schloß damit aufsprengen; kaum aber hat er
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den ersten Schlag mit dem Hammer gethan, als ein Hund, der in einem Winkel des Zimmers gelegen, und den sie nicht wahrgenommen, aufspringt und an zu bellen fängt. Scaramouche hält inne; Harlequin schmeichelt dem Hunde, um ihn zum Schweigen zu bringen; Scara mouche thut einen andern Schlag mit dem Hammer; der Hund ver doppelt sein Bellen, bis endlich Pantalon es hört, und dazu kömmt. Scaramouche hat kaum so viel Zeit, sich wieder in den Koffer zu werfen; und Harlequin kriecht geschwind unter das Bette, mit dem brennenden Lichte in der Hand, unt thut, als ob er in dieser Stellung schlafe. Pantalon sieht unter das Bette, und glaubt, er müsse ausser ordentlich müde seyn, daß ihn der Schlaf so überfallen; er nimmt ihm das Licht aus der Hand, und setzt es wieder auf den Tisch, ohne ihn aufzuwecken, und geht fort. Scaramouche verläßt sogleich seinen Koffer, und Harlequin will ihm aufs neue leuchten; sobald aber jener wieder mit dem Hammer an zu schlagen fängt, fängt der Hund aus allen Kräften wieder an zu bellen; die zwey Spitzbuben wollen verzweifeln; Harlequin ist der Meinung, dem nichtswürdigen Hunde mit dem Hammer eines vor den Kopf zu versetzen, allein sie können ihn nicht erhaschen, und bewegen ihn nur desto stärker zu bellen. Pantalon kömmt dazu, und die Spitzbuben eilen wieder auf ihre Posten; Pan talon erstaunt über die seltsame Rücke des Harlequins, daß er nicht, ohne sich zu leuchten, schlafen kann, denn er hat auch diesesmal das Licht aus den Händen zu setzen vergessen; er nimmt es ihm wieder weg, setzt es auf den Tisch und begiebt sich zum zweytenmale fort. Die Spitzbuben machen sich wieder an ihre Arbeit, und der Hund hebt aufs neue an zu bellen etc. Dieses Theaterspiel mit den ver gebnen Versuchen des Scaramouche und des Harlequin und der Dazu kunft des Pantalon auf das Bellen des Hundes, kann nach Belieben wiederhohlt werden. Endlich ist Pantalon den Spitzbuben so geschwind auf dem Dache, daß sich Harlequin über Hals und über Kopf, mit dem brennenden Lichte in der Hand, in den Koffer wirft, und den Scaramouche, statt seiner unter das Bette zu kriechen, nöthiget. Pan talon sieht durch die Spalte des Koffers Licht schimmern, und glaubt, er brenne; indem er ihn aber näher betrachtet, sieht er, daß er nicht verschlossen ist; er eröfnet ihn und findet zu seinem grossen Erstaunen weiter nichts als den Harlequin darinn, der noch immer das brennende
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Wachslicht hält. Nun wird dem Pantalon der Handel verdächtig; er nimmt den Harlequin das Licht zum letztenmale aus der Hand und sucht in der Kammer herum, um wenigstens nachzusehen, ob dieser mit dem Lichte nicht etwa Schaden gemacht; er sieht unter das Bette, erschrickt, als er einen Unbekannten darunter erblickt, und ruft: Diebe! Auf sein Geschrey kömmt das ganze Hausgesinde, nur halb an gekleidet und mit verschiedenen Instrumenten bewaffnet, herbey; doch sie sind alle zu verschrocken, als daß sie in der Geschwindigkeit die Spitzbuben verhindern könnten, zu entkommen; und so endet sich der dritte Aufzug. Vierter Aufzug. (Das Theater wird wie zu Anfange des er sten Aufzuges. Es ist Tag.) Mario klopft an die Thüre des Pantalon, und will mit Flaminien sprechen. Coraline macht auf, und sagt ihm, daß seine Geliebte vor Schrecken über die Spitzbuben in vergangner Nacht, krank geworden; sie hören den Pantalon kommen, und Mario begiebt sich weg. Pantalon erscheint, befiehlt der Coraline, den Arzt zu holen, und geht wieder hinein. Coraline geht ihre Commißion zu verrichten; und Scaramouche und Harlequin, die den Befehl des Panta lons mit angehört, nehmen sich eine neue Verkleidung vor, und treten ab. Der Doctor kömmt, und sagt in einem Monologue, er habe eben itzt erfahren, daß die Aeltern derjenigen, die er, und Pantalon zu ihren Schwiegersöhnen ersehen, nicht so gut stünden, als man sie habe bereden wollen; und dieses sey ohne Zweifel die Ursache ihres Aussen bleibens, welche Vermuthung er itzt seinem Freunde mittheilen wolle. Coraline kömmt