Einführung

Jacob August Franckenstein: Portugiesisches Theatrum
Flemming Schock

1. Titel
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Portugiesischen Theatrum Worinnen Dieses Königreichs völlige Historie und sonderbahre Veränderungen enthalten/ Welche mit den benöthigten Allegatis Autorum versehen/ dabey hin und wieder die Historischen Zweiffel erörtert/ Auch zuletzt gehörige Nachricht von der Portugiesen Qualitäten/ Praetensionen/ dieses Reichs Einkommen und Waaren/ nebst denen Absichten desselben auf andere hohe Potentien gegeben wird/ Von D. Jacob August Franckenstein/ Hoch-Fürstl. Anhalt-Zerbstischen Hof- und Regierungs-Rath. Halberstadt/ bey Johann Michael Teubner/ Königl. Preußis. Privilegirten Buchhändler/ 1723. Halberstadt: Michael Teubner, 1723. - Titelseite (Kupfertafel), 128 pag. S., 8°. [opac ↗184412773]

2. Verfasser
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Jakob August Franckenstein (1689-1733), Rechtsgelehrter, Publizist, Lexikograf. Über Franckenstein, der dem „gebildeten Leipziger Bürgertum“ (Nowosadtko) entstammte, ist biographisch nur wenig bekannt. Kurzzeitig war Franckenstein als Hofrat am Regierungssitz der Fürsten von Anhalt-Zerbst tätig. Größere Spuren als seine Tätigkeit an der philosophischen Fakultät Leipzig – wo er zuvor auch studiert hatte (Erwerb des juristischen Doktorgrades 1719 in Erfurt) – hat seine rege publizistische Tätigkeit im Kreis des bedeutenden Leipziger Professors und Zeitschriftenherausgebers Johann Burckhardt Mencke (1674-1732) und besonders seine redaktionelle Leitung der ersten beiden Bände von Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexicon (1732-1756) hinterlassen.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschien im Jahre 1723 – wie die seriell anschließenden Teile des Schweitzerischen (1724) und Englischen Theatrum (1725) ebenfalls – bei Johann Michael Teubner in Halberstadt. Eine publikationsgeschichtliche Besonderheit: Tatsächlich sollten oder konnten alle drei Werke vom Leser nach Franckensteins ursprünglichem Plan zu einer Sammlung europäischer Staatsgeschichten zusammengeführt bzw. gebunden werden; sie konnten jedoch, je nach Vorliebe, ebenso als autonome Teile „à parte“ betrachtet werden. Über dieses Konzept heißt es in der Vorrede an den Leser: „Daß keines [der Theatra] das I. oder II. Stück heist, ist darum geschehen weil ich jeglichen so sich dieser Arbeit bedienen will, überlasse, ob sie viele Stück zusammen binden, oder jedes à parte accomodiren lassen […]“ (Vorrede, unpag.). Für den Fall einer Zusammenführung aller drei europäischer Theatra stellte Franckenstein dem Portugiesischen Theatrum den Gesamt- bzw. Reihentitel Historisches Theatrum Derer vornehmsten Europäischen Reiche voran; er befindet sich im vorliegenden Werk vor dem Titel des Portugiesisches Theatrum. Der vollständige Gesamttitel lautet: Historisches Theatrum Worinnen Derer vornehmsten Europäischen Reiche Staaten völlige Historie Und besondere Veränderungen enthalten, Welche mit den benöthigsten Allegatis Autorum versehen, dabey hin und wieder die vorkommenden historischen Zweifel erörtert, Auch zuletzt gehörte Nachricht von jeder Potentz, Qvalitäten derer Unterthanen/ besondern Regiments-Form, Prätensionen, , Einkommen und Waaren, nebst denen sonderlichen Absichten deroselben auf mächtige Staaten ertheilet wird, entworffen Von D. Jacob August Franckenstein/ Hoch-Fürstl. Anhalt-Zerbstischen Hof-und Regierungs-Rath. Halberstadt Bey Johann Michael Teubern. 1723.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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3.2.1. Digitale Ausgabe
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4. Inhalt
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Die „Vorrede an den geneigten Leser“ ist im Vergleich zum Gros der historischen Theatra theoretisch auffällig akzentuiert. Franckenstein hebt hier neben der genreüblichen Betonung des Werts der „Erlernung der Historie“ das Problem der geschichtlichen Wissensfülle und ihrer methodischen Erfassung hervor: „Man hat zwar fast niemahls unterlassen, die Geschichte voriger Zeiten zu untersuchen, allein dieses erforderte wegen grosser Weitläufftigkeit allzu viele Zeit, dahero man solchen abzuhelffen bedacht gewesen, kurtze compendia zu Erleichterung dieses schweren Studii aufzusetzen“ (unpag.). Zu kritisieren seien allerdings die theoretischen Grundlagen vorheriger „Historischer Wissenschaft“ (Vorrede, unpag.); sie hätten nicht viel mehr als das Gerüst der mittelalterlichen Vier-Reiche-Lehre geboten (die Abfolge der vier historischen Weltreiche der Babylonier, der Meder, der Perser sowie der Römer) – bis Samuel von Pufendorf (1631-1694) diese in seiner Einleitung zu der Historie der vornehmsten Reiche und Staaten, so itziger Zeit in Europa sich befinden (Frankfurt 1684) „in ein besseres Licht“ (Vorrede, unpag.) gesetzt habe. Deutlich beruft sich Franckenstein auf Pufendorffs „Pragmatische Historie“ (Vorrede, unpag.) als Vorbild seines eigenen Werks: „[…] daher ich auch frey bekenne, daß ich in derselbigen Methode lieber dem Herrn Puffendorff als andern folgen wollen“ (Vorrede, unpag.). So lässt auch Franckensteins eigenes Vorhaben eher an eine Theorie der Geschichte denn an Geschichtsschreibung selbst denken: „Dessentwegen habe ich mir vorgenommen, eine Anleitung zu der Politischen Historie zu verfertigen, welche, so viel möglich, vor eine Pragmaticam Historicam passiren, und zugleich die nöthigen Beweißthümer aus glaubwürdigen Autoribus und Documenten in sich halten sollte, wobey ich mich befleissigen werde, daß die Arbeit sattsam ausgeführet, jedoch durch allzugrosse Weitläufftigkeit nicht verdreißlich fallen möge“ (Vorrede, unpag.).

