Von dem newen der Wittenberger Caluinischen
Catechismo Christliche Censura Doctoris Martini
Kemnitij etc.
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Gottes Gnade neben erbietung meines andechtigen Gebets vnd freundlichen
dienste zuuor. Erbare Wolweise großg
uͤnstige Herren, Ewer Erb.
W. an mich gethanes schreiben neben vberschicktem newem
Wittebergischen Catechismo vnd daraus
gezogenem
Indice
errorum8 habe ich empfangen. Vnd thun E. E. W.
daran, wie Christlicher Gottseliger Obrickeit Ampts halben anders nicht
geb
uͤren will, das sie jrer Kirchen halben wegen der
schedlicher Caluinischen Sacramentschwermerey, dazu durch den
newen
Wittebergischen Catechismum der weg bereitet vnd die th
uͤr auffgethan m
cht werden, allerley vorsorge tragen, vnd das gleichwol E. E. W. nicht leichtfertig ohne
klaren gnugsamen grund solches dem newen Witteber-
||
[
A 4v:] gischen
Catechismo zumessen wolte. Nu habe ich auff E.
E. W. beger den newen
Wittebergischen Catechismum, welchen ich vorhin
nicht gesehen, aber viel fromer Christen dar
uͤber
habe seufftzen vnd klagen h
ren, mit fleis durchgelesen
vnd die punct f
uͤrnemlich, darauff E. E. W. bericht begeren, in
aller Gottsfurcht bewogen, denn mirs ja, wie allen frommen
Christen, treulich vnd hertzlich leid sein solt, do die Schul zu
Witteberg, aus welcher die Zwinglische vnd Caluinische Sacramentschwermery mit so grossem Eiuer von
dem Mann Gottes
D.
Luthero erlegt vnd vnterdruckt ist, nu durch einen newen
Catechismum solte dem grewlichen Jrrthumb wider das Testament des Sons
Gottes nicht allein beyfallen, sondern denselbigen auch per formam catecheseos in die vnschuldige jugent einpflantzen vnd in die Kirchen
dieser lande einf
uͤren wollen.Jch habe aber mit grossem schmertzen vnd betr
uͤbtem gem
uͤt befunden, das derselbige newe
Wittebergische Catechismus durchaus vom anfang bis
zum ende der Caluinischen Sacramentschwermerey zu behelff vnd vorteil
gestellet ist. Vnd dasselbige ist so klar, das mans sehen vnd
greiffen kan, daß wenn heutiges tages
Zwinglius,
Oecolampadius,
Caluinus etc. noch hie im leben
weren,
||
[
B 1r:] w
uͤrden sie dem jetzigen newen
Wittebergischen Catechismo nur gar gerne, als der
jrer lehr fundamenta hat vnd verteidiget, vnterschreiben. Vnd
wenn derselbige newe
Wittebergische Catechismus were zu
Zuͤrich, zu
Genff oder zu
Heidelberg gestellet, so hette er nicht besser
zum Caluinischen vorteil k
nnen gestellet werden. Vnd
wiewol es noch gar ein
wenig verschlagen
9 gemacht, so werden doch alle
Caluinische Sacramentschwermer allenthalben den newen
Wittebergischen Catechismum mit freuden
annemen vnd zu demselbigen als zu jrer eigener lehre sich nur gar gerne
bekennen. So ist auch das offenbar, was
Lutherus in seinen schrifften – als im Buch
„
Das
diese wort noch feste stehen
“
, item in seinem grossen Bekentnis, auch im letzten bekentnis vom Abendmal
10 – wider die Sacramentschwermer aus
Gottes Wort von der person Christi, von der Exaltation
11 seiner menschlichen natur, von seiner
Himmelfart vnd vom sitzen zur rechten hand Gottes gestritten hat,
das dasselbige in dem newen
Wittebergischen
Catechismo in gemelten articulis ex professo
12 verworffen vnd verdampt
wird vnd dagegen in allen denen artickeln gesetzt vnd verteidiget wird die
meinung, welcher
