Einführung

Johann Christoph Adelung: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges
Jörn Münkner

1. Titel
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Bd. 1: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Erstes Stück. Mit sechs Charten und Planen. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1778. Bd. 2: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Zweytes Stück. Mit sechs Charten. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1778. Bd. 3: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Drittes Stück. Mit zwey Charten. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1779. Bd. 4: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Viertes Stück. Mit sechs Charten. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1779. Bd. 5: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Fünftes Stück. Mit Neun Charten und Planen. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1779. Bd. 6: Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges oder Historische und Geographische Beyträge zur Geschichte des Krieges, welcher nach Ableben des Churfürsten Maximilian Josephs von Baiern über den Besitz seiner Länder entstanden ist; durch Landcharten und Plane der Armeen erläutert. Sechstes Stück. Mit der Landcharte von Baiern. Leipzig, verlegts Johann Gottlob Immanuel Breitkopf. 1779. Leipzig: Johann Gottlob Immanuel Breitkopf, 1778/79. - Bd. 1: 22 pag. S., 6 Ill. (1 Karte, 5 Tabellen), 4°. - Bd. 2: 24 pag. S., 6 Ill. (Karten), 4°. - Bd. 3: 20 pag. S., 2 Ill. (Karten), 4°. - Bd. 4: 32 pag. S.,6 Ill. (Karten), 4°. - Bd. 5: 48 pag. S., 9 Ill. (davon 8 Karten), 4°. - Bd. 6: 36 pag. S., 1 Ill. (Karte), 4°. [opac ↗147018781]

2. Verfasser
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Johann Christoph Adelung (1732-1806), Sprachwissenschaftler und Bibliothekar, war ein eigenwilliger, vielseitiger und rastloser Gelehrter, dessen Verdienste vorwiegend auf der Arbeit des Sammelns und Zusammenfassens lagen (Basler, S. 63). Nach einem Theologiestudium in Halle arbeitete der Predigersohn Adelung einige Jahre als Schullehrer und Hofmeister, bevor er 1787 als Hofrat und Oberbibliothekar an die Kurfürstliche Bibliothek in Dresden berufen wurde. Er verfasste Übersetzungen, Rezensionen und redigierte die „Leipziger Zeitungen“ (1769-1787); am bedeutendsten sind jedoch seine sprachhistorischen, systematischen und didaktischen Arbeiten (Über die Geschichte der deutschen Sprache, 1781; Deutsche Sprachlehre, 1781; Magazin für die deutsche Sprache, 2 Bde, 1783/84; Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen, 1782 etc.) – allen voran das bis heute wirkungsmächtige Adelung’sche Wörterbuch (Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart, 5 Bde., 1774-1786; 2. Auflage u.d.T. Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, 4 Bde., 1793-1801).

Über den Verfasser, Johann Christoph Adelung, äußert sich Wilhelm Scherer in der Allgemeinen deutschen Biografie, teilweise vernichtend, wie folgt: „Schon 1757 begann er eine litterarische Thätigkeit der vielseitigsten Art, die er mehr als 20 Jahre lang fortsetzte und die sich stellenweise bis zu bedenklicher Höhe steigerte. Jeder Gegenstand war ihm recht, für den er sich günstigen Markt versprechen durfte. Eine Reihe von Publicationen folgen der Zeitgeschichte von 1740 bis zum baierischen Erbfolgekriege auf dem Fuße nach und richten die Ereignisse gleich fürs große Publicum her; trockene Thatsachenhäufung, durch den seichtesten Pragmatismus verbunden; Sammelwerke der Staatsacten, politische Briefe etc. traten ergänzend hinzu. Seine Uebersetzerthätigkeit war massenhaft und erstreckte sich auf alle Gebiete des menschlichen Wissens, auf Diplomatik so gut wie auf Metallurgie, auf die Werke des Philosophen von Sanssouci so gut wie auf englische und französische Geschichtsbücher. Als Journalist war er nicht minder universell: er schrieb mehrere Jahre hindurch die Leipziger politische Zeitung und das damit verbundene Allerlei; er gab mineralogische Belustigungen, ja ein militärisches Taschenbuch heraus; er ist der Begründer des Weiße’schen Kinderfreunds, und noch 1785-86 dirigirte er die Leipziger Gelehrte Zeitung. Selbst litterarische Handlangerdienste, wie das allgemeine Verzeichniß neuer Bücher zusammenzustellen, verschmähte er nicht. Er bearbeitete eine Geschichte der Philosophie (und Mathematik) für Liebhaber, und unter dem picanten Titel einer Geschichte der menschlichen Narrheit hat er Männer und Frauen verunglimpft, welche zu den edelsten Erscheinungen der Menschheit gehören: es sollte dem geschmackvollen und aufgeklärten Weltmanne der 80er Jahre schmeicheln, auf jene „Schwärmer“ vornehm herabblicken zu können. A. besaß den Instinct für das Zeitgemäße und einen ordnenden Verstand, der leicht und sicher wie eine Maschine wirkte und sich nirgends gehindert sah, weder durch Tiefsinn, noch durch die Phantasie. Er besaß eine ausgebreitete Bücherkenntniß und ein entschiedenes Talent zu generalisiren und zu simplificiren. Als eigentlicher Gelehrter kann er nur in mittelalterlicher Latinität (Zusätze zu seinem Compendium des Ducange, Glossarium manuale, 1772-84), in Gelehrtengeschichte (Fortsetzung des Jöcher 1784-87) und auf dem Gebiete der Sprache gelten. Ueberall aber ist er mehr Sammler und Ordner, als Forscher. Lehrbücher abzufassen war er höchst geeignet.“

