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Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius
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240418

Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius


Schilling (FG 21) bestätigt, Lucius ' Brief aus Basel vom 5. 3. am 17. 4. (1624) empfangen zu haben und schickt ihm die an einer früheren Büchersendung noch fehlenden Werke, Giovan Batista Gellis Il capricci del bottaio und F. Ludwigs kommentierte Übersetzung dieser Arbeit. — Am 15. 3. 1624 ist Pz. Ludwig d. J. v. Anhalt-Köthen (FG 6) gestorben, ein Zeichen für Gottes Zorn. — F. Ludwig ermahne Lucius , die Übertragung des aristotelischen Organon zu vollenden. — Der Krieg zwischen Gabriel Bethlen und dem Kaiser werde für gewiß gehalten, zumal die Ungarn schon in Mähren eingefallen seien. Von den Erdbeben und Gespenstern an der Bergstraße und in der Kurpfalz werde Lucius in Basel gehört haben. Wie Berichte aus Heidelberg und Wien übereinstimmend meldeten, sei in Heidelberg im großen Saal des kurfürstlichen Schlosses der Winterkönig im Ornat zusammen mit einem anderen, alten König erschienen. Der Statthalter, Heinrich v. Metternich , habe Friedrich I. von Böhmen vergeblich durch Beschwörung zu || [271] vertreiben gesucht und darauf zu dem Gespenst gesagt: „wan Gott dir die Ehre gönnet, so gönne ich dir sie auch” . Tags darauf habe Metternich den Zünften erklärt, daß sie sich nicht mehr um den Pfalzgraf kümmern sollten, da dieser nun im Fegefeuer sei.

Beschreibung der Quelle

QStB Schaffhausen: Msc. Scaph. 5: Ludwig Lucius Briefwechsel. Vol I, Fasc. 1/19. 2 Bl., ungez., [A: 2v] ; eigenh.; 2 Sig.

Adresse oder Anschrift

ADem Ehrenuesten GroßAchbarn [!] vndt hochgelahrthen Herrn Ludovico Lucio , Professorn zue Basell etc. meinem besonders geerthen Freündt,
Basell .
VIa

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Ehrnuester GroßAchbar [!] vnndt hochgelarther besonders geehrter Freundt, demselben nechst wunschung aller glucklichen wohlfahrdt auch zuentbietung meiner hinwiederumb willigen dienst vndt freundtliches grußes verhalte ich hirmit nicht dz mir sein Schreiben1 vnterm dato Basel den 5 Martij, gestriges tages wohl zukommen, darauß deßen zuständt vndt begheren mit mehrem vernommen. V̈bersende hierauff dem herrn den defect so wohl den Jtaliänischen vndt Teutschen Botajum,2 vndt berichte ihm darneben auß sehr betrübtem gemütt, wie dz Gott der Allmächtige nach seinem allein weisen Raht vndt gnedigen willen J.f.g. den Jungen Printzen3 alhier, den 15 Martij, auß diesem vergenglichen Leben in die vngezweifelte ewiege frewde vndt seeligkheit gnedig abgefordert, vndt daher die fürstliche Eltern in hoe vndt schwere betrübniß gesetzet worden. Ejusmodi sæculi ut Reipublicæ et Ecclesiæ bono germinant, ita non nisi illorum cum dispendio cadunt & amputanturb , suntque tales casus haud dubié signa flagrantis erga nos iræ divinæ satis manifesta. Die Versionem Organi Aristoteli4 belangende, begheren J.f.g. neben gnediges grußes, ahn ihn in gnaden, dz solche möchte verfertiget werden. Newes ist ahn itzo wenig zu avisiren verhanden, allein dz man den krieg zwischen dem Kayser vnd B. Gabor vor gewies [1v] hält, gestalt dan die hungarn bereit in Mehren eingefallen.5 Was die terræ motus vel Spectra in der Bergstraßen vnd Pfaltz betrifft, vermeine ich es werde dero örther bereit bekandt sein, insonderheit aber dz so zue heidelberg auf dem Schloß sich begeben6 in dem der Statthalter der von Metternich wegen grosen wintes seinem Secretario die fenster auf dem grosen Saal daselbsten zu machen zulaßen befohlen, vndt alß er abents zwischen 6 vnd 7 vhr hienauff kommen, hatt er den König Fridericum in Königlicher kleidung, ein Scepter in der rechten handt haltende, vndt neben ihm ein alten herrn auch Königlich angekleidet ahn der taffel sitzend gefunden, vnd in dem er hierüber erschrocken vndt andern Personen solches mit an zusehen geruffen, hatt der Statthalter solches gehört vnd gefragt was da were, welches wie es ihm erzehlet worden, hatt er sich also baldt mit etzlichen musquetirern dahin begeben, den König beschworen, vndt alß er nichts darmit außgericht, hatt er ein dieffen reverentz gegen ihm gethan vndt gesagt, wan Gott dir die Ehre gönnet, so gönne ich dir sie auch vndt also darvon gangen. des andern tages hatt er diec [2r] zünffte zusammen ruffen, vndt ihnen anzeigen laßen, sie dörfften sich nicht mehr vmb den Pfaltzgraffen bekümmern er were itzo im feg fewer. Dieses ist so wohl auß der Pfaltz alß || [272] von wien geschrieben worden. Jm v̈brigen thue ich den hern Gottes des Allmechtigen gnedigen obacht, gantz treülichen empfeln vndt verbleib deßelben ieder Zeit,

