1. Titel
2. Verfasser
Giuseppe Donzelli (1596-1670) war Arzt und Medikamentenhersteller in Neapel. Obwohl das gleichzeitige Praktizieren als Arzt und Apotheker in Neapel bereits in den Statuten Friedrichs II. von 1240 ausdrücklich untersagt wurde, scheint die Kombination beider Berufe für Donzelli kein Problem dargestellt zu haben. Donzellis Ruhm beruht mehr auf seinen pharmazeutischen Werken als auf seiner medizinischen Tätigkeit. Für ihn schlossen sich die beiden Berufe vor allem deshalb nicht aus, weil er es für notwendig hielt, dass Mediziner auch über praktisches pharmazeutisches Wissen verfügten und insbesondere über die zeitgenössischen chemischen Herstellungsverfahren Bescheid wussten. Donzelli legte um 1651 auf dem Gelände seines Anwesens auf dem neapolitanischen Hügel Arenella, der späteren Villa Donzelli, einen Kräutergarten, den sogenannten „giardino dei semplici“ an. Dort kultivierte er erfolgreich seltene, importierte Pflanzen, die seinen Kräutergarten zu einer weithin bekannten Sehenswürdigkeit machten. Seine Bekanntheit erlangte Donzelli allerdings nicht nur durch seine medizinische und pharmazeutische Tätigkeit, sondern auch für seinen Einsatz zugunsten der Rebellen in dem neapolitanischen Aufstand von 1647-48, der so genannten Revolte des Masaniello. Im Auftrag der Aufständischen verfasste der Baron eine offizielle Darstellung des Geschehens, die auf tagebuchartigen Aufzeichnungen beruhte, die Partenope liberata overo Racconto dell’heroica risolutione fatta dal popolo di Napoli per sottrarsi con tutto il Regno dall’insopportabil giogo delli Spagnoli (1647).
3. Publikation
3.1. Erstdruck
Erschienen 1667 bei Giacinto Passaro in Neapel.
Standorte des Erstdrucks
- Biblioteca diocesana, Tricarico (Matera), Sign. Fondo Antico 0604
- Biblioteca Complutense Madrid, Sign. BH FOA 4824
- Biblioteca Nazionale Centrale Rom, Sign. 12. 30.H.11
- Real Academia Nacional de Farmacia Madrid, Sign. XXIV-1-5
3.2. Weitere Ausgaben
3.2.1. Neueditionen
Donzellis Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico erlebte seit seiner Erstpublikation nicht weniger als 22 Auflagen. Bis zum Jahr 1763 wurden neben einer lateinischen Fassung italienische Ausgaben an zahlreichen Orten gedruckt, so etwa in Rom, Neapel und Venedig. 1675 erschien in Rom eine von Donzellis Sohn Tommaso Urbano erweiterte zweite Ausgabe mit dem Titelzusatz Et in qvesta seconda impressione dal Dottor Tomaso Donzelli figlio dell’avtore, Accresciuto, non solo con aggiunta in molti luoghi, mà anco con vn’Indice de Morbi, con i rimedij appropirati, che sono descritte nel presente Teatro. Die Ausgabe von 1675 enthielt zusätzlich ein Krankheitsregister. Als weiterer Paratext kam eine Biographie Giuseppe Donzellis hinzu („Vita dell’autore scritta dal molto reverendo padre Frà Giacomo Gerio da Cadoro“).
3.2.2. Digitale Ausgaben
- Digitale Ausgabe des Erstdrucks von 1667
- Madrid: Biblioteca Virtual del Patrimonio Bibliográfico. Vorlage: Exemplar der Real Academia Nacional de Farmacia Madrid, Sign. XXIV-1-5.
- Digitale Ausgaben der Ausgabe von 1675
- Madrid: Biblioteca digital Dioscórides (Farmacia). Vorlage: Exemplar der Biblioteca Complutense Madrid, Sign. BH FOA 4824.
- Google ebooks 2011. Vorlage: Exemplar der Biblioteca Complutense Madrid, Sign. BH FOA 4670.
- Digitale Ausgabe der Ausgabe von 1681
- Google ebooks 2009. Vorlage: Exemplar der Biblioteca Complutense Madrid, Sign. BH FOA 2859.