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschienen 1778/79 bei Johann Gottlob Immanuel Breitkopf in Leipzig.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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3.2.1. Digitale Ausgaben des Erstdrucks
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4. Inhalt
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Johann Christoph Adelungs Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges setzt sich aus sechs Teilen („Stücken“) zusammen. Die beiden ersten erschienen 1778 (im Jahr des Konfliktbeginns), die übrigen vier wurden im darauf folgenden Jahr veröffentlicht (Kriegsende und Friedensschluss am 13. Mai 1779). In einem überwiegend narrativen Diskursmodus rekapituliert das Werk in einer die preußisch-kursächsische Seite leicht favorisierenden Tonlage zuerst die Ursache des Konflikts und berichtet im Anschluss kommentierend über den Verlauf der militärischen Auseinandersetzung bis hin zum Waffenstillstand (letzte Seiten von Teil 5) und Friedensschluss (im 6. Teil), inklusive der Neuverhandlungen über die Causa des Krieges und die schmalen Resultate des Kräftemessens ebenda. Insgesamt 30 Abbildungen veranschaulichen wesentliche Etappen; das Spektrum umfasst Aufmarschpläne mit Geländemarkierung (teilweise von Hand mit Linien und Pfeilvektoren farblich markiert, um Heeresbewegungen anzuzeigen), Karten unterschiedlicher Maßstäblichkeit, Tabellen, Tafeln, Profilansichten befestigter Plätze sowie Gebäudegrundrisse mit Legenden. Der um Genauigkeit bemühte bzw. sie in Anspruch nehmende Prosabericht spannt mit großer Ausführlichkeit einen chronikalischen Bogen von der dem kriegerischen Geschehen vorgängigen reichsrechtlichen Zuspitzung des Konflikts, inklusive des Versuchs seiner diplomatischen Beilegung, über die ersten Scharmützel und die Aufzählung der vielen hohen Offiziersgrade und Armeeeinheiten bis hin zu den schier endlosen Angriffs-, Täuschungs- und Absetzbewegungen, den militärischen Aufklärungsmanövern und den rechtswidrigen Requirierungen ziviler Güter (‚Fouragierungen’) ebenso wie den durch Geiselnahme von Zivilisten oder die Androhung kontrollierter Brandschatzung beiderseits erpressten Geldsummen.