Zwinglius vnd
Caluinus allewege zum fundament
jrer Sacra-
||
[
B 1v:] mentschwermerey geleret haben. Vnd das gibt der augenschein
klerlich, wenn man nur vorermelte schriffte
Lutheri vnd
Zwinglij vnd
Caluini disputationes von der
menschlichen natur in Christo, von seiner Himmelfart vnnd sitzen zur
rechten hand Gottes
13 gegen diesem newen
Wittebergischen Catechismo helt. Denn das man gleichwol
Lutheri namen gedenckt vnd
jn reuerendum uirum nennet, ist gleich wie jener, da er mit spiessen vnd
stangen kam, sagte: „Aue Rabbi“
14 etc.Das aber solchs nicht per suspitionem oder calumniam
15 dem newen Wittebergischen
Catechismo
zugemessen werde, ist augenscheinlich klar. Denn am 77. blate
16 erkleren sie den Artickel von der Himmelfart
Christi also, das Christus mit seinem leibe an einem orte sein m
uͤsse, vnd solches zu bestetigen, begehen sie ein
offentlich crimen falsi,
17
indem sie den spruch
Petri Act. 3 also verfelschen:
„
Oportet
Christum coelo capi
“
,
18
„
Christus muß mit dem Himmel vmbfangen, begriffen, vmbcirckelt oder
beschlossen sein bis an den J
uͤngsten tag.
“
Das
halte ein jeder frommer Christ gegen sein newes Deudsches Testament,
Act. 3. Da wird er finden, das
Lutherus, der alte Witteberger, den spruch also gedeutschet hat:
„
Christus mus
den Himmel einnemen
“
.
19 Aber die newen
Witteberger keren
||
[
B 2r:] den
spruch stracks umb,
„
der Himmel muß Christum einnemen
“
, also das er vom Himmel mus
vmbfangen oder beschlossen sein biß auff den J
uͤngsten tag. Nu gibt der Griechische text solchs
nicht, vnd
Caluinus selbst hat
diese verfelschung gemelts spruchs nicht d
rffen
verteidigen, sicut patet ex commentarijs eius in Acta,
20 allein das
Beza vnuerschampt also interpretirt:
„
Oportet Christum
coelo comprehendi
“
21 vnd
dieselbige falsationem bessern die newen Witteberger damit, das sie sagen,
„
Oportet Christum coelo capi
“
, auff das – wenn man in
praeterito dauon reden wil – es nach dem newen
Wittebergischen Catechismo heisse:
„
Oportet Christum coelo captum
esse
“
:
„
Christus mus im Himel gefangen sein.
“
Ach
wenn du frommer
Luthere leben
soltest vnd sehen, wie deine newen Witteberger deine trewe eiuerige
schriffte wider die Sacramentschwermer meuchlinges verdammen vnd
dein Deutsches newes Testament dir offentlich so schentlich verfelschen!
Aber was ists wunder, schonen sie doch des Testaments des Sons
Gottes nicht. Wenn Deudschland solche offentliche grobe verfelschung kan
hingehen lassen, so mus es doch ja an dem sein, dauon
Paulus weissaget,
2. Thess. 2:
„
Daf
uͤr, das sie die liebe
der warheit nicht haben angenommen, wird jnen Gott krefftige jrrthumb
senden.
“
22
||
[
B 2v:] Nu mache ein jeder Christ
selber die rechnung: Mus Christi Leib an einem orte vnnd im Himel
vmbfangen oder beschlossen sein vnd sein heiliges Abendmal wird
nicht im Himel, sonder auff erden vnd nicht an einem,
sondern an vielen vnterschiedenen
rten gehalten, so wird
daraus vnwidersprechlich folgen, das Christi warer Leib in seinem
Abendmal, welches auff erden gehalten wird, wesentlich nicht gegenwertig
sey, sondern das von dem gesegnetem Brodt, welchs wir in seinem Abendmal
mit vnserem munde empfangen, der Leib Christi so weit vnd ferne
abwesende sey, so weit vnd ferne der h
chste Himmel von
der Erden ist.
