Einführung

Johann Erhard Kapp: Schauplatz des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri
Melanie Fülling
Studentisches Projekt unter Betreuung von Nikola Roßbach

1. Titel1
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Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri, Andere Verbesserte, und mit einigen Stücken vermehrte Auflage. Leipzig, 1720. Verlegts Johann Christian Martini. Erfurt und Leipzig: Johann Christian Martinii, 1717. - Titelblatt (Kupferstich), 126 pag. S., 8°. [opac ↗180018620]

2. Verfasser
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Johann Erhard Kapp wurde am 23. März 1696 in Oberkotzau bei Hof geboren und ist am 7. Februar 1756 in Leipzig gestorben. Kapp widmete sich als Rhetoriker vor allem den Studien theologischer Schriften der Reformationszeit. Dabei untersuchte er vorzugsweise Urkunden Martin Luther und Johann Tetzels.

Als Sohn eines Fuhrmanns besuchte Kapp ab 1706 ein Gymnasium in Saale, wodurch er sich für seinen späteren beruflichen Werdegang die notwendige Bildung aneignen konnte. Im Jahr 1714 nahm er ein Studium der Theologie in Leipzig auf. Seine Lehrer Christian Friedrich Börner (* 06. November 1683 in Dresden; † 19. November 1753 in Leipzig) und Johann Gottlob Carpzov (* 16. September 1679 in Dresden; † 07. April 1767 in Lübeck) hatten einen prägenden Einfluss auf Kapps wissenschaftliche Beschäftigung mit der lutherischen Orthodoxie während seines Studiums. Der Begriff ‚lutherische Orthodoxie‘ meint die Konsolidierung der lutherischen Theologie und charakterisiert infolgedessen den Übergang der Reformationszeit zur Neuzeit. Kapp lernte bei Börner und Carpzov sowohl exegetische und kirchengeschichtliche Themen, als auch die Lehre der neutestamentlichen Schriften kennen. Zudem erhielt er Zugang zu verschiedenen Bibliotheken. Hervorzuheben ist die Bibliothek von Johann Burckhardt Mencke (* 08. April 1674 in Leipzig; † 01. April 1732 in Leipzig), die für Kapp reiche Schätze darbot.

Er nutzte die Möglichkeit journalistische Tätigkeiten vorzunehmen, indem er u.a. gelehrte Arbeiten kommentierte. Diese Bekanntmachungen über fachliche bzw. private Informationen aus dem Leben von Gelehrten wurden als Beiblatt mit dem Titel Nova literaria in dem wöchentlichen Journal Neue Zeitungen von gelehrten Sachen veröffentlicht.

Kapp nutzte dabei den Einfluss der Gelehrten Börner wie auch Carpzov. Im Jahr 1715 schloss sich Kapp dem Kollegium der Historischen Literatur an, das von dem lutherischen Theologieprofessor Johann Georg Walch (* 17. Juni 1693 in Meiningen; † 18. Februar 1775 in Jena) gegründet worden war. Diese Vereinigung traf sich zur Pflege der Gelehrtengeschichte und publizierte unter Walch ein wöchentliches kritisches Journal mit dem Titel Allgemeine Literatur Zeitung. Die Rezensenten der Zeitung befassten sich mit philosophischen und theologischen Themengebieten, u.a. mit den reformatorischen Schriften Luthers.

Am 17. Februar 1718 erhielt Kapp den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie. Er war nun Mitglied des von Börner geleiteten collegium exegeticum practicum und auch in Carpzovs collegium disputatorium. Zudem trat Kapp am 16. März 1720 in das ältere Prediger-Collegium ein. Mit seiner Schrift Schauplatz Des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri aus dem Jahr 1717 erwarb er die Erlaubnis, künftig auch an Hochschulen als Magister legens tätig zu werden. Ab diesem Zeitpunkt befasste sich Kapp überwiegend mit der Reformationsgeschichte. Hauptaugenmerk seiner Recherche waren sowohl die Streitschriften als auch die Urkunden der Reformationszeit, die er mit Einleitungen und Anmerkungen verbesserte und erweiterte.

