Einführung

Johann Jonston: Theatrvm vniversale de avibvs
Sabine Kalff

1. Titel1
[arrow up]

Theatrvm vniversale de avibvs tabvlis dvuabvs et sexaginta ab illo celeberrimo Mathia Meriano aeri incisis ornatvm ex scriptoribvs tam antiqvis, qvam recentioribvus, Theophrasto, Dioscoride, Aeliano, Oppiano, Plinio, Gesnero, Aldrovando, Wottonio, Turnero, Movffeto, Agricola, Boetio, Baccio, Rvveo, Schonfeldio, Freygio, Mathiolo, Tabernamontano, Bavhino, Ximene, Bvstamentio, Rondeletio, Bellonio, Citesio, Theveto, Marggravio, Pisone, et aliis maxima cvra conlectvm et ob raritatem denvo inprimendvm svscepit. Franciscvs Iosephvus Eckebrecht Bibliopola Heilbrvnnensis. Typis Christiani de Lannoy. MDCCLVI. Frankfurt: Matthaeus Merian, 1650. - Bd. 1: Titelblatt (Kupferstich), 47 Illustrationen (Kupferstiche), 228 pag. S., 2°. - Bd. 2: Titelblatt (Kupferstich), 20 Illustrationen (Kupferstiche), 78 pag. S., 2°. - Bd. 3: 2 Titelblätter (Kupferstiche), 62 Illustrationen (Kupferstiche), 238 pag. S., 2°. - Bd. 4: Titelblatt (Kupferstich) fehlt, 80 Illustrationen (Kupferstiche), 231 pag. S., 2°. - Bd. 5: Titelblatt (Kupferstich), 28 Illustrationen (Kupferstiche), 200 pag. S., 2°. [opac ↗150224966]

2. Verfasser
[arrow up]

Der Gelehrte und Mediziner Jan Jonston (1603-1675) entstammte einer schottischen Familie, die aufgrund ihres protestantischen Glaubens nach Polen emigriert war. In Szamotuły (Posen) geboren, besuchte er Schulen in Ostroróg, Bytom und in Toruń, bevor er sich auf Reisen durch Europa begab, da er als Calvinist in Polen, namentlich an der katholischen Jagiellonen-Universität in Kraków, nicht zum Studium zugelassen war. Zwischen 1622 und 1625 studierte er an der schottischen St. Andrews Universität Theologie, Philosophie und Hebräisch. Nach seiner Rückkehr nach Polen im Jahr 1625 unterrichtete er als Hauslehrer in verschiedenen polnischen Adelsfamilien – eine Tätigkeit, die ihn im Gefolge seiner adligen Schützlinge auf verschiedene ausgedehnte Bildungsreisen durch Europa führte. In deren Verlauf publizierte Jonston nicht nur seine erste naturphilosophische Schrift Enchiridion historiae naturalis (zwischen 1625 und 1628), sondern erwarb im Zuge seiner Studienaufenthalte in den Niederlanden – in Franeker, Leiden und Amsterdam – sowie auf dem Gebiet des Deutschen Reichs – Frankfurt/Oder, Wittenberg und Leipzig – und schließlich in England (Cambridge) mehrere akademische Titel. Er schloss seine medizinisch-botanischen Studien zugleich in Leiden und Cambridge mit einer Dissertation über Fiebererkrankungen ab (De febribus, 1634). Obwohl ihm die verschiedensten Lehrstühle an angesehenen europäischen Universitäten wie etwa in Leiden, Heidelberg und Frankfurt/Oder angetragen wurden, zog er es vor, als Leibarzt im Dienst privater Arbeitgeber zu bleiben, wie etwa in dem der polnischen Adelsfamilie Leszczyński, mit der er 1636 dauerhaft nach Leszno (Posen) übersiedelte.

Die Abneigung des hochgebildeten und polyglotten Jonston – der Mediziner beherrschte 12 Sprachen –, einen universitären Lehrstuhl zu bekleiden, schuldete sich wohl nicht zuletzt seinem pädagogischen Interesse, das sich nicht nur in Form seiner privaten Lehr-, sondern auch einer populärwissenschaftlichen Publikationstätigkeit manifestierte. Jonstons didaktisches Interesse gründete sich ebenso wie die besondere Fokussierung des naturphilosophischen Wissens auf seine Freundschaft mit dem berühmten böhmischen Pädagogen Johann Amos Comenius (1592-1670), der sich seit 1628 ebenfalls in Leszno aufhielt. Jonston formulierte nicht nur das Postulat der Allgemeinverständlichkeit, sondern löste es mit der Veröffentlichung zahlreicher kompilatorischer Werke mit überwiegend historischer und naturphilosophischer Thematik auch sehr erfolgreich ein. So äußerte sich im Sceleton historiae universalis civilis et ecclesiasticae (1633) zur Universalgeschichte im Allgemeinen, in De festis Hebraeorum et Graecorum schediasma (1660) zu kulturgeschichtlichen Fragen im Besonderen. Der Großteil seiner Publikationen war jedoch der Naturphilosophie und Medizin gewidmet, von deren Gegenständen er nur wenige ausließ. Während die Idea universae medicinae practicae libris VIII absoluta (1644) speziell die praktische Medizin und namentlich die Pathologie abhandelte – hier zeigte sich erneut Jonstons Kompetenz in Sachen Fieber –, setzte sich die Taumatographia naturalis (1632) ganz allgemein mit der Naturgeschichte auseinander. Speziellere natürliche Objekte wie Bäume und Obstbäume kamen in den Dendrographias, sive historiae naturalis de arboribus et fructicibus tam nostri quam peregrini orbis libri decem (1662) zur Sprache. Jonstons bekanntestes und erfolgreichstes Werk war jedoch zweifellos seine fünfbändige Historia naturalis animalium, die zwischen 1650 und 1653 bei Matthäus Merian d.Ä. in Frankfurt publiziert wurde. Das Werk umfasste 1025 Textseiten und war mit 250 Bildtafeln von Merian und seiner Werkstatt sehr reichhaltig illustriert.

