Christliche Fragstück (1571)
bearbeitet von Henning Jürgens
[Inhaltsverzeichnis]

|| [681]

|| [A 2r:] Was gleubstu von der Himelfart Christi vnd von dem sitzen zur
Rechten des Vaters?


Sind dieses vnterschiedene Artickel des Christlichen Glaubens?

Antwort.

(5)Es sind zween vnterschiedliche Artickel: Der eine, das Christus auffgefaren
ist gen Himel; der ander, das er nu sitzet zur Rechten des Vaters. Derwegen
sind diese Artickel in vnserm Christlichen Symbolo1 nicht vntereinander zu
mengen noch beide fr einen zu nemen. Denn darunter wrde der Artickel
von der Himelfart Christi endlich gar miteinander auffgehoben werden, wel-
(10)cher nicht weniger als die andern mit vnwidersprechlichen Zeugnissen der
Schrifft bestetigt ist.

Beweise mir, das diese zween Artickel vnterschiedlich im
Apostolischen Symbolo gesetzt sind.

Weil die Artickel vnsers Allgemeinen || [A 2v:] Christlichen Glaubens auffs
(15)krtzste gestellet vnd das Symbolum gleichsam eine Summarien sein sol der
Historien, so vom Herrn Christo anderswo weiter beschrieben sind, kan man,
was in vnterschiedenen Artickeln von der Historien Christi erzelet wird,
nicht fr einerley halten. Derwegen do eines so viel als das andere sein solte,
das Christus gen Himel gefaren vnd zur Rechten Gottes sitzet, wrde folgen,
(20)das ein Artickel der Historien von Christo zweymal mit geenderten worten
gesetzet Vnd demnach vnntige vnd vberflssige weitleufftigkeit in dem
kurtzen vnd einfeltigen Glaubensbekentnis gesuchet worden were.

Haben auch die Apostel vnd Euangelisten in jren Schrifften
diese Artickel vnterschieden?

(25)Sanct Marcus am ende des letzten Capitels seines Euangeliumbuchs schrei-
bet diese zwey ding vnterschiedlich von Christo: Erstlich, das er sey auffge-
haben gen Himel vnd darnach, das er sich gesetzt habe zu der rechten Hand
Gottes. „ Der Herr “ , spricht er, „ nachdem er mit jnen geredt hatte, ward er
auffgehaben gen Himel VND2 sitzet zur rechten Hand Gottes “ , ἀνελήφθη εἰς
(30)τὸν οὐρανὸν καὶ ἐκάθισεν ἐκ δεξιῶν τοῦ θεοῦ.3 Sanct Petrus in seiner ersten
Epistel am dritten Capitel redet es auch vnterschiedlich, || [A 3r:] wie sunder-
lich aus dem Griechischem Text zu vernemen ist, dann er spricht, das Chris-
tus sey zur rechten Gottes, nachdem er sey in den Himel geschieden: ὅς ἐστιν

|| [682]

ἐν δεξιᾷ τοῦ θεοῦ, πορευθεὶς εἰς οὐρανὸν,4 welches vnsere Deudsche Bibel
mit diesen worten geben: „Christus ist zur rechten Gottes in den Himel
gefaren.“
Hat man es dann bisher in vnsern Kirchen auch
(5)fr vnterschiedliche Artickel gehalten?

In der Augsburgischen Confession im dritten Artickel wird ein deutlicher vn-
terschied geweiset: „Ascendit ad coelos, ut sedeat ad dexteram Patris“,5 „Er
ist auffgefaren gen Himel, auff das er zur Rechten des Vaters sitze.“ Mit die-
sem stimmet vberein, das bisher vnsere Kirchen also haben geteilet den an-
(10)dern Artickel von Christo, das derselbe von dreyerley wercken des Herrn
Christi rede: Von den vergangenen, gegenwertigen vnd knfftigen wercken,
denn der Ewige vnd einige Son Gottes, der vns von anbegin zum Herrn ver-
ordnet, ist einmal Mensch worden, empfangen vom heiligen Geist, geboren
aus Maria der Jungfrawen, hat gelidden vnter Pontio Pilato, ist gecreutziget,
(15)gestorben, begraben, nidergefaren zur Hellen, auffgefaren gen Himel. Dieses
alles ist an Christo allbereit erfllet vnd ist warhafftig geschehen, wie es die
Euangelisten nach der || [A 3v:] lenge beschrieben. Itzund aber sitzet vnd re-
girt er als vnser Hoherpriester vnd ewiger Knig zur Rechten des Vaters vnd
vortritt vnd vorbitt6 vns vnd samlet jm fr vnd fr eine Kirche aus Mensch-
(20)lichem Geschlecht vnd teilet vergebung der Snden, seine Gerechtigkeit vnd
das ewige Leben aus allen, die sich in warer Busse zu jm bekeren, vnd hei-
liget alle Gleubigen mit seinem heiligen Geist, erhelt vnd beschtzt seina
Kirche wider die list vnd gewalt des Teuffels vnd alle desselben Werckzeug.
Diese Werck richtet der Herr Christus heutiges tages aus vnd pfleget seines
(25)Priesterlichen vnd Kniglichem Ampts noch fr vnd fr bis zu ende der
Welt. Knfftig aber ist er, das er wird widerkomen zu richten die Lebendi-
gen vnd die Todten. Weil dann nu die Himelfart Christi zu dem stcke der
Historien gehrt, so allbereit an Christo erfllet vnd geschehen, vnd aber das
Sitzen zur rechten des Vaters, die gegenwertige vnd fr vnd fr werende Re-
(30)girung Christi vnd sein Ampt beschreibet, welches er noch heutiges tages
fret, folget vnwidersprechlich, das es vnterschiedne Artickel sein, das
Christus sichtbarlich von dieser Erden gen Himel einmal auffgefaren vnd das
er numehr fr vnd fr sitzt zur rechten Gottes des Allmechtigen Vaters etc.

|| [683]

|| [A 4r:] Von der Himelfart Christi.


Wie sol man verstehen den Artickel von der Himelfart Christi?

Die wort des Artickels lauten also: „Er ist auffgefaren gen Himel.“ Solche
wort sollen einfeltig vnd schlecht7 wie sie lauten nach dem Buchstaben ver-
(5)standen werden, denn weil es ein bekentnis ist, das sich grndet auff die His-
torien vnd Geschicht, die sich mit Christo hat zugetragen, so darff es keiner
Allegorien oder frembdes heimlichen verstandes anders als die wort lauten.

Was heisst denn auffaren?

Auffaren heisst in der Schrifft vnd im gemeinen brauch zu reden eigentlich
(10)von einem nidrigen ort in ein hhers ort komen; vnd wird dieses auffaren
Christo zugeschrieben von wegen seiner warhafften Menscheit. Denn nach
seiner Gttlichen Natur hat Christus nicht drffen auffaren, weil er nach der-
selben (auch da er auff Erden mit seinem Leibe wandelt) in der schos8 des
Vaters im Himel vnd Erden an allen orten zugleich gegenwertig gewesen
(15)vnd alles erfllet. Derhalben spricht Damascenus: τὸ ἀναβῆναι ἐκ γῆς εἰς οὐ-
ρανὸν καὶ τὸ καταβῆναι δὲ πάλιν || [A 4v:] ἐνέργειαί εἰσι περιγραφομένου σώ-
ματος,9 „Von der Erden in Himel auffaren vnd widerumb hernider faren ge-
hren dem Leib Christi zu, welcher vmbschrieben ist“, vnd der alte Lehrer
Athanasius schreibt in Disputatione contra Arium: „Eius est ire et uenire, qui
(20)aliquibus locorum terminis circumscribitur, et eum, in quo erat, deserens lo-
cum ad eum, ubi non erat, ueniebat. Caeterum verbi diuinitas uniuersa im-
plens nullis locorum terminis separatur sicut nihil est unde discedat ita nihil
est, quo ueniat.“10

Wird das wort „auffaren“ in der Schrifft allzeit
(25)in diesem verstand gebraucht?