23 Wer nu hie mit schwermen
wil, der darff
24 nicht mehr denn nur,
das er den newen
Wittebergischen Catechismum anneme.Zum andern, das sie disputiren von der personlichen vereinigung beider naturen in Christo, quod non sit transmutatio nec confusio naturarum aut
proprietatum inter se, ist recht. Das sie aber der menschlichen natur in
Christo aus der personlichen vereinigung mit der Gottheit von
der Maiestet vnd krafft, zu welcher rechten sie gesetzt ist, nichts anders
mitteilen, denn das sie getragen vnd erhalten wird von der Göttlichen
natur, fol.
||
[
B 3r:] 65, das gehet alles dahin, das Christus mit seiner menschlichen
natur nicht k
uͤ nne zugleich im Himel vnd in
seinem Abendmal auff Erden sein vnd vernichtet vns den gantzen Artickel
Incarnationis.
25 Denn das sie hernach, fol. 78, der
menschlichen natur in Christo etwas mehr gaben als andern Heiligen zuschreiben, erreichet gar nicht dasjenige, waß
Lutherus von diesem hohen Artickel wider die Sacramentschwermer gestritten hat, dauon in anderen
schrifften außf
uͤrlicher gehandelt wird.
26 Zum dritten, da der newe
Wittebergische
Catechismus kumpt auff den Artickel vom
Abendmal des Herrn, wissen sie wol, das
Lutherus den gantzen handel wider die Sacramentschwermer darauff
gesetzt hat:I. Das die wort
„
Hoc est corpus meum
“
, wie sie in jrem rechten
einfeltigen verstande lauten, sollen verstanden werden.II. Das
27 wir mit vnserem munde
im Abendmal des Herrn empfangen, daß das sey Christi warer Leib.III. Das Christus mit seinem waren Leibe und
||
[
B 3v:] Blute in seinem Abendmal auff erden warhafftig vnd
wesentlich gegenwertig sey.IIII. Das auch die Vnwirdigen den Leib Christi empfangen, aber zum gerichte, vnd das die gegenlehre, so wider diese punct streitet,
solle verworffen werden.
Hie solte ja trawen
28 im Catechismo angezeiget vnd erkleret werden, ob
Lutheri oder
Caluini meinung recht vnd dem Testament des Sons
Gottes gemes were. Aber es ist, wie
Lutherus, der alte Witteberger, sagt:
„
Etliche sindt doch
redliche Schwermer, die da rundt vnd klar herauß sagen, wie sie
es meinen. Etliche aber seind meuchler, die im sack verkauffen, den brey
im munde behalten vnd nur Mum Mum sagen.
“
29 Also von den Luterischen Altwittebergischen puncten, welche wie gemeldet zu
der Lehre von der Substantz des Abendmals des Herrn geh
ren,
weis vnd saget der newe
Wittebergische Catechismus gar nichts, sondern das
sol nu gar expungirt
30 sein, das die alte Augustana confessio
sagt
„
Improbant secus docentes
“
,
31
„
vnd wird die gegenlehre im Artickel vom Abendmal ver
||
[
B 4r:] worffen.
“
Denn
das sie sagen, fol. 123:
„
In qua sumptione Filius Dei uere et substantialiter adest
“
, das sagen auch die Caluinisten,
aber sie verstehen es allein nach der G
ttlichen natur,
wie auch der newe
Wittebergische Catechismus sich selbs also erkleret fol.
69:
„
quod sit actio diuinae naturae
“
. Also das sie setzen fol.