Es schließt sich ein anschaulicher Bezug auf die Theatrum-Metaphorik an, indem Franckenstein auf die berühmte Inschrift des Globe Theatres in London („Die ganze Welt handelt als Schauspieler“) anspielt: „Ich habe es ein Theatrum genennet, weil das alte Sprichwort bekannt: totus mundus agit Historioniam, welches jedoch mit allen Unterthänigsten Respect von hohen Häuptern will verstanden haben. Denn gewiß, es ist die gantze Welt ein Theatrum, da das veränderliche Glücks-Spiel immer solche Sachen vorstellet, welche man vor Alters schon wahrgenommen, nur daß die agirenden Personen durch Todes-Fälle verändert werden“ (Vorrede, unpag.). Im Folgenden erläuterte Franckenstein die konzeptionelle Anlage seines Werks: Ihm schwebe ein Reihenkonzept europäischer Staaten vor. Den Anfang soll die portugiesische Geschichte machen, obwohl die endgültige Ordnungsfolge noch nicht feststehe: „Die Ordnung, wie diese Stück nach einander heraus kommen sollen, kann ich zum voraus nicht melden [...]“ (Vorrede, unpag.). Darauf kommentiert und rechtfertigt der Autor die zeitliche Epochengewichtung seines Textes – die „mittlere“, also mittelalterliche Geschichte des Landes, solle etwa nur dort Erwähnung finden, wo es um die konkrete Benennung von Ansprüchen gehe: „Die Einrichtung, wie man aus dem gegenwärtigen Portugiesischen Theatro siehet, habe auf diese Arth am nützlichsten geachtet, dass ich die alte Historie kürtzlich vortrage, die Mittlere, wo es nöthig, sonderlich wegen Praetensionen und dergleichen ausführlicher vorbringe, und die Neue, wegen der anmuthigen und auch sehr nöthigen Umstände, etwas weitläufftiger vorstelle“ (Vorrede, unpag.). Teil einer solchen „völligen Historie“ (Vorrede, unpag.) müssten nicht zuletzt Bemerkungen „von jedes Volcks Qualitäten, besondern Regierungs-Formen“ (Vorrede, unpag.) liefern. Den weitgehenden Verzicht auf genealogische, choro- und topographische Abschnitte verteidigt der Autor mit dem ausdrücklichen und sowohl bescheidenen Argument der ‚nützlichen’ Kürze: „[…] indem ich hier nicht etliche grosse Folianten, sondern nur ein Mittelmäßiges Buch zu einer nützlichen Anleitung auszuarbeiten, Sinnens bin“ (Vorrede, unpag.).