In der Epistel an die Epheser am vierden Capitel machet Paulus eine verglei-
chung zwischen der ernidrigung des Sons Gottes vnd seiner erhhung, wel-
cher zeugnis seine sichtbare Himelfart, so im angenomenen Fleisch gesche-
hen, gewesen ist. „Das er auffgefaren ist“, spricht er, „Was ists, denn das er
(30)zuuor ist hinunter gefaren in die vntersten orter der Erden? Der hinunter
gefaren ist, der ist derselbige, der auffgefaren ist vber alle Himel, auff das er
alles erfllet.“11 In dieser zusamenhaltung heisset das Niderfaren nichts an-
ders denn die gantze ernidrigung des Sons Gottes, von welcher auch der Herr

|| [684]

selber sagt Johannis 3, das er hernider komen sey vom Himel.12 Vnd das Ni-
caenische Symbolum spricht: „Qui propter nos || [B 1r:] homines et propter
nostram salutem descendit de coelis.“13 Vnd was diese ernidrigung sey, er-
kleret S. Paulus zun Philippern am 2. Capitel: „Welcher als erb Gttlicher
(5)gestalt war, eussert er sich selbs vnd nam Knechtsgestalt an“14 etc. Hierge-
gen aber setzt S. Paulus das auffaren vber alle Himel vnd beschreibt damit
die erhhung Christi, welche ist, das er nach seiner ernidrigung widerumb
erhaben ist zu seiner Herrligkeit vnd dessen zum gewissen zeugnis mit sei-
nem erwecktem vnd vorklertem Leib durch die sichtbare Himelfart in die h-
(10)he gefaren. Auff das man ffentlich erkenne, das er das Heupt vnd der Herr
sey, welcher den Menschen gaben gebe vnd der alles erfllet,15 das ist, „der
alles in allen dingen wirckt vnd on den nichts gethan, geredt noch gedacht
werde“, wie Herr Lutherus das wort S. Pauli in seinem Deudschen Testa-
ment klerlich also ausleget.16 An diesem ort geben es die vmbstende des
(15)Texts, weil eine vorgleichung angestellet ist, das Auffaren heisse: nach der
ernidrigung erhhet vnd sehr hoch erhaben werden, wie Esaias redet.17 Hier-
mit wird aber die leibliche vnd sichtbare Himelfart Christi nicht vorneinet,
sondern S. Paulus braucht eben das wort Auffaren, welches er aus dem 68. 
Psalm
nimet, „Er ist auffgefaren in die Hhe“,18 damit er anzeige, das Chris-
(20)tus nach verrichtetem werck der Erlsung seine angenomene Menschliche
Na- || [B 1v:] tur in die Hhe gefret habe zum zeugnis, das die zeit der Ernidri-
gung numehr furber vnd er in seine Herrligkeit eingehe, wie dann auch sol-
che leibliche Himelfart der Herr Christus zugleich mit einschleusset, do er
Johan. 3 spricht: „Niemand feret gen Himel, denn der vom Himel ernider ko-
(25)men ist, nemlich des Menschen Son, der im Himel ist“19 vnd Johan. 6: „Wie,
wenn jr sehen werdet des Menschen Son auffaren dahin, da er vor war?“20
Vnd Johan. am 20.: „Ich fare auff zu meinem Vater vnd zu ewrem Vater.“21

Was heisst das Wort Himel?

Die Schrifft redet vom Himel auff dreierley weis: Erstlich nennet sie den Hi-
(30)mel auch die lufft, als wenn sie gedencket der Vgel des Himels. Zum an-
dern Nennet sie den Himel das schne sichtbare Gebew, daran Sonn vnd

|| [685]

Mond vnd die Sterne gesehen werden, als wenn der 34. Psalm spricht: „Der
Himel ist durchs Wort des Herrn gemacht Vnd all sein Heer durch den Geist
seines Mundes.“22 Zum dritten heisst der Himel auch die Himlische wonung
Gottes vnd seiner auserwelten Engel vnd Menschen, welche ist vber alle
(5)sichtbare Himel. Denn wiewol Gott als ein vnendlich wesen alles erfllet
vnd mit keinem ort vmbfangen noch vmbschrieben werden kan, wie im Jere-
mia 23
geschrieben stehet: „Bin ichs nicht, der Himel vnd Erden erfllet?“23
Vnd 2. || [B 2r:] Chron. 6: „Sihe der Himel vnd aller Himel Himel kan dich
nicht versorgen oder vmbfangen“,24 jedoch wird die Himlische wonung, so
(10)ausserhalb dieser sichtbaren Welt ist, Gottes Thron genennet vnd die wo-
nung der Auserwelten, dieweil Gott daselbst seine Maiestet in vnaussprech-
lichem Glantz vnd Klarheit die Auserwelten schawen lest vnd sich jnen zu
erkennen gibt one mittel, so er in diesem Leben gebrauchet, vnd one allen
gebrechen vnd drfftigkeit, vnd sie erfllet mit ewigem Leben, Gerechtig-
(15)keit,c Freude, Seligkeit vnd Herrligkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr ge-
hret vnd die in keines Menschen hertz nie komen ist. Von diesem Himel
redet der Artickel des Glaubens, das Christus gen Himel gefaren sey, wel-
ches zu den Ephesern S. Paulus auch also redet, das er hinauff gefaren sey
vber alle Himel,25 vnd zu den Hebreern, das er durch die Himel gefaren sey
(20)vnd das er vber die Himel erhhet sey,26 da er von den sichtbaren Himeln
redet vber vnd ausser welchen die Himlische wonung Gottes vnd aller Aus-
erwelten sind.

Haben auch die alten Lehrer auff diese weise
von dem Himel geschrieben?

(25)Damascenus lib. 2. cap. 6. schreibt nach der meinung der alten Lehrer hier-
uon also: „Der Himel der Himeln ist der erste Himel. Der ist vber dem Fir-
mament. Dis Firmament hat Gott || [B 2v:] auch den Himel genennet. Sihe das
sind zwen Himel. Die Schrifft pflegt auch die lufft den Himel zu nennen, als
wenn sie sagt: ‚Lobet jn alle geflgel des Himels‘, das ist des luffts. Denn
(30)die Vogel nicht im Himel, sondern in der lufft fliegen. Da sihestu, das dreier-
ley Himel sind. Daruon auch der Apostel spricht, das er sey entzcket bis in
den dritten Himel“,27 2. Corinth. 12,28 welchen S. Paulus nennet das Paradis,

|| [686]

da er auch gehrt habe vnaussprechliche wort, welche kein Mensch sagen
kan.
Basilius Hexaem.d Homil. 2,29 welchem auch Ambrosius nachfolget lib. 1.
Hexa. cap. 8,30 schreibet, das vber dem Himel sey ein Liecht, darinnen die
(5)Engel in aller Geistlichen freuden sind, vnd die guts gethan haben werden in
demselben Liecht, so vber dieser Welt ist, jre ruge haben, gleichwie die Ver-
dampten in die eussersten finsternis werden geworffen werden etc. Das auch
diese Himlische wonung nicht hierniden auff Erden, nicht allenthalben, son-
dern droben in der Hhe sey, zeuget die Schrifft an vielen orten, als Coloss. 
(10)3
: „Trachtet nach dem, das droben ist, da Christus ist“31 etc., Gala. 4: „Das
Jerusalem, welches droben ist“32 etc.

So sage mir nu den eigentlichen verstand des Artickels
von der Himelfart Christi.

In diesem Artickel bekennet die Christli- || [B 3r:] che Kirche, das vnser Herr
(15)Jhesus Christe mit seinem warhafften vnd wesentlichem Leib, den er aus der
Jungfrawen Maria an sich genomen, in dem er gelidden, gestorben, auffer-
standen ist vnd den er in der aufferstehung verkleret hat, von der Erden sich
in die hhe erhaben vnd die sichtbaren Himel durchdrungen vnd die Him-
lische wonung eingenomen, do er in der Glori vnd Herrligkeit das wesen,
(20)eigenschafft, form vnd gestalt des waren Leibs behelt vnd am Jngsten tag in
den Wolcken des Himels mit Krafft vnd grosser Herrligkeit zum Gericht
leiblich vnd sichtbarlich wird widerkomen vnd nach der allgemeinen auffer-
weckung der Todten vnsere nichtige Leibe wird ehnlich machen seinem
herrlichen Leib vnd vns zu sich nemen, da wir auch bey jme sein werden
(25)allezeit.

Wo ist dieser vorstand des Artickels in der heiligen Schrifft gegrndet?

Das die Auffart nicht ein blosser schein vnd nur ein sichtbar spectakel gewe-
sen sey, dadurch, wie etliche tichten, der Herr Christus vnsichtbar, vnbe-
greifflich, vnendlich vnd mit dem Leib allenthalben gegenwertig worden

|| [687]