Ab 1725 war Kapps Leben von verschiedenen Ämtern, Mitgliedschaften und Tätigkeiten geprägt, die seinen beruflichen Werdegang positiv beeinflussten. Er wurde im Jahr 1723 Adjunkt der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig, 1726 schloss er sich als Kollegiat dem großen Fürstenkollegium an und 1727 berief man ihm zum außerordentlichen Professor der Rhetorik. Am 5. April wurde er zum ordentlichen Professor der Beredsamkeit ernannt und ging infolgedessen die Verpflichtung ein, sich künftig als Geschichtsschreiber und Dekan mit den Lebensgeschichten verstorbener Mitglieder der Leipziger Hochschule auseinanderzusetzen sowie diese schriftlich zu fixieren. 1749, nach dem Tod von Valentin Ernst Löscher (* 29. Dezember 1673 in Sondershausen; † 12. Februar 1749 in Dresden), übernahm Kapp die Redaktion der Zeitschrift Unschuldige Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen. Im Jahr 1756 starb Kapp als Senior der bayrischen Nation und Decemvir der Universität in Leipzig.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Das Werk Schauplatz des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri: bey diesem zweyten hohen Evangelisch-Lutherischen Jubel-Fest. Nebst einem Anhang, Gelehrten und Ungelehrten zum besten eröffnet von Johann Erhard Kapp erschien 1717 in Erfurt und Leipzig bei Johann Christian Martinii.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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Drei Jahre später (1720) erfolgte die zweite Auflage bei Johann Christian Martini in Leipzig.

3.2.1. Digitale Ausgaben der Ausgabe von 1720
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  • München: bsb digital. Vorlage: Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign. Polem. 3111 w.
  • Google ebooks 2012. Vorlage: Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign. Polem. 3111 w.

4. Inhalt
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Kapp beginnt seinen Schauplatz Des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri mit einer unpaginierten achtseitigen Widmung. Die Widmung gilt der „Großmächtigsten allerdurchlauchtigsten Prinzessin Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth“ (* 19. Dezember 1671 in Bayreuth; † 4. September 1727), die Kürfürstin von Sachsen und ab 1697 Titulakönigin von Polen war. Ferner wird auch die „Königin in Polen, Groß-Herzogin in Litauen, Reussen, Preußen, Massovien [...], auch Kurfürstin und Herzogin von Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, auch Engern und Westfalen, geborene Marktgräfin zu Meißen, Ober- und Nieder- Lausitz, Burggräfin zu Magdeburg, gefürstete Gräfin zu Henneberg, Gräfin zu der Ward, Ravensberg und Barben, Frauen zum Ravenstein“ (Widmung, unpag. [S. 1]) erwähnt. Kapp prangert die Missstände im Klerus an, indem er insbesondere den Bilder-, Heiligen- und Reliquienkult beanstandet. Bezugnehmend darauf richtet er sich auf den ersten fünf Seiten der Widmung gegen die Ablasszahlungen und spricht in diesem Zusammenhang von päpstlichen „Ablaß-Krämern“ (Widmung, unpag. [S. 3]).

Kapp sieht es als seine Pflicht an, den Inhalt der reformatorischen Urkunden zu veröffentlichen, damit der Missbrauch des Ablasswesens und des Bußsakraments im 16. Jahrhunderts deutlich werden. Der Autor lobt Martin Luther, der mit seiner Disputation vom 31. Oktober 1517 den Anfang der so lang ersehnten sowie erhofften Reformation gemacht habe und sich aus göttlichen Eifer in insgesamt 95 Thesen gegen die „Ablaß-Krämer“ und gegen den Handel mit Ablassbriefen ausgesprochen habe.