wieder und sagt ihm, daß sie einen Arzt für die Flaminia holen müssen, worauf sie beyde zum Pantalon hineingehen. Das Theater verändert sich und stellt ein Schlafzimmer vor. Man erblickt darinn Flaminien, in dem Anzuge und der Stellung einer unbäßlichen Person, nebst dem Pantalon, dem Doctor und Coralinen, die ihr Muth einsprechen. Man klopft an; Coraline geht und sieht wer es ist, kömmt wieder und meldet den Arzt an. Pantalon befiehlt ihr, ihn hereinzubringen; sie führt den Harlequin, als Arzt verkleidet hinein, und geht ab. Während der Scene, in welcher sich Harlequin, so gut ihm möglich, aus der rolle, die er über sich genommen, zu wickeln sucht, kömmt Coraline in größter Bestürzung wieder, und sagt, daß Mario und Lelio von Spitzbuben angefallen worden; man eilet voller Verwirrung ihnen zu Hülfe; die Kranke bleibt mit dem Arzte
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allein, und dieser packet, ihres Geschreys ohngeachtet, alles Silberzeug, das er in dem Zimmer findet, zusammen, und geht damit fort. Pan talon kömmt auf das Geschrey der Flaminia wieder zurück, und sagt, sie solle sich nur trösten, es habe nichts zu sagen. Sie sind also noch, versetzt sie, zu rechter Zeit dazu gekommen? Ohne Zweifel; erwiedert Pantalon. Flaminia wünscht ihm Glück, daß er den Spitzbuben also noch angehalten, der alle sein Silberzeug weggetragen, und Pantalon wird über diese nähere Erklärung sehr bestürzt; denn als er sagte, es habe nichts zu sagen, hatte er es von der Gefahr verstanden, in welcher man ihm gemeldet, daß sich sein und seines Freundes Sohn befänden. Das Theater verändert sich abermals und wird wie zu Anfange des ersten Aufzuges. Man erblickt den Doctor, seinen Sohn Mario und den Lelio beysammen. Der Doctor bezeigt ihnen seine Freude, sie außer Gefahr zu sehen. Panta lon kömmt dazu; er hinterbringt dem Doctor, was er wegen der Liebe des Mario zu seiner Tochter, und seines Sohnes zu Lucinden, erfahren; und nach dem, was er wegen des Vermögens ihrer gehoften Schwieger söhne von ihm selbst gehört, hielte er es, setzt er hinzu, für das beste, wenn sie ihre alte Freundschaft durch eine doppelte Heyrath noch enger verknüpften, ohne auf die, welchen sie ihre Töchter bereits versprochen, länger zu warten. Der Doctor giebt seine Einwilligung; die zwey Väter klopfen an ihre Thüren und rufen Lucinden und Flaminien, die sich wieder besser befindet, heraus. Sie sind über diese Nachricht sehr erfreut; allein Scaramouche und Harlequin haben ihre Unter redung abermals mit angehöret, und machen sich fertig, ihnen bey der Gelegenheit neue Streiche zu spielen. Das Theater ändert sich und stellet den Garten an dem Hause eines Traiteurs vor; Mario, Fla minia, Lelio, Lucinde, Coraline, Pantalon und der Doctor treten herein, in dem Vorsatze, sich lustig zu machen. Sie rufen den Traiteur; Scaramouche erscheinet unter dieser Gestalt, und versichert sie, daß sie sich in einem Hause befänden, wo es ihnen an nichts fehlen solle, und wo man sie auf den Wink bedienen werde; er bittet sie, nur alles, was ihnen beschwerlich seyn könnte, abzulegen, und unter diesem Vor wande, bemächtiget er sich ihrer Degen, Stöcke, Hüte, Fecher, wenn sie sich zu Tische setzen wollen. Er verschwindet damit, und Harlequin,
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als ein Petitmaitre gekleidet, tritt statt seiner herein, und sagt ihnen, da er gehört, daß sich eine Gesellschaft braver Leute hier in dem Garten lustig mache, so habe er geglaubt, daß es ihr nicht unangenehm seyn könne, wenn ein Mann von seinem Stande und seinen Verdiensten an ihrem Vergnügen Theil zu nehmen, sich gefallen liesse. Er fordert hierauf eine Prise Taback von ihnen; und nachdem er eines jeden von der Gesellschaft gekostet, findet er zwar keinen nach seinem Geschmacke, allein die Tabatieren kommen ihm ausserordentlich schön vor, und unter dem Vorwande, sie genauer zu betrachten, behält er sie alle bey sich. Er verspricht ihnen hierauf, sie einen ganz vortreflichen Taback kosten zu lassen, und bietet ihn auch wirlich in einer hölzern Dose nach der Reihe herum, und zwar kömmt er an den