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Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius
[Inhaltsverzeichnis]
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Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius


Lucius ' Schreiben v. 3. 9. (1621) hat F. v. Schilling (FG 21) am 3. 10. (1621) empfangen. Er übermittelt F. Ludwigs Bitte, mit der angefangenen Verdeutschung des „Organi Aristotelici” fortzufahren und schickt Lucius (in dem mitgesandten Paket) Martin || [162] Trosts Ausgabe des syrisch-lateinischen Neuen Testaments und F. Ludwigs Editionen und kommentierte Übersetzungen von G. B. Gellis I capricci del bottaio und La Circe. Der Fürst weise Lucius darauf hin, daß Wolfgang Ratke nicht der erste sei, der die Künste und Wissenschaften mittels Übersetzung lehre, sondern daß andere nach dem Zeugnis des 5. Gesprächs von Gellis I capricci del bottaio dies schon vor langer Zeit getan hätten. — Nachricht, daß Hz. Maximilian I. v. Bayern mit dem Mansfelder in Böhmen über eine Abfindung verhandle und alle Parteigänger dieses Heerführers außer den Pfalzgrafen und F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) mit dem Kaiser aussöhnen wolle. — Auch F. Gabriel Bethlen soll mit dem Kaiser Friedensverhandlungen führen. — Grüße von Ernst v. Freyberg (FG 75) und Dr. Johannes Justus .

Beschreibung der Quelle

QStB Schaffhausen: Msc. Scaph. 5: Ludwig Lucius Briefwechsel. Vol. I, Fasc. 1/19. 2 Bl., ungez., [A: 2v]; eigenh., 2 Sig.

Anschrift

ADem Ehrnuesten GroßAchbarn [!] vndt hochgelarthen herrn Ludovico Lucio , professori publico
bey der Universitet Basell etc. meinem insonders vielwerthen Freundt etc.
Basell.
Nebst einem Packet bücher.

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Meine willige dienst vnndt freindtlich gruß, nebenst wünschung alles glückhafften vndt erfreulichen zuestandes hinwiederumb gantz treülichen iederzeit bevorn.
Ehrnuester GroßAchtbarer vnndt hochgelarther insonders vielwerther freundt, deßelben vom 3 Septembris ahn mich gethanes schreiben, ist mir den 3 octobris gar wohl zukommen,1 daraus des herrn glückliches wohl ergehen mitt allen frewden vernommen; Vndt weil, wie vor diesem gemeldet, mein gnediger Furst vndt herr Furst Ludwig zue Anhalt etc. S. F. G. ihr das specimen des teutschen Organi Aristotelici sehr wohl belieben laßen, alß begehren hochgedachte S. F. G. neben gnediges grußes, darmit doch der herr nach seiner gelegenheit in verteutschung deßelben vnbeschwert fortfahren wolle,2 vndt thun hierbey demselben das Sÿrische Newe Testament3 , sambt dem Bottajoa 4 , Circe etc. Jtalianisch vndt Teutsch5 vberschicken, darneben auch dem herrn zuvormelden mir anbefohlen, wie nicht allein Ratichij6 vorgeben sey, das die præcepta artium et scientiarum auf solche weise vndt per interpretationem ex unâ linguâ in aliam sich solthen practiciren laßen, sondern wern solches schon für etzlich viel Jahren in acht genommen worden, wie auß dem fünfften gesprech des Buchs, Capricci del Bottajo genandt, zuersehen.7 Alhier hatt man das Jhre Dhlt. in Bayern 8 mitt herrn [1v] Graffen von Manßfelt in Böhmen tractiret, gibt ihme zu ersetzung seines beklagten Schadens eine summa geldes, vndt hatt seinen Soldaten, sonderlich welche Bayern oder Kays. Maÿtt. dienen wollen, 3 monat soldt zugesagt, vndt will den Graffen sambt alln den Jenigen hoch vndt niederstants Personen so bey ihme, außer Pfaltzgraffen9 vndt Fürst Christian zue Anhalt 10 etc. bey Kays. Maytt. außöhnen, vndt zue einem Reichsgraffen machen; entgegen soll er der Graff von Manßfelt alle schantzen reumen, sein volck abführen, vndt wieder Kays. Maÿtt. das hauß Österreich vndt Spanien, auch wieder Bayern vndt alle geistliche vndt weltliche Pundtgenoßen sein lebetag nicht dienen. Jn Vngern soll gleicher Gestalt Bethlehem Gabor11 mitt dem Kayser in friedens tractation || [163] stehen. Gott der Allmachtige schicke alles seiner lieben Christenheitt zum besten, in deßelben allergnedigste obacht thue ich den herrn hirmit gantz treulichen empfelen, vndt verbleib deßelben12

Stets williger,
Friedrich von Schilling mpp.

Geben Cöthen den 6 Octobris, 1621.