3. Publikation
[arrow up]

3.1. Erstdruck
[arrow up]

Erschien 1650 in Frankfurt bei Matthaeus Merian d.Ä. unter dem Titel Historiae naturalis de avibus libri VI als dritter Band von Jonstons Historia naturalis animalium, die zwischen 1650 und 1653 in Frankfurt publiziert wurde. Der erste Band Historiae naturalis de piscibus et cetis libri V war den Fischen und Meeressäugern gewidmet, der zweite Band Historiae naturalis de quadrupetibus libri den Vierfüßlern, der vierte Band Historiae naturalis de exanguibus aquaticis libri IV den blutlosen Wassertieren (Mollusken, Schalen- und Krustentieren), der fünfte Band Historiae naturalis de insectis libri III. De serpentibus et draconibus libri II den Insekten, Schlangen und Reptilien.


Standorte des Erstdrucks


Bd. 1


Bd. 2


Bd. 3


Bd. 4


Bd. 5

3.2. Weitere Ausgaben
[arrow up]

Die Historia naturalis animalium erschien seit 1650 in zahlreichen Editionen, so 1657 und 1665 in Amsterdam. 1718 wurde sie erstmals unter dem Titel Theatrum universale omnium animalium in Amsterdam verlegt. Diesen Titel behielt das Werk und seine Teilbände von nun an bei, so auch in der Edition bei Eckebrecht in Heilbronn aus dem Jahr 1756. Das Theatrum universale omnium animalium fand rasch im Anschluss an die lateinische Ausgabe Übersetzungen ins Englische (An History of the Wonderful Things of Nature, London 1657), Niederländische (Naekeurige beschryving van de natuur der vier-voetige dieren, vissen en bloedlooze water-dieren, vogelen, kronkel-dieren, slangen en draken, Amsterdam 1660) und Französische. Noch im späten 18. Jahrhundert erschien eine Übersetzung ins Französische, die Histoire naturelle et raisonnée des différens oiseaux qui habitent le globe 1773-74 bei L. C. Desnos in Paris, ergänzt um eine Schrift Maria Sybilla Merians über die Insekten und Pflanzen.

3.2.1. Digitale Ausgaben
[arrow up]

  • Bd. 3: Google ebooks 2008. Vorlage: Exemplar der Bodleian Library Oxford, Sign. Lib.Polon. E 37, Vet. D5 c.11.

4. Inhalt
[arrow up]

Jan Jonstons ornithologisches Theatrvm vniversale de avibvs untergliedert die Vogelarten in sechs Gruppen, aus denen sich zugleich die Einteilung in sechs Bücher ergibt. So befasst sich das erste Buch mit karnivoren, am Boden lebenden Vögeln („De avibus terrestribus carnivoris“, S. 1ff.), das zweite mit vegetarischen Vögeln („De avibus phytivoris“, S. 53ff.), das dritte mit Insektenfressern („De avibus insectivoris“, S. 111ff.), das vierte mit breitfüßigen Wasservögeln („De avibus aquaticis, palmipedibus“, S. 130ff.), das fünfte mit spaltfüßigen Wasservögeln („De avibus aquaticis, fissipedibus“, S. 153ff.), das sechste mit exotischen Vögeln, insbesondere amerikanischer Herkunft („De avibus exoticis, Americanis inprimis“, S. 177ff.). Einen eigenen Teil, wenn auch nicht als solcher ausgewiesen, stellt darüber hinaus das Kapitel über fabelhafte Vögel im Appendix dar („De avibus fabulosis“, S. 225ff.).

Mit dieser Klassifikation der Vogelarten folgt Jonston weitgehend zwei Modellen, die er sowohl verkürzt als auch kombiniert. Zum einen diente offensichtlich Pierre Belons habitatorientierte Klassifikation in L’histoire de la nature des Oyseaux (Paris 1555) als Vorbild, die zwischen sechs Gruppen von Vogelarten, nämlich Raubvögeln, Wasservögeln mit Schwimmhäuten, Sumpfvögeln, am Boden lebenden Vögeln sowie großen und kleinen auf Bäumen lebenden Vögeln differenzierte (Walters, S. 25). Zum anderen nimmt Jonston mit seinen Hinweisen auf die jeweilige Ernährungsweise auf Ulisse Aldrovandis partiell diätetisch orientierte Klassifikation seiner dreibändigen Ornithologiae (Bologna, 1599-1603) Bezug, die er allerdings erheblich verkürzte. Denn Aldrovandi wartet neben eingehenden Erörterungen über fleisch- und insektenfressende Vögel auch mit eigenen Büchern über beeren- (Bd. 2, Buch XVI) und würmerfressende (Bd. 2, Buch XVII) Spezies auf. Bereits Conrad Gessner, dessen fünfbändige Historia animalium (1551-1587) bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts das naturgeschichtliche Standardwerk in deutschsprachigen Haushalten blieb (Walters, S. 27), diskutiert in dem dritten Band, De avium natura (1555), innerhalb der Einträge der einzelnen Vogelarten eine Fülle von Aspekten wie etwa Erscheinungsbild, Körperbau, geographisches Vorkommen, Lebensweise, Mythologie und literarische Belege und ihr Vorkommen in der Literatur.

