Einführung

[Abraham Rémy]: Theatri Amoris Vierdter Theil – Histori Clitophonis
Sebastian Möckel

1. Titel1
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Theatri Amoris, Oder Schawplatzes der Liebe Vierdter Theil: Darinnen beschrieben Die sehr artliche vnd ergetzliche Histori von keuscher/ beständiger/ vnd durch mancherley selzame Anstöß trefflich bewehrter Liebe Clitophonis vnd Leucippe. Erstlich auß dem Griechischen Achillis Statij von Alexandrien gezogen/ vnd in Frantzösischer Sprach beschrieben. Nunmehr aber auß solcher ins Teutsch vbersetzet. Franckfurt am Mayn/ In Verlegung Lvcae Jennisii. Anno M. DC. XXXI. Frankfurt/Main: Lukan Jennis, 1631. - Titelseite (Kupfertafel), 530 pag. S., 8°. [opac ↗0150797850] [vd17 ↗23:254684L]

2. Verfasser
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Der Übersetzer bleibt anonym.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschienen in Frankfurt/Main 1631 bei Lukas Jennis.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Vorlage
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Die Vorlage ist die französische Übersetzung von Abraham Ravaud (= Rémy, 1600-1646) Les Amours de Clitophon et de Leucippe, Paris 1625. Der spätantike griechische Roman Die Geschichte von Leukippe und Kleitophon von Achilles Tatius, auch Tatios, aus Alexandria stammt aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Vielfach findet sich in der Frühen Neuzeit die Verschleifungsform des Namens zu Achille Statius.

3.3. Weitere Ausgaben
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Der Roman erschien 1644 in einer zweiten Auflage, wobei er neu gesetzt (auf 384 Seiten) und um 4 Kupferstiche erweitert wurde: Nunmehr aber auß solcher ins Teutsch vbersetzet/ zum andernmal getruckt/ vnd mit schönen Kupfferstücken gezieret. Franckfurt am Mayn/ In verlegung Christoff Le Blon. Getruckt zu Hanaw bey Johan Aubry. Anno 1644 [VD17 23:284252P]. [vd17]

4. Inhalt
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Dem Roman ist eine kurze Vorrede vorangestellt, die eine seit den byzantinischen Diskussionen um die spätantiken griechischen Romane nachhaltig etablierte Rangfolge aufmacht: Die Geschichte von Leukippe und Kleitophon des Achilles Tatios stand immer im Schatten der weitaus geschätzteren Heliodor (wohl 3./4. Jahrhundert n. Chr.) und seiner Aithiopika (Äthiopische Geschichte). Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts galt er, obwohl der ältere von beiden, als eine (schlechte) Nachahmung des Heliodor: „in dessen Histori/ Nemblichen Clitophonis vnd Leucippe der Autor den Heliodorum mit seiner Historia Aethiopica Theagene & Chariclea, so artlich zu imitiren sich befliessen/ daß welcher solche vormahls gelesen/ vnnd etwan eine/ oder die andere Particulariteten darinnen möchte vergessen haben/ durch gegenwärtige […] sich fast alles/ oder doch mererntheils/ widerumb erinnern kan“ (S. 3). Als eine „gantz andere geschicht“ (S. 3) wiederholt sie die Vorzüge Heliodors, der als der zentrale antike Gewährstext für die entstehende Romangattung fungiert.