sey,33 sondern das Christus warhafftig sein Leib vnd Seel habe von der Er-
den hinauff gefret in den Himel, das ist in das Liecht der herrlichen Offen-
barung Gottes, do er auch jtzund mit seinem Leibe ist, mit welchem er vor
der Auffart || [B 3v:] im Himel nicht gewesen ist, bezeugen erstlich die Histo-
(5)rien der Euangelisten, darnach auch die hellen vnd klaren Sprche der Apo-
steln, die sich mit keiner Sophisterey34 lassen verdrehen. S. Marcus spricht
deutlich: „Der Herr, nachdem er mit jnen geredt hatte, ward er auffgehaben
gen Himel.“ Oder wie das Griechische wort eigentlich vermag: ἀνελήφθη εἰς
τὸν οὐρανόν, „Er ist hinauff genomen gen Himel.“35 S. Lucas beschreibt es
(10)noch deutlicher: „Es geschahe, da er sie segnet, schiede er von jnen vnd fure
auff gen Himel“, διέστη ἀπ᾿ αὐτῶν, „discessit ab eis“, καὶ ἀνεφέρετο εἰς τὸν
οὐρανὸν, „ferebatur sursum in coelum“.36 In Geschichten der Apostel spricht
er: „Er ward auffgehaben zusehens“, βλεπόντων αὐτῶν ἐπήρθη, „vnd eine
Wolcke nam jn auff von jren augen weg“, νεφέλη ὑπέλαβεν αὐτὸν. „Vnd als
(15)sie jm nachsahen (ἀτενίζοντες) gen Himel farend (πορευομένου, cum iret),
sihe, da stunden bey jnen zween Menner in weissen Kleidern, welche auch
sagten: ‚Jr Menner von Galilea, was stehet jr vnd sehet gen Himel? Dieser
Jhesus, welcher von euch ist auffgenomen (ἀναληφθεὶς, sursum receptus)
gen Himel, wird komen wie jr jn gesehen habt gen Himel faren ( πορευόμε-
(20)νον εἰς τὸν οὐρανόν).‘“37 || [B 4r:] Hiermit stimmen vberein die Sprch der
Apostel Acto. 3: „Jhesus Christus mus den Himel einnemen bis auff die zeit,
da alles herwider bracht werde (δεῖ οὐρανὸν δέξασθαι)“,38 welches one eini-
gen abbruch des Sententzs39 nach art des Griechischen Texts auch passiue
kan gegeben werden, wie es die Syriaca versio eigentlich vermag40 vnd Gre-
(25)gorius Nazianzenus
vnd Oecumenius bey den Griechischen also erkleren41
vnd nicht allein viel andere gelerte Leute, sondern auch Herr Lutherus in
seinem Latinischen Testament geben hat: „Oportet Christum coelo capi oder
excipi oder suscipi: Christus must vom Himel auffgenomen werden“.42 Oder
wie in dem alten Deudschen Testament, so in Sechsischer Sprach mehr als
fur hundert Jharen gedruckt worden, stehet: „Der Himel muste Christum
vffnemen“43 etc. S. Pauli Sprche sind auch bekand: Philip. 3: „Vnser wan-
(5)del (πολίτευμα) ist im Himel, von dannen wir auch warten des Heilands Jhe-
su Christi des Herrn, welcher vnsern nichtigen Leib verkleren wird, das er
ehnlich werde seinem verklerten Leibe“;44 Coloss. 3: „Seid jr mit Christo
aufferstanden, so suchet was droben ist. Da Christus ist sitzend zur rechten
Gottes“;45 Ebre. 4: „Dieweil wir einen grossen Hohenpriester haben, Jhesum,
(10)den Son Gottes, der gen Himel gefaren ist“ oder wie es der Griechische Text
vermag: διεληλυθότα τοὺς οὐρανούς,46 „Der || [B 4v:] durch die Himel gefaren
ist“; Ephe. am 4.: „Er ist auffgefaren in die Hhe Vnd hat das Gefengnis ge-
fangen genomen.“47
Solche vnd dergleichen viel vnd manchfeltige Sprche drffen nicht mehr
(15)denn vleissiges ansehens vnd christlichen nachdenckens, sintemal sie kler-
lich bezeugen, das Christi Leib von der Erden hinauff in den Himel leibli-
chen vnd sichtbarlich genomen sey, vnd das Christus nu mehr mit seinem
Leib vnd Seele nicht hieniden auff Erden, sondern droben im Himel vber
vnd ausserhalb dieser sichtbaren Welt sey. Vnd wird hiemit deutlich wider-
(20)leget derjenigen frgeben, welche tichten, das Christus in einer sichtbaren
gestalt hinauff gefaren Vnd doch mit dem wesentlichen fleisch vnd gebein
seines Leibs vnsichtbar hierniden blieben vnd allenthalben mit dem Leib
gegenwertig worden sey.

|| [689]

Sage mir etliche frneme zeugnis der alten Lehrer von dem eigentlichen
verstand des Artickels von der Himelfart Christi.

Erstlich wird dieser Artickel in den allgemeinen Symbolis vnd Glaubenbe-
kentnissen, so die gantze Christliche Kirche angenomen, one einige Allego-
(5)rien mit hellen klaren worten widerholet als im Symbolo Apostolico, Nicae-
no, Constantinopolitano, Ephesino, Chalcedonensi. || [C 1r:] Nachmals wi-
derholen diesen Artickel auch die andern bewerten particularia Symbola, so
als erklerung der allgemeinen Symbolorum von heiligen Lehrern geschrie-
ben worden sein.48 Als do Athanasius in seinem Symbolo beide Artickel aus-
(10)drcklich vnd vnterschiedlich erzelet von der Himelfart vnd vom sitzen zur
Rechten.49 Item, do Epiphanius in paraphrasi symboli Nicaeni spricht:
„Christus ist aufferstanden vnd gen Himel gefaren eben mit seinem Leib
Vnd sitzet in der herrligkeit zur Rechten des Vaters Vnd wird widerkomen in
demselben Leibe in der Herrligkeit zu richten“50 etc. Jtem do S. Damasus,
(15)welches glaubenbekentnis auch die Christlichen Keiser im Codice de summa
Trin.51 jederman befehlen, spricht in seinem Symbolo:
„Christus, nachdem er
die macht des Todes vberwunden hat, ist er eben mit dem fleisch, in dem er
geborn, gelidden, gestorben vnd aufferstanden, zum Vater auffgefaren vnd
sitzet zur Rechten desselbigen in der Herrligkeit, die er stets gehabt vnd noch
(20)hat.“52 Inn S. Hieronymi Symbolo stehen diese wort: „Er ist gen Himel auff-
gefaren, sitzet zur rechten Gottes des Vaters manente ea natura carnis, in qua
natus et passus est, in qua etiam resurrexit.“53 Das ist: Es bleibet in jme die
Natur des fleisches, in welchem er geboren ist vnd ge- || [C 1v:] lidden hat, in
welchem er auch aufferstanden ist.
(25)Einzele Sprche der alten Scribenten sind hieruon vnzelich viel. Ignatius,
welcher von S. Petro zu Antiochia zu einem Bischoff ordinirt vnd endlich
ein Merterer Christi worden ist, spricht in Epistola ad Smyrnenses: „Ich er-
kenne nicht allein aus seiner geburt vnd aus seiner creutzigung, das er ins
fleisch komen sey, sondern weis auch, das er nach der aufferstehung
(30)im fleisch gewesen sey, vnd gleube, das er noch im fleisch sey.“54 Vnd bald her-

|| [690]
-
nach: „Er hat sich nach der Aufferstehung jnen selbs erzeiget, das er war-
hafftig vnd nicht wie ein Gespenst erstanden sey, vnd hat mit jnen gessen
vnd getruncken vierzig gantzer tag Vnd ist also f mit dem Fleischf zusehens
auffgenomen zu dem, der jn gesand hatte. Vnd wird mit demselben Fleisch
(5)widerkomen in der Herrligkeit vnd Krafft.“55 Irenaeus, auch ein Merterer
Christi, welcher Polycarpig – der Johannis des Euangelisten vnd Apostels
zuhrer – Discipel gewesen ist, sagt lib. 3 also: „Ein jeder, der da gleubt, das
Jhesus sey der Christ, der ist aus Gott geboren, nemlich der eben diesen Jhe-
sum Christum erkennet, welchem die Pforten des Himels geffnet sind von
(10)wegen der auffart sei- || [C 2r:] nes fleisches, welcher auch in dem fleisch, in
deme er gelidden hat, wird widerkomen vnd des Vatern Herrligkeit offen-
baren.“56
Tertullianus, welcher in der Latinischen Kirchen noch vor dem Nicaenischen
Synodo gelebt hat, spricht in libro De resurrectione carnis: „Hic, sequester
(15)Dei et hominum appellatus ex utriusque partis deposito commisso sibi, car-
nis quoque depositum seruat in semetipso, arrabonem summae totius. Quem-
admodum enim nobis arrabonem Spiritus reliquit, ita et a nobis arrabonem
carnis accepit et uexit in coelum, pignus totius summae illuc quandoque re-
digendae. Securae estote, caro et sanguis usurpastis et coelum et regnum Dei
(20)in Christo. Aut si negent uos in Christo, negent et in coelo Christum, qui uo-
bis coelum negauerunt.“57 S. Cyprianus sagt: „Er ist gen Himel gefaren,
nicht da Gott das Wort zuuorhin nicht war, denn er war allzeit im Himel,
sondern da das Wort im fleisch vor nicht sasse.“58 Cyrillus lib. 10 in Iohan-
nem cap. 8: „Daran zweiuelt niemand, weil er gen Himel gefaren, das er
(25)nach dem fleisch abwesend sey, ob er wol mit der Krafft allzeit gegenwertig
ist.“59 Item lib. 9 cap. 2: „Die Gleubigen mssen gewis sein, obgleich Chris-
tus mit dem Leib von vns abwesend ist, das gleichwol durch seine Krafft al-
les – vnd wir auch selbs – regiret wer- || [C 2v:] den etc. Denn nach dem fleisch
spricht er allein, das er wlle hinweggehen, aber mit der Krafft der Gottheit

|| [691]