Dann folgt eine 13-seitige „Vorrede zu der anderen Auflage“ mit einer 11-zeiligen Nachrede vom 4. März 1720. In der Vorrede erklärt Kapp, dass seine Sammlung aus schon gedruckten Schriften besteht, die er mit Anmerkungen versehen hat. Durch Unterstützung „anfangs des 1717ten Jahres von dem Verleger der Historiae Literariae Reformationis des berühmten Herrn von der Hardt“ (Vorrede, unpag. [S. 4]) nutzte Kapp die Gelegenheit, die Schriften der reformatorischen Wende, u.a. die Hauptschriften Luthers An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung; Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche und Von der Freiheit eines Christenmenschen durchzusehen und die zentralen Aussagen Luthers im Auftrag Hermann von der Hardts (* 15. November 1660 in Melle; † 28. Februar 1746 in Helmstedt) seiner zweiten Ausgabe des Schauplatzes Des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri zu zufügen.

Kapp führt aus, dass es ihm ein wichtiges Anliegen sei, nicht nur Gelehrte mit seinem Werk zu erfreuen, sondern ebenso Ungelehrten zu dienen. Ob ihm dies gelungen ist, soll der Leser entscheiden: „Ob ich nun damit meinen Endzweck erreichet, und sowohl einigen Gelehrten als auch Ungelehrten einigen Nutzen geschaffet, überlasse ich dem unpartheilichen Leser selbst zu beurtheilen.“ (Vorrede unpag. [S. 6]) Nachfolgend beschreibt Kapp im letzten Drittel der Vorrede, welche Quellen er zu welchen Zwecken in seinem Werk zu Grunde legte und aus welchen Archiven bzw. von welchen Gelehrten er sie bezogen hat.

Ab S. 15 folgt ein lateinischer Ablassbrief mit dem Titel „Alberti, Electoris quondam Moguntini, Diploma Indulgentiarum Leonis X, Anno 1517“, dessen Übersetzung auf den nachfolgenden acht Seiten erfolgt: „Des Erz-Bischoff Albrechts und des Guardians der Minoriten, als Commiffarien Leo des X. Ablaß Brief Lateinisch in Form eines Patents nebst dem Insiegel und einer deutschen Übersetzung.“ In diesem Schreiben wird deutlich, dass Kurfürst Albrecht (* 28. Juni 1490 in Cölln an der Spree; † 24. September 1545 auf der Martinsburg zu Mainz) als Co-Markgraf von Brandenburg und Erzbischof von Magdeburg und Mainz, Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches und später Kardinal der Römischen Kirche zusammen mit Papst Leo X. (geboren als Giovanni de’ Medici; * 11. Dezember 1475 in Florenz; † 1. Dezember 1521 in Rom) den Ablasshandel befürwortete. Im Namen Albrechts von Brandenburg und „apostolischer Macht und Gewalt“ wurden päpstliche Ablässe legitimiert und vollzogen, und zwar durch den Handel mit Ablassbriefen im Sinne des nachfolgenden Absolutionsformulars: „Unser Herr Jesus Christus absolviere dich. Um das Verdienste seines Leidens willen, und ich absolvire dich auf dessen und der Apostel Gewalt, die mir in diesem Stück aufgetragen und dir gegönnet ist, erstlich von allen Kirchen Bann, dem großen und dem kleinen, so du verdienet hast, danach von allen deinen Sünden, u. theile dir mit vollkomene Vergebung aller deiner Missethaten, auch erlasse ich dir die Strafe des Fegefeuers, in so weit sich die Schlüssel der heiligen Mütter der Kirchen erstrecken.“ (S. 21f.) Neben Gebeten und den regelmäßigen Besuchen von Messen wurde den Käufern der in Umlauf gebrachten Ablassbriefe versprochen, dass ihre Sünden vergeben seien.

Ab S. 23 folgen zwei Indulgenzbriefe. Der erste Ablassbrief ist in lateinischer und deutscher Abhandlung vorhanden, welcher von Johann Tetzel (* um 1460 in Pirna (oder Leipzig); † 11. August 1519 in Leipzig) als „Unter-Commissarius Arcimboldi“ ausgegeben wurde. Tetzel war Subkommisar des päpstlichen Legaten und Oberkommissar Gianangelo Arcimboldi (auch Johannes Angelus Arcimboldus; * um 1485 in Mailand; † 6 April 1555 in Mailand) im mitteldeutschen Raum. Arcimboldi organisierte den Ablassverkauf als finanzielles Mittel zur Erweiterung des Kirchenstaates und zum Bau des Peterdoms in den deutschen Landen. Der zweite Ablassbrief wurde von Tetzel zusammen mit Erzbischof Albrecht von Brandenburg, dem Guardian Minoriter (Hüter der römisch-katholischen Ordensgemeinschaft der Franziskaner), verfasst.