Die Handlung setzt, nach der Benennung des Ortes Tyros in Phönizien, sehr rasch mit dem Liebesmotiv ein: Der unter Bäumen rastende Clitophon bemerkt die Ankunft eines Schiffes, von dem die „aller volkommneste Schönheit auff der Welt“ (S. 6) steigt. Sofort beginnt die Liebespassion ihr für Clitophon zunächst noch fremdes Spiel. Die schöne Unbekannte wird ihm als Leucippe vorgestellt, als Tochter des väterlichen Vetters, die mit ihrer Mutter wegen Kriegsauseinandersetzungen aus Byzanz gekommen sei. Diese Liebe auf den ersten Blick ist einseitig, wird aber, auch ganz typisch für die Gattung, umgehend mit der ersten Schwierigkeit konfrontiert: Clitophon soll nach väterlichem Plan mit seiner Stiefschwester Caligonne verheiratet werden. Unter einer solchen affektiven Forcierung des Geschehens entspinnt sich die Annäherung zwischen Clitophon und Leucippe. In einem sehr langen Bogen werden dabei Instruktionen, Übungen des Liebeswerbens mit entsprechenden ‚Anwendungssituationen’ abwechselnd verschaltet. Clitophon greift auf die Hilfe seines Freundes Clinias sowie seines Bediensteten Satyrus zurück, die bereits in der Liebe erfahren sind und gleichsam je als Trainer abwechselnd ins Spiel kommen. Dabei werden Fragen der Affektbeherrschung, Keuschheit oder Ehe ebenso traktiert wie Strategien werbenden Sprechens und Verhaltens: „Darumb kehre du nun allen müglichen fleiß an/ es sey mit Gebärden/ oder mit Worten/ daß du ihren diesen Glauben vnnd zutrawen ins Gemüth bringest“ (S. 26). In diesen Verhaltenslehren geht es um ein Maßhalten des Begehrens, um ein asketisches Einüben in eine sozial integrierbare Passion, die ihre Bestimmung in der Ausrichtung auf ordentliche Familiengründungen findet (Möckel 2010, S. 289-292). Damit einher geht aber auch gleichzeitig die Demonstration tugendhafter Beständigkeit, über die die Frau verführt werden soll. Dennoch handelt es sich um eine Entwicklung steter Intensivierung, zunehmender Frechheiten und Zudringlichkeiten. Eine Begegnung findet im Garten statt, wo in einem rhetorischen Exzess Erscheinungen der Natur metaphorisch auf die Liebe umgeprägt werden. Bei einem Nachtmahl intensiviert sich der Augenkontakt und der „geyle Anblick/ ließ allgemach das kalte Eyß/ mit welchem ehemahlen ihr Hertz vmbgeben war/ schmeltzen vnnd aufgehen“ (S. 43). Die nächste Phase der Annäherung schließt zunehmend körperliche Nähe ein. Es kommt zu Handküssen, schließlich wird Clitophon noch vertraulicher und „stiehlt sich etliche Küsse“ ab (S. 52). Die beiden Liebenden offenbaren sich gegenseitig ihre Zuneigung und beschließen, irgendwie zur Heirat zu kommen, weil sie nur so ihre „Plaisirs geniessen können“ (S. 74). Inzwischen ist Caligonne von einem Byzantiner, Callistenes, geraubt worden, der sie mit Leucippe verwechselt hatte, welcher er aus Liebe gefolgt war. In einer Nacht schleicht sich Clitophon in die Kammer von Leucippe, sie werden allerdings von der Mutter gerade noch vor dem Vollzug der körperlichen Liebe überrascht. Die beiden beschließen, gemeinsam mit ihren Vertrauten heimlich zu fliehen und gehen nachts auf ein Schiff.

Der folgende Abenteuerteil ist durch eine Vielzahl von Umschlägen, Zufällen und Rettungen im letzten Moment geprägt und führt die Liebenden durch eine Vielzahl existentieller Krisen und Bedrohungen entlang einer schier endlosen Reihe von Nebenbuhlern. Auf dem Schiff lernen sie den Ägypter Menelaos kennen. Im obligatorischen Unwetter auf See erleiden sie Schiffbruch, bei dem sie von Menelaos und Clinias getrennt werden. Die Liebenden stranden in Pelusion, in der Nähe der Nilmündung. Bei der Fahrt auf dem Nil werden sie von Räubern gefangen genommen. Leucippe soll von den Barbaren geopfert werden, was zwar durch den Kampf mit Soldaten des ägyptischen Königs aufgeschoben wird, allerdings in einer Trennung von Leucippe und Clitophon endet, da Leucippe bei den fliehenden Räubern bleibt. Wenig später nimmt Clitophon aus der Ferne die angekündigte Opferung seiner Geliebten wahr: die Barbaren „stiessen ihr drauff ein Messer in Leib/ vnnd schnitten mit solchem den Bauch auff“ (S. 134), zerteilen die Eingeweide und machen sich wie Tiere darüber her. Clitophon bricht zusammen, schleicht sich aber nachts zum Opferplatz, wo Leucippe in einem Grab bestattet wurde, um sich dort das Leben zu nehmen. Plötzlich kommen Menelaus und Satyrus hinzu, versichern ihm, dass Leucippe noch lebe, und lassen Leucippe aus dem Grab. Das schreckliche Geschehen erweist sich im Nachgang als tatsächliches, die Räuber betrügendes Theater. Die Theaterrequisiten (etwa das einklappbare Messer) hatten Menelaus und Satyrus nach einem Schiffbruch am Ufer gefunden.