ist er allzeit gegenwertig.“60 Item lib. 11 cap. 22: „Es kan euch nichts bses
begegnen, ob ich gleich mit dem fleisch abwesend bin, sintemal die Krafft
meiner Gottheit, die euch bisher erhalten hat, wird euch hinfuro auch erhal-
ten. Dis sagen wir nicht derhalben, als achten wir den Leib des Herrn nicht
(5)gros gnug, sondern das diese wunderbarliche wirckunge der Herrligkeit Got-
tes zuzuschreiben sind.“61 Theodoretus Dialo. 2: „Der Leib des Herrn ist
nach der aufferstehung noch ein Leib vnd bleibt so wol als zuuor vmbschrie-
ben. Auch nach der Himelfart wil ich mich mit Menschlichen gutdncken
nicht vberreden lassen, das ich sagte, er sey in ein Gttliche Natur verwan-
(10)delt. Denn ich bin nicht so kne, das ich etwas sagen wolte, dauon die heili-
ge Schrifft still schweiget. Ich habe von den heiligen Engeln gelernet, das er
also komen wird wie jn die Jnger haben gesehen in den Himel faren. Sie
haben aber eine vmbschriebene, nicht eine vnumbschriebene oder vnermess-
liche Natur gesehen“62 etc.
(15)Augustinus libro De agone christiano: „Wir sollen die nicht hren, die da
leugnen, das der Herr nicht eben seinen Leib mit sich hinauff gefrt hab in
Himel.“63 || [C 3r:] Item Epistola ad Dardan.: „Nach der Menscheit war er auff
Erden – nicht im Himel, da er jtzund ist –, da er sprach: ‚Niemand feret gen
Himel denn der vom Himel hernider komen ist, nemlich des Menschen Son‘,
(20)der im Himel ist, so er doch nach der Gttlichen Natur im Himel, nach der
Menschlichen aber noch auff Erden vnd noch nicht gen Himel gefaren
war.“64 Item: „Du solt nicht zweiueln, das der h Mensch Christus Jhesus
jtzund daselbst sey,h von dannen er komen wird; vnd gedenck vnd behalt mit
vleis dis Christliche bekentnis, das er aufferstanden ist von den Todten, auff-
(25)gefaren gen Himel, sitzend zur Rechten des Vaters vnd wird nicht anderswo-
her denn von dannen komen vnd wird also komen, wie man jn hat sehen gen
Himel faren, das ist Eben in derselben gestalt vnd wesen des Fleischs, wel-
chem er zwar die vnsterbligkeit geben, aber seine Natur nicht genomen hat.
i Nach dieser Natur sol man nicht gedencken, das er allenthalben sey.i Denn
(30)man mus sich hten, das wir nicht also die Gottheit dieses Menschen vertei-
dingen, das wir jm die warheit des Leibes benemen. Es folget auch nicht, das
auch dasjenige, das in Gott ist, vberal sey wie Gott.“65 Vigilius Martyr.
Lib. 1: „Nach der gestalt des Knechts, die er von vns hinweg hat genomen in

|| [692]

den Himel, ist er vns abwesend. Nach der gestalt Gottes, die von vns auff
Erden nicht || [C 3v:] weichet, ist er vns gegenwertig vnd ist doch eben der-
selbe einige Christus“66 etc. Jtem lib. 4: „Weil das Fleisch auff Erden war, da
war es freilich nicht im Himel. Vnd itzund, weil es im Himel ist, so ist es
(5)freilich nicht auff Erden vnd ist so gewis nicht auff Erden, das wir auch ge-
wertig sind, das nach dem Fleisch Christus von Himel komen werde, wel-
chen wir doch gleuben nach der Gottheit bey vns auff Erden sein. Dis ist der
allgemeine Christliche Glaub vnd bekentnis, so die Apostel geleret, die Mer-
terer bestetiget haben vnd die Gleubigen bis auff diese stunde behalten.“67
(10)Lutherus in der Hauspostill am tage der Himelfart: „Der Heilige Geist pre-
digt, Christus sey nicht auff Erden blieben, sondern in die Hhe gefaren.“68
Vnd im Gesang „Nun frewt euch lieben Christen gemein“ etc.: „Gen Himel
zu dem Vater mein fahr ich von dieser Erden“69 etc. Philipp. Melanth. in
enarratione Epist. ad Col.: „Der Artickel des Glaubens sol verstanden wer-
(15)den wie der Buchstab lautet von dem Leib vnd dem Raum, den ein Leib ein-
nimet. Er ist auffgefaren – verstehe also, das er mit seinem Leibe Natrlicher
weiss ein ander ort hat eingenomen – gen Himel – das ist an einem ort im
Himel, es sey wo es sey –, denn man sol hie nicht andere deutung ausserhalb
des Buchstabens such- || [C 4r:] en. Die Auffart ist sichtbarj vnd Leiblich ge-
(20)wesen, vnd also haben alle alten allezeit geschrieben, das Christus mit sei-
nem Leib einen Raum einnimet an einem ort, an welchem er will, vnd ist
aber Leiblich auffgefaren in die Hhe; darumb nennet S. Paulus dasselbe ort
droben“70 etc.

Vom sitzen zur Rechten Gottes.


(25)Was heisst die Rechte Gottes?
Weil Gott kein Leiblich, sondern ein Geistlich wesen ist, hat er fr sich kei-
ne rechte oder lincke Hand oder Seiten, zu welcher Christus stehe oder sitze,
sondern diese rede, wie auch S. Hieronymus schreibt,71 ist genomen von
Menschlichen dingen, denn bey den Menschen heisset zur Rechten stehen
(30)oder sitzen gemeiniglich die gleiche oder nechste ehre, wirde vnd herrligkeit
haben. Denn diejenigen, welchen die Menschen gleiche oder nechste Ehre

|| [693]

nach jnen selbs geben vnd erzeigen, die pflegen sie zu jrer rechten zu setzen,
als do Salomon I. Reg. 272 seiner Mutter Bettscha lesset einen Stuel setzen,
das sie sich setze zu seiner Rechten. Vnd also redet der 45. Psalm: „Die
Braut stehet zu deiner Rechten in eitel kstlichem Golde“,73 das ist in nechs-
(5)ter Ehre nach dem Breutgam. Syrach || [C 4v:] 12 spricht: „Setze deinen Feind
nicht zu deiner Rechten, das er nicht nach deinem stule trachte“,74 das ist:
Erhebe jn nicht zu hoch zu Ehren. Matthei am 20. bittet die Mutter der Kin-
der Zebedei von Christo, das er jre Söne lasse sitzen einen zur Rechten, den
andern zu Lincken,75 das ist, das er sie zu seinen frnemsten vnd bersten
(10)Amptleuten vnd vber alle andere Vnterthanen zu Herrn setzen wolte.
Also, wenn die Schrifft saget, das Christus der Son Gottes sitze oder sey
vom Vater gesetzt zu seiner Rechten, heisset die Rechte Gottes so viel als die
hchste Ehre vnd Herrligkeit Christi. Nemlich, das er mit dem Vater gleiche
vnd nach jm nechste Ehre, Wirde, Herrligkeit vnd Maiestet habe fur alle Cre-
(15)aturn, vnd Brauchet die Schrifft von dieser Herrligkeit diese dreyerley art zu
reden, das Christus sitzet, stehet, ist zur Rechten Gottes.

Was ist nu der eigentliche verstand dieses Artickels,
das Christus zur rechten Gottes gesetzt sey?

Dieser Artickel weiset, was fr ein vnterscheid sey zwischen Christo, der
(20)gen Himel gefaren ist, und zwischen Helia76 vnd andern Heiligen vnd auser-
welten Engeln, die auch im Himel sind, nemlich das Christus nicht allein wie
die Auserwelten das angesicht Gottes gegenwertig anschawet vnd ist in ewi-
ger freude || [D 1r:] vnd wonne, sondern auchk vber alle Creaturn in die hchs-
te Majestet vnd Herrligkeit Gottes gesetzt ist. Denn also erkleret die Schrifft
(25)anderswo selber diesen Artickel: Luc. 24: „Muste nicht Christus solchs lei-
den vnd zu seiner Herrligkeit eingehen?“77 Psal. 8, Ebre. 2: „Du hast jn eine
kleine zeit Gottes mangeln lassen. Mit Preis vnd Ehren hastu jn gekrnet.“78
Hie heisset: „in die Herrligkeit eingehen“, item: „mit Preis vnd Ehren ge-
krnet werden“ nichts anders denn das im Glaubensartickel genent wird:
(30)„zur Rechten Gottes gesetzt sein.“

|| [694]

Nach welcher Natur sol dieser Artickel von Christo
verstanden werden?

Das sitzen zur Rechten Gottes sol von der gantzen Person Christi nach sei-
nen beiden Naturn verstanden werden, gleichwie auch die ernidrigung der
(5)gantzen Person Christi mus zugeschrieben werden. Denn eben der vom Hi-
mel hernider komen ist vnd Menschliche Natur vff Erden an sich genomen
hat, der ist sampt seinem fleisch zur rechten Gottes nach der zeit der ernidri-
gung erhoben worden. Es wird aber hiermit der vnterschied beider Naturn
nicht auffgehoben, sintemal auch in der Maiestet vnd Herrligkeit der Herr
(10)Christus seine warhaffte Menschliche Natur an sich behelt, nicht allein nach
der Substantz vnd wesen, sondern auch jrer eigenschafften nach, mit wel-
chen sie von dem Gttlichen, vnendlichem, geistlichem wesen || [D 1v:] als
eine leibliche, sichtbare vnd endliche Creatur in alle ewigkeit vnterschieden
bleibet, welches zu der waren erkentnis Christi – das er warer Gott vnd
(15)Mensch sey vnd bleibe – vnd damit die Artickel vnsers Christlichen Glau-
bens einhellig miteinander vberein komen vnd die folgenden nicht die vor-
gehenden zunichte machen in sonderheit zu betrachten vonnten ist. Denn
weil der grund vnsers Glaubens ist die Menschwerdung Christi, mssen vnd
sollen alle folgende Artickel, als auch dieser vom Sitzen zur Rechten, also
(20)vnd anders nicht verstanden werden, damit nicht der grndliche, rechte vnd
vnwidersprechliche verstand des Artickels von den vnterschiednen Naturn in
Christo, der Gttlichen vnd Menschlichen, werde auffgehaben.