Vorwortlos und in medias res setzt Teil 1 mit der Schilderung der zwanzigtägigen Erkrankung und dem Tod des bayerischen Kurfürsten Maximilian III. Joseph (28.3.1727-30.12.1777) ein. In als Paragraphen gekennzeichneten und durchnummerierten Abschnitten wird vor dem Hintergrund der genealogischen Verflechtung der bayerisch-pfälzischen Wittelsbacher die Erbfrage erläutert. Nachdem Karl Theodor, Kurfürst der Pfalz, noch im Januar 1778 die Nachfolge als Landesherr in München angetreten hatte, sah er sich kurz darauf habsburgischen Ansprüchen auf Teile Kurbayerns ausgesetzt. Im selben Monat besetzten die Österreicher handstreichartig Nieder- und Oberbayern, die Oberpfalz und weitere bayerische Landesteile. Abgesehen von dem ob seiner militärischen Schwäche zwar resignierten, einem seitens Wien vorgeschlagenen Tausch seines bayerischen Erbes gegen die österreichischen Niederlande aber aufgeschlossenen Karl Theodor, ergingen daraufhin vom Herzog von Pfalz-Zweibrücken, vom sächsischen Fürstenhaus wie durch den preußischen König Protestnoten an die Wiener Regenten (Doppelherrschaft durch Kaiserin Maria Theresa und Kaiser Joseph II.). Es wurde Einspruch gegen deren illegitimes Vorgehen erhoben, der kabinettsdiplomatische Schlichtungsbemühungen zur Folge hatte. Dem von Adelung als anmaßend dargestellten österreichisch-habsburgischen Herrscherhaus tritt ein gemäßigter preußischer Hauptkontrahent entgegen: „Die Kaiserin versicherte, daß sie nie von ihrem Besitze abgehen […] die preußische Antwort vom 22sten April war überaus gemäßigt“. (Bd. 1, S. 8)

Trotz Proteste weiteten die Österreicher im Verlauf der nächsten Wochen ihre (nach heutigem Kenntnisstand so zu bestätigende) rechtswidrige Inbesitznahme bayerischer Bezirke aus, was zum Abbruch der Verhandlungen zwischen Wien einerseits, Preußen mit Sachsen und den bayerisch-pfälzischen Wittelsbachern als Verbündeten andererseits führte und zuzüglich die Einsicht bedingte „die Sache dem Ausschlage der Waffen zu überlassen“. (Bd. 1, S. 10; Kotulla, S. 207). Um die somit ins Rollen gebrachte kriegerische Unternehmung in Böhmen-Mähren nachzuzeichnen, wartet der Verfasser anschließend mit einer topographischen Beschreibung des böhmisch-mährischen Landschaftsraumes als dem „ersten Schauplatz dieses Krieges“ auf. (Bd. 1, S. 10) Dabei wird das Territorium als sprachlich evozierte Großkarte vor Augen gestellt: „Mähren und Böhmen sind von allen sie umgebenden Ländern durch eine zusammenhängende Kette unwegsamer Berge getrennt […]“ (Bd. 1, S. 10).

In den folgenden Abschnitten entfaltet die Erzählung minutiös in kleinschrittiger Zeitfolge (von Monats- und Wochensynopsen zu Tages- und Stundenrapporten) das Vorgehen der Kontrahenten. Geschildert wird der Einmarsch der königlich-preußischen Armee und ihrer Verbündeten in Böhmen, die Kriegsvorbereitungen (d.h. das Verschanzen und ‚Eingraben‘) der dort bereits stationierten österreichisch-kaiserlichen Armee, beider umfangreiche Aufklärungsmissionen (‚Recognoscirungen’) sowie das Anlegen befestigter Plätze und Schanzen in Vorbereitung auf die kriegerische Eskalation. Diese allerdings bleibt − auch zukünftig − weitgehend aus: „Der König hatte die feindliche Armee bisher mehrmahls recognoscirt, ihre Stellung aber allemal so vortheilhaft gefunden, dass sie ohne einen augenscheinlichen starken Verlust nicht angegriffen werden konnte“. (Bd. 1, S. 18) „Bey der königl. Armee gieng indessen bis gegen die Mitte des Monaths August nicht veränderliches vor.“ (ebd., S. 22) Lediglich kleinere Scharmützel sind an der Tagesordnung, ebenso die Praxis der Erpressung von Geld, Lebensmitteln und Gütern von der Zivilbevölkerung durch die mobile Soldateska: „Einige Detaschements […] forderten am ersten Orte 20000 und am letzten 10000 Thl. Brandschatzung und begingen viele Auschweiffungen. […] Den 23sten geschahe eine General-Fouragierung auf beyden Flügeln […].“ (ebd.) Eine „Nacherinnerung“ in Teil 1 führt aus, dass einige der erwähnten Attacken und Vorfälle in den folgenden Teilen ausführlichere Darstellungen erfahren, dann auch im Zusammenspiel mit nachzuliefernden Karten und Abbildungen zur besseren Veranschaulichung.