Glich bereits Gesners Binnenklassifikation Jorge Luis Borges’ bekannter Imitation eines aberwitzigen frühneuzeitlichen Ordnungsmodells, nähert sich Aldrovandi dieser noch stärker an. So erörtert er die Namen der Vögel in den verschiedensten Sprachen („Synonyma“), ihre Charakteristika („Forma descriptio“), ihre Lebens- und Ernährungsweise („Mores. Ingenium. Victus“), gegebenenfalls ihr Migrationsverhalten („Locus migratio“), ihr Brutverhalten („Nidus. Partus“), ihren Gesang („Cantus“), die geeignetsten Methoden, sie zu fangen („Capiendi ratio“), ihre Zubereitungsweise und ihren kulinarischen Gebrauch, ihren medizinisch-therapeutischen Nutzen („Usus in cibis, et in medicina“) – Aldrovandi war gelehrter Mediziner –, ihre prognostische Funktion („Augurium. Praesagia“), ihre ikonographische Verwendung („Usus in insignibus“) in Emblemen, Hieroglyphen und Symbolen sowie ihr Vorkommen in Literatur („Fabula, et apologi“), Sprichwörtern („Proverbia“) und Mythologie.

Auch Jonston zog für die Bewohner des Luftraums eine Vielzahl von Klassifikationskriterien heran, die er jedoch nicht anwendete, sondern lediglich im Vorwort erläuterte. So sei zunächst die Größe („ratione magnitudinis“) zu beachten – klein, mittel oder groß –, daraufhin das Habitat („ratione loci“), wobei zu differenzieren sei zwischen den Bewohnern folgender Lebensräume: des Erdbodens, des Meeres, der Seen, Sümpfe und Feuchtgebiete, des häuslichen Raums [domestizierte Vögel] und des Gartens, des Waldes und der Felder („Ratione loci sunt terrestres, marinae, lacustres, palustres, domesticae et villaticae, sylvestres, campestres“, Vorwort, unpag. [S. 3f.]). Darüber hinaus unterschieden sich Vögel in ihrer farblichen Erscheinung („qualitates“), können hell, dunkel oder bunt sein und darüber hinaus ihr Erscheinungsbild im Lauf des Jahres mauserbedingt ändern. Weiterhin unterscheiden sich Vögel nach Jonston durch ihre Ernährungsweise und können sich nicht nur als Fleisch-, Inseketen- und Körnerfresser betätigen, sondern darüber hinaus sogar kleine Steine und Metalle vertilgen („Deglutiunt et lapillos et ferrum quaedam.“ Vorwort, unpag. [S. 4]); eine zutreffende Beobachtung. Hinsichtlich ihrer Fortpflanzung unterscheiden sie sich hingegen gar nicht – sie legen allesamt Eier („Ratione generationis, omnes fere, ut dictum, ovum ponunt.“ Vorwort, unpag. [S. 4]).

Was die Art der Fortbewegung („motus“) und des Gesangs („vox“) angehe, seien die Unterschiede allerdings beträchtlich, wie Jonston insbesondere anhand des Stimmverhaltens verdeutlicht. So gleiche keine Vogelstimme einer anderen: „Die Nachtigall singt melodisch, der Adler schreit, der Habicht ruft gackernd, der Rabe knarzt, krächzt und kreischt. Das Rebhuhn gackelt, die Gans ruft schrill und schreit, der Schwan trompetet. Die Turteltaube und Taube gurrt, die Ringeltaube klatscht [mit den Flügeln], der Storch klappert. Der Hahn macht kikeriki, das Huhn gackert, gluckt und gluckst. Der Pfau schreit, der Kranich ruft ‚krru’, der Geier zischt. Die Alpenkrähe zwitschert, der Milan quiekt und klagt. Die Ente schnattert, die Schwalbe zwitschert. Der Spatz tschilpt, der Star ruft mit Starenstimme. Die Drossel flötet, der Rohrsänger trillert. Die Wachtel zirpt und gluckst. Die Amsel pfeift oder singt melodiös, der Wiedehopf macht ‚hup hup hup’. [...] Die Elster schackert, der Kuckuck ruft ‚kuckuck’. Der Uhu macht ‚UU-hu’, der Steinkauz ‚guuuuhk’. Die Eule ‚hu-uuuh, hu-uuuh’, der Mäusebussard ruft miauend ‚pjiu’ [...].“ („Philomela modulatur, aquila clangit, accipiter pipat, corvus crocitat, crocit, corniculat. Perdix cacabat, anser gratitat, glacitat, cygnus drensat. Turtur et columba gemunt, palumbes plausitat, ciconia gloterat. Gallus cucurrit, gallina gracillat, glocit, glocitat. Pavo pupillat, grus gruit, vultur pulpat. Graculus frigulat, milvus lipit, lugit. Anas tetrinit, hirundo trinsat. Passer pipit, sturnus pisetat. Turdus trutilat, acredula mittat. Coturnix grylissat, glocitat. Merula stridet vel modulatur, upupa popissat. [...] Pica picatur, cuculus cuculat. Bubo bubulat, noctua cucubat. Ulula ululat, buteo bubit.“ Vorwort, unpag. [S. 4], Übersetzung S. K.)

