Text

250706
Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Burggraf und Herr Christoph zu Dohna
[Inhaltsverzeichnis]
|| [458]

250706

Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Burggraf und Herr Christoph zu Dohna


F. Christian II. v. Anhalt-Berburg (FG 51) beantwortet mehrere Schreiben des Burggf. und Herrn Christoph zu Dohna (FG 20). — Die von Dohna mitgeschickten Verse eines Verächters der Dichtkunst haben in der FG Anstoß erregt. F. Christian bittet Dohna , dem gescheiterten Satiriker die beigelegte poetische Replik zu übermitteln. Da Martin Opitz (FG 200), der 'Meister der deutschen Dichtung', gerade eingetroffen war, hat er die verbesserungswürdigen Verse korrigiert, die anderen jedoch verworfen. Dohna möge das wohl aufnehmen.

Beschreibung der Quelle

QEhemaliges Fürstl. Dohna' sches Majoratsarchiv, Schlobitten: 3/75 10; verschollen.
Text zit. nach Borkowski (1901), 573.

Adresse oder Anschrift

AFehlt.

Text


Bernburg 6 Juli 1625.
Monsieur.

J'ay a respondre a vos diverses lettres, et d'autant, que vous m'envoyastes une fois, des vers composèz par un contempteur de la poesie, qui nous ont fort scandalizè en la compagnie fructifiante, je vous envoye la responce la dessus, afin de la communiquer au dit faiseur de la Satyrique faillie, in materiâ et in formâ. Et iustement s'est rencontrè Mrr. Opicius,1 maistre de la poesie Allemande, qui a corrigè les uns dignes de correction, et rembarrè les autres indignes de correction et inutiles, respondant bravement et succinctement. Vous le prendrèz en meilleure part.2 Et je suis, Monsieur,

Le vostre a vous servir
Christian , Prince d'Anhalt.

Desa Waffen colera, des antwort rachgierkeit
Der sich lobt, andre spott, der muß sein voller neidt,
Zornig sein, thut nicht gut, rachgier nimbt ein böß endt,
Spott Frommen nicht gebhurt, all drey von dir abwendt.3


Dieb letzte sylb im Wort colera ist sonst zwar kurtz, aber nach art des Worts Genua4 , da man die letzte sylb lang gesetzt, soll es nunmehr lang sein.
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250706I

Gedicht der Fruchtbringenden Gesellschaft an einen Verächter der Poesie

Beschreibung der Quelle


Q Ehemaliges Fürstl. Dohna' sches Majoratsarchiv, Schlobitten; verschollen. Text nach Borkowski (1901), 574 (zweispaltig gedruckt).

Text

Antwort auf den Verächter der Poeterey.
Nach andeutung vnd verbesserten maß seiner Vnuernehmlichen Reimen.

Jn grossem leidt
Zu trost der leut
Ist woll erleubett
Daß vers man schreibett.
(5)Manch hertze leicht
Dadurch erreicht
Daß es in trauren
Baß mög außdauren,a
Man kan zugleich
(10)Von lieb sein Reich
Und Klag1 darnebena
Wan in seim leben
Es mancher nicht
Dahin gericht
(15)Soll er nicht schelten
Nochs lan entgelten
Poeten drüm
Jn seinem grima
Wan einen lachen
(20)Sie etwan machen,
Geschichts zur Zeitt
Wan man hat freud,
Sonst ihre threnen
Sie gar woll können
(25)Mit deen raußlan
Die trübnuß hana
Ein auch zu trösten
Sie sich getrösten
Durch Gottes Wort
(30)Den höchsten Horta
Wan nun ihr Reime
Man helt mit leime
Beschmitzt,2 allein
|| [460] Drumb Närrisch sein
(35)Und nützen wenig
So mag der König3
Der Gott zu ehr
Gesungen her,
Auch auff der Seiten
(40)Zu manchen Zeitten,
Gespielet auff
Antworten drauff
Sampt viel poeten
Die selbst in Nöten
(45)Drauß sie erret
Offt ihr gebet,
Und Danckgesänge
Han nach der länge
Gemeinlich fast
(50)Jn maß verfast,a
Diß mag genügena
Wems nit wil fügen,
Dem zum beschluß
Jch sagen muß,
(55)Daß zwar4 Poeten
Schwer gantz zu retten
Von thorheit sein
Die in gemeina
Weil lieben Herren
(60)Von euch doch ferrn
Jst wie ich mein
Poet zu sein
So werd ihr müssen
Mit mir itz schlissen
(65)Daß ider Jeck
Nicht lang zum Zweck5
Und alle Narren
Was zu beharren6
Jch woll vermein
(70)Nicht drumb stracks7 sein
Und reiner treten8
Wie die Poetena
Wolt ihr dan nit
Ein Narr sein mit,
(75)So thutt mir gleuben
Jhr müsset bleiben,
Derselb allein
Dan eben sein
|| [461] Die erst, die rechten9
(80)Dies widerfechten.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Nach Borkowski (S. 573 Anm. 4) die folgenden vier Zeilen von Dohnas Hand auf der Rückseite des Briefs.
b Bis sein gestrichen.