Die Teile 2 bis 6 sind analog zu Teil 1 konzipiert und folgen demselben Darstellungsmodus. Erwähnenswert ist der Wille des Verfassers, einen zusammenhängenden Bericht des „Baierischen Erbfolgskrieges“ vorzulegen. Prominent ablesbar wird dieses Bemühen in den Einleitungsabsätzen zu den einzelnen Teilen: „Wir haben in dem ersten Stücke die Geschichte des Feldzuges […] beschrieben; allein, weil einige zu den Vorfällen vor diesem Zeitpunkte annoch gehörige Charten erst jetzt geliefert werden können, so ist es nothwendig, dass wir auch hier ein Paar Schritte wieder zurück gehen.“ (Bd. 2, S. 3) Ebenso wird am Ende der Teile eine Vorschau auf das gegeben, was in den nachfolgenden Thema ist. Ab Teil 2 werden im expliziten Bezug auf die (in der hier benutzen Vorlage Teil 6 gebündelt anhängenden) Abbildungen, Karten und Pläne die herausragenden Unternehmungen dieses Krieges, der ohne nennenswerte militärische Manöver und Schlachten auskommen und für diese Eigenartigkeit eine gewisse Berühmtheit erlangen sollte, en detail beschrieben: „Zur Verständlichkeit der 8ten Kupfertafel, welche den Einmarsch des Prinzen Heinrichs bey Hansbach in Böhmen und den Vorgang bey Romburg umständlicher darstellet, als auf der allgemeinen Karte von Böhmen geschehen können, wiederhohlen wir folgendes“. (Bd. 2, S. 4) Immer geht es darum, Truppenbewegungen anzuzeigen und nachvollziehbar werden zu lassen, wobei Momente der Deixis (zeigen) und visuellen Wahrnehmung (schauen/betrachten) Betonung finden: „Wir haben in dem ersten Stücke den meisterhaften Einmarsch des Prinzen […] erwähnet, und wolln nunmehr zuförderst die vornehmsten Bewegungen auf dieser Seite anzeigen.“ (ebd., S. 11) „Diesen Rückmarsch wird die beygefügte Charte, welche von einem geschickten Augenzeugen herrühret, vortrefflich erläutern. Da aber auf derselben zugleich alle Bewegungen dieser Armee, von dem Anfange des Augusts an, mit verzeichnet sind: so wird eine kurze Erklärung der dazu gehörigen Zeichen nothwendig seyn, wobey wir den Leser auf das vorige zweyte Stück verweisen, wo diese Bewegungen umständlicher beschrieben worden.“ (Bd. 3, S. 3f.) „Um die folgenden Begebenheiten im Ganzen desto deutlicher übersehen zu können, wird beyliegende Karte von Ober=Schlesien sehr dienlich seyn, auf welcher zugleich die Gränze zwischen den preussischen und österreichischen Antheilen der Fürstenthümer Neisse, Jägerndorf und Troppau mit einem rothen Striche bemerket ist.“ (Teil 5, S. 3f.)

Anzumerken ist, dass durchweg Stichworte in der Randleiste die Abschnitte/Paragraphen zusammenfassen und Orientierungsmarken zum Quereinstieg bieten. In den detaillierten Prosabericht werden des weiteren Listen von ‚fouragierten’, d.h. kriegs(wider)rechtlich requirierten Geldsummen, Vieh, Holzmengen und anderen Güter aufgenommen, die der Darstellung partiell den Charakter einer amtlichen Kriegsverlustregistratur geben.

Während die Teile 4 und 5 mit Bezug auf das Karten-, Plan- und Tafelmaterial die vielzähligen und großenteils disjunkten Kriegshandlungen und die Winterquartiersnahme bis in Einzelheiten weiter ausbuchstabieren und kommentieren, widmet sich der 6. Teil dem Friedensschluss samt der anschließenden Verhandlungen mit den diversen Erbschafts-, Wiedergutmachungs- und sonstigen Ansprüchen der Kriegsparteien sowie den Verträgen zwischen den Seiten.