Diese sonderbare Auflistung von Vogellauten war nicht Jonstons eigenes Werk. Sie ging offenbar auf Isidors von Sevilla Liber differentiarum aus dem 7. Jahrhundert zurück. Isidor stellte wiederum nur eine Vielzahl von antiken Aussagen zum Thema Vogelstimmen zusammen – dass die Turteltaube gurrte, hatte schon Vergil geschrieben, den Laut der Schwäne konnte man Sueton entnehmen. Isidors Liste von Vogellauten scheint ihren Weg über mittelalterliche Kompendien bis weit in die Frühe Neuzeit hinein gefunden zu haben. So findet sie sich etwa in einer tabellenartigen Übersicht auch in dem spätmittelalterlichen Kompendium Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack unter dem einschlägigen Titel De volucrum vocali proprietate (Pleuger, S. 276). Auch in einem anderen Theatrum erscheint unter dem Stichwort „Vogelhaus“ („Uccelliera“) eine ebensolche, wenngleich etwas kürzere Ausführung über die einschlägigen Vogellaute, und zwar in Alessandro Consedentis Theatrum von Gemeinplätzen, dem Theatro delle descrizzioni sacre, morali, & academiche (Rom 1646, S. 585f.). Es handelte sich offenbar in allen Fällen um eine Art ‚Gemeinplatz der Vogellaute’.

Die sprachliche Wiedergabe von Vogelstimmen stellt ein Problem dar, das die Frühe Neuzeit recht stereotyp durch die Zuordnung eines oder mehrerer Verben löste. Doch noch im 21. Jahrhundert stehen Vogelführer in Buchform vor ähnlichen Schwierigkeiten. Zwar sind sie von der Attribuierung exakt eines Lautes abgekommen, doch auch das erweiterte Spektrum der onomatopoetischen Wiedergabe ist nicht ohne Komik. So heißt es im Standardvogelführer für die europäischen Vogelarten etwa über die Kurzschnabelgans: „Ähnlich Saatgans, aber sehr stimmfreudig, ruft höher ‚uink-uink’ und kurz trompetend ‚ank-ank-ank’, jedoch tiefer und in weniger munterem Tonfall als Bläßgans.“ (Svensson [et al.], S. 42). Eigentlich lässt sich das Problem der stimmlichen Charakterisierung von Vogelarten nur akustisch befriedigend lösen, etwa durch Medien wie CDs oder durch ein Tonarchiv wie das Tierstimmenarchiv des Berliner Naturkundemuseums.

Hinsichtlich der Anwendung der genannten Klassifikationskriterien verfährt Jonston gegenüber seinen Vorlagen pragmatisch vereinfachend, indem er nicht wie etwa Aldrovandi alle denkbaren Kriterien und Aspekte bespricht, sondern nur einige ausgewählte. So erörtert er bei der Drossel zunächst die Namensvarianten in den verschiedenen Sprachen. Darauf beschreibt er das Aussehen („forma“), bzw. die Morphologie der Drossel, wobei er insbesondere auf Gefieder und Schnabel („rostrum“) einschließlich der Zunge eingeht. Weiterhin wartet Jonston mit der anatomischen Information auf, dass Drosseln keinen Blinddarm besäßen („Intestinum appendices no[n] habet,“ S. 103). Tatsächlich verfügen einige Vogelarten nicht über einen Blinddarm, allerdings zählen die Drosseln nicht zu ihnen (Clara, S. 748).

Dann geht Jonston zur Ernährungsweise („victus“) der Drossel über und benennt mit Myrthen-, Wacholder-, Holunder- und Efeubeeren sowie Oliven ihre Leibgerichte. Dabei bezeugt nicht nur der Verweis auf den römischen Dichter Titus Calpurnius Siculus (3. Jh. n.Chr.), den Jonston als Autorität für die Vorliebe der Drosseln für Oliven bemüht, sondern auch die Nennung der in Nordeuropa nicht wachsenden Oliven den römisch-antiken Ursprung dieser Information. Dies ist bei anderen Vogelarten ähnlich – obwohl sie mehrheitlich in Nord- und Mitteleuropa und somit in persönlicher Reichweite des Autors lebten, gab Jonston ebenso wie die anderen frühneuzeitlichen Verfasser ornithologischer Werke auch über die heimischen Arten viel antikes biologisches Wissen weiter, das anhand des Mittelmeerraums gewonnen worden und für den nord- und mitteleuropäischen Raum häufig wenig relevant war.

Anschließend erörtert Jonston die von Theophrast und Plinius prominent vertretene antike These, dass es die Exkremente der Drossel selbst seien, die bestimmte Pflanzen, namentlich Knabenkraut, Orchideen und Misteln, hervorbrächten. Er verneint dies und macht statt dessen die Existenz der entsprechenden Samen in den Exkrementen der Drosseln für das anschließende Gedeihen der Pflanzen verantwortlich. Die Drosseln generieren in dieser Perspektive die Misteln nicht höchstpersönlich, sondern mittels ihrer Verdauungsprozesse, wobei Jonston vor allem die Kochung („concoctio“) des Samens im Verdauungstrakt für die eigentümliche Koinzidenz von Drosseln und Misteln verantwortlich macht („Concoquitur in Turdi ventriculo granum, cum labruscarum longe duriora & majora concoquantur gigarta: & exhibitis uni visci baccis, nulla in excrementis reperta est species.“ S. 104).

Während die Erwähnung der „concoctio“ – ein Standardterminus aus der galenischen Tradition – auf den gelehrten Mediziner verweist, beruht die Reflexion über den kausalen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Misteln und Misteldrosseln auf einem bereits aus der Antike stammenden Beobachtungswert. Denn die Mistel bedarf zu ihrer Vermehrung tatsächlich der Einverleibung durch die Drossel, deren Verdauungsprozess der einzige natürliche Weg zur Beendung der Keimruhe ist. Misteln wurden zudem seit der Antike für eine Praxis verwendet, die sehr viel mit Vögeln zu tun hatte, nämlich für die Herstellung von Leimruten zum Vogelfang. Auf diese für die Drossel denkbar ungünstige Konstellation, selbst für die Ausbreitung jener Pflanze zu sorgen, mittels deren man sie fangen konnte, bezieht sich auch die antike, auf Plautus zurückgehende Redensart: „Die Drossel scheißt sich selbst ins Unglück“ („Turdus ipse sibi cacat malum“). Doch über die Fangmethode, die „capiendi ratio“, wie es Aldrovandi nannte, schweigt sich Jonston aus. Gleichwohl setzt die ausführliche Diskussion des Werts der Drossel auf dem Speiseplan unter dem Stichwort „Was lässt sich von ihrem Gebrauch als Lebensmittel sagen?“ („Quid de usu in cibis dicam?“S. 104) und die Erörterung der geeignesten Zubereitungsweisen ihren vorherigen Fang voraus.

