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370422 Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Landgraf Hermann IV. von Hessen-Rotenburg
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370422

Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Landgraf Hermann IV. von Hessen-Rotenburg


Antwort auf 370421. — Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65) dankt seinem Stiefbruder Lgf. Hermann IV. v. Hessen-Rotenburg (FG 374. 1642) für die brieflichen Nachrichten vom Vortage, die ein Lakai überbrachte, und bittet ihn, seine Mitteilungen fortzusetzen. Es zeuge von brüderlicher Zuneigung, daß Hermann ihn auch von einer Lufterscheinung mit den Strahlenkränzen dreier Sonnen unterrichtet habe. Wilhelm habe das Phänomen einen Tag vor seinem Abzug zwar nicht bemerkt, doch habe der gerade anwesende Oberst Johann (v.) Geyso berichtet, daß sich eine solche Himmelserscheinung auch schon bei der Schlacht vor Lutter am Barenberge (1626) gezeigt habe. Der Regenbogen habe damals hinter Tillys Armee gestanden und sich mit seinen Enden gegen die Dänen gekehrt. Obwohl er nicht viel auf Wunderglauben gebe und sich auf Gott verlasse, möchte Wilhelm von seinem Bruder mehr über die Ausrichtung (und Bedeutung) des Himmelsphänomens erfahren. — Um die Forstsache habe sich Wilhelm wegen seines Aufbruchs nicht mehr persönlich kümmern können. Er habe aber den Jägermeister mit Hermanns Brief zum Vizestatthalter (Johann Bernhard) v. Dalwigk geschickt, damit die Angelegenheit dort und mit den übrigen in Kassel zurückgelassenen Räten behandelt werden könne. Hermann möge sich daher in dieser Sache ggf. an Dalwigk wenden.

Beschreibung der Quelle


Q STA Marburg: 4a 46 Nr. 19, Bl. 43rv [A: 43v]; eigenh. Konzept.

Anschrift


A Ahn h. Landgraff Hermans fg eigenhendena
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Hochgebohrner Fürst, freundtlicher lieber Bruder vnd Gevatter,
ELd. ahn vnß vnterm gestrigen dato abgangenes handtBriefflein haben wihr durcha dero abgefertigten Laquayen zue recht vberlieffert empfangen vnd den Jnhallt mit mehrerm daroba vernommen,1 Nuhn bedancken wihr vnß zuevorderst der communicirten Zeittungen vndb anders halben mit fr.bruederlicher bitt, Mitt der correspondenz alßo hinfurther zu continuiren vnd vnß, Waß Sie ferner von einem oder andern vernehmen, gehorig advertissement ohnbeschwerthc Jederzeit zuethun, wihr verspühren auch Eld. wohlmeinende affection in deme,d daß Sie vnß des verwichenen thages vor vnßerm Abzugk ine der lufft erschienenen medeors2 dorta vnd dreyer Sonnenf Hallon3 ,d davon vnß gleichwohl noch zur zeit nichts vorkommen oderg wißent geweßen, communication oder part4 geben wollen, Es hatt vnß aber der Obrister Johann Geiße5 , So eben alß wihr das Schreiben zue vnßern henden bekommen, darbey geweßenh , referiret, daß dergleichen Zeichen sich alß die Schlacht vor Luther6 zwischeni dem Konig von Dennenmarck vnd dem General Tilly vorgangen, in der lufftj habe sehen laßen, seye aber hinter der Tillyschen Armée gestanden vndt habe der Regenbogen mit Seinen spitzenk hörnern oder endenk sich nach der dennemerckischen Armée zuegekehret, Dahera wihr den wohl vnßers orthsl [,] wiewohlm wihr eben vff sollche dinge nicht gebenn , Sondern viellmehr Gott dem Allerhöchsten, in deßen Allmacht vndt vorsehung Alles bestehet, es soll[i]chen befehlen, gern eigentlich wißen möchten, Wie dieses Jezige meteors sich erzeigeto 7 , ob es sichk von oder zuep vnßq gewendet oder wie eß sonsten gestanden, Davon vnß den ELd. gleichfallsr [,] wansa Jhrn nicht zue wieder[,] zu berichten beliebens laßen wollen vnd würde Sie vnß darahn zuegefallend thun, welliches wihr vmb Sie in anderm zuerwiedern erbotig sein.
   Was sonsten ELd. postscriptumt wegen des holtzes vnd willdpreths ahnlangetk ist vnß derselben Jüngstes Schreiben kurz vor vnßerm Abzugk, Alß wihr eben zue pferde sitzen wollen, [43v] behändiget worden daheru wihr es so balld nicht beandtworten können, vnd weill vnser Jägermeister eben auch damahls bey vnß geweßen, haben wihr denselben zu vnserem ViceStadthaltter dem von Dallwig8 damitt geschickt, daß Er eß mit vnsern vbrigen hinderlaßenen Rhäten reden solte, damit dießfalls die gebühr vnd gehorige verordnung beschehen möchte, Ahn den sich denn ELd. deswegen werden zu addreßiren wißen, Vndt wihr habens Jhro zur fr. wiederandtwortt nicht verhallten wollen, denv wihr etc.Datum in vnßerm Jezigen Hauptquartier Witzenhaußen, den 22ten Aprilis Ao. 1637.