Pantalon zuletzt, der den Taback aus Gefälligkeit lobet. Nun wohl, sagt Harlequin, ich schenke Ihnen den Taback und die Dose! Aber eben fällt es mir ein, daß ich noch eine kleine Verrichtung habe, die mir das Vergnügen nicht erlauben will, länger bey Ihnen zu bleiben. Und hiermit will er fortgehen; man hält ihn aber zurück und sagt, daß es ihm zwar frey stehe fortzugehen, nur werde er so gut seyn, und vorher eines jeden Dose wieder heraus geben. Sie scherzen, antwortet Harlequin; ich habe ja dem Herrn (indem er auf den Pantalon weiset) gesagt, daß ich sie ihm schenke. Er versucht aufs neue sich loszureissen, da er aber sieht, daß man ihm allzusehr auf dem Halse ist, und daß er durchaus sein Geschenke wiedernehmen, und alle zu sich gesteckte Dosen herausgeben soll, so wird er zornig, und fragt, für wen man ihn ansehe, und ob man einen Mann, wie ihn, für einen Spitzbuben halten könne? Kurz, er bietet ihnen Trotz, und will sich mit einem jeden von ihnen den Hals brechen. Sie laufen alle nach ihren Degen und Stöcken, doch Scaramouche ist dem Unglücke, das daraus entstehen könnte, zuvor gekommen, und hat ihnen alle angreiffende Waffen weislich aus den Händen gerückt. Das Hausgesinde des Traiteurs kömmt auf ihr Schreyen dazu, so wie, zu Ende des dritten Aufzuges, das Hausgesinde des Pantalons, auf das Geschrey ihres Herrn dazukam; sie sind auf die nehmliche Weise, aber mit eben so wenig Nutzen bewaffnet, weil Harlequin Gelegenheit findet, sich während des Lerms davon zu machen, womit sich der vierte Aufzug beschließt.
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Fünfter Aufzug. (Das Theater stellet ein Coffeehaus vor.) Alle die Personen, die sich in dem Garten des Traiteurs lustig machen wollen, sind auf dem Coffeehause beysammen. Scaramouche kömmt als ein Juwelenhändler verkleidet herein, und stiehlt ihnen ihre Uhren, indem sie seine Waaren besehen und feilschen. Er gehet ab, und Harle quin kömmt an seiner Statt, in einen Kaufmann verkleidet, der mit Lotterielosen handelt. Seine geschickte Hand hält Nachlese, und sammelt vollends alles ein, was dem Fleiße des Scaramouche entwischt war. Gleichwohl merkt niemand eher, daß er bestohlen worden, als bis Harlequin bereits weg ist; sie halten sich an den Herrn des Caffee hauses und an dessen Leute; es entstehen darüber Händel, und man schickt nach einem Commissar. Scaramouche kömmt in der Kleidung einer Gerichtsperson und Harlequin spielt die Rolle seines Schreibers. Indem der Commissar sein Interrogatorium hält, und alle auf ihn Acht geben, ist sein Schreiber bemüht, eine schöne Uhr von der Wand herab zu häckeln; allein es wird es jemand gewahr und der Schreiber, mit samt dem Commissar, machen sich mit der Flucht davon und werden verfolgt. Das Theater verändert sich und stellt ein Zimmer in dem Hause des Pantalon vor. Der Doctor tritt mit ihm herein; sie sagen, daß die Spitzbuben abermals entkommen, daß man es aber der Obrigkeit gemeldet, die deswegen Nachsuchung werde thun lassen. Mario und Lelio kommen dazu, und erzehlen ihnen, daß man die Schelme endlich doch ergriffen; man bringt sie geführt, und thut ihnen kund, daß sie sich aufs Rudern nur gefaßt halten sollen. Sie bitten um Gnade, sehen aber nicht die geringste Wahrscheinlichkeit sie zu er halten. Auf einmal fängt Harlequin an zu schreyen: Feuer! Feuer! Man erschrickt, und jeder drengt sich, zu sehen wo es ist. Die Spitz buben machen sich den Augenblick zu Nutze, und entkommen. Sie werden verfolgt und das Theater wird wieder, wie es zu Anfange des ersten Aufzuges war. Harelequin und Scaramouche kommen in vollem Lauffe, der eine auf dieser, und der andere auf jener Seite, herein; sie treffen sich, und sagen, daß sie ihren Feinden zwar noch glücklich entkommen, daß sie aber allzu berühmt zu werden anfingen, und es also wohl nicht wagen dürften, in dem Lande länger zu bleiben; das beste wäre wohl, wenn sie mit einander wieder in ihr Vaterland, nach
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Bergamo, reiseten. Sie gehen mit einander ab, und die Komödie hat ein Ende.


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