Die Liebenden kehren zu Charmides zurück. In einer intimen Situation versucht Clitophon, die „Früchte der Liebe“ (S. 159) einzusammeln, wird aber von Leucippe wieder auf die bis zur Hochzeit zu bewahrende Keuschheit und die Dämpfung der Begierden eingeschworen. Wie es sich für einen vorbildhaften Held gehört, funktioniert das auch schier ohne Probleme. Diese Szene, die zweifellos auf eine ähnliche Sequenz in Heliodors Aithiopika verweist, wurde vom französischen Übersetzer Abraham Rémy eingefügt und zeigt die moralische Entschärfung der antiken Narration durch die frühneuzeitlichen Übersetzer und Bearbeiter. Die nächste Bedrängnis der keuschen Protagonistin ist in der Gestalt des Charmides bereits nicht weit. Er nähert sich Leucippe durch Vermittlung Menelaus’, der diese Intrige den Liebenden jedoch enthüllt. Sie halten den Nebenbuhler Charmides hin, doch unerwartet wird Leucippe tobsüchtig. Sie redet wirr und muss angekettet werden. Während Clitophon unmäßig trauert und vor Sorge vergeht, werden die Soldaten des ägyptischen Königs von den Räubern geschlagen. Ein gewisser Chereas enthüllt in der Folge den Grund für Leucippes Wahnsinn: Ein inzwischen gefallener Soldat hatte diesen mit einer Überdosis eines Liebestrankes ausgelöst. Leucippe kann geheilt werden; damit korrespondiert der finale Sieg über die Räuber.

Das Paar reist mit seinen Vertrauten nach Alexandria, wo nunmehr Chereas der Leucippe nachstellt. Zwar gibt es ein „Wahrzeichen des Unglücks“ (S. 198) – eine bildliche Darstellung der Philomela-Metamorphose –, dennoch gehen Leucippe und Clitophon in die gestellte Falle. Chereas kann mit Leucippe auf ein Schiff entfliehen; angesichts der Nacheilenden köpft er die entführte Leucippe und wirft den Körper vor den Augen Clitophons ins Meer. Diesem bleibt nur, den Leichnam zu bestatten. Er verbleibt in tiefer Melancholie in Alexandria.

Der dritte große Abschnitt des Romans beginnt nach einer sechsmonatigen Trauerzeit mit der Wiederbegegnung von Clitophon und Clinias, der die nun obsolete Einwilligung der Eltern zu einer Ehe mit Leucippe übermittelt. Um Clitophon aufzumuntern, erzählen ihm die Freunde von Melite, einer Witwe aus Ephesos, die sich in ihn verliebt habe. Clitophon geht nach einigem Zögern auf ihr Werben und ihr Eheangebot an, will aber zumindest bis Ephesos sein Keuschheitsgelübde wegen der Erinnerung an Leucippe beibehalten, auch wenn Melite ihn vielfach ungezügelt bedrängt. Zumindest aber weckt sie erste Regungen bei Clitophon: Ihr Liebesgeplänkel fängt an, „seine außgelöschte Flammen wider anzuzünden/ vnd widerumb in eben dem Hertzen wachsen zumachen die Liebe/ darinnen zuvor nichts anders als lauter Todts vnnd Leichgedancken waren“ (S. 229). Die Ehe wird pro forma geschlossen.