Ergänzend zu den Ablassbriefen gibt Kapp eine kurze Einleitung und beschreibt, dass er beide Schriftstücke auch in seiner ersten Auflage von 1717 abgedruckt und sie nun wieder aufgelegt habe. Die Ablassbriefe zeigen, dass „Tetzel die Briefe als Unter-Commissarius Arcimboldi“ selbst verfasst und unterschrieben hat (S. 23). Aus den beiden Briefen geht hervor, dass mit dem Erlass eines Ablasses der Papst den Nachlass von Sündenstrafen im Jenseits vergeben könne. Anknüpfend daran folgt ab S. 40 ein Auszug aus Tetzels „Summarischer Instruktion der Priester“, wie sie den Ablass predigen und loben sollten. Die Priester waren dazu angehalten, durch ihre Predigten den Ablass bekannt zu machen, wonach sich alle Menschen gegen Geldleistungen von ihren Sünden freikaufen könnten. Alle Beichtväter „vermögen eben so viel, als die allervornehmsten Beicht-Väter in der St. Peterskirche“ (S. 52), waren somit gleichberechtigt den Ablass zu lehren und Ablassbriefe in den deutschen Landen zu verbreiten.

Ab S. 60 folgen verschiedene lateinische Spruchreime, deren sich die Ablasshändler ehemals bedienten, um Leuten ihre Ware anzupreisen. Teilweise sind die Verse mit deutschen Übersetzungen versehen. Die deutschen Übersetzungen werden als neu bezeichnet, wurden aber bereits in der ersten Auflage von 1717 gedruckt. Aus den lateinischen Spruchreimen geht hervor, dass die „Sünder“ durch gute Werke eine Art Wiedergutmachung und Vergebung erreichen könnten, die eben im Kauf von Ablasszetteln bestehe. Die Verse sind mit „Rhythmi Indulgentiariorum“ (S. 68) überschrieben und verweisen auf Schlüsselbegriffe der katholischen Lehre wie ‚Milde’ und ‚Nachsicht’:

„Und zahle dieses Blat, die Schönen Pforten auf, Drum die ihr wolt den Thron der Ewigkeit beschauen, Nur durch ein Kopf-Stück könnt ihr euch die Leiter bauen. Glaubt Tetzels teutschen Wort: Die Messen Schieben nach, Steigt nur, doch zahlet erst, so Steiget ihr nicht Schwach.“ (S. 70)

Ab S. 71 stellt Kapp Martin Luthers Disputation gegen die scholastische Theologie in lateinischer und deutscher Abfassung vor und fügt der Disputation eine kurze Einleitung hinzu.

Zudem stattete er den Text mit verschiedenen Anmerkungen aus, indem er Schriften des orthodoxen Lutheraners Wolfgang Franz (* um 1564 in Plauen; † 26. Oktober 1628 in Wittenberg) berücksichtigte. Vorrangig dabei war Franz‘ theologische Jubiläumsschrift De indulgentiis pontificiis disputatio theologica iubilaea (1617), die sich gegen die katholische Lehre richtete.

Auf S. 78-107 werden die einzelnen Thesen in lateinischer und deutscher Sprache vorgestellt. Bekanntermaßen beziehen sie sich auf die Missbräuche beim Ablass, prangern den geschäftsmäßigen Handel mit Ablassbriefen und die damit einhergehenden Ablasspredigten Johann Tetzels an. Laut Luthers 95 Thesen muss das römisch-katholische Bußsakrament aufrichtig sein, damit eine Vergebung der Sünden überhaupt erreicht werden kann. Die Beichtenden können sich nicht absolvieren, indem sie sich auf ihre Ablassbriefe berufen, sondern das Sakrament der Buße kann nur durch Gott bzw. geistliche Würdenträger wirksam und vergeben werden. Weitere Themenschwerpunkte der 95 Thesen sind die Fragen nach dem Ablass allgemein, die sozialen Missstände des Ablasshandels in der römisch-katholischen Kirche, Kritik am Ablass als seelsorgerisches Element sowie am Papsttum und dessen Lehre.