Aufmerksamkeit verdienen die für das Werk konstitutiven 30 Abbildungen, darunter die Teil 4 anhängenden 5 Tableaux mit den Schlachtordnungen („Ordre de Bataille“) der kaiserlich-habsburgischen, königlich-preußischen, kurfürstlich-sächsischen wie vereinigten königlich-preußisch/kurfürstlich-sächsischen Armeen. Das Spektrum umfasst von Hand farblich markierte militärisch-topographische Pläne, Karten, Grundrisse sowie Profilschnitte durch militärische Bauwerke. Dank der Karten und Pläne, die grobkörnige Gesamtan- und Draufsichten ebenso wie Lokalumgebungen fokussierende Detailausschnitte offerieren, wird dem Betrachter neben der sprachlichen Entfaltung mehrphasiger Geschehensabläufe deren Bündelung in einer einzigen Grafik geboten. Der Argumentationsgang im Text erfährt optische Unterstützung zum Zwecke einer optimierten Nachvollziehbarkeit und Vorstellbarkeit des Geschehens; das Bildmaterial postuliert zugleich einen höheren Grad an Evidenz für das Dargestellte. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass gerade durch die Präsentation des Karten- und Militärplanmaterials der Blick aus privilegierter Distanz und Höhe suggeriert wird bzw. medialisiert Nachahmung findet. Dieser Blick kann sinnbildhaft für ein Verständnis absolutistischer Kriegsführung stehen in der Weise, dass der Herrscher (mithin der privilegierte Betrachter in seinem Schatten) vom Feldherrnhügel auf ein grundsätzlich durch Berechenbarkeit gekennzeichnetes Kriegsgeschehen blickt. Die blutige Seite des Kämpfens bleibt generell ausgespart, insofern Schlachten- und/oder Belagerungsbilder nicht vorkommen (siehe auch die Artikel zum Curiosen Staats und Kriegs Theatrum am Rhein und Neuen Kriegs-Theater von Flemming Schock).

Die Theatrum-Metapher als anspielungsreicher Verweis auf eine visualisierende und performativ dynamisierte Darstellung im Bild-Text-Medium gelangt im Schauplatz des Baierischen Erbfolgskrieges − zuzüglich zum Schlagworttitel − auf zweierlei Art zur Geltung: Einerseits lassen Aussagen des Verfassers ein Selbstverständnis der als chronikalisches „Tagebuch“ (der Begriff erscheint u.a. in der Nacherinnerung zu Teil 1, unpag.) konzipierten Kompilation erkennen, demzufolge der Leser als Zuschauer gedacht wird. Adelung gesteht ein, dass „der Feldzug für die muthigen und thätigen Krieger eben so unfruchtbar [war], als er für den müßigen Zuschauer, der immer Nahrung für seine Neugierde zu haben wünscht, sollte solches auch auf Kosten vieler tausend seiner Mitbrüder geschehen, langweilig war.“ (Bd. 2, S. 15) Anderseits widmen sich Adelung und seine Kartenproduzenten der Fülle an Attacken, Rückzügen, Aufklärungsmanövern und Defilees mit dem deutlichen Bestreben, sie in eine Art Tableau zu übersetzen, das als visuell erfassbare Darstellungsfläche den eigentlichen „Schauplatz“ des Erbfolgkrieges abgibt und das theatrale Vor-Augen-stellen in Kombination mit einer performativen Verlebendigung der aktionsreichen Militärhandlungen für den Rezipienten gewährleistet (Roßbach, S. 21).