Im Hause Melites gibt es eine Sklavin, Lacene, die ihn in gewisser Weise an Leucippe erinnert, wenngleich sie „ein Weibsbild aller verstelt vnnd vbel bekleydt/ darzu mit schweren Eysen Ketten gefässelt/ die Haar waren ihr abgeschnitten/ der gantze Leib voller Schweiß vnd Staub/ in der Hand hielt sie ein Spaden oder Schauffel/ wie mans im Feldt braucht“ (S. 242), darstellt. Wenig später bekommt er einen Brief von Leucippe, der ihm deutlich macht, dass sie noch am Leben ist. Darin enthüllt sie, dass sie die Sklavin sei, wünscht ihm für seine neue Affektation alles Gute und schickt sich in den inferioren Status ohne Glücksanspruch. Dabei betont sie ihre Treue zu Clitophon und die stete Bewahrung ihrer Keuschheit, endet aber mit einem schweren Vorwurf: Sie habe sich schlicht an den „allerwanckelmüthigsten vnd vnbeständigsten Menschen der Welt“ (S. 249) gehangen. Dies stürzt Clitophon in ein Wechselspiel aus freudiger Ekstase und Selbstanklage, wobei er in seiner Antwort die Dauerhaftigkeit seiner Liebespassion in seiner Trauerzeit und die Treue beschwört. Weiterhin wehrt er sich gegen die immer heftigeren Annäherungen Melites, die Lacene gegenüber klagt, dass Clitophon sie „doch weniger berühret als ein Stein“ und sie so rein geblieben sei, als hätte sie einen „Eunuchum“ (S. 262) im Bett gehabt.

Gänzlich unerwartet kommt der verschollen geglaubte Ehemann Melites, Tersander hinzu, der von der Heirat gehört hatte, Clitophon zornentbrannt verprügelt und einsperren lässt. Bei dem Handgemenge fällt der Brief von Leucippe heraus, den Melite voller Eifersucht, Liebe und Zorn liest. Bei ihrem Besuch Clitophons im Gefängnis weist dieser erneut ihr Ansinnen zurück und annulliert die Ehe, da Tersander ja noch lebe und er nicht zu einem Ehebrecher werden möchte. Melite gerät außer sich vor Wut. In der Nacht erscheint ihr Diana im Traum – mit fundamentalen Folgen, die allerdings auf den französischen Übersetzer zurückzuführen sind. Während bei Achilles Tatios Melite von ihrem sexuellen Begehren nach einem einmaligen Liebesakt mit Kleitophon quasi geheilt wird, ist es hier vor jeglicher sexuellen Handlung die Einsicht in „ihren Fähler“, die ihre Liebe „in ein wahrhaffte Freundtschafft vnnd recht guten Willen“ (S. 274) verwandelt. Am nächsten Tag verhilft sie, ganz freundschaftlich selbstlos, dem leicht irritierten Clitophon zur Flucht.

Da Tersander selbst von einer sexuellen Begierde nach Leucippe befallen ist, wird diese von Sostenes, dem Verwalter Tersanders, festgehalten. Vergeblich versuchen sie, von ihr ein Einverständnis für ein Liebesabenteuer zu erhalten, denn sie „will eher tausentfältige Todt [...] leyden/ dann deß Tersanders Viehische Begierden zu contentieren“ (S. 294). Da inzwischen Clitophon auf der Flucht gestellt und erneut inhaftiert ist, strengt Tersander gegen ihn und Melite ein Gerichtsverfahren wegen Ehebruch und (vorgeblichem) Mord an Leucippe an. Es entspinnt sich ein Wechselbad aus Racheintrigen Tersanders, Abwehrstrategien der Liebenden und ein im hohen Maß rhetorisch ausgeformtes Spiel aus Gerichtsreden und Beweisführungen.

Ein weiteres Mal hat Clitophon vom Tod seiner Geliebten erfahren und nimmt nun, in letzter Verzweiflung, den Vorwurf des Mordkomplotts auf sich. Zwar fordert Clinias in seiner Verteidigung Beweise für die Anschuldigung, aber das Gericht verurteilt Clitophon dennoch zu Folter und Hinrichtung. Wieder naht Rettung in letzter Sekunde – diesmal ist es der Vater Leucippes, der in Ephesos eintrifft und im Diana-Tempel opfern will. Dies erzwingt den Aufschub der Hinrichtung. Just in diesem Moment wird bekannt, dass sich Leucippe, die sich aus der Gefangenschaft befreien konnte, im Diana-Tempel versteckt hat. Clitophon kommt frei, muss sich aber zur weiteren Gerichtsverhandlung bereit halten.