I
Gedanken Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel über die Sprache seiner Puget-Übersetzung und deren Vorlage

Beschreibung der Quelle


Q [Jean Puget de La Serre]: L’entretien des bons esprits sur les vanités du monde1 (erstmals ohne Ortsangabe 1629; zahlreiche weitere Ausgaben), dt. v. Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65):
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[Holzschnittrahmen] Anmütige vnterhaltung | Vnd | Zeitvertreib Edeler | Gemühter/ | Vber | Der Eytelkeit | der Welt. | Auß liebe der Tugend (als welche | der Eytelkeit entgegen gesetzt ist) auß | dem Frantzösischen/ allen tugendlieben- | den Teutschen zum besten vnd nutzen/ | in jhre Muttersprache ver- | setzet. | [Zierstück] | Cassel/ getruckt durch Blasium | Groß/ im Jahr 1635.
HAB: 202.52 Quod.(2)2 ; ein weiteres Ex. des sehr seltenen Buchs in BL London: 528.f.4. Vgl. Conermann III, 71; Paisey/ London, A 712 (ohne Angabe des Verfassers).
Der folgende Auszug aus „Deß Vbersetzers Bericht ...“ (Bl. [Handschrift: [a iv]v] – b ij r).
Eine zweite, von Theophilus Neuberger herausgegebene Ausgabe erschien 1641 in Kassel. S. Beil. III Q. „Deß Vbersetzers Bericht/ an den vielgünstigen Leser/ Wie er diß Buch mit nutze lesen soll“ hier Bl. [A viij]r – [A xij]r. Zit. mit der Sigle N. (Bis auf eine Ausnahme lautlich und textlich geringfügige orthographische Abweichungen).3

Deß Vbersetzers Bericht/ an den vielgünstigen Leser/ Wie er diß
Buch mit nutze lesen soll.


