Einführung

Anonym: Schau-Platz der Ottomannischen Gerechtigkeit
Flemming Schock

1. Titel
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Der zu Bender Eröffnete Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit Oder die Blutige Revange, Welche Seine Sultanische Majestät Achmet III. In aufrichtiger Faveur des Königl. Schwedischen Interesse/ von denen Urhebern des bestürmten Königl. Palais zu Varniza/ und der darunter gesteckten Verratherey öffentlich genommen haben. o.O. 1713. - Titelseite (Holzschnitt), 7 unpag. S., 4°.

2. Verfasser
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Der Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit wurde anonym publiziert.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschienen im Jahr 1713 ohne Angabe eines Druckortes.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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3.2.1. Digitale Ausgabe
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4. Inhalt
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Gegenstand des vorliegenden kurzen Textes ist die Bestrafung jener osmanischen Befehlsführer, die wenige Monate zuvor – Ende Januar 1713 – den schwedischen König Karl XII. (1682-1718) offenbar zuwider den eigentlichen Absichten Sultans Ahmed III. (1673-1736) angegriffen, festgesetzt und nach Adrianopel gebracht hatten (siehe Kontext). Der Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit setzt die Kenntnis dieser Ereignisse aus der aktuellen politischen Publizistik der Zeit voraus und steigt wenige Monate nach dem Übergriff im Januar direkt in der Ereigniskette ein: „Bender/ vom 30. Martii 1713: So bald Se. Maj. Der König von Schweden/ durch die rühmliche Vorsorge des Mustapha Bassa/ aus denen Händen der ungetreuen Barbaren entrissen/ und unter einer suffisanten Escorte von 500. Muselmännern/ glücklich in Adrianopel geliefert worden“ (unpag., [S. 1]). Umgehend kommt der Text auf die von Sultan Ahmed III. eingeforderte „genaue Untersuchung solches Aufruhres“ (unpag., [S. 1]) zu sprechen. So wird über den Protest zweier französischer Botschafter berichtet, die gegenüber dem Sultan das Vorgehen gegen Karl XII. anklagen – ihnen zufolge seien die Schuldigen klar zu benennen: „daß die Tartarn mit Zuziehung eines meineydigen Complots von Türcken/ so gewaltige und unerhörte Proceduren/ gegen das gekrönte souveraine Haupt. Sr. Königl. Majest. Von Schweden/ zu Bender vorgenommen hätten“ (unpag., [S. 1]). Dieser Protest habe den türkischen Sultan veranlasst, „eine Inquisition wieder die Verbrecher anzustellen“ (unpag., [S. 2]); durchgeführt wurde diese durch den Großvezier und wandte sich als erstes gegen die „Person des Seraskier Bassa von Bender“ (unpag., [S. 3]) – der Vezier habe diesen allerdings, anders als von den Janitscharen gefordert, nicht stranguliert, sondern (als seinen Freund) an den Sultan gesandt. Darauf heißt es: „Nunmehro traff diese Inquisition diejenigen Officierer/ welche so fort den 13. Februar. nach der Bestürmung des Schwedischen Retrenchements/ in scharffen Arrest gezogen worden“ (unpag., [S. 4]). Auf Drängen der von „Rach-Gedancken erfüllte[n] Janitscharen“ (unpag., [S. 5]) sei es zu „einer grausamen Execution“ (unpag., [S. 4]) vor allem an den Tartaren gekommen. Darauf folgt die Darlegung der Hinrichtung eines besonders verhassten Kommandeurs. Der eigentlich in ‚unparteiischer‘ Tonalität gehaltene Bericht schließt angesichts der desolaten Situation Karls XII. (als faktisch Gefangenem der Türken) mit einem überraschenden „Befund“: „Ja gantz Orient beginnet wie billig Carolum den XII. anzusehen/ als einen Monarchen/ durch welchen der Arm des wunderbahren Gottes/ noch grosse Dinge auszurichten/ vorhabens ist“ (unpag., [S. 7]).