- Digitale Ausgabe der Ausgabe von 1696
- Google ebooks 2010. Vorlage: Exemplar der Biblioteca Complutense Madrid, Sign. BH MED 3411.
- Digitale Ausgabe der Ausgabe von 1728
- München: bsb digital. Vorlage: Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign. 2 M.med. 22.
4. Inhalt
Donzellis Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico ist eine umfängliche Rezeptsammlung, die bereits in der Erstausgabe von sieben Paratexten flankiert wurde: Eine Widmung an Diego d’Avalos, ein Vorwort an den Leser („A i stvdiosi lettori“), ein einleitendes Gedicht („Pro Theatralibus spectaculis“), mehrere kurze Gedichte an den Autor („Ad auctorem“) und ein Kalender der medizinischen Heiligen („Catalogo de i santi medici“), den Donzelli dem ehemaligen neapolitanischen protomedico Carlo Pignataro widmet. Auf das Rezeptuarium folgen ein Register der Rezepte und ihrer sämtlichen Ingredienzien („Tavola“) und ein Kalender zum Sammeln von Arzneistoffen („Diario nel quale si ricorda alli spetiali il tempo tempo debito di raccogliere le materie più usuali per uso delle loro spetiarie“). Letzterer war seit dem Spätmittelalter fester Bestandteil von Arzneibüchern.
Bereits in der Einleitung klärt Donzelli den Leser über die im Titel seines Arzneibuchs angesprochene spagyrische Pharmazie auf. Der Begriff der Spagyrik stammt von Paracelsus und besagt, dass nach dem Prinzip „solve et coagula“ („löse und füge wieder zusammen“) das Wesentliche vom Unwesentlichen getrennt wird (Müller-Jahncke, Friedrich, Meyer, S. 59). Als iatrochemische Verfahren benennt Donzelli die Extraktion und die Destillation („Dell’Estrattione, e Distillatione“, S. 4), die Lösung und Verflüssigung („Della Solutione, e Liquefattione“, S. 2), aber auch das Vergären und Verwesen („Della Putrefazione“, S. 3). Daran schließt Donzelli eine Übersicht der notwendigen Gefäße und Utensilien zur Medikamentenherstellung an und gibt dem Leser eine Übersicht der gebräuchlichen chemischen Zeichen und Symbole an die Hand („Segni di metalli minerali et altre materie chimiche“, S. 21). Weiterhin erörtert Donzelli Temperatur- („De i gradi del fuoco“, S. 22) und Gewichtangaben („Dichiaratione de’Pesi diversi“, S. 22) und fügt eine Quid pro quo-Liste ein, in der die pharmazeutischen Austauschstoffe benannt werden, die zum Einsatz kommen, sofern die eigentlich im Rezept vorgeschriebene Zutat nicht verfügbar ist („Medicamenti sostituiti, chiamati Quid pro quo“, S. 23).
Die Rezeptsammlung im Hauptteil ist nach Arzneiformen geordnet, wie Donzelli anlässlich des ersten Rezepts für ein Elektuarium erläutert („Elettuario Alchermes die Mesue“, S. 87). Nach der Vorstellung des Rezepts mit allen Inhaltsstoffen und Mengenangaben geht Donzelli auf die einzelnen Zutaten ein, so dass die Gliederung nach Arzneiformen zugleich eine ausführliche Präsentation der enthaltenen Simplicia umfasst. Die Simplicia werden in der Reihenfolge ihres Vorkommens in den Rezepten diskutiert. Deshalb ist das Register der Arzneiformen, Präparate und Zutaten unverzichtbar, um gerade die gebräuchlichsten Ingredienzien zu finden. Bei der Erörterung der einzelnen Zutaten geht Donzelli auf die Kriterien der Auswahl, der Zubereitungsart (bei weiterverarbeiteten Stoffen), der Art (bei Pflanzen) und Menge ein (S. 88). Eine kleine Anzahl von Arzneistoffen wird auch mit Holzschnitten illustriert. Dabei handelt es sich ausschließlich um Pflanzen, die nicht in Europa heimisch waren, zum Beispiel Chinarinde (S. 213), die Kakaopflanze (S. 231), Amom (S. 240), Costus (S. 252), Balsam (S. 280) und Tamarinde (S. 340).