[...] Dann erstlich/ so wisse/ vielgünstiger Leser/ daß es nicht mein gedichte/ sondern auß dem Frantzösischen [Bl. [Handschrift: b r] ] ins Teutsche versetzt ist. Da dann nicht müglich/ daß es allemal so lauten vnd klappen könne/ wie in der sprache/ darinnen es anfangs gesetzt ist: zu deme/ so wissen die/ welche der Frantzösischen Sprache kundig seynd/ daß ein solcher vnterscheyd zwischen den arten zu reden/ in beyden Sprachen ist/ daß vnmüglich fellt/ es recht wohllautend zu geben/ es seye dann/ daß man weit vmbschweiffen/ vnnd nur den Verstand darvon außkernen wolle.
   Nachdem ich aber nicht allein sehr schöne worte/ die da wohllauten/ sondern fast nöhtig/ vnd durchdringend seynd/ darinnen befunden/ ja fast kein wort überflüssiga oder vmb sonst zu seyn erachtet: als habe ich gut gefunden/ die worte deß Vhrhebers4 selbst zubehalten/ vnd jhme nichts abzustricken/ wie ich es dann auch nicht für mein Gedicht außgebe/ sondern nur manchem redtlichen Teutschen gemühte/ daß Tugend liebet/ zum besten (die verstehe/ welche der Frantzösischen Sprache eben nicht so mächtig seynd) verteutschet. Dann räume die Eytelkeit auß deinem hertzen/ so bleibet Tugend/ oder doch die schöne herberge bereitet/ darinn sie sicher einkehren kan.
   Es ist aber auch zu mercken/ daß der Vhrheber ein fürtreflicher Redner gewesen/ der sich einer hohen schweren art zu reden vnd zu schreiben befliessen/ welches zwar in seiner muttersprache sehr herrlich vnd anmühtig lautet/ desto schwerer aber zuverteutschen gestanden. Wird also der vielgünstige Leser sehr wohl/ vnd jhme am besten thun/ wann er nicht so sehr auff die worte vnd art zu re[Bl. [Handschrift: b v]]den/ oder auff die fehler/ so von mir mögen begangen seyn/ achtung gibet/ als auff die sache selbst vnnd deren bedeutung. Zwarn kann ich wol leyden daß ich gestrafft werde/ wo ich gejrret habe/ dann sonst wolte ich dieses werck nit vnternommen haben/ weil mir der welt brauch allwohl bewust ist/ daß sie nichts vngetadelt kan vorbey streichen lassen/ ja das jenige/ so am besten gemeynet/ pflegt gemeiniglich am ersten vnnd härtesten widerzulauffen. Nechst deme aber ist mein dienstliche Bitte/ es wolle der vielgünstige Leser sich
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belieben lassen/ eine prob seines lebens nach allen viertzehen Capiteln dieses büchleins anzustellen: vnd sich selbst zuerforschen/ ob er auch etwa zu viel der Eytelkeit bißhero ergeben gewesen/ Vnd da es sich finden solte/ alßdan auch auß diesem büchlein zu mercken/ vnd zu lernen/ wie er sich darvon abziehen/ vnd ins künfftige besser darvor hüten könne. [...]

II
Landgraf Wilhelms Vorrede zu seiner Übersetzung von Jacques Du Boscs L’honnête femme

Beschreibung der Quelle


Q [Jacques Du Bosc]: L’honnête femme (der erste Teil erstmals Paris 16321 ; zweiter u. dritter Teil zuerst 1634 resp. 1636 in Paris), erster Teil übers. v. Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (ps. Pantagruel) (FG 65):
Die | Tugendsame | Fraw/ | Das ist: | Außführlicher Weg- | weiser/ wie sich eine Tu- | gendsame Fraw verhal- | ten solle: | Daß sie neben denen Tugenden/ | mit welchen sie begabet ist GOTT | zu dienen/ | Zugleich auch bey den Menschen | angenehm vnd nützlich seyn | möge. | [Zierstück] | Cassel/ | Getruckt bey Blasii Grossens Wittib/ | Jn Verlegung Johann Schützens/ | [Linie] | Jm Jahr 1636. Bl. a ij r – [a iiij] v.
BL London: 527.g.7. Soweit feststellbar, Unikum. Es war uns leider nicht möglich, eine Sekundärform dieses Buchs zu erhalten. Wir danken Sabine Koloch (Marburg) für ihre Kopie. Vgl. Paisey/ London, D 803; ferner Conermann III, 71.