Was begreifft dann die Herrligkeit vnd Maiestet in sich,
zu welcher Christus nach der ernidrigung erhoben ist?

(25)Die erhhung Christi zur Herrligkeit nach erklerung der heiligen Schrifft ste-
het frnemlich in diesen dreien stcken: Erstlich bedeutet das Sitzen zur
Rechten die volkomenheit der Gttlichen Natur Christi, nach welcher er dem
Vater in allem gleich ist am wesen, willen, wercken vnd eigenschafften;
nicht das er solche volkomenheit von ewigkeit nicht gehabt hette, sondern
(30)das solche Gottheit Christi nach der wunderbarlichen ernidrigung von allen
Crea- || [D 2r:] turn auch in der angenomenen Menscheit erkand wird. Darneben
bedeutet dis sitzen auch die hchste Herrligkeit vnd vorklerung der Mensch-
lichen Natur, welche auch jr volkomenheit empfangen hat nach jrer art vnd
eigenschafft. Denn wiewol Christus nach der Menschlichen Natur Gott nicht
(35)ist gleich worden – Sintemal in ewigkeit die Creatur der Gottheit vnter-
worffen bleibet: 1 Corinth. 1579 –, jedoch ist er auch nach der Menscheit fr-
trefflicher worden als alle Engel vnd Menschen. Denn wiewol die Menscheit
Christi zuuor in der empfengnis diese hchste Ehre empfangen hat, das sie
Gottes Sons eigner Leib vnd Seel ist vnd zugleich in jrer erschaffung mit

|| [695]

demselben Persnlichen voreiniget ist – welches etliche alte Scribenten80
auch bisweilen zur Rechten Gottes gesetzt sein nennen, do sie durch die
Rechte Gottes eigentlich vorstehen die person des sons Gottes –, so gehrt
doch dasselbe eigentlich vff den artickel von der Menschwerdung Christi,
(5)nicht aber zu diesem Artickel, darinnen wir bekennen, das er nach der
Himelfart mit seinem fleisch gesatzt sey zur Rechten Gottes des Vaters. Dis
aber wird hie von der Menscheit Christi bekennet, das sie numehr nach der
vorklerung,81 darinnen sie alle schwacheit, drfftigkeit82 vnd sterbligkeit
abgeleget, an Leib vnd Seel auch in vnd fr sich gezieret ist vnaussprech-
(10)licher weis mit herrlichem Liecht vnd glantz, mit hoher Weisheit, Gerechtig-
keit, Heiligkeit, Freude, || [D 2v:] Stercke, Macht vnd allen andern Gaben, so
an der zal vnd Hoheit aller andern Creaturn gaben weit vbertreffen. Diese
Gaben lassen sie gleichwol eine ware, erschaffne, menschliche Natur blei-
ben, machen sie der Gottheit nicht gleich, weder am Wesen noch an vnend-
(15)lichen Gttlichen eigenschafften, denn auch die vorklerte Menscheit in
Christo vnser Mensch­lichen Natur an wesen vnd eigenschafften gleich vnd
eine Creatur bleibet, vnterschieden von dem vnendlichen Gttlichen wesen,
vnd ist dennoch eine jede Creatur volkomen nach jrer art, wenn sie also ist,
wie sie Gott gefellig ist, ob sie schon jrem Schpffer nicht gleich ist. Von
(20)diesem stck der Herrligkeit vnd Maiestet Christi redet der Herr selber
Johan. 17: „Las sie sehen meine Herrligkeit, die du mir gegeben hast.“83
Jtem: „Vorklere mich, Vater, mit der Herrligkeit bey dir selbs, die ich gehabt
hab von anbegin der Welt.“84 Luc. 22: „Von der zeit an wird des Menschen
Son sitzen zur Rechten der Krafft Gottes.“85 Actorum 7: „Stephanus sahe die
(25)Herrligkeit Gottes vnd Jhesum stehen zur Rechten Gottes.“86
Das ander stck, so zur Herrligkeit vnd Maiestet Christi gehrt, ist die erh-
hung nach beiden Naturn zum Kniglichem vnd Priesterlichem ampt. „Denn
diesen Jhesum“, wie S. Petrus spricht Act. 2, „hat Gott zum Herrn vnd Christ
gemacht“,87 das ist zu einem gesalbten Knig vnd Hohenpriester, sintemal
(30)allein Christus fr || [D 3r:] vnd fr in des Vaters allergeheimsten Rat vnd
Schos vnd also warhafftig in sancta sanctorum ein- vnd ausgehet, sihet vnd
erkennet den willen des Vaters, samlet jm fr vnd fr eine Kirche im
Menschlichen Geschlecht, erhelt das Predigampt, bittet fr vns, bedecket
vnd vberschattet vns mit seines Leidens, sterbens, tewren Blutvergiessens
(35)vnd gantzen Gehorsams verdienst, vergibet die snde, schencket den heili-
gen Geist, wircket Leben, trost vnd freude in Gott, beschtzet, stercket, be-

|| [696]
-
waret vnd errettet seine Kirche wider die Teuffel vnd der Hellen Pforten vnd
wider der Tyrannen vnd gantzer Welt gewalt, grim, zorn vnd wten, wird
auch endlich die Todten erwecken vnd seine Gleubigen einsetzen in ewige
Freude vnd Herrligkeit, wenn er sie zu sich in Himel bringen wird.
(5)Diese werck, so zum Ampt Christi gehren, werden der gantzen Person, wel-
che Gott vnd Mensch ist, zugeschrieben, nicht allein, weil zuuor das werck
der Erlsung in der Menschlichen Natur ist ausgerichtet,l sondern weil noch
fr vnd fr der Herr Christus die werck seines Ampts in der angenomenenm
Menschlichen Natur, die er nimermehr von sich leget, ausrichtet, auch eben
(10)durch diese Natur viel herrlicher Werck vnd Thaten, die zu seiner Knigli-
chen regierung vnd Priesterlichem Ampt gehren, volendet, wie er auch in
der Menschlichen Natur am Jngsten tag sichtbarlich widerkomen vnd das
Gericht vber Lebendige vnd Todten halten wird.
|| [D 3v:] Von dieser erhhung zum Kniglichen vnd Priesterlichem Ampt re-
(15)den frnemlich die Sprche der Schrifft als Ephe. 1: „Er hat jn aufferweckt
von den Todten vnd gesetzt zu seiner Rechten im Himel Vber alle Frsten-
thumb, gewalt, macht, Herrschafft vnd alles, was genennet mag werden,
nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zuknfftigen, vnd hat alle
ding vnter seine Fsse gethan vnd hat jn gesetzt zum Heupt der Gemeinde
(20)vber alles, welche da ist sein Leib, nemlich die flle des, der alles in allen
erfllet.“88 Hebre. 8: „Wir haben ein solchen Hohenpriester, der da sitzet zu
der Rechten auff dem stuel der Maiestet im Himel vnd ist ein Pfleger in der
Heiligen gter vnd der warhafftigen Htten, welche Gott auffgerichtet hat
vnd kein Mensch.“89 Item Psalm 110: „Der Herr hat gesagt zu meinem
(25)Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten‘“90 etc., welches S. Paulus erkleret mit
dem wort „herrschen“: 1. Corinth 15: „Er mus herrschen, bis er alle seine
Feinde vnter seine Fsse lege.“91 Von dieser Herrschaft, welche Christo vom
Vater gegeben ist als personae missae, das ist zum Priesterthumb vnd Knig-
reich verordnet, die er krefftiglich vnd mechtig beweiset in samlung, heili-
(30)gung, beschtzung vnd seligmachung aller Gleubigen, ist auch der Spruch
Christi zu verstehen: „Mir ist aller gewalt gegeben in Himel vnd vff
Erden.“92
Das dritte stck, so zur Herrligkeit Christi || [D 4r:] gehret, darzu er zur
Rechten des Vaters erhhet, ist die Ehre der anruffung oder anbetung, so
(35)Christo seiner Person vnd Ampts halben von allen Creaturn erzeigt wird.
Denn weil er nach seiner Gttlichen Natur warhaffter Natrlicher Gott ist

|| [697]

vnd nach beiden seinen Naturn zum Herrn vnd Heupt seiner Kirchen gesetzt
ist, wird er von Engeln vnd Menschen als jr Gott vnd Herr erkandt, angebetet
vnd gepreiset. Hiervon redet der spruch S. Pauli Philip. 2: „Gott hat jn erh-
het vnd hat jm einen Namen gegeben, der vber alle Namen ist, das in dem
(5)Namen Jhesu sich beugen sollen aller der Knie, die im Himel, auff Erden
vnd vnter der Erden sind, vnd alle Zungen bekennen sollen, das Jhesus
Christus der Herr sey zur Ehre Gottes des Vaters.“93 1. Pet. 3: „Welcher ist
zur rechten Gottes in den Himel gefaren, vnd sind jm vnterthan die Engel
vnd die Gewaltigen vnd die Krefften.“94 Apoca. 5: „Das Lamb, das erwrget
(10)ist, ist wirdig zu nemen Krafft vnd Reichtumb vnd Weisheit vnd Stercke vnd
Ehre vnd Preis vnd Lob“95 etc.

Warumb wird das Sitzen zur Rechten des Vaters dem Herrn Christo erst
nach der Himelfart zugeschrieben?