T I
a Lesehilfe: Satzschluß.

Kommentar
1 Zu Martin Opitz ' (FG 200) Besuch in Anhalt zwischen dem 23. 6. und 6. 7. 1625 s. 250700 K 1. Wie Christians (FG 51) Schreiben 291013 (s. Chroust, 7f.) bezeugt, lernte der Prinz Opitz erst 1629 in Breslau persönlich kennen. Am 22. 9. 1629 vermerkte Christian in seinem Tagebuch: „Den weittberühmbten besten Poeten, Deütschen Landes, Martinum Opitium , habe ich gesehen, vndt gesprochen.” (Christian: Tageb. VII, Bl. 205r; vgl. Chroust, 8: Brief Christians v. 5. 10. 1629).
2 Die in der Beilage I zitierte, von Opitz verbesserte Antwort der FG scheint das Versmaß des überschickten Gedichts und viele seiner Formulierungen beizubehalten, den Sinn aber in das Gegenteil zu verkehren. Fehlt in Opitz II.2. Die Vorlage ist unbekannt; eine Abschrift befand sich zu Borkowskis Zeit vielleicht auch nicht im Fürstl. Dohna' schen Majoratsarchiv.
3 Die Verse, welche auf der Rückseite des Schreibens (s. T a) notiert sind, mögen Dohnas Reaktion auf die Reime des Verächters darstellen.
4 Dazu Borkowski (1901), 573f. Anm. 4: „Christoph richtet sich nach einer Ubersetzung der lateinischen Distichen, in Julium überschrieben: Des Vatter Genua, des Mutter Griechenland:
Den selbst das Meer erzeugt, der muß sein voller schandt.
Ligurier trigen stets, die Griechen Lugner sindt
Dem Meer vertraut kein mensch: Bey dir all drey man findt.
” Papst Julius II. wurde 1443 in Albizzola bei Savona als Sohn der Griechin Theodora Manerola und des Kaufmanns Raffaele della Rovere geboren, welcher nicht dem bekannten Adelsgeschlecht dieses Namens angehörte. Vgl. in Borkowski (1898), 675 die folgenden Verse:
Ad Julium 2. Ligurem.

Genua cui patrem, genitricem Graecia, partum,
Pontus et unda tetit: num bonus esse potes?
Fallaces Ligures: Et mendax Graecia: Ponto
Nulla fides: Inte [In te] singula solus habes.

Zum Babst Jul. 2.
Genua ist dein Vatterlandt
Ein griechsche Mutter vnbekandt
Dich hatt beym Meer gebhoren.
Insgemein, die Genueser sindt,
Voll List: Undt bei eim griechschen Kindt,
Trew vndt glaub ist verlohren.
Die Meereswogen vnstet sein,
Bei dir trifts allzusammen ein.
” Diese lateinischen und deutschen Verse schreibt Borkowski Dohna zu. Die vorhergehenden Alexandriner mögen demnach eine Verbesserung der deutschen Verse Dohnas darstellen, welche im Kreise der anhaltischen Dichter (F. Ludwig , Pz. Christian , Tobias Hübner FG 25, Diederich v. dem Werder FG 31) entstanden war.

K I
1 || [462] Lies: Und [man] klag' [doch] ...
2 Mit Narrheit besudelt. S. 210401, bes. Abschnitt 4. Zum Gedicht vgl. auch sonst den Briefwechsel der FG mit dem Leimenden (200125, 210401 u. 230430).
3 David.
4 In der Tat. Goetze, 240.
5 Nicht ... Zweck: Das Ziel schnell (erreiche), d. h. zum Narren (werde).
6 Behaupten, in der Meinung fortfahren. DW I, 1329.
7 Geradewegs. Goetze, 210.
8 Sauberer daherkommen.
9 Ergänze: Narren.
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