Über die Qualität des Drosselfleischs äußert sich Galen nach Auskunft Jonstons zwiespältig – einerseits befindet er Drosseln für schwerer verdaulich als Steinhühner, Sandhühner, Fasane und sonstige Hühner („Duriores quidem concoctu, Perdicibus, Attagenis, Phasianis & Gallinis, Galenus facit“, S. 104). An anderer Stelle jedoch erscheint Galen das Fleisch der Drosseln wie jenes der Fasane in seiner Bekömmlichkeit und Nahrhaftigkeit dem der Hühner vergleichbar, wobei sich das der Drosseln durch seine außerordentliche Zartheit und Saftigkeit auszeichne. Daher rechnet Galen gemäß Jonston Drosseln zu den vorzüglichsten Gerichten („sed quia idem Phasianos Gallinis concoctione & nutriendi vi pares, edendi suavitate superiores alibi scribit; alibi laudatis cibarijs, quae neq[ue] tenuem neq[ue] crassum succum gignunt annumerat“, S. 104). Wenig verwunderlich, dass Galen das Drosselfleisch in dietätischer Hinsicht so lobenswert fand, war er doch als Arzt in Rom tätig, wo dieses in beachtlichen Mengen konsumiert wurde, wie Jonston kolportiert: „Und was für einen Luxus die Römer mit ihnen betrieben [....]! Mitunter waren die Volieren der Drosseln so groß, dass mit ihren Exkrementen die Felder gedüngt wurden. Lucullus betrachtete gewöhnlich gleichzeitig seine gebratenen Drosseln auf dem Teller, während andere gefangene Drosseln in der Nähe der Fenster in den Volieren herumflogen“ („Et quantus circa eos Romanorum luxus [...] spectes. [...] Lucull alios videbat Turdos in mazomo positos coctos, alios volitare circa fenestras captos.“S. 104). Sehr wahrscheinlich wurden die Drosseln nicht in Volieren aufgezogen, sondern lediglich in großem Stil eingefangen – etwa zur Zeit des Vogelzugs, wenn sie in großen Scharen kamen. Volieren stellten somit eine Art belebte Vorratskammer dar, die ermöglichte, dass die Drosseln frisch auf den Teller kamen.

Die römische Begeisterung für Drosselfleisch war auch finanziell lukrativ, wie Jonston am Beispiel Varros zeigt, dem seine Drosselvolieren allein auf dem Landgut in einem Jahr 60.000 Sesterzen eingebracht hätten („ut H.S. sexaginta millia ea pars villae reddiderit eo anno, inquit Varro“, S. 104). Doch wie Jonston bemerkt, waren Drosseln auch in seiner Gegenwart gern gesehene Gäste zu Tisch: „In unserer Zeit werden Drosseln gegessen, nachdem sie auf alle erdenkliche Weisen gefangen wurden. Nach Ansicht von einigen zerdrückt man Schafsleber zusammen mit dem innersten Teil des Brotes und serviert sie mit einem Leinentuch. Das heißt, sie wird gekocht, wobei sie Aroma entfaltet, und [der Brühe] Geschmack und Farbe gibt. Die Drosseln werden, nachdem sie in der Fleischbrühe gekocht und kurz angebraten wurden, schließlich darübergelegt.“ („Nostra aetate quoquo modo capti eduntur. Quibusdam jecur ovis integrum cum medulla panis contunditur, & per linteum transmittitur. Hinc aromatibus ad saporem coloremq[ue] commendandum inspersis fervescit. Turdi in jure carnium elixi, & modice frixi imponuntur.“S. 104).

Während der moderne Leser erstaunt sein mag, in einem ornithologischen Werk sachkundige Hinweise zu Fang und Zubereitung der Vögel zu erhalten, war dies für das frühneuzeitliche Publikum wohl nicht abwegig. Vögel wurden im 17. Jahrhundert nicht mit interesselosem Wohlgefallen, sondern auch in Hinblick auf ihre medizinische und diätetische Funktion betrachtet. So spiegeln die von Jonston erteilten kulinarischen Ratschläge nicht zuletzt die ernährungstechnischen Praktiken der Zeit – Singvögel dürften im 17. Jahrhundert recht allgemein auf dem Speisezettel sämtlicher europäischer Küchen gestanden haben. Dies tun sie nach wie vor im Mittelmeerraum, wo die Tradition ungebrochen fortlebt, auch wenn es nicht mehr in Vogelführern oder Kochbüchern erwähnt wird (siehe hierzu neuerdings prominent Jonathan Franzen).