Die Schrifft redet vom Herrn Christo auff zweierley weis: Erstlich beschrei-
(15)bet sie jn || [D 4v:] als waren Natrlichen ewigen Gott zusampt dem Vater vnd
Heiligen Geist. Auff diese weis ists recht geredt, das Christus nach seiner
Gttlichen Natur ist von Ewigkeit zur Rechten des Vaters gesessen, welches,
wie die Epistel zu den Ebreern sagt, nie zu keinem Engel ist gesagt wor-
den.96 Es wird auch offt der Son Gottes die Rechte des Vaters selbs genen-
(20)net, sintemal er gewesen ist im anfang bey dem Vater gleicher Gott von
Macht vnd Ehren vnd der Vater alle ding durch jn geschaffen hat etc. Zum
andern redet die Schrifft von Christo als „de persona missa“, das ist als von
einer solchen Person, die im allergeheimsten Ratschlag Gottes verordnet ist
zum Mittler, Knig vnd Hohenpriester des Menschlichen Geschlechts, vnd
(25)dern endlich in der flle der zeit warer Mensch geboren vnd mit seinem
Leiden vnd Sterben der Gerechtigkeit Gottes gnug gethan, die Snde der
Welt bezalt vnd Gerechtigkeit vnd ewiges Leben widerbracht hat.
Dieser betrachtung nach beschreibet die schrifft zweierley stende oder zeit
des Herrn Christi, nachdem er ins Fleisch komen ist, nemlich den stand der
(30)ernidrigung vnd den stand der erhhung. Denn wiewol auch in der ernidri-
gung der Son Gottes seine ware Gottheit nie von sich gelegt noch verloren
hat, jedoch hat er sich derselben, wie Paulus redet Philip. 2, geeussert vnd || [E 1r:]
sich ernidriget,97 also das er wider vnd zu entgegen seinem Beruff, darzu
er als ein Opffer fr das Menschliche Geschlecht in die Welt gesand war,
(35)seiner Gttlichen Natur, Allmacht vnd Krafft nicht gebrauchen noch allzeit

|| [698]

erweisen wllen, sondern dieselbe seiner Gttlichen Natur, Allmechtigkeit
vnd ewige Maiestet vnd Herrligkeit gleichsam in vnsern armen Fleisch vnd
Blut verborgen vnd von wegen der drfftigkeit, Leidens vnd Sterbens seines
eignen Fleisch sich verleugnen, lestern vnd spotten lassen. Als nu diese zeit
(5)der Ernidrigung furber, folget endlich die erhhung dieser Person also, das
seine Menschliche Natur numehr vnsterblich, verkleret vnd herrlich ge-
macht, die Gottheit aber, so in Christo von ewigkeit war vnd doch jrer Gtt-
lichen Allmacht vnd Herrligkeit im Leiden nicht gebrauchet, numehr auch in
der Menscheit von aller Welt erkand vnd diese gantze Person – Gott vnd
(10)Mensch – als der ewige Knig vnd Hoherpriester offenbaret vnd von Engeln
vnd Menschen angeruffen vnd angebetet wird. Diese ffentliche erhhung
vnd volkomene vnd von aller schwacheit gefreiete vnd offenbarlich erzeigte
Regierung, Ehre, Maiestet vnd Herrligkeit Christi nennet der Artickel des
Glaubens eigentlich das sitzen zur Rechten des Vaters vnd rhmet dasselbe,
(15)nachdeme Christus von Todten erstanden vnd gen Himel gefaren ist, do er
mit vnaussprechlicher || [E 1v:] Herrligkeit sich als einen Herrn aller Creaturen
in angesicht aller seiner heiligen Engel vnd Menschen erzeiget. Welche
Herrligkeit vns itzund vnerforschlich vnd vnbegreifflich, gleichwol aus der
wunderbarlichen samlung, regierung vnd erhaltung der Christlichen Kirchen
(20)in diesem Leben etlichermassen erkand, aber als denn erst fr der gantzen
Welt wird offenbar werden, wenn er vom Himel herab komen vnd in den
Wolcken in der Herrligkeit des Vaters mit allen seinen heiligen Engeln vnd
grosser Krafft vnd Ehr als ein Richter der Lebendigen vnd der Todten er-
scheinen vnd vns hinauff zu sich nemen wird, das wir ewig bey jm sein vnd
(25)seine Herrligkeit schawen.

Appendix.

Von der Maiestet Christi, so jm gebret von wegen der Persnlichen voreini-
gung zweier Naturn Des Ehrwirdigen Herrn Doctoris Lutheri zeugnis,
welches dieser zeit von vielen mutwillig missbrauchet vnd vorstmmelt
(30)wird, getrewlich vnd volkmlich angezogen.

In der auslegung vber die letzten wort Dauidis.98
Wir Christen, aus dem Newen Testament erleucht, knnen richtig, deutlich
vnd fein ant- || [E 2r:] worten auff den einwrff, do Fraw Klglinge, die Ver-
nunfft, fragt: Wie kan Gott seine ewige gewalt von sich einem andern ge-
(35)ben? Sonderlich einem Menschen kan er sie nicht geben, der nicht von ewig-
keit her gewesen ist wie Gott, sondern hie zeitlich angefangen, geborn vnd
sterblich ist, wie wir Christen von Jhesu, Dauids vnd Marien Son, bekennen

|| [699]

vnd predigen.99 Nemlich wir antworten also: Christus vnser Herr hat zwo
geburt oder zwo Natur in einer vnzurtrenten Person. Denn er ist ein Christus,
nicht, wie der tolle Geist Nestorij narret, zween Christi.100 Nach der ersten
geburt hat er nicht zeitlich, sondern von ewigkeit her vom Vater empfangen
(5)die ewige gewalt oder Gottheit. Vnd der Vater hat sie jm gegeben gantz vnd
vllig, wie er sie selbs hat von ewigkeit. Nicht hat er sie jm also gegeben,
das er sich derselben beraubet oder entledigt habe, sondern dieselbige gewalt
vnd kein ander, die er von ewigkeit behelt, hat er dem Son gegeben. Denn es
sind nicht zwo Gottheit, sondern beider Person ist ein einige Gottheit, vnd
(10)bleibet recht geredet Esaiae am 42.: „Ich will meine Ehre keinem andern
geben noch mein Lob den Gtzen“,101 denn der Son ist kein ander Gott noch
Gtze, sondern mit dem Vater ein einiger, rechter, ewiger Gott. Hieuon
spricht er selbs Johan. 16: „Alles, was der Vater hat, das ist mein“,102 spricht
nicht: „der Vater hat nichts mehr, ich habe es alles || [E 2v:] allein“, oder: „der
(15)Vater hats alles allein, ich habe nichts“, sondern „der Vater hats alles, aber
dasselbige alles, das er hat, das ist mein.“ Das ist ja klerlich so viel gesagt,
das der Vater vnd Son ein einige Gottheit haben vnd von demselben alles des
Vaters, das des Sons ist, hats der Heilige Geist auch, wie er daselbst spricht:
„Er wirds von den meinen nemen.“103 Von welchen meinem? On zweiuel
(20)von den meinem, das der Vater hat. Also nimpt der Heilige Geist von beiden,
dem Vater vnd Son, dieselbige vllige gantze Gottheit von Ewigkeit her.
Item Joh. 5: „Wie der Vater das Leben hat in jm selber, also hat er dem Son
geben, das Leben zu haben in jm selber“,104 vnd „wie der Vater Todten auff-
erweckt vnd Lebendig macht, also auch der Son macht Lebendig welche er
(25)wil, auff das sie alle den Son ehren wie sie den Vater ehren“.105 Das alles ist
von der ersten, ewigen, gttlichen Geburt gesagt. Nach der andern, zeitli-
chen, menschlichen Geburt ist jm auch die ewige gewalt Gottes gegeben,
doch zeitlich vnd nicht von Ewigkeit her. Denn die Menscheit Christi ist
nicht von Ewigkeit gewest wie die Gottheit, sondern wie man zelet vnd
(30)schreibt ist Jhesus, Marien Son, dis jar 1543 Jar alt. Aber von dem Augen-
blick an, da Gottheit vnd Menscheit vereiniget ist in einer Person, da ist vnd
heist der Mensch, Marien Son, allmechtiger ewiger Gott, der ewige gewalt
hat vnd alles geschaffen hat vnd || [E 3r:] erhelt per Communicationem Idio-
matum,106 darumb das er mit der Gottheit eine Person vnd auch rechter Gott

|| [700]

ist, darumb redet er Matth. 21: „Alles ist mir vom Vater gegeben.“107 Matth.
vltimo
: „Mir ist alle gewalt gegeben im Himel vnd auff Erden“.108 Welchem
Mir? Mir, Jhesu von Nazareth, Marien Son vnd Mensch geboren, von Ewig-
keit hab ich sie vom Vater, ehe ich Mensch ward, aber da ich Mensch ward,
(5)hab ich sie zeitlich empfangen nach der Menscheit vnd heimlich gehalten bis
auff mein Aufferstehen vnd Auffart, da es hat sllen offenbart vnd verklert
werden, wie S. Paulus Rom. 1 spricht: „Er ist verkleret oder erweiset ein Son
Gottes krefftiglich.“109 Johannes nennet es verklert, Joh. 5: „Der heilige
Geist war noch nicht, denn Jhesus war noch nicht verkleret.“110