128:
„
Eos prophanare coenam domini, qui negant sumptionem huius panis
esse communicationem corporis Christi ac ponunt nuda signa
“
etc., das wirdt nur zum schein geredet. Denn die Caluinisten f
uͤren eben dieselbige wort, aber sie verstehens de spirituali communicatione, von der geistlichen gemeinschafft. Als wie einer,
der zu
Genff ist, kan gemeinschafft oder ein Jus
32 haben an einem acker, der
ferne von jhm gelegen ist etwan in
Saxonia, denn dis gleichnis braucht
Beza.
33 Nun nennet der newe
Wittebergische Catechismus die Communicationem oder
Gemeinschafft des Leibes Christi, erkleret aber nicht, sondern lests hangen, ob man die Gemeinschafft nach
Lutheri auslegung oder nach
Caluini meinung verstehen solle. Allein
weil er
Caluini fundamenta von der
menschlichen natur in Christo vnnd
||
[
B 4v:] von seiner Himmelfart
approbirt vnd defendirt, kan man leicht mercken, was die meinung sein
solle. Das diß alles auff den
Caluinischen schlag gehe, kan ein jeder sehen vnnd vorstehen, wem die controuersia sacramentaria ein wenig bekandt ist, wenn er die
angezogene loca
34 in dem newen
Wittebergischen Catechismo besihet vnnd beweget. So
stehet auch die falsatio
35 loci
Act. 3 vnd was drauff folget de ascensione
Christi nicht in jrem
Corpore doctrinae,
36 sondern in Apologia articulo 10 wird geleret
corporalis praesentia Christi in coena, item
„
quod uere et substantialiter in coena domini adsint corpus et sanguis
Christi
“
,
37
item benedictionem mysticam facere Christum communicatione carnis
suae corporaliter in nobis habitare.
38 Aber dieselbige wort
vnd meinung ex Apologia, weil sie nicht Caluinisch seind, haben in den
newen
Wittebergischen Catechismum nicht kommen m
uͤssen,
39 wie auch
Lutheri wort, wie er vom
Abendmal pflegt zu reden, aus dem newen
Wittebergischen Catechismo gentzlich außgemustert vnnd dagegen
Caluini
phrases
40 eingeschoben
sein.Es ist auch in demselbigen Catechismo noch anders mehr versteckt, als das
allein ein uerba-
||
[
C 1r:] lis
communicatio
41 sey, item daß das Ampt des Mittlers Christo allein nach der G
ttlichen natur
zugeschrieben wird, fol. 69, vnd das man die iustificationem oblique
42 setzen wil auff die zwey
st
uͤcke zugleich: reconciliationem et
renouationem etc. Habe aber dißmal f
uͤrnemlich das
St
uͤcke, so den Caluinismum belanget, darauff E. E. W.
bericht begeret, in dem newen
Wittebergischen Catechismo examiniren wollen. Vnd
weil dasselbige augenscheinlich klar ist, das der newe
Wittebergische
Catechismus Caluinisiret, werden E. E. W., die als
Christliche Oberkeit derentwegen jrer Kirchen halben billiche vorsorge
tragen, leicht zu schliessen
haben, was jhnen Ampts halben zu
thun geb
uͤren w
lle. Dann darumb hat der
Caluinische Geist seine gifft in forma catecheseos gefasset vnnd vnter dem
namen der Theologischen
facultet der hohen Schule zu
Witteberg außgesprenget, das die fundamenta der
Sacramentschwermerey in alle Schulen eingeschoben vnnd in die Jugendt
eingebildet sollen werden.
||
[
C 1v:] Der Sohne Gottes
steure
43 durch krafft seines
Geistes den meuchlischen, gifftigen, schedlichen, Caluinischen
practicken. Denn nu wirds heissen, da die Leute lagen vnd
schlieffen, kam der Feind vnd sehet
44
sein Vnkraut vnter den reinen Samen,
Matth. 13.45 Datum
Braunschweig
1. Aprilis Anno 1571.Doctor
Martinus Kemnitius,
Superintendens zu
Braunschweig.