Stetswilliger,

Friedrich von Schilling mp.

Geben Cöthen den 18. Apprill. 1624.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Postalischer Vermerk oder Nummer des Dokuments.
a Verbessert.
b Als Kustode, fehlt jedoch auf der folgenden Seite.

Kommentar
1 Unbekannt.
2 Giovan Batista Gelli: I capricci del bottaio [hg. v. F. Ludwig] ([Köthen] 1619); Anmutige Gespräch Capricci del Bottaio [übers. u. erläutert v. F. Ludwig] (Cöthen 1619). Diese Übersetzung erscheint in DA II A: Ludwig I. Zu früheren Sendungen Köthener Drucke an Lucius vgl. 191231, 210421 u. 211006. Johann Le Clerq mußte Lucius im Auftrag F. Ludwigs schon im April 1621 (210421) Exemplare aller bis dahin auf der fürstlichen Presse gedruckten Bücher senden. Die Ausgaben und kommentierten Übersetzungen zweier Werke Gellis , darunter die im vorliegenden Schreiben bezeichneten Arbeiten, schickte Schilling am 6. 10. 1621 an Lucius . Ging diese Sendung nicht verloren, dürfte Schilling also inzwischen zusätzliche Exemplare dieser Gelli-Schriften oder anderer Bücher (zur Verteilung?) gesandt haben. Die beiden mit 240418 geschickten Bücher ergänzen somit wahrscheinlich eine Sendung aus dem Jahre 1623 oder 1624.
3 Pz. Ludwig d. J. v. Anhalt-Köthen (FG 6), damals der einzige Sohn F. Ludwigs . Vgl. 210729 u. 250110 I.
4 Lucius' Übersetzung des Organon. S. 200826, 210421 u. 211006, vgl. 191231.
5 Nach dem Einfall in Mähren und der vergeblichen Belagerung Gödings (Okt./ Nov. 1623) mußte sich Gabriel Bethlen , F. v. Siebenbürgen, nach Kaschau zurückziehen und einen Waffenstillstand schließen. Tatsächlich fand Bethlen keine Unterstützung für die Wiederaufnahme des Krieges und machte in Wien am 8. 5. 1624 Frieden mit dem Kaiser. Am 8. 1. 1624 hatte Bethlen seinen Gesandten an die Generalstaaten geschickt, war dort jedoch auf taube Ohren gestoßen. Friedrich v. Hurter: Geschichte Ferdinands II. und seiner Eltern. 11. Bde. Schaffhausen 1850-1864, Bd. 9, 235-248.Khevenhüller X., 599-604; Klopp: Dreißigjähr. Krieg II, 347-350, 404; Ritter: Deutsche Geschichte, 252. Noch am 25. 3. 1624 schreibt Kd. Franz Herr v. Dietrichstein aus Nikolsburg , man wisse „nichts über laufende Verhandlungen mit Gabriel Bethlen , nichts darüber, ob Friede geschlossen oder der Krieg aufs neue begonnen wird, vorläufig sei dieses ganz elende ,Gubernium' Mähren immer noch den Ausschreitungen der Soldateska ausgesetzt.” (Documenta Bohemica III, Regest nach S. 208). Am 3. 4. 1624 wird dann aus Wien gemeldet, Bethlens Kommissare hätten am Kaiserhof „mehr Hoffnung auf Frieden als Furcht vor einem neuen Krieg hinterlassen” (S. 209). Khevenhüller X, 598 berichtet, daß Bethlens Gesandte in den Generalstaaten auf die mögliche Restitution des Königreiches Böhmen verwiesen. Bis zum Beginn der Friedensverhandlungen „hat Bethlehem Gabor mit allerhand Nationenen [!] sein Krieg-Volck gestärcket; und sind ihm auch in 8.000 Teiutsche, so zum Theil in Schlesien abgedanckt worden, zugezogen.”
6 Heinrich v. Metternich , kaiserlicher und bayerischer Statthalter in Heidelberg . Zedler XX, 1397; BA II.1, Nrr. 10. 22. 35. 78. 170. 196 u. II.2, 200.
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