Nach einer kurzen „Vorrede des Verlegers“ folgt der eigentliche Haupttext; unterteilt ist er in insgesamt vier Kapitel, Franckenstein nennt sie „Haupt-Veränderungen“. Das erste Kapitel, die „Haupt-Veränderung von denen alten Zeiten/ bis auf den Ausgang des rechten Stammes“ (S. 3) bringt zunächst kurze etymologische Erörterungen über die Herkunft des Namens Portugal. Die Darstellung folgt dann alsbald dem verbreiteten Muster, die politische Geschichte von Staaten primär als (genealogische) Folge von Herrscherbiographien narrativ zu entwickeln und den Text zu strukturieren – jedem Regenten wird ein eigener Paragraph („§“) über jeweils wenige Seiten zugestanden. Franckenstein beginnt chronologisch mit dem ersten Auftreten der Burgunderherrscher, bei Heinrich von Burgund (1069-1112), und verweist schon von Beginn an auf die Dissonanzen der Quellen: „Woher dieser Henricus eigendlich entsprossen/ sind die Scribenten fast alle uneinig“ (S. 5). Ab „§. 2.“ (S. 9) folgt Alfons I. (1109-1185) und dessen politische Selbstbehauptung (im Kampf gegen die Mauren). Eingestreut werden kleinere Exkurse, etwa zur Frage „Woher das Wapen“ (S. 12) Portugals gekommen sei. Nur selten weiß Franckenstein über einzelne Regenten – wie z.B. Alphons II. (1185-1223) – „[…] nichts sonderliches zu melde“ (S. 15). In der Regentschaftsbeschreibung von Alphons III. (1210-1279) (S. 19) streut die Darstellung erstmals rudimentär geographische Informationen ein: „Es ist zwar dieses Land an sich selbsten klein/ Portugal aber ungemein wohl gelegen/ indem auf die Arth dessen Gräntzen auf selbiger Seite biß an die See erweitert worden […]“ (S. 20). Wiederholt zeigt sich das Bemühen des ‚Historicus‘, ausgewogen und zurückhaltend zu urteilen. Über Peter I. (1320-1367) heißt es etwa: „Sein Sohn Petrus wird insgemein Crudelius benennt/ wiewohl die meisten seine Strängigkeit nur vor eine allzuscharffe Verwaltung der Gerechtigkeit/ ausgeben“ (S. 25). Das erste Kapitel endet mit dem Tod des letzten Königs aus dem Haus Burgund (Ferdinand I. 1345-1383).

Ab S. 30 folgt die „2. Haupt-Veränder. Vom König Johanne dem Unechten und dessen männlichen Nachkommen“ . Hier beschäftigt sich Franckenstein zunächst mit dem spanischen Interregnum und den Ansprüchen Kastiliens auf den portugiesischen Thron. Mit der Beschreibung der Regentschaft Manuels I. (1460-1521) zeigt sich die allmähliche Perspektivverschiebung hin zur Rolle Portugals in der Entdeckungsgeschichte und dem einsetzenden kolonialen Wettlauf: „Bey dieses Königs Zeiten ist Portugal zu dem höchsten grad seines Glückes gelanget/ indem die Schiffarth um Africa, so Johann der II. allbereit angestellet/ nunmehro völlig ausgeführet worden. Vasco da gama war der erste so zu Calicut anno 1479. anlandete [...]“ (S. 50). Wirtschaftliche Aspekte werden ergänzt, so folgen einige Ausführungen zum „Handel nach Africa und Ost-Indien“ (S. 52). Hier überrascht, dass der sonst sich kritisch-nüchtern gebärdende Autor auch durchaus phantastische Episoden – im offensichtlichen Unterhaltungssinn – kolportiert. So soll ein portugiesischer Soldat während eines Kampfes in Ostindien „[...] so tapffer soll gewesen seyn/ daß/ nachdem er seine Kugeln alle verschossen/ er zuletzt seine Zähne ausgebrochen/ und damit unter die Feinde gefeuert“ (S. 54).