Als letztes Mittel fordert Tersander vor Gericht von Melite und Leucippe eine Keuschheitsprobe: Melite soll im Stygialischen Brunnen getestet werden, Leucippe muss in die Höhle der Syrinx gehen, in der die Evidenz der Keuschheit durch eine wohlklingende Musik und die Fähigkeit, die Höhle wieder verlassen zu können, erzielt wird. Beide mythisch verankerte Proben gehen für die Beklagten vor einer großen Zuschauermenge gut aus: Als Leucippe in die Grotte steigt, ertönt eine Melodie noch nie gehörter Lieblichkeit. Schließlich erscheint sie „Triumphirend/ voller Ehr / Glori vnd Herrlichkeit“ (S. 372). Tersander flieht und das juristische Spektakel endet mit einem uneingeschränkten Freispruch. Bei einem abschließenden Nachtmahl erzählt Leucippe von ihrer vermeintlichen Tötung, die ein Ablenkungsmanöver war und bei der eine andere Frau in ihren Kleidern den Tod fand. Sie wurde von den Piraten verkauft und gelangte so nach Ephesos. Durch den Vater von Leucippe wird dann noch die Geschichte der Calligonne nachgereicht, die sich letztlich von der redlichen Liebe ihres Entführers überzeugte und diesen dann heiratete. Damit sind alle während des Romans aufgeworfenen Hindernisse einer Verehelichung von Leucippe und Clitophon ausgeräumt.

Der Roman schließt dann auch mit einer nunmehr sehr gedrängten Zusammenfügung. Die Liebenden kehren nach Tyrus zurück und heiraten. Das letzte Wort hat gleichwohl ein relativierender Zusatz des Erzählers: Obschon es nämlich einige „Frewd oder Ergetztligkeit bey der Lieb“ gäbe, sei sie doch „mit so viel Elend vnd Marter durch vermischet [...] daß viel besser/ man behalt seine Freyheit/ vnd bleib solches eingebildten Lustens beraubt/ als daß man sich selbst in ein (eusserlichen ansehen nach) so annemblichen Gefaengnis verstecken vnd einsperren will“ (S. 384).

5. Kontext und Klassifizierung
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Bei der Historia Clitophonis handelt es sich um die Übersetzung eines spätantiken griechischen Liebesromans. Nach seiner Wiederentdeckung im 15. Jahrhundert wurde der griechische Liebesroman zu einem europäischen Erfolgsmodell, das einerseits über philologische Textausgaben der klassischen Texte, aber mehr noch über die zahlreichen volksprachlichen Übersetzungen tradiert wurde. Abraham Ravauds französische Übersetzung des Romans ist die dritte in der Frühen Neuzeit und weist umfassende Transformationen auf: Neben den Glättungen erotischer Inhalte (so fehlen z.B. Diskurse über den weiblichen Orgasmus oder die Knabenliebe) sind es aber auch narrative Umformungen wie die Transvokalisation der antiken Ich-Erzählung in eine auktoriale Er-Erzählung, wobei der Gesprächsrahmen und die einleitende Ekphrasis des Referenztextes ausfallen. Insofern dürfte hier eine „Heliodorisierung“ (Möckel 2007, S. 147) vorgenommen worden sein.

Die Historia Clitophonis verdeutlicht in ausgeprägter Weise das Erzählschema des antiken Romans, das auch als ein Initiationsmuster in eine „sexual symmetry“ (Konstan, S. 7-11, S. 60-73) verstanden werden kann. Deutlich sind die gattungshaften Dominanten, die Aspekte der Liebeswerbung und Verehelichung mit einem Handlungsschema verbinden, das auf Trennung, Abenteuer und permanente Bewährung und Prüfung der Liebe in einer Lebensform der Reise abzielt (Röcke, S. 395-401).

6. Rezeption
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Bis zur Neuübersetzung des Romans 1772 durch den Tübinger Professor David Christoph Seybold (1747-1804) gibt es keine deutschsprachigen Rezeptionszeugnisse dieses antiken Romans.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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1Die formale Beschreibung orientiert sich an der anonym erschienenen deutschen Übersetzung von 1631, die inhaltliche Darstellung folgt der deutschen Zweitauflage von 1644. Die insgesamt vier unter dem Haupttitel Theatrum Amoris publizierten Teile in deutschen Übersetzungen haben verschiedene französische Vorlagen, die ihrerseits zu Teilen Übertragungen antiker Provenienz darstellen: [Pierre de Casaneuve]: Theatrum Amoris – Histori Caritea (1626), [Antoine du Périer]: Theatri Amoris Ander Theil – Histori der verliebten Loziae (1629) und [Abraham Rémy]: Theatri Amoris Dritter Theil – Histori Endymionis (1630).
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