[2r] P. S.
Der von Freyberg 13 thut sich des zuentbotenen grußes gantz dienstlichen bedancken, vndt salutiret denselben hinwidervmb wie auch Doctor Johannes Justus 14 et alij. etc.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
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a Wohl ausBottagio

Kommentar
1 Verschollen. Zu Lucius s. 190220, 190324, 191231 u. ö.
2 S. 210421. F. Ludwig fordert Lucius zur Fortsetzung der begonnenen Aristoteles-Übersetzung auf.
3 Novum Domini nostri Jesu Christi Testamentum Syriacè. Cum versione Latina ... recensitum ... à Martino Trostio (Cothenis Anhaltinorum 1621). Vgl. Dieter Merzbacher: Ecclesia semper reformanda und Sprachreform. Martin Trosts Novum Testamentum Syricae, und die Bibelheuristik im Umkreis der Fruchtbringenden Gesellschaft zur Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt-Köthen. In: Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. Hg. Dieter Breuer u. a. 7. Jahrestreffen des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur 1991. Im Druck.
4 Giovan Batista Gelli: I capricci del bottaio [hg. v. F. Ludwig] ([Köthen] 1619); Anmutige Gespräch Capricci del Bottaio [übers, u. erl. v. F. Ludwig] (Cöthen 1619). Diese Übersetzung erscheint in DA II A: Ludwig I. Zu früheren und späteren Sendungen Köthener Drucke an Lucius vgl. 191231, 210412 u. bes. 240418.
5 La Circe di Giovan Batista Gelli [hg. v. F. Ludwig] ([Köthen] 1619); Anmütige Gespräch/ La Circe genandt. [übers. u. erl. v. F. Ludwig] (Cöthen 1620).
7 Anmutige Gespräch Capricci del Bottaio, a. a. O., Das Fünffte Gespräch, 80-103, bes. S. 96f. (Gespräch zwischen Iost und seiner Seele): „I. So heltestu nun dafür/ daß die Wissenschafften in vnsere Sprachen zu bringen/ ein gut ding sey/ he? S. Ja ich bekrefftige es/ daß man nichts nützlichers noch löblichers thun könne/ sintemal die Jrrthumb mehrentheils auß der Vnwissenheit herkommen/ darauff dann Fürsten vnd Herren acht geben solten/ weil sie gleichsam jhrer Völcker Väter seind: [...] Wollen sie es auch nicht in allen Sachen bald thun/ solten sie es auffs wenigste in den notwendigsten ins werck richten. I. Welches seind aber die notwendigsten? S. Die Gesetze/ beydes Göttliche vnd Menschliche. I. Was würde aber dieses den Leuten für einen Nutz bringen? S. Wie/ was für einen Nutz? Wie würden sie/ sonder zweiffel/ grössere Liebhaber vnd Beschützer/ der zu der Christlichen Religion gehörigen sachen seyn? als wenn sie solche von Jugend auff zu lesen anfiengen/ vnd darinnen allgemach/ wie die Hebreer oder Jüden thun/ sich vbeten/ welches aber nicht seyn kan/ wofern man sie nicht wol in die Muttersprache vbergesetzet hat.” Vorher hatte die Seele auch schon die Übersetzung eines Werks der Logik empfohlen: „[...] so lese man nur die Vorrede/ welche Boetius gethan/ in seiner Verdolmetschung des Buchs/ Prædicamenta Aristotelis genant/ da er sagt/ daß weil er ein Mann des Raths sey/ vnd zum Kriege nicht geschickt/ so wolle er sich befleissigen/ seine Bürger mit guter Lehr zu vnterweisen/ verhoffe auch nicht weniger zu verdienen/ oder denselben weniger zu nutzen/ in || [164] deme er jhnen die Kunst der griechischen Weißheit lehrete/ als eben die/ so dem Römischen Reich mit Gewalt eine Stadt oder gantze Landschafft vnterworffen hetten.” (S. 90). Vgl. Conermann: Akademie, 119ff.
8 Gf. (Peter) Ernst (II.) v. Mansfeld , der die Oberpfalz und Orte in Böhmen besetzt hielt, handelte im September und Oktober 1621 mit Hz. Maximilian I. v. Bayern einen (am 10. 10. 1621 n. St. endgültig formulierten) Akkord aus, der zwar nicht vollzogen wurde, ihm aber den Weg in die bedrohte Unterpfalz freimachte und dem Herzog die Gelegenheit verschaffte, die Oberpfalz zu besetzen. Durch seine Scheinverhandlungen gelang es Mansfeld auch, den niederländischen und britannischen Verbündeten seines Herrn, des Winterkönigs, die benötigte Unterstützung abzupressen. Der vorliegende Brief benennt die wichtigsten bekannten Punkte der Übereinkunft außer dem der an Mansfeld persönlich zu leistenden Zahlung. BA I.2, 360ff. u. 387 Anm. 1. Vgl. Opel I, 167ff. u. Friedrich v. Hurter: Geschichte Kaiser Ferdinands II. und seiner Eltern. IX (Schaffhausen 1858), 57ff. Dort fehlen im Brief erwähnte Details (Reichsgrafenwürde, Ausschluß F. Christians).
9 Kf. Friedrich V. v. der Pfalz , der Winterkönig v. Böhmen. „Pfaltzgraffen” ist hier nicht unbedingt als Plural aufzufassen, so daß Friedrichs Bruder Pgf. Ludwig Philipp v. Simmern (FG 97) nicht einbezogen werden muß.
11 Ks. Ferdinand II. nahm am 11. 10. 1621 n. St. in Nikolsburg nach manchen Verzögerungen Verhandlungen mit Gabriel Bethlen F. v. Siebenbürgen auf, um nach der vergeblichen Belagerung Neuhäusels und dem Einfall Bethlens in Mähren seine südliche Flanke zu entlasten und die für die Eroberung der Unterpfalz benötigten Kräfte zu sammeln. Die Verhandlungen führten am 6. 1. 1622 n. St. zum Abschluß eines Friedens. Gindely IV, 264ff.
12 Vgl. den Schlußsatz in 210421
14 Leibarzt. F. Ludwigs . S. 210729 u. 260211 K 12.
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