Ab S. 67 beginnt das dritte Kapitel („Die dritte Handlung“) über die Habsburgische Herrschaft, „Worinnen die Spanische Könige enthalten“. In den ‚einschmeichelnden‘ Versuchen des ungeliebten Philipp II. (1578-1621) spart das Portugiesische Theatrum auch nicht mit amüsanten Details: „Indeß waren die Portugiesen über diese Veränderung höchst mißvergnügt/ daher Philippus, die unruhigen Gemüther zu besänfftigen selbst nach Lissabon zog/ allda seine Residenz auf etliche Jahr anlegte. Portugiesischer Kleidung sich bediente/ den Barth nach ihrer Manier putzen ließ“ (S. 72). Einmal mehr geraten im Folgenden die kolonialen Auseinandersetzungen in den Blick, das heißt Franckensteins Text verlässt erneut die europäische Landkarte und verortet die portugiesischen Ambitionen in weltpolitischen Zusammenhängen. Unter Philipp III. (1605-1665) werden unter anderem die Auseinandersetzungen zwischen Portugiesen und Japanern aufgegriffen, gefolgt von der Christenverfolgung im gleichen Land; Frankenstein schildert sie ausführlich, hier steht nicht zuletzt die reißerische Qualität des Themas im Hintergrund: „Jedoch kunte man wenige […] zum Abfall zwingen/ daher die Japponeser eine andere Marter erdachten“ (S. 81). Letztlich heißt es: „Hierdurch haben es die Japponeser so weit gebracht/ daß unter ihnen kein Christe mehr zu finden/ auch denen Portugiesen bey Leib und Lebens-Straffe untersaget/ weiter in ihr Land zu kommen“ (S. 82).

Ab S. 95 beginnt „Die Vierte Haupt-Veränderung. Von denen Königen aus dem Hause Braganza“. Im Mittelpunkt stehen hier weitgehend die Auseinandersetzungen im Rahmen des spanisch-portugiesischen Kriegs; allerdings bringt Franckenstein in diesem letzten Kapitel mit „§. 6.“ (S. 116) – und einiger Verspätung – die eingangs versprochenen ‚ethnographischen‘ Nachrichten zu einzelnen Nationen. Sie bewegen sich ausschließlich im Horizont frühneuzeitlicher Nationalstereotype: „Von derer Portugiesen Naturell zu gedencken/ so sind sie an Hoffarth denen Spaniern gleich/ jedoch nicht so fürsichtig/ als jene“. Gegen Ende des Textes – der Berichtszeitraum nähert sich allmählich der Gegenwart des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts – bringt Franckenstein resümierende Einschätzungen über die Stellung bzw. den Ort Portugals im europäischen Mächtegefüge und der kolonialen Konkurrenz: „Das ansehnlichste Stück/ so sie auswärtig besitzen/ ist wol die Landschafft Brasilien/ so ein langer Streich Landes/ welcher in America an der See lieget“ (S. 120). Oder, mit Blick auf die Jetztzeit: „Auf diese Arth darf Portugal die übrigen Staaten von Europa nicht sehr irritiren/ sondern hat genug/ wenn es sich bey seinem Stande erhalten mag/ zumahl wenn es zur See mit einem mächtigern sollte zu thun haben“ (S. 126). Abschließend folgen ähnliche Wertungen zu den anderen großen Mächten Frankreich, Holland und England. Für diese Abschnitte greift Franckenstein auch auf jüngere Zeitschriften-Quellen zurück, wie etwa den Neu-eröffneten Welt- und Staatsspiegel (Augsburg, 1709-1716) (S. 117) oder das Curieuse Bücher-Cabinet, oder Nachricht von historischen Staats- und galanten Sachen (Halle 1713 ff.) (S. 121).