5. Kontext und Klassifizierung
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J. Chr. Adelungs Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges schreibt mit an der Geschichte des österreichisch-preußischen und kursächsisch-bayerisch-kurpfälzischen Machtkampfes in Folge des Aussterbens der bayerisch-ludovizischen Wittelsbacher. „Die Genauigkeit aller dieser Risse und Charten [die sämtlich in dem Werk enthalten sind, J.M.], welche den Werth derselben nicht verkennen lassen, werden ein angenehmer Beytrag für die Geschichtschreiber seyn, die künftig aus der Menge der Staats- und anderen Schriften, welche bey dieser Gelegenheit erschienen sind, eine weitläuftigere Geschichte des Ursprungs, der Führung und Endigung dieses Krieges ziehen, und mit Wahrheit entwerfen wollen.“ (Bd. 3, S. 20) Hauptanliegen der den Konflikt maßgeblich schürenden Habsburger war das Bestreben, sich Kurbayern einzuverleiben. Leider geben die sechs Teile keinen Aufschluss darüber, wie, unter welchen Umständen und durch die Zuführung welcher Dokumente genau der Verfasser in die Lage versetzt wurde, quasi zeitgleich zu den politischen und militärischen Ereignissen seinen Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges zu verfertigen. Mutmaßen lässt sich, dass Adelung als Redakteur der „Leipziger Zeitungen“ an die relevanten Informationen, Karten und sonstige Quellen gelangte, um sie in seinen Großbericht aufzunehmen. Michael Kotulla stellt mit Abstand von 240 Jahren Ursache und Verlauf dieser machtpolitischen Auseinandersetzung in wesentlichen Punkten deckungsgleich mit Adelung dar. Auch er gibt als unmittelbaren Konfliktauslöser die Nachfolgeregelung für den verstorbenen bayerischen Kurfürsten Maximilian III. Joseph an und entfaltet im Anschluss den Verlauf. Wollte man Adelung unterstellen, zu einseitig, nämlich in einer die preußische Seite bevorteilenden Weise seinen Bericht verfasst zu haben, so muss angesichts der von Kotulla vorgelegten Perspektive konzediert werden, dass sich die Habsburger in diesem Fall tatsächlich der Reichsrechtsbeugung schuldig machten. Allerdings bleibt die vereinigte preußisch-kursächsische Seite keineswegs unbescholten, denn Brandenburg-Preußen kam die habsburgische Anmaßung geradezu gelegen, um sich als „Wahrer deutscher Fürstenlibertät gegen brachiales Wiener Machtgebaren“ (Kotulla, S. 207) zu profilieren. Durch den Einsatz für die Aufrechterhaltung des Mächtegleichgewichts im Reich etablierte das friderizianische Preußen mit Fridericus Rex als notwendigem Gegengewicht zum historisch schwergewichtigeren kaiserlich-österreichischen Nachbarn eine Art ‚Gegenkaiser’ zu den Habsburgern (Kotulla, S. 208).

Grundsätzlich ist Adelungs Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges Teil eines mindestens 30 Titel unfassenden Korpus an kriegstheatralen Kulturmonumenten im 17. und 18. Jahrhundert. Gemeint sind Text und Bild kombinierende, das äußere und innere Sehen/Betrachten fokussierende Printkompendien mit performativem Ereignischarakter (siehe auch Artikel zum Martialischen Schau-Platz von Flemming Schock; Füssel, S. 210). Zwar erscheint Adelungs Projekt zunächst einen nicht-emphatischen Theatrum-Begriff für sich in Anspruch zu nehmen, insofern kein expliziter Bezug auf ‚Theater/Theatrum‘, ‚Inszenierung‘ oder ‚Akteur‘ begegnet; anderseits verweisen die Selbstanzeige als „(Kriegs-)Schauplatz“ sowie der konkrete geopolitische Kontext und Ort des bellizistischen Kräftemessens unmissverständlich auf das Feld theatraler Konzeption, Inszenierung und Darstellungspraxis. Hinzu kommt, und dies identifiziert Adelungs ‚IkonoPerformanzText‘ unter strukturellem Gesichtspunkt als theatrales Werk, dass die Präsentation von einem Veranschaulichen und verlebendigendem ‚In-Szene-setzen‘ des kriegerischen Katz-und-Maus-Spiels imprägniert ist. (Füssel, S. 207ff.; Roßbach, S. 21f.) Zum Zwecke der Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit wird der Leser-Rezipient wiederholt an einen Großkartentisch herangeführt, auf dem der Landschaftsraum sowie die Etappen der militärischen Auseinandersetzungen ausgebreitet vorliegen: Das Werk bietet einen privilegierte Blick auf das vorgestellte Geschehen.