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erörtern die Autoren ornithologischer Werke jedoch regelmäßig den kulinarischen Wert der Tiere. Das gilt insbesondere für Lerchen, die zusammen mit Rebhühnern, Staren, Wachteln und Fasanen zu den schmackhaftesten Vogelarten zählten. Sie wurden auf dem Gebiet des Deutschen Reichs besonders in Sachsen im Umkreis von Leipzig massenweise gefangen und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in großen Mengen nach Berlin, Hamburg und Paris exportiert (dazu Naumann/Naumann). Über die Vorzüglichkeit der Lerche sowohl in musikalischer als auch in kulinarischer Hinsicht äußerte sich besonders Nikolaus Baer in seinem ornithologischen Gedichtzyklus Ornithophonia, sive harmonia melicarum avium, juxta naturas, virtutes & proprietates suas (Bremen, 1695) ausführlich. Angesichts der allgemein anerkannten kulinarischen Beliebtheit der Lerche war es kein Wunder, dass Jonston dazu sehr lakonisch Stellung nahm: „Über ihren Gebrauch als Nahrungsmittel schweige ich. Es gibt niemanden, dem die adulten und jungen Vöglein nicht schmecken würden“ („De usu in cibis taceo. Iuniores et pinguiusculas nemo non adpetit.“S. 101). Da sich Rezepte zur Zubereitung von Lerchen in allen gängigen Kochbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts fanden, war es tatsächlich müßig, darauf näher einzugehen.

Die Frage der Fortpflanzung der Spezies („generatio“) war sowohl aus kulinarischer als auch in biologischer Perspektive von Interesse. So unterstellt Jonston etwa der Drossel, regelmäßig zehn Eier zu legen (S. 104), dem Star hingegen sieben oder acht (S. 110). Über die Dauer der Brutzeit äußert sich Jonston bei den Singvögeln nicht, was auf den Einfluss von Aristoteles’ Historia animalium verweist. Aristoteles hatte sehr wirkmächtig einen Zusammenhang zwischen der Größe eines Vogels und der Inkubationszeit der Eier – je größer, desto länger – postuliert. Allerdings hatte er diese Idee nur auf Raubvögel bezogen, was zur Folge hatte, dass deren Brutzeiten noch bis ins 20. Jahrhundert hinein in Abhängigkeit von ihrer Größe angegeben wurden und nicht auf Beobachtung beruhten (Walters, S. 14). Sie variierten zwischen 20 Tagen bei kleinen und 30 Tagen bei großen Raubvögeln. Zu kleineren Singvögel macht Aristoteles überhaupt keine Angaben – eine Praxis, der die frühneuzeitlichen ornithologischen Autoren wie Gessner, Aldrovandi und Jonston folgen. Mögen bei Jonston also auch die Angaben über die Brutdauer bei den Singvögeln fehlen, für Raubvögel sind sie, wie allenthalben in der aristotelisch inspirierten Tradition, vorhanden, aber zugleich höchst spekulativ.

Die aristotelische These von der Korrelation von Größe und Brutdauer gibt Jonston getreulich wieder und bemerkt: „Große Eier brauchen 30, kleine 20 Tage“ („Ovis maioribus XXX. minores XX. incubant,“S. 2). So brüte der Habicht oder Sperber – Jonston spricht allgemein von accipiter – 20 Tage lang (S. 12); über den Geier weiß Jonston wenig Konkretes zu sagen und beklagt das mangelnde Wissen über diesen Vogel. Er weiß allerdings zu berichten, dass dieser gegenwärtig in Italien brüte – der Mediziner Agostino Nifo versicherte nämlich glaubhaft, mit eigenen Augen in Italien ein Nest gesehen zu haben (S. 9).

Der Erfolg eines frühneuzeitlichen ornithologischen Werks stand und fiel mit den Illustrationen. Mit Matthias Merian hatte Jonston zweifellos einen sehr begabten Illustrator gefunden, der zu dem großen Erfolg seines Vogelbuchs und der weiteren Bände des Theatrum universale omnium animalium maßgeblich beitrug. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Illustrationen originell gewesen wären oder dass Merian sie nach der Natur angefertigt hätte.

Der Frage, nach welchen Vorlagen die Illustrationen Merians in Jonstons ornithologischem Werk angefertigt und in welchem Maß sie aus anderen Vogelbüchern übernommen wurden, ist bislang noch niemand systematisch nachgegangen. Grundsätzlich gab es vier gangbare Wege – die Anfertigung der Illustration nach einem lebendigen Vogel, nach einem frisch verstorbenen oder nach einem präparierten Vogel, sowie nach der Illustration in einem anderen Vogelbuch. Die Benutzung von Vorlagen aus anderen Büchern dürfte die wichtigste Illustrationspraxis gewesen sein. Darstellungen gerade erst gestorbener Vögel, erkennbar an ihrer liegenden Haltung, waren bei Merian selten. Sie betreffen vor allem die Paradiesvögel (Tafel 55) und einen Kolibri (Tafel 56).

Dass für Merian lebende Vögel Porträt saßen, ist eher unwahrscheinlich. Auf die Benutzung von präparierten Vögeln verweisen gemäß Schulze-Hagen [et al.] mehrere Merkmale in der bildlichen Darstellung, darunter eine unnatürliche Körperhaltung, die Weise, wie der Vogel auf einem Ast oder kleinen Hügel platziert ist, fehlende Augen oder geöffnete Schnäbel. Bereits die erste Tafel zeigt einen Adler („Aquila Gesneri“) in einer denkbar unnatürlichen Haltung, nämlich mit völlig untypisch angehobenen Flügeln (Tafel 1). Eine unrealistische Körperhaltung ist fast die Regel – so ist etwa die abgebildete Nebelkrähe ein eigenartig langgestrecktes Tier (Tafel 16). Dabei handelt es sich möglicherweise um ein Missgeschick beim Ausstopfen (Schulze-Hagen [et al.], S. 464). Der Steinkauz („Noctua“) ist wiederum so frontlastig, dass er trotz einer realen Tendenz in diese Richtung sofort das Gleichgewicht verlöre, zumal er nur auf einem Bein balanciert (Tafel 19). Zahlreiche Vögel haben bei Merian ein Bein angehoben, als seien sie im Begriff, forsch vorauszuschreiten. Auch dies ist in den meisten Fällen unter die unnatürlichen Haltungen zu rubrizieren.