5. Kontext und Klassifizierung
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Das vorliegende Portugiesische Theatrum ist zwei Kontexten zuzurechnen: Im Rahmen des Gesamtkorpus der Theatrum-Literatur ist Jakob August Franckensteins Werk Teil des weit ausdifferenzierten historischen Themenfeldes. Es erstreckt sich auf rund ein Viertel der gesamten Buchtheater. Zahllose Theatra – sowohl auf Deutsch als auch auf Latein – hatten sich der Vermittlung geschichtlicher Gesamtdarstellung entweder der jüngsten Zeit oder größerer Zeiträume verschrieben und bedienten ein deutlich gestiegenes historisches Interesse; ein Interesse, das andere Verlage auch jenseits der Theatrum-Literatur mit verwandten und teils umfassenderen Projekten zu befriedigen suchten: Seit dem frühen 18. Jahrhundert gab etwa der Hallische Verlag Renger eine vierzig Titel umfassende historische Serie über Die europäischen Staaten heraus. Da die Einzeltitel jeweils nur auf einen europäischen Staat und nicht auf Europa insgesamt bezogen, waren die Einzeltitel dieser Reihe im Grunde nicht historische ‚Universal’-, sondern ‚Spezialenzyklopädien’ – eine Trennung, die sich auch für die historischen Theatra treffen lässt, als im Fokus der meisten Werke meist einzelne, teils sogar kleinräumige Gebiete oder eben Europa (und die Welt) als Ganzes standen. Das Portugiesische Theatrum kombiniert durch seinen besondere Konzeption in gewisser Weise beide Aspekte: das Portugiesische, Englische und Schweitzerische Theatrum waren separat zu kaufen, sollten sich jedoch in der Summe zu einem Panorama der Derer vornehmsten Europäischen Reiche Staaten ergänzen und verdichten. Diese Konzeption als jährlich veröffentlichter Reihentitel („Ich gedencke dieses Theatrum einzeln heraus zu geben, und zwar meistlich […] jeglicher Leipziger Messe ein Stück […]“, Vorrede, unpag.) verweist bereits auf den zweiten der oben genannten Kontexte: die seriellen bzw. periodischen Kleindrucke der Publizistik. De facto zeigen nur wenige weitere Werke der Theatrum-Literatur eine derart deutlich geäußerte Affinität zu der neuen periodischen Presse- und Wissenspublizistik der Zeit, in der sich Franckenstein in den Folgejahren (siehe Autor) noch erfolgreich bewähren sollte. Nicht anders als ein großer Teil der genealogischen Literatur, der chronikalischen Kompilationen (Theatrum Europaeum) und der späteren Zeitungslexika versteht sich das Portugiesische Theater als Ergänzungsangebot zum aktuellen politischen Informationsangebot der Zeitungen, bei deren Lektüre es für das Publikum zunehmend schwerer wurde, historische Zusammenhänge und vor allem die wachsende Masse des politischen Personals auf der europäischen Bühne zu überblicken. ‚Universaleuropäische‘ Überblicke wie das Portugiesische Theatrum konnten an diesem Punkt als erklärende Unterstützung zur Zeitungslektüre dienen; als Komplementärangebote waren sie zugleich jedoch an die Zeitungen als eine der wesentlichen Quellen gebunden. Denn auch Franckenstein will die Publikation seines Werks vom Nachrichtenstand in den Zeitungen abhängig machen und damit ‚zeitnah‘ publizieren: „[…] daß wenn etwa bey jetz vorlaffen Läufften von einem Reiche oder Staat viel neues in denen Zeitungen vorkommen sollte, ich so dann das Theatrum davon eher als ich sonsten gedacht, zum Druck befördern werde“ (Vorrede, unpag.). Auffällig ist allerdings, dass Franckenstein seinen Text zur portugiesischen Geschichte seit dem Mittelalter zu überwiegenden Teilen überhaupt nicht aus Zeitungen oder Zeitungschroniken (das Theatrum Europaeum wird erst auf S. 97 als Quelle angeführt) zusammenbringt: Vielmehr zeigt die ‚gelehrte Auszierung‘ des Anmerkungs- und Nachweisapparates ein beeindruckend breites und mehrsprachiges Quellenpanorama (darunter auch andere Buchtheater wie Johann Mercks Trauer-Schau-Bühne der Durchleuchtigsten Männer unserer Zeit (Ulm 1665) (S. 62) oder Erasmus Franciscis Lustige Schau-Bühne von allerhand Curiositäten (Nürnberg 1663) (S. 86)), das Franckenstein im handlichen Oktavformat geschickt verdichtet und extrahiert. Im kompilatorischen Verfahren verrät sich dabei nicht nur ein weit minutiöseres – und transparenteres – Vorgehen als im Gros der übrigen historischen Theatra, sondern auch eine weit kritischere Haltung gegenüber den Quellen. Dabei werden auch sonst weitgehend unhinterfragte Schlüsseltexte des späten 17. Und frühen 18. Jahrhunderts bemängelt, wie etwa die Reisebeschreibung Les Six Voyage (1676) von Jean-Baptiste Tavernier (1605-1689); zu deren Passagen über Japan vermerkt Franckenstein: „Tavernier ist zwar ein Reformirter/ aber ein Feind der Holländer gewesen/ wie aus seinem Buch zu sehen/ dem ich daher nicht völlig glauben wollte […]“ (S. 78). Ähnlich bestimmt klingt er auch in der Kritik einer älteren Ausgabe des französischen Journal des Scavans: „Journal des Scavans 1692.p. 361. Allein ich mag dieses nicht vor sichere Wahrheit ausgeben […]“ (S. 86). Implizit appelliert der Autor in seinen quellenkritischen Einlassungen mehrfach auch an das Urteilsvermögen der Leserschaft. So heißt es etwa: „wie weit nun diese Relation richtig/ lasse ich billig dahin gestellet seyn“ (S. 39).

Im Ganzen ist Franckensteins Portugiesisches Theatrum ein paradigmatisches Beispiel für viele geschichtliche Theatra, die weite historische Bögen und reichhaltiges Quellenmaterial ins ‚Taschenformat‘ verdichten und Wissen im besten Sinne der Theatrum-Metaphorik leicht überschau- und konsultierbar machen.

6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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