Donzelli handelt die verschiedenen Arzneiformen nicht alphabetisch ab, sondern nach Relevanz. Er beginnt mit den Elektuarien, den beliebten ‚aufzuleckenden’ Mitteln, die sich in Konsistenz und Applikation erheblich voneinander unterscheiden. Auch bei der Behandlung der verschiedenen Elektuarien folgt der Autor dem Prinzip der Relevanz und beginnt mit den Cordialia, „jenen Elektuarien, die das Herz unterstützen, den allernobelsten Teil unseres Körpers“ („daremo primo luogo à quelli Elettuarij, che socorrono al Cuore, parte più nobile di qualsivoglia altra del nostro corpo.“, S. 87). Die pharmazeutische Vorzüglichkeit der Elektuarien, zu denen auch die berühmtesten Präparate wie der Theriak und das Mithridatium zählen, lässt sich unschwer am Seitenumfang ablesen. Ihre Diskussion auf mehr als 300 Seiten nimmt fast die Hälfte des Werks ein. Viel kürzer werden die Lohoc abgehandelt, eine Art Lutschbonbons („Delli Loch in Genere“, S. 370), ebenso die Morsellen, eine Tablettenvorform („Delle Tabelle, Orbicole, e Morselli“, S. 373). Diese Zubereitungsformen unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Konsistenz von den Elektuarien. Breiter diskutiert Donzelli die verschiedenen Arten von Sirup und anderen liquiden Formen wie dem Rob, eingedicktem Pflanzensaft, und Apozemata, abgekochten Pflanzenstoffen („Delli Sciroppi, gilebbi, e rob, et apozeme“, S. 374). Ohne Erklärung folgen die Dekokte, die Donzelli mit den Apozemata identifiziert („Delli decotti“, S. 427).
Weiterhin handelt Donzelli Weine, Essige, destillierte Wasser und Tinkturen ab, wobei auch Elixiere eine Erwähnung finden, wie das „ganz leicht herzustellende Lebenselixier des Quercetanus“ („Elixir vitae facilissimo da fare del Quercetano“, S. 452) oder das selbstkreierte Lebenselixier („Elixir Vita maggior di nostra inventione“, S. 451).
Es folgt eine Diskussion der Pulver, Pillen und der größeren Trocisci, Pastillen in Räderform, die aber auch dreieckig, elliptisch oder quadratisch sein konnten („si fanno anche Triangolari, Olivari, e Quadrati“, S. 543). Nach den pulverisierten Arzneiformen zur inneren Anwendung werden einige liquide Formen zur äußeren Applikation, wie etwa Umschläge („epittime“, S. 578), Kompressen („embrochi“, S. 580), feuchte Tücher und Schwämme („fomenti“, S. 581) und Kollyrien bzw. Sief („collirii“, „sief“, S. 586) behandelt.
Nach dem Prinzip von Kopf bis Fuß („a capite ad calcem“), also nach dem Ort der Anwendung bzw. des Sitzes der Krankheit, geht Donzelli die Arzneiformen zur Reinigung der diversen Körperöffnungen durch und behandelt Nasenmittel („errini“, S. 585), Kaustoffe („masticatori“, S. 587), Brechmittel („vomitorii“, S. 587) und am Gaumen zu applizierende Medikamente („gargarismi“, S. 592). Es folgen Klistiere („clistieri“, S. 597) und Einläufe („iniettioni“, S. 600) zur Befreiung der niedereren Körperregionen von schädlichen Säften und Stoffen.
Abschließend behandelt Donzelli ausführlich fetthaltige Mittel zur äußeren Anwendung, insbesondere Pflaster („empiastri,“„ceroti“, S. 606), Salben („unguenti“, S. 623) und Öle (S. 642). Dabei weist er darauf hin, dass auch die Form der Pflaster über die Wirkung entscheide: „Für die Anwendung auf der Leber werden sie mondförmig hergestellt, für die Milz in Form einer Ochenzunge. Für die Nieren der Schwangeren sollten sie kreuzförmig sein, oder aber T-förmig.“ („Per applicare al fegato si faranno in forma lunare, e per la milza in forma di lingua di Bove. Per li reni delle Donne gravide, dovrà haver forma di Croce, ò di T.“, S. 607) Diese Formen ergeben sich aus der Logik der Signaturenlehre, die eine Ähnlichkeit zwischen krankem Organ oder Körperteil und dem zu applizierenden Arzneimittel voraussetzt.