Anknüpfend an die 95 Thesen folgt ab S. 108 der Abdruck von Johann Friedrich Rieberers Paragramm „Cabbal, Trigonale auf Johann Tetzel“, welches drei Seiten umfasst. Kapp selbst äußert sich zu Rieberers Paragramm nur in einer kurzen Einleitung, indem er dessen Zweck für seine Auflage beschreibt, welches sich inhaltlich auf das evangelische Jubelfest von 1717 beziehe. Aus diesem Grund führt Kapp an, eigne sich das Paragramm für die zweite Ausgabe des Schauplatzes des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri. Das Paragramma Rieberers ehrt und dankt Luther:

„O Luther: habe Danck der ewig dir gehört: Mit Veneration ist deine Ausch zu küssen, Daß du hast unsere Seel der Sclaveren entrissen, Und Tetzels Lügen.Kram so ritterlich zerstört, Da, Gott sein 1000 Lob? Seid dem du reformiret, viel Millionen sich dem. Himmel zugeführet.“ (S. 110)

Es folgt ein „Meister Lobesang als wohl bestellten Jubel Sängers“. Es ist eine poetische Erklärung „der Schäd- und Schändlichen Ablaß Krämeren aus dem Bilde Johann Tetzels gemessenen Dominicaner Mönchen“ (S. 110-115). Kapp fügt hinzu, dass der Lobgesang beim zweiten evangelisch Lutherischen Jubel-Fest, am 3. November 1717, von Studenten „mit einer glückwünschenden Aufführung und vollständigen Vocal- und Instrumental Musique bezeuget und begleitet“ wurde (S. 111). Er ist in Knittelversen verfasst und preist die reformatorische Wende durch Martin Luther, welche u.a. in der siebten Strophe hervorgehoben wird:

„Ja wohl, ihm tausend Danck, Wir wissen jetzt was besseres, Und ehrn ihn mit Gesang, So lang als wir auf Erden lebn, Und Luthers Lehr zu rüh- men strebn, Mit jauchzen und jubiliren.“ (S. 115)

Zu guter Letzt folgt noch ein Anhang, welcher zum einen aus einem Aufsatz mit der Überschrift „Wie das erste Jubel Jahr in Sachsen auf allen Kanzeln ist verkündet worden“ besteht und zum anderen aus geistlichen Liedern. Das Formular beschreibt den Ablauf des ersten Reformationsfestes von 1617 und verweist auf die Initiative des Festes. Die Jubellieder gedenken der Reformationsgeschichte, vor allem Martin Luthers und dessen Ablassthesen.

Auf den letzten vier Seiten des Schauplatzes des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri folgen ein Inhaltsverzeichnis und ein kurzer Bericht an den Buchbinder.

5. Kontext und Klassifizierung
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Zur Theatrum-Literatur gehört Kapps Werk Schauplatz des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri, weil es bereits die im Titel genannte Variationsform ‚Schauplatz’ enthält und zur Sammlung der christlichen theologischen Kontroversliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts zählt. Kontrovers diskutiert werden im vorliegenden Fall zum einem das Thema des Ablasshandels und zum anderen die reformatorische Wende im 16. Jahrhundert, was sowohl die Theorie als auch die Praxis betraf. Historisch betrachtet sind die Schriften und Urkunden der Reformationszeit „Dokumente, die einen weltgeschichtlichen Geisteskampf widerspiegeln“ (Rupprich 1975, S. 105) und das Bild der reformatorischen Epoche vervollständigen. Angesichts des Reformationsjubiläums von 1717 lässt sich Kapps Schauplatz des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri„in eine von verschiedenen Umbrüchen gekennzeichnete geistesgeschichtliche Situation, die für die Rezeption der Reformation und das Selbstverständnis des Protestantismus von großer Bedeutung waren“ (Cordes, S. 10), einordnen.