Was im Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges anhand der berichteten, nacherzählten und visualisierten Angriffs-, Täuschungs- und Absetzbewegungen der Armeen und Regimenter zudem spürbar wird, ist ein militärisches Taktieren, das wie die Umsetzung von Kriegsplanspielen (in zwar abstrakten, aber modellgebenden Medien) anmutet. Hier wie dort gründet das Kalkül auf einer (vorgeblichen) Panoptik auf das Geschehen und ein wie im Mikrokosmos des Spiels verfügbares Probehandeln, das im harschen Kontrast zu den doch immer komplexen, schwer übersehbaren und blutigen Großereignissen tatsächlicher Kriege steht. Die Überlegung nun, dass ein solcher Planspiel-Zusammenhang zwischen Adelungs beschriebener, also medial vermittelter Kriegsrealität im Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges und dem tatsächlichen Kriegsverlauf bestehen könnte, resultiert aus den historisch belegten Sandkästen und Kartengroßtischen, in und an denen die Militärs mindestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts kriegsstrategisches Knowhow lernten und exerzierten, sei es zum Wissens- und Kompetenzerwerb, sei es zur Erbauung oder zu Unterhaltung. Für den Erbfolgekrieg trifft zudem zu, dass ihn keine nennenswerten Schlachten und Gefechte auszeichnete, sondern eher Truppenbewegungen und „eine mit der Bewältigung ihrer Versorgungsprobleme beschäftigte Soldateska, [die] den Bauern die Früchte ihrer Arbeit abjagte.“ (Kotulla, S. 208). Interessant und im Spiele/Probehandeln-Zusammenhang noch erwähnenswert ist die Entwicklung einer weiteren Art von kriegsbezogener Kompetenzvermittlung durch die sogenannte Kriegsspiel-Kommode, wie sie Philipp von Hilgers rekonstruiert hat. Dieses 1812 eingeführte, als Spieltisch apostrophierte Ausbildungs-, Veranschaulichungs- und Unterhaltungsmedium geht auf den preußischen Kriegs- und Domänenrat Leopold George Baron von Reiswitz (1764-1822) zurück. Reiswitz wies u.a. das Ansinnen des Prinzen Friedrich Wilhelm III. zurück, sein maßstabsgetreu miniaturisiertes Spielterrain dem König im Sandkasten vorzulegen, weshalb seine Erfindung, der Spieltisch, auch die fantastische Möglichkeit beinhaltete, „denkwürdige Schlachttheater“ in „[s]ein Zimmer [zu] zaubern“ (Hilgers, S. 61).

6. Rezeption
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Die Frage, wie J. Chr. Adelungs Schauplatz des baierischen Erbfolgskrieges aufgenommen und rezipiert wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Zu vermuten ist, dass ein hinreichend großes Lese- und Kaufinteresse an dem Werk bestand, wenn man berücksichtigt, dass Adelung im unmittelbaren Nachgang an die politische Krise und den drohenden, dann ausbrechenden Krieg das sechs Teile umfassende chronikalische „Tagebuch“ projektierte, verfasste, kompilierte und in Druck gab. Hinzu kommt, dass Adelung die Teile so schnell produzierte, dass er nicht immer rechtzeitig an die aktuellen Daten, Informationen, Karten und anderes Material von seinen Informanten bzw. Korrespondenten vor Ort herankam, um die Einzelstücke finalisieren zu können: „Allein, da die dazu gehörigen Plane und Charten so spät eingegangen, dass sie nicht mehr gestochen werden konnten, so sehen wir uns genöthiget, den erstern [gemeint ist ein Rückzug der königlichen Hauptarmee, J.M.] bis auf das folgende vierte Stück zu versparen, und in dem gegenwärtigen den Rückmarsch der vereinigten Armee nach Sachsen zu liefern.“ (Bd. 3, S. 3) Warum sollte Adelung auf die Verzögerungen und entsprechenden inhaltlichen Diskrepanzen extra hinweisen? Wie anders ist seine dem Kriegsverlauf so zügig folgende Berichterstattung zu bewerten, als dass er mit einer Leser-, Interessenten- und Käuferschaft rechnen konnte, die wiss-, auskunfts- oder sensationsbegierig auf den nächsten Teil der Schauplatzserie und die Vervollständigung des chronikalischen Großpanoramas hoffte?

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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