5. Kontext und Klassifizierung
Das Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico ging direkt aus der Abfassung zweier offizieller Pharmakopöen hervor, mit der Donzelli sowohl vor als auch nach der neapolitanischen Revolte von 1647-48 betraut wurde. Mit dem Antidotario napolitano (1642) legte Donzelli ein Rezeptarium vor, in dem verbindlich festgehalten wird, welche Ingredienzien und Präparate jeder neapolitanische Apotheker vorrätig zu halten hatte und aus welchen Inhaltsstoffen sich die Medikamente zusammenzusetzen hatten. Kontrolliert wurde dies im Rahmen der jährlichen Visiten durch den neapolitanischen protomedico, dem königlich berufenen Mediziner im Staatsdienst. Nach der neapolitanischen Revolte von 1647-48 wurde Donzelli erneut mit der Abfassung einer Pharmakopöe betraut, die er 1663 mit dem Petitorio napolitano vorlegte. Da die beiden Pharmakopöen amtlich waren, war ihre Anschaffung für die neapolitanischen Apotheker verpflichtend. Das Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico stellt gegenüber den beiden amtlichen Rezeptarien eine Langfassung dar, mit dem Unterschied, dass sein Gebrauch nicht verbindlich war. Die erstaunliche Auflagenhöhe spricht jedoch dafür, dass sich lokale Apothekerzünfte, die Collegi degli speziali, auch über Neapel hinaus an Donzellis Pharmakopöe orientierten, möglicherweise aufgrund ihrer Übersichtlichkeit. Nicht in allen italienischen Territorien gab es verbindliche Rezeptarien, und wo diese fehlten, verständigten sich Apothekerzünfte freiwillig auf ein Antidotarium. Es ist auch denkbar, dass Donzellis Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico ebenso wie seine beiden amtlichen Rezeptarien andernorts zur Ausarbeitung von verbindlichen Pharmakopöen verwendet wurde.
Der enge Zusammenhang zwischen Donzellis Rezeptarien und der das Medizinalwesen kontrollierenden Institution des protomedicato zeigt sich nicht zuletzt anhand der Widmungspraxis Donzellis. So dediziert er einen der Paratexte des Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico, den „Catalogo de i santi medici“, dem bis 1665 als neapolitanischer protomedicato tätigen Carlo Pignataro, der auch anschließend als Vizekanzler ein mächtiger Mann der neapolitanischen Ärztezunft war. Außerdem fügt Donzelli dem Petitorio napolitano 1663 eine gelehrte Schrift (Discorso della Dignità del Regio General Protomedico) über die rechtliche Vorrangstellung des protomedico gegenüber der Ärztezunft, dem Collegio de’Medici, bei, deren impliziter Adressat zweifellos erneut der amtierende protomedico Pignataro war.
Der Zusammenhang des Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico mit den staatlichen Kontrollen des Gesundheitswesens wird etwa bei der Erörterung der Chinarinde offenkundig. Donzelli weist die Chinarinde als zeitgenössische Entdeckung aus und schildert ihre Vermittlung und Distribution durch die Jesuiten. Darüber hinaus beschreibt er die Morphologie der Pflanze und ihre Früchte ausführlich und fügt eine Illustration bei: „Die Frucht ähnelt tatsächlich dem Kardamom sehr. Aus diesem Grund wurde hier ein Zweig dieser fiebervertreibenden Rinde abgebildet.“ („Il frutto si assomiglia per appunto al Cardamomo maggiore volgare, onde per più chiarezza si è posta quì la figura di un ramo di essa corteccia Febrifuga.“, S. 214) Donzellis Erörterung, wie sich Chinarinde von der Rinde eines alten Pflaumenbaums unterscheide, dient nicht minder der zweifelsfreien Identifikation der Pflanze. Diese war vor allem deshalb wichtig, weil allerhand andere preisgünstige Zweige ebenfalls unter dem verkaufsträchtigen Namen Chinarinde angeboten wurden: „Zum Wiedererkennen dieser Rinde ist zu bemerken, dass Betrüger sie schon auf tausenderlei Arten gefälscht haben.“ („Circa la cognitione di questa corteccia dovrà avvertirsi, che già i truffatori l’hanno falsificata in varie maniere“, S. 214) Das Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico berücksichtigt damit ausdrücklich das Problem der Medikamentenfälschung, wie es sich aus der Perspektive jener Institutionen stellte, die über die Qualität der Arzneien wachten, namentlich dem protomedico und dem Collegio de’Medici.