5. Kontext und Klassifizierung
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Der vorliegende Druck aus dem Kleinschrifttum markiert im Rahmen des Theatrum-Korpus einen medialen Sonderfall: Während zahllose Theatra des 17. und 18. Jahrhunderts das historisch-politische Themenfeld in Buchform meist umfänglich (enzyklopädisch) abdecken, bilden kurze, nicht mehr als einen Bogen starke politische Flugschriften wie der Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit eine Seltenheit. Thematisch war das Osmanische Reich hingegen durch sein andauerndes Bedrohungspotential für Europa grundsätzlich ein ‚Dauerthema‘ der historischen Theatrum-Literatur. Dazu nur einige chronologische Beispiele: Paul Conrad Balthasar Han: Die jetzt-lebende Türckey (1678), anonym: Türkische Schau-Bühne (1685), anonym: Türkischer Schau-Platz (1685), Iriniphilus Nugaeserius Freymund: Morphei Französische-Türckische Schau-Bühne (1690), anonym: Venetianisch-Türkisches Kriegs-Theatrum (1716), anonym: Neues Kriegs-Theater oder Sammlung der merkwürdigsten Begebenheiten des gegenwaertigen Krieges zwischen den Russen und Türcken (1773).

Die ohne Angabe des Ortes oder des Verfassers erschienene Flugschrift Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit steht im weiteren historischen Zusammenhang des Großen Nordischen Krieges (1700-1721), in dem das Russische Zarenreich, Sachsen-Polen und Dänemark sowie Norwegen auf der einen Seite gegen das Schwedische Königreich auf der anderen Seite um die Vorherrschaft im Ostseeraum kämpften (allein im Theatrum Europaeum nehmen die Kriegsereignisse mehrere hundert Seiten pro Band ein). Der spezielle Publikationsanlass des Schau-Platzes Der Ottomanischen Gerechtigkeit ist ein Zwischenfall im Ort Bender (heutiges Moldawien) während des Aufenthaltes des schwedischen Königs Karl XII. (reg. 1697-1718) im Osmanischen Reich, das er für den Kriegseintritt gegen Russland zu gewinnen suchte: Ende Januar 1713 kam es hier zu einer Auseinandersetzung zwischen osmanischen Militärs und dem Gefolge Karls XII. in dessen Lager in Bender, nachdem Sultan Ahmed III. (1673-1736) die Ausweisung Karls XII. befohlen hatte. Nach einem nur widerwillig ausgeführten Angriff der osmanischen Janitscharen-Truppen wurde Karl XII. letztlich festgesetzt, allerdings bestrafte Ahmed III. auch die Befehlsführer, die an der Eskalation der Situation eine Mitschuld trugen. Das Ereignis wurde in der historischen Publizistik auch außerhalb Schwedens vielfach und zeitnahe rezipiert und brachte unter anderem mehrere deutsche Flugschriften hervor, darunter die von Friedrich Konrad Greflinger (1670-1717) verlegte Warhaffte und Umbständliche Relation Von demjenigen/ was im nächstverwichenen Januarii und Februarii Monathe/ Mit Ihro Königl. Majestät zu Schweden/ Bey Bender vorgefallen sowie Die Neu-eröffnete und sichere Schwedische Correspondenz Von und nach Bender, oder Monathliche Relation von Allen Begebenheiten Welche so wohl in Constantinopel an dem Türckischen Hofe Als auff dem Marsche, und in dem Lager Shr. Königl. Majestät von Schweden […] von Zeit zu Zeit vor gehen […] oder Das bestürmete Königl. Schwedische Palais zu Varzina Oder Die vollständige Relation, Welche die Ottomann. Pforte Seiner Allerchristl. Majest. Ludewig den XIV. Durch einen abgeordnete Aga und Groß-Gesandten Von der Rebellion Welche wider Se. Majest. den König in Schweden Bey Bender tentiret worden, abstatten lassen. Anders als diese Kleindrucke berichtet der Schau-Platz Der Ottomannischen Gerechtigkeit nicht von den Ereignissen Ende Januar, sondern setzt direkt mit der Aburteilung der (vermeintlich) Verantwortlichen ein.

6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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