(10)In der Kirchenpostill vber die Epistel Ebre. I.111

Zu der Rechten der Maiestet Sitzen ist gewislich der Maiestet gleich sein.
Darumb, wo Christus wird beschrieben, das er zur Rechten Gottes sitzet, da
wird grndlich beweret, das er warer Gott sey, sintemal Gott ist niemand
gleich denn Gott selber. Darumb das der Mensch Christus wol wird gesagt,
(15)er sitzet zur Rechten Gottes, ist doch so viel gesagt, er sey warer Gott, wie
der 110. Psalm spricht: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: ‚Setze dich zu
meiner Rechten‘“112 etc. Das ist, er hat zu Christo gesagt, || [E 3v:] der ein
Mensch ist: „Sey mir gleich“, das ist: „Du solst nicht allein ein Mensch, son-
dern auch Gott erkennet werden.“ Wie dann allhie113 der Apostel diesen
(20)Spruch desselbigen Psalmen auch einfret. Jtem Psalm 8: „Du hast jm vnter
die Fsse geworffen alle werck deiner Hende“114 , das ist: „Du hast dir jn
gleich gemacht“, nicht das er nu allererst angefangen hab, Gott zu sein, son-
dern das der Mensch vorhin nicht ist Gott vnd Gott gleich gewesen, denn
zugleich er angefangen hat, Mensch zu werden, hat dieser Mensch auch an-
(25)gefangen, Gott zu sein. Vnd also redet die Schrifft gar viel fglicher von
Christo denn wir Vnd wickelt die Person so fein in die Natur vnd scheidet
widerumb die Natur, das wenig sind, die es recht verstehen, vnd ich selbs
offt in diesen vnd dergleichen geirret hab, das ich der Natur habe zugeeignet,
was der Person gebret vnd widerumb.

|| [701]

In der Schrifft an die Schweitzerischen Sted Tom. 12 Germ. fol. 205.115

Vom Sacrament des Leibs vnd Bluts Christi haben wir auch noch nie geleret,
lehren auch noch nicht, das Christus vom Himel oder von der rechten Hand
Gottes hernider- vnd auffare, noch sichtbarlich, noch vnsichtbarlich. Bleiben
(5)fest bey dem Artickel des Glaubens: „Auffgefaren gen Himel, sitzend zur
Rechten Gottes zuknfftig“ etc. vnd lassens Gttlicher Allmechtigkeit be-
fohlen sein, wie || [E 4r:] sein Leib vnd Blut im Abendmal vns gegeben werde,
wo man aus seinem Befehl zusamen kmpt vnd sein einsetzung gehalten
wird. Wir dencken do keiner Auffart noch Niderfart, die da solt geschehen,
(10)sondern bleiben schlechts vnd einfeltig bey seinen worten: „Das ist Mein
Leib“, „Das ist Mein Blut“116 etc.

Nazianzeni Spruch, so von etlichen dieser zeit auch verstmmelt vnd wider
des Autoris eigentliche meinung felschlich angezogen wird.117

Orat. 2 de Filio pag. 214:118 „Es mus Christus so lange herschen vnd von
(15)dem Himel eingenomen werden Bis auff die zeit, da alles herwiderbracht
werde, vnd mus den Stuel zur Rechten innen haben, bis er aller seiner Feinde
mechtig werde.“ Bisher hat Nazianzenus die Sprche der Schrifft erzelet,
welche die Arianer mißbrauchten vnd daraus folgern wollten, das Christus
Reich nicht ewig sein wrde vnd er also nicht Gott sein kndte, darzu jnen
(20)dienen mste das wrtlein o „bis so lange“,o item: p „bis auff die zeit“.p Diese
jre vnrechte folge erzelet Nazianzenus mit folgenden worten vnd widerleget

|| [702]

die vorkerten auslegung der wrtlein „so lang“ Vnd: „bis auff die zeit“:
„Was wlt jr denn hieraus erzwingen? Gleich als mste Christus als dann
nicht mehr herschen oder aus dem Himel weichen? Wer wird jn aber darzu
zwingen oder aus was vrsach wird Christus solchs thun mssen? Du magst
(5)mir aber wol ein kner Ausleger der Schrifft sein vnd kanst das || [E 4v:]
Reich Christi zumal vbel leiden, so du doch anderswo hrest, das seines
Reich kein ende sein wird.119 Aber hierinnen stssestu dich, das du nicht
weissest, was es geredt sey q ‚bis so lange‘,q vnd: r ‚bis auff die zeit‘,r etc.
Nemlich, das diese wort nicht allzeit dem entgegen gesetzt werden, was zu-
(10)knfftig ist, auch nicht das, so folgen werde, ausschliesse.“ Diesen rechten
verstand des wrtleins Vsque vnd Donec beweiset nachmals Nazianzenus
mit etlichen Exempeln, die der Christliche Leser selber mag nachsuchen.

FINIS.

s Gedruckt zu Wittenberg durch Lorentz Schwenck.
(15)Anno 1571.s

Textapparat
a seine: B, C.
b er in: B, C.
c Gerechtigkeit vnd: B, C.
d Korrigiert aus „Haxaim“ nach C.
e Christus: B, C.
f f-f Im Druck durch Versalien hervorgehoben.
g Korrigiert aus „Polycarpo“ nach C.
h h-h Im Druck durch Versalien hervorgehoben.
i i-i Im Druck durch Versalien hervorgehoben.
j sichtbarlich: B, C.
k das er auch: B.
l angerichtet: B, C.
m ausgenommenen: B.
n die: C.
o o-o Im Druck durch größere Type hervorgehoben.
p p-p Im Druck durch größere Type hervorgehoben.
q q-q Im Druck durch größere Type hervorgehoben.
r r-r Im Druck durch größere Type hervorgehoben.
s s-s Nicht in B, C.