Das Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico enthält zahlreiche Hinweise auf Donzellis Interesse an der Chemie. Zwar behandelten Rezeptarien traditionell Arzneistoffe aus allen drei Reichen der Natur, also Vegetabilia, Animalia und Mineralia. Doch die Mineralien fanden erst im Zuge ihrer paracelsischen kosmologischen Kontextualisierung größere Beachtung als Arzneimittel (Schmitz, S. 404f.). Dieses Interesse ist auch bei Donzelli spürbar, der sowohl die Metalle als auch Sulfate und Salze ausführlich diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dem Antimon, einem bevorzugten Arzneistoff der Paracelsisten. Dieses behandelt Donzelli auf 17 Seiten, wobei er nicht nur seine chemischen Eigenschaften erörtert, sondern auch die sich an dem Mittel entzündende Kontroverse zwischen „Chemikern“ und medizinischen Traditionalisten thematisiert: „Antimon oder Stibium […] ist sehr nützlich in der Medizin und nicht giftig, wie manche fälschlicherweise behaupten, die seinen medizinischen Gebrauch unter dem Vorwand, dass es giftig sei, verbieten lassen wollen. Doch die Erfahrung, die Lehrerin aller Dinge, hat uns gelehrt, dass es keineswegs ein gefährliches Gift ist, wie so mancher behauptete, sondern vielmehr ein sehr wertvolles Allheilmittel. Zum Beweis könnte man eine Vielzahl von Erfahrungen anführen, und darüber hinaus das Zeugnis berühmter Gelehrter, die ganze Traktate über seine herausragenden Eigenschaften verfasst haben.“(„L’Antimonio, ò Stibio, [...] e molto profittevole in Medicina, e non è velenoso, contra il falso presupposto di alcuni, che predicandolo velenoso, pretendevano di sbandirlo dall’uso medicinale. Ma l’esperienza, maestra delle cose, chiaramente hà fatto conoscere, che non solo non sia perniciosissimo veleno (come alcuno hà afferito) ma valevolissimo Alesifarmaco, e per confermatione ci ciò si potria portare quì una quantità di esperienze, e di più l’autorità di huomini celebri, che scrivono i Volumi intieri delle sue eccellenti virtù“, S. 35) Damit bezieht sich Donzelli auf die europaweit geführte medizinische Kontroverse um den therapeutischen Einsatz der schweiß- und stuhltreibenden Antimonverbindungen, die seit dem späten 16. Jahrhundert zu einer regelrechten paracelsischen Modearznei gerieten und nicht zuletzt in inflationärem Maß als Mittel gegen die Pest eingesetzt wurden. Hier konkurrierte es mit einem anderen, weitaus berühmteren Pestmittel, dem Theriak.
Die aus heutiger Perspektive wohl wirkungsvollste Ingredienz des Theriaks, das Opium, handelt Donzelli kurz auf zwei Spalten ab. Sehr viel Aufmerksamkeit schenkt er hingegen dem Balsam, den er als die wichtigste Zutat des Theriak betrachtet: „Man hätte diesem berühmten Medikament kaum eine noblere Zutat hinzufügen können als das orientalische Balsam, oder besser gesagt, Balsam.“ („Non poteva à questo famoso Antidoto ascriversi ingrediente più sublime del Balsamo Orientale, chiamato più propriamente Opobalsamo...“, S. 280) Donzelli hatte sich bereits in anderen Schriften ausführlich zum Balsam geäußert, so etwa in der 1640 in Neapel zunächst auf Latein publizierten Synopsis de opobalsamo orientali, die 1643 in Padua auf Italienisch erschienen war und kurz darauf von einer weiteren Schrift zum Thema gefolgt wurde, der Additio apologetica ad suam de opobalsamo orientali synopsim. Balsam wurde bereits seit der Antike als besonders wertvolle Zutat angesehen, wobei umstritten war, auf welche Pflanze sich der Name tatsächlich bezieht (Villano 2006, S. 135). So erörtert auch Donzelli eingehend, was er unter Balsam versteht – nämlich den Saft der Balsampflanze, den man durch das Einschneiden der Rinde gewinnt. Dabei beruft sich Donzelli bewusst nicht auf antike botanische Autoritäten, die seiner Auffassung nach gerade die exotischen Pflanzen in der Regel nicht aus erster Hand kannten („bisogna allontanarsi dall’autorità degli autori antichi, come Teofrasto, Dioscoride, Plinio, & altri che scrissero di molte cose da essi non vedute, ne osservate...“, S. 281). Stattdessen verweist er auf den Arzt und Botaniker Prospero Alpino (1553-1616), der mehrere Jahre in Ägypten zugebracht hatte, die dort wachsende Pflanze zweifelsfrei aus eigener Erfahrung kannte und eine Schrift darüber vorgelegt hatte (De Balsamo dialogus, Venedig 1591). Donzelli partizipiert mit seinen Schriften über den Balsam also an einer gesamtitalienischen Debatte.