Sofern man die Positionierung auf einem Ast oder kleinem Hügel – in Merians Fall fast immer bestehend aus einem typischen Beutetier wie etwa einer Maus – als verlässlichen Indikator für die Benutzung eines präparierten Exemplars als Vorlage ansieht, müssen die Raubvögel bei Jonston fast ausnahmslos nach präparierten Vögeln angefertigt worden sein. Da das in Aldrovandis Ornithologiae auf die große Mehrheit der Raub- und Wasservögel zutrifft, kann dies sehr wohl auch bei Jonston der Fall sein (Schulze-Hagen [et al.], S. 465).

Die Benutzung von präparierten Vögeln als Bildvorlagen war im frühen 17. Jahrhundert bereits weit üblicher als häufig angenommen (Schulze-Hagen [et al.], S. 460). Spätestens seit dem 16. Jahrhundert sind in Europa gründliche präparatorische Kenntnisse nachweisbar, die sich nicht zuletzt aus der Praxis des Vogelfangs, der Jagd und Kürschnerei speisten und bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Die Techniken der Vogelpräparation trugen zur Blüte der Ornithologie in der Frühen Neuzeit maßgeblich bei (Schulze-Hagen [et al.], S. 461). So wurden die Illustrationen in Gessners und Aldrovandis Vogelbüchern mehrheitlich nach präparierten Vogelexemplaren – sowohl mumifiziert als auch ausgestopft – angefertigt. Gessner und Aldrovandi waren in der Tat neben den fürstlichen Inhabern von Naturalienkabinetten wie Rudolf II. die Inhaber der größten Privatsammlungen präparierter Vögel, deren Exemplare ihnen nicht zuletzt durch ein ausgedehntes Netzwerk zugetragen wurden (Schulze-Hagen [et al.], S. 466).

Die Darstellung der Raubvögel mit geöffnetem Schnabel ist bei Merian ebenfalls inflationär, was einen weiteren Indikator für eine überwiegende Illustration nach präparierten Vögeln darstellt. Frappierend ist die Darstellung einiger Raubvögel mit Glöckchen am Bein, etwa des Gerfalken („Geijrfalk“, Tafel 13) oder eines ominösen ‚anderen Falken’ („Falco aliter“), eines „Falco passagir“ sowie eines „Falco Oenentanus“ (nicht identifizierte Arten – Würgfalke und Lannerfalke wären denkbar, Tafel 12). Diese Illustrationen erwecken geradezu den Anschein, als gehörten Glöckchen zur natürlichen Erscheinungsform dieser Spezies. Zweifellos handelt es sich um beringte Tiere, die für die Falkenjagd eingesetzt wurden. Während es bei Jonston die häufige Beringung der Falken ist, die unmissverständlich auf die Falknerei verweist, bezeugt bei Aldrovandi ein langes Kapitel über die Krankheiten der Falken („De morbis falconum“, Bd. 1, S. 448ff.) die umfassenden veterinärmedizinischen Kenntnisse, die aus dieser Praxis resultierten.

Ob Jonstons Falken in lebendigem oder präpariertem Zustand porträtiert wurden, ist kaum zu bestimmen. Während der in Mitteleuropa heimische Gerfalke durchaus in lebendigem Zustand Porträt gesessen haben kann – bei einem Falkner ließ sich gewiss ein Tier finden, das zumindest festgebunden kooperativ war –, handelte es sich bei den nicht identifizierten Falkenarten wohl nicht um einheimische Tiere, was es eher unwahrscheinlich macht, dass lebende Exemplare porträtiert wurden. Es ist neuerdings bemängelt worden, dass die Tierdarstellungen des 17. Jahrhunderts weder den Ausdruck noch das charakteristische Verhalten der Tiere wiederzugeben vermögen (Sørensen, S. 164). Sehr wahrscheinlich resultierte die bemängelte typisierende Darstellungsweise nicht aus bildnerischem Unvermögen, sondern aus der Absicht, die Vögel modellhaft wiederzugeben, so dass ihre typischen Merkmale erkennbar werden – so gut dies ohne den Gebrauch von Farben möglich war. Denn Vogelbücher dienten nicht unwesentlich zur Identifikation von Vögeln, zu der sich eine typisierende und idealisierende Darstellungsweise bis heute als funktionaler erwiesen hat als jedes noch so ausdrucksvolle und lebendige Porträt. Anders gesagt, Realismus liefe dem Zweck der Darstellung – die Wiedererkennung der Vögel – zuwider.

5. Kontext und Klassifizierung
[arrow up]

Im Zusammenhang der frühneuzeitlichen Vogelbücher wird Jonstons Theatrvm vniversale de avibvs zumeist unter Hinweis auf seinen kompendienhaften Charakter rasch als unoriginell abqualifiziert, insbesondere in der älteren Forschungsliteratur. So befand Erwin Stresemann gar, dass es ohnehin stets die schlechtesten Bücher seien, die sich am besten verkauften. In der neueren Forschung wird der erklärten Absicht des Autors, ein breites Publikum anzusprechen, zunehmend Rechnung getragen (Walters, S. 30f.). Auch zeichnet sich eine generelle Aufwertung der frühneuzeitlichen Vogelbücher ab, die in manchen – nicht ausschließlich – älteren Publikationen als mehr oder minder gelungene Vorläufer von jenen der Aufklärung gehandelt werden, wie etwa bei Moss, der die Frühe Neuzeit auf ganze vier Seiten komprimiert (Moss, S. 33-36).