Kommentar
1 Das Apostolische Glaubensbekenntnis, in: BSLK 21,15f; Symbolum Nicaeno- Constantinopoli-
tanum, in: BSLK 26,20f.
2 In dieser Weise im Druck hervorgehoben, um das Nebeneinander zwei voneinander zu unter-
scheidender Glaubensartikel vor Augen zu führen.
5 CA III, in: BSLK 54,14–16.
6 leistet Fürbitte für. Vgl. Art. Vorbitten, in: DWb 26, 920.
7 schlicht. Vgl. Art. schlecht, in: DWb 15, 519.
8 Veraltetes Femininum. Vgl. Art. Schoß, in: DWb 15, 1583–1599.
9 Johannes Damascenus, Expositio fidei LXXIV, in: PG 94,1104 (PTS 12, 173,15–17).
10 Vgl. Ps.-Athanasius, Disputatio contra Arium XXXVII, in: PG 28, 487.
12 Vgl. Joh 3,13.
13 Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum, in: BSLK 26,12f.
15 Nach Eph 4,10.
16WA.DB 7, 200, Marginalie zu Vers 10.
17 Vgl. Jes 52,13.
21Joh 20,17.
25 Vgl. Eph 4,10.
26 Vgl. Hebr 1,14 und 8,1f.
27 Johannes Damascenus, Expositio fidei II, 6 (20), in: PG 94,884 (PTS 12,52,61–53,66). Vgl. Ps
104,12
.
29 Basilius von Cäsarea, Homiliae in Hexaemeron II, in: PG 29,40f (SC 26, 162. 164).
30 Vgl. Ambrosius, Exameron I, 8 in: PL 14, 149–153 (CSEL 32/1, 27–34).
33 Gemeint ist die christologische Begründung der Allgegenwart der göttlichen und menschli-
chen Natur Christi Württemberger Prägung, die von Johannes Brenz entwickelt worden war und
von Jakob Andreae und Lukas Osiander d.Ä. in der Debatte um die Wittenberger Abendmahls-
lehre und Christologie vertreten wurde. Vgl. hierzu Hund, Das Wort ward Fleisch, 185–189;
485–540; 694–698.
34 Haarspalterei.
39 ohne irgendeine Verfälschung des Satzes.
40 Die Wittenberger beziehen sich auf die 1569 durch den Heidelberger Professor Immanuel Tre-
mellius
edierte Ausgabe der antiken syrischen Übersetzung des Neuen Testaments, in der das
griechische Original und die syrische Version jeweils mit lateinischer Übersetzung abgedruckt
waren. Vgl. Η ΚΑΙΝΗ ΔΙΑΘΗΚΗ. TESTAMENTVM NOVVM. at'd'x] aq"yTiy:Di Est autem inter-
pretatio Syriaca Noui Testamenti, Hebraeis typis descripta, plerisque etiam locis emendata. Ea-
dem Latino sermone reddita [...], Genf 1569
, 333v: „Quem oportet quidem caelo capi“.
41 Vgl. Gregor von Nazianz, Oratio XXX. Theologica quarta. De Filio 4, in: PG 36, 108 (FC 22,
226,22–228,2) und Oecumenius von Tricca, Commentaria in Acta Apostolorum IV, in: PG 118, 88.
42 Die von Christoph Pezel auch schon in der „Grundfest“ angeführte Stelle aus der „lateinischen
Bibelübersetzung Luthers“ stammt aus der Wittenberger Vulgata-Revision von 1529: PENTA-
TEVCHVS. LIBER IOSVE. LIBER IVDICVM. LIBRI REGVM. NOVVM TESTAMENTVM
[...], Wittenberg 1529
(VD 16 B 2594/ZV 1534). Vgl. WA.DB 5, 728: „et miserit eum qui prae-
dicatus est vobis Ihesum Christum, quem oportebat coelo suscipi donec restituantur omnia.“ . Die
niedersächsischen Theologen lehnten in ihrem im Oktober 1571 erscheinenden Bekenntnis die
Autorschaft Luthers ab, weil dieser sich gegen den Druck dieser Übersetzung einige Jahre nach
deren Erscheinen eingesetzt habe und die Bücher der Bibel in ihr nicht nach der Reihenfolge Lu-
thers
angeordnet seien. Vgl. „Niedersächsisches Bekenntnis“, P 2r, unsere Ausgabe, Nr. 9: Nie-
dersächsisches Bekenntnis, 786f. Vgl. hierzu WA.DB 5, XXIV: „Luther war auf jeden Fall
irgendwie an der Ausgabe beteiligt.“
43 Die erhaltenen Inkunabeldrucke deutscher Bibelübersetzungen des 15. Jahrhunderts stimmen
in ihrer Übersetzung überein. Vier Beispiele seien genannt: GKW 4296 (Straßburg nicht nach
1470): „den ernstlich der himel gezam zu entpfachen“; GKW 4307 (Köln um 1478): „ihesum
xristum de nuw is geprediket den de hemmel entpfanghen mote“; GKW 4308 (Köln um 1478):
„Jhesum christum de uw is gepredeket den de hemmele vntfanghen mothe“; GKW 4309 (Lübeck
1494): „ihesum xristum de iuw is ghepredeket. Den de hemmel entfangen mth.“ Die Überset-
zung mit der hier angegebenen Fassung „Der Himel muste Christum vffnemen“ lässt sich hinge-
gen nicht verifizieren.
48 Die Fragstück unterscheiden Privatbekenntnisse und Bekenntnisse, die allgemeine Anerken-
nung gefunden haben.
49 Vgl. Symbolum Athanasianum 37, in: BSLK, 30,37: „ascendit ad caelos, sedit ad dexteram
patris.“
50 Epiphanius von Salamis, Ancoratus CXIX, 8, in: PG 43, 232 (GCS 25, 148,23–25).
51 Cod. I,1, De summa trinitate, in: CIC[B].C, 5.
52 So die ‚Fides Damasi‘ genannte Formel. Vgl. Ps.-Hieronymus, Epistola Hieronymi ad Papam
Damasum de Symbolo seu Hieronymi de Fide apud Bethleem, in: PLS 1, 514f (DH 71–72).
53 So die ‚Fides Damasi‘ genannte Formel, in: PLS 1, 515 (DH 72), dort: „cum ea carne, in qua
natus“. Im 16. Jahrhundert war das „Damasi Symbolum“ eingeordnet unter die Schriften des Hie-
ronymus
. Vgl. OMNES QVAE EXTANT D. HIERONYMI STRIDONENSIS LVCVBRATIO-
NES, ADDITIS VNA PSEVDEPIGRAPHIS ET ALIENIS, SCRIPTIS IPSIVS ADMIXTIS, in
nouem tomos, per DES. ERASMVM ROTERODAMVM [...] QVARTVS TOMVS [...], Basel
1553
(VD 16 H 3485), 97.
54 Ignatius von Antiochien, Epistula ad Smyrnaeos III, 1, in: PG 5, 709 (SC 10, 156).
55 Ignatius von Antiochien, Epistula ad Smyrnaeos III, 2f, in: PG 5, 709 (SC 10, 156).
56 Irenäus von Lyon, Adversus haereses III, 16, 8, in: PG 7, 927 (FC 8/3, 206,3–7).
57 Tertullian, De carnis resurrectione LI, 13–15, in: PL 2, 869 (CSEL 47, 105,9–17).
58 Tatsächlich: Rufin, Expositio Symboli XXIX, in: PL 21, 367 (CChr.SL 20, 164,17–165,20).
59 Vgl. Cyrill von Alexandrien, In Joannis Evangelium X, 14, 28, in: PG 74, 308 (Pusey II, 511,
18–512,19). Die Angaben im Text legen eine heute nicht mehr gebräuchliche Zählung zugrunde,
die innerhalb der Bücher des Kommentars die behandelten Versabschnitte nacheinander durch-
zählt; sie bezieht sich auf folgende Ausgabe: Johannes Oekolampad (Hg.), DIVI CYRILLI
ARCHIEPISCOPI ALEXANDRINI OPERA, in tres partita Tomos: in quibus habes non pauca
ante hac Latinis non exhibita. HOC PRIMO TOMO INSVNT, In Euangelium Ioannis commen-
tariorum Libri XII. In Leuiticum Libri XVI, Basel 1528
(VD 16 C 6566). Die Zählung innerhalb
der Patrologia Graeca orientiert sich an den behandelten Kapiteln und Versen des Evangeliums.
60 Cyrill von Alexandrien, In Joannis Evangelium IX, 13, 33, in: PG 74, 156f (Pusey II, 381,7–
22).
61 Cyrill von Alexandrien, In Joannis Evangelium XI, 17, 13, in: PG 74, 528 (Pusey II, 706,27–
707,2).
62 Theodoret, Eranistes II, 164, in: PG 83, 164 (Ettlinger, 149,14–23. 26–28).
63 Augustin, De agone christiano XXV, in: PL 40, 304 (CSEL 41, 127,16f).
64 Augustin, Epistola ad Dardanum = Epistulae CLXXXVII, 9 in: PL 33, 835 (CSEL 57, 88,9).
Vgl. Joh 3,13.
65 Augustin, Epistola ad Dardanum = Epistulae CLXXXVII, 10 in: PL 33, 835 (CSEL 57, 89,6).
66 Vigilius Thapsensis, Contra Eutychetem I, 6, in: PL 62, 99.
67 Vigilius Thapsensis, Contra Eutychetem IV, 14f, in: PL 62, 126.
69 Martin Luther, Nu frewt euch lieben Christen gmeyn, in: AWA 4, 157, Strophe 9.
70 Philipp Melanchthon, Enarratio epistulae Pauli ad Colossenses (1559), in: CR 15, 1271. Vgl.
Kol 3,1.
71 Vgl. Hieronymus, Commentarii in iv epistulas Paulinas. Ad Ephesios 1, in: PL 26, 490.
75 Vgl. Mt 20,21.
76 Elias.
78 Vgl. Ps 8,6; Hebr 2,7.
79 Vgl. I Kor 15,50.
80 Schriftsteller, Autoren.
81 Verklärung.
82 Bedürftigkeit.
96 Vgl. Hebr 1,13.
97 Vgl. Phil 2,7.
98 Martin Luther, Von den letzten Worten Davids (1543), in: WA 54, 49,5–50,12.
99 Die Fragstück zitieren Luther hier und im Folgenden leicht verkürzt und gegenüber dem in
WA 54 gebotenen Text in veränderter Reihenfolge. Vgl. WA 54, 48,28–35.
100 Zu Nestorius vgl. unsere Ausgabe, Nr. 1: Propositiones (1570), 37, Anm. 54.
106 Vgl. Notger Slenczka, Art. Communicatio idiomatum, in: RGG4 2, 433f.
107 Eigentlich Mt 11,27; die falsche Kapitelangabe findet sich schon im Luthertext, vgl. WA 54,
50,3.
111 Martin Luther, Weihnachtspostille (1522). Die Epistell der hohen messen am Christag auß
Heb. prima., in: WA 10/I/1, 162,18–163,14.
116 Vgl. Mt 26,26f par.
117 Gregor von Nazianz, Oratio XXX. Theologica quarta. De Filio 4, in: PG 36, 108 (FC 22, 226,
22–228,2). Der 1570 zum Aufbau einer lutherischen Kirchenstruktur nach Braunschweig- Lüne-
burg
entsandte Leipziger Theologe Nikolaus Selnecker hatte in seinem „kurzen Bekenntnis“
(Kurtze / Wahre vnd Einfeltige Bekantnuß D. Nic. Selnecceri. Von der Maiestet / Auffart / Sitzen
zur Rechten GOTtes / vnd vom Abendtmal vnsers HERRN Jhesu Christi [...], Wolfenbüttel 1571

(VD 16 S 5594), B 2r), einer Reaktion auf den „Wittenberger Katechismus“, dieses Zitat ange-
führt und behauptet, der Neuchalkedonier verwerfe dort die passivische Übersetzung von Act
3,21
als arianische Häresie. Diese Deutung wird in den „Wittenberger Fragstück“ zurückgewie-
sen, indem darauf hingewiesen wird, dass sich Gregor in diesem Zitat mit der arianischen Leug-
nung einer ewigen Herrschaft Christi auseinandersetze, die passivische Übersetzung von Act
3,21
hingegen überhaupt nicht thematisiere.
118 Die Buch- und Kapitelzählung der angegebenen Stelle entspricht der zeitgenössischen Aus-
gabe ΓΡΕΓΟΡΙΟΥ ΤΟΥ ΝΑΖΙΑΝΖΗΝΟΥ ΤΟΥ ΘΕΟΛΟΓΟΥ ΑΠΑΝτα, τὰ μέχρι νῦν μὲν
εὑρισκόμενα [...], Basel 1550
(VD 16 G 3019).
Seite drucken

XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000211/fragstueck/edition.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000211/tei-transcript.xsl