Kapp begann in Zusammenarbeit mit dem Johann Christian Martini Verlag im 17. und frühen 18. Jahrhundert mit der Dokumentation von verschiedenen Zeugnissen der Reformationszeit und sammelte diese für das zweite Reformationsjubiläum 1717. Die Vertreter der lutherischen Orthodoxie waren in der Frühen Neuzeit dazu angehalten, das Geistesgut der Reformation zu bewahren und zu erforschen. Gestützt auf die Auswertung archivarischer Dokumentation von Ablassbriefen, lateinischen Spruchreimen mit deutschen Übersetzungen, Tetzels „Summarischer Instruktion“ und der im Jahr 1517 erschienenen „Disputation“ Martin Luthers glückt es Kapp, die Grundsätze der lutherischen Lehre zu dokumentieren und daran die Reformationshistorie zu erläutern. Damit leistet Kapp zum einem einen Beitrag zur protestantischen Erinnerungskultur und zum anderen sensibilisiert er die Menschen für die zukünftige Bedeutung des Luthertums.

Die kontroverstheologische Prägung frühneuzeitlicher Literatur wird durch die Auswahl von unterschiedlichen und konfessionsspezifischen Urkunden und Zeugnissen deutlich. Kapp bediente sich dabei hauptsächlich der Sammlung an Lutherschriften von Hermann von der Hardt, die er unter dem Titel „Historia litteraria reformationis“ im Jahr 1717 publizierte.

Als Rhetoriker und Historiker lässt sich Kapp mit seinem Schauplatz Des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri auch zur Historia literaria des 17. und 18. Jahrhunderts zählen. Das Programm dieser Geschichtsschreibung der Gelehrsamkeit gründet auf dem englischen Philosoph Francis Bacon, der im Jahr 1605 eine Historie der Gelehrsamkeit forderte, die eben auch einzelne Gelehrte und deren bedeutenden Schriften sowie Kontroversen einer Nation mit einbezieht. Eine der wichtigsten Aufgabe der Historia literaria und der frühneuzeitlichen orthodox-lutherischen Historiographie war es, „gelehrte Errungenschaften zu allen Zeiten und in allen geographischen Räumen“ (Vollhardt 2007, Einleitung) zu fixieren. Zahlreiche Gelehrsamkeitsschriften entstanden zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, die unterschiedliche Funktionen erfüllen sollten, beispielsweise als Wissensinstrument und Medium „zur Erbauung eines allgemein interessierten Publikums“ (Vollhardt, Einleitung). Kapp selbst äußert sich in seinem Vorwort, dass er durch seinen Quellenband „nicht nur einigen Gelehrten, sondern auch [...] Ungelehrten dienen möchte“ und aus dieser Intention heraus auch selbst lateinische Schriften ins Deutsche übersetzt habe (S. 5).

Der Pragmatismus der Sammlungen reformatorischer Schriften im 18. Jahrhundert liegt darin begründet, dass sie als Teil eines moralisch-religiösen Komplexes aufgefasst wurden. Durch Dokumentation von historischen Quellen und durch Betrachtung von vorbildlichen menschlichen Leistungen können die Rezipienten einen moralischen Nutzen ziehen.

6. Rezeption
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Bislang wurden keine konkreten Rezeptionszeugnisse ermittelt. Kapp nutzte seine Recherchen der ersten Auflage von 1717 unter anderen für seine lateinische Rede 1718, die er für Studenten an der Universitäts-Kirche in Leipzig gehalten hatte.

Im Jahr 1720 erwarb er sich mit seiner zweiten vermehrten und verbesserten Auflage des Schauplatzes Des Tetzelischen Ablaß-Krams Und des Darwider streitenden Sel. D. Martini Lutheri die Erlaubnis, künftig als Magister legens an Hochschulen zu lehren. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass das Werk vor allem in der Theologie und im Bereich der Geschichtsschreibung eine breite Aufmerksamkeit erzielte.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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1Grundlage der Zitate sowie der formalen und inhaltlichen Beschreibung ist nicht der Erstdruck von 1717, sondern die zweite und verbesserte Ausgabe von 1720. Scan der Titelseite ebd.
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