6. Rezeption
Das Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico erschien in 22 Auflagen und war ein regelrechter pharmazeutischer Verkaufsschlager. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlor es seinen Status als maßgebliches Nachschlagewerk. Zahlreiche Exemplare der verschiedensten Auflagen sind europaweit in Bibliotheken erhalten. Die weite Verbreitung von Pharmakopöen war nicht die Regel, zumal es sich um ein sehr umfangreiches Werk handelt. So erschien das ebenfalls 1667 publizierte, nicht minder voluminöse Nuovo, et universale theatro farmaceutico des Venezianers Antonio de Sgobbis da Montagnana lediglich in zwei Auflagen. 1763 wurde Donzellis Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico zum letzten Mal gedruckt. Ungefähr zeitgleich wurde auch die Institution des protomedicato in den meisten italienischen Territorien im Zuge der aufklärerischen Reformen abgeschafft (Gentilcore, S. 141). Das legt nahe, dass Donzellis Teatro Farmaceutico dogmatico, E Spagirico im Rahmen des medizinischen Systems des Ancien Régimes mit seiner Zunftordnung und dem spanischen Spezifikum, der Institution des protomedicato, eine wichtige Funktion erfüllte, wie etwa, ein Referenzwerk für die lokalen Collegi degli Speziali darzustellen, die es mit seiner Abschaffung einbüßte. Welchen Einfluss Donzellis Antidotarium auf die Pharmakopöen des späten 18. Jahrhunderts ausübte, ist nicht erforscht.
7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
- Alfonso Corradi: Le prime Farmacopee italiane ed in particolare dei Ricettari Fiorentini. Mailand 1887
- Giuseppe Donzelli: Petitorio napolitano. Neapel 1663
- Christoph Friedrich, Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Geschichte der Pharmazie. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Eschborn 2005, Bd. 2
- Paula Findlen: Possessing Nature. Museums, Collecting, and Scientific Culture in Early Modern Italy. Berkeley u.a. 1994
- Ole Peter Grell, Andrew Cunningham: Medicine and Religion in Enlightenment Europe. Aldershot [u.a.] 2007
- David Gentilcore: ‚All That Pertains to Medicine’: Protomedici and Protomedicati in Early Modern Italy, in: Medical History 38 (1994), S. 121-142
- Pietro Messina: Giuseppe Donzelli e la rivoluzione napoletana del 1647-1648, in: Studi Storici 28,1 (1987), S. 183-202
- Pietro Messina: Giuseppe Donzelli, in: Dizionario Biografico degli Italiani. Rom 1992, Bd. 41, S. 231-235
- Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Christoph Friedrich, Ulrich Meyer: Arzneimittelgeschichte. Stuttgart 2005
- Rudolf Schmitz: Geschichte der Pharmazie. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Eschborn 1998
- Antonio de Sgobbis: Nuovo, et universale theatro farmaceutico. Venedig 1667
- Tommaso Siciliano: Giuseppe Donzelli. Medico e farmacopola partenopeo e la sua Villa sull’Arenella. Neapel 1989
- Raimondo Villano: Arte e storia della farmacia. Pavia 2006
- Raimondo Villano: Attività speziali e farmaceutiche nel regno di Napoli. Neapel 2010