Die kompendienartige Struktur von Jonstons Vogelbuch, wie sie etwa durch seine Bezeichnung als Theatrum explizit zum Ausdruck gebracht wurde, war natürlich ebenfalls durchaus beabsichtigt und schuldete sich nicht einem Mangel an Originalität des Autors. Wie Ann Blair bereits für Jean Bodins naturphilosophisches Theatrum, das Universae naturae theatrum (1596), gezeigt hat, ist dies ein höchst kompilatives Werk voller Gemeinplätze und weitgehend unbelastet von empirischen Naturstudien, das trotz oder vielleicht gerade wegen seines offenkundigen Mangels an neuen oder eigenen Erkenntnissen eine weite Rezeption erfuhr. Auf ähnliche Weise inspiriert sich Jonston großzügig bei der ornithologischen Konkurrenz, die er bereits im Untertitel offen benennt. Doch die Liste von 27 Referenzen, die neben der Ornithologie auch aus dem Bereich der Botanik und Medizin kommen, ist keineswegs vollständig. So fehlen etwa Aristoteles sowie die beiden ornithologischen Autoren Carolus Clusius und Juan Eusebio Nieremberg, die zumindest Merian so vertraut waren, dass er ihre Illustrationen als Vorlagen benutzte. Die wichtigsten modernen Referenzen für Jonston waren indes Belon, Gessner und Aldrovandi.

Insbesondere zu Aldrovandi war das Rezeptionsverhältnis so eng, dass es sich als freundliche Übernahme ganzer Passagen unter Vornahme einiger Kürzungen charakterisieren lässt. Während Aldrovandi über die Mauersegler („Apus apus“) im Plural ausführt, dass sie fliegend Insekten fräßen, trifft Jonston dieselbe Aussage über den Mauersegler im Singular („Victitant insectis per aera volitantibus, eaque nisi volantes capiunt, & nisi volantes edunt. Observavi tamen ego aliquando adherere parietibus, quod ideo eas facere coniicio, ut araneas muscasve, similiaque insecta praevisa capiant. Bellonius tantumque ocularum acie valere scribit, ut per mille passus muscam volantem observent, & subito insequantur.“Aldrovandi, Bd. 2, S. 701).

Während Aldrovandi unter Quellenangabe (Belon) berichtet, der Mauersegler könne Fliegen aus 100 Schritten Entfernung ausmachen, äußert sich Jonston unter Verwendung des gleichen Beispiels ebenso über die erstaunliche Sehschärfe des Mauerseglers, allerdings unter Weglassung aller Quellen – nicht nur von Belon, sondern auch von Aldrovandi („Victitat insectis per aera volantibus, eaque nisi volans capit & edit. Oculoru[m] vero acie ita valet, ut per mille passus muscam observet, & subito insequatur.“ Jonston, S. 121).

Originalität lässt Jonston also weitgehend missen, wenngleich er verschiedentlich durchaus persönliche Kenntnisse einfließen lässt, wie etwa die des Basstölpels, den er 1623 während seines Aufenthalts in Schottland gesehen hatte (Walters, S. 30).

Auch die Abbildungen orientieren sich sehr wahrscheinlich häufig an den Darstellungen anderer Vogelbücher. Auf der Tafel mit exotischen Vögeln, deren Kenntnis aus erster Hand bei einem Europäer ohnehin unwahrscheinlich ist (Tafel 56), werden die Inspirationsquellen durch Zusätze hinter den Vogelnamen explizit gemacht. So stammt der linke Tukan auf dieser Tafel von Gessner, der rechte von André Thevet. Der Emu, ein Dodo und der Kolibri stammen von Nieremberg, der Kasuar, der Pinguin, der Gänsesäger und der Skua von Clusius. Gessners Tukan tritt jedoch nicht nur bei Jonston, sondern auch bei Aldrovandi in Erscheinung und inspiriert noch 1716 Johann Heinrich Lochner, den Illustrator von Basilius Beslers Rariora Musei Besleriani (Smith, S. 88). Es handelt sich also um ein sehr übliches Vorgehen unter den frühneuzeitlichen Illustratoren. So hat etwa Paul J. Smith für die Illustrationen zweier exotischer Vogelarten, des Tukan und des Nashornvogels, nachgewiesen, dass sich wenige ‚Grundmodelle’ mit geringen Variationen durch fast alle Vogelbücher verfolgen lassen (Smith, S. 82) – und das, obwohl sich genügend Exemplare in den frühneuzeitlichen Naturalienkabinetten befanden, die sich ebenfalls als Modelle angeboten hätten.

Wie viele von Merians Illustrationen sich stark an den Darstellungen anderer Vogelbücher anlehnen, ist unbekannt. Doch fraglos sind sie sehr ansprechend gestaltet und trugen im Verein mit dem Renommee des Illustrators wesentlich zum Verkaufserfolg des Theatrvm vniversale de avibvs bei. So blieb Jonstons vierbändiges zoologisches Theatrum bis zur weiten Verbreitung von Carl von Linnés Systema naturae ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eines der beliebtesten Tierbücher im deutschen Sprachraum.

6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
[arrow up]


1Der formalen und inhaltlichen Beschreibung liegt der dritte Band der Ausgabe von 1756 zugrunde. Dieser verwendet dieselben Tafeln wie die Erstausgabe von 1650, mit dem Unterschied, dass sie nicht über den Text verteilt, sondern zu einem Tafelteil zusammengefasst sind.
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000193/tei-introduction.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/rules/styles/projekte/theatra/tei-introduction2.xsl