Vorrede

ES pfleget gemeiniglich zu geschehen/ daß das jenige so am nöhtigsten/ am wenigsten in obacht genommen/ ja wohl gar vnterlassen wird/ da doch sonsten dadurch viel Vngelegenheiten verhütet/ gutes gestifftet/ vnd eines vnd anders in ordentlichem wesen verrichtet vnd erhalten werden könte.
   Vnter diesen vnd andern mängeln/ halte ich/ sey der nicht vor den geringsten zu achten/ daß vornehmen vnnd sonderlich Rittersleuten/ alß durch welche man die höchste vnnd wichtigste sachen zu bestellen vnd zu verhandelen pfleget/ gar selten/ ja fast jmmer von jhres gleichen gesagt vnd angezeigt wird/ was jhnen wol oder vbel anstehet/ vnnd das auß denen vrsachen/ dann entweder ist derjenige/ welcher billich solcher gestalt einem andern etwas vntersagen solte/ wo nicht aller doch etlicher solcher gebrechen selbst theilhafftig/ vnnd kan also eines theils seinem bruder den splitter nicht außziehen/ mitlerweile er mit dem balcken in seinem auge beschweret ist2 / anders theils befindet er etwa bey sich nicht/ daß bey solchen dingen einiger vbelstand vorgehe/ wegen der [Bl. a ij v] grossena liebe die er darzu trägt/ vnnd die jhn verblendet/ daß er die vnwürde vnd den schandflecken nicht erkennen kan: Hierzu kompt auch/ daß einer etwan zu forchtsam ist/ vnnd sich befahret3 / es möchte es der ander von jhme nicht eben so wohl wie es gemeynet/ auffnehmen/ oder aber gedencket er habe genugsam mit sich selbst zu thun/ was jhn eines andern mängel angehen: auß diesen vnd dergleichen vrsachen geschicht/ daß manche nöhtige warnung
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vnd erinnerungen/ die sonsten grossen nutzen bringen/ vnd viel vngelegenheit manchmahl verhüten können/ zurückbleiben. Dann ob schon die Eltern/ Lehrer vnd Prediger/ auch andere vorgesetzte/ Hoff- vnd Schulmeister hierinnen viel thun vermögen/ so gibts doch/ leyder/ die erfahrung/ daß die Eltern manchmal allzugelinde seynd/ vnnd die liebe kinder/ die jhnen gleichsam ins hertz gepflantzet/ nicht erzürnen wollen/ sonderlich wann sie erwachsen seynd/ von welcher gattung wir allhier reden vnd handelen: Vielmahls fürchten sie sich auch vor jhnen/ oder aber/ welches sehr schrecklich ist/ aber offt zu geschehen pfleget/ reitzen vnd führen sie die jhrige selbst vbel an. Lehrer vnd Prediger/ ob gleich solche jhr ampt trewlich verrichten/ so haben sie doch nicht allemahl gehöre/ vnd wird jhrer lehr vnd vermahnung bey vielen vnd den meisten nicht nachgelebet/ ja sie kommen selten oder wol gar nicht an den ort/ da sie solchermassen etwas hören vnd lernen könten/ vnd wenden zu ihrer vermeynten entschuldigung vor/ daß diese leute zwar viel dinge verbötten vnd vorbrächten/ deme sie doch [Bl. a iij r] selbsta in jhrem thun vnnd leben nicht nachkämen/ welches nicht gut/ aber offt auch wahr ist: auß diesen ist leichtlich zu schliessen/ was Hoff- vnd Schulmeistern dißfalls vor folge werde geleistet werden/ dann diese zuchtmeistere seynd nicht allemahl/ sonderlich bey erwachsenen zur stätte/ oder in jhrer gesellschafft. Dannen hero da̅ erscheinet/ wie nöhtig es seye/ daß solche trewhertzige warnungen vnd wortzüchtigungen von denen beschehen/ die da beyds stands vnnd wesens mit andern gleich/ vnd stettig vmb vns seyn/ alß in deren gegenwart die meisten ärgernüß vnnd vngeräumbte dinge vorgehen. Dieses aber wie hoch nothwendig es ist/ also ist es auch/ wie gesagt/ eine seltzame vnd schwartzen schwanen oder weissen raben gleichende sache/ die sich nicht leicht zuträget/ vnter dessen aber nichts desto weniger deren nothwendigkeit wie den andern bleibet.
   Derohalben ich dan̄ verursacht worden/ auff ein ander mittel zu gedencken/ wie den Rittersleuten wegen jhrer mängel vnnd gebrechen zu jhrer besserung nichts verschwiegen/ sondern die meynung solcher gestalt fein teutsch vnd rund möchte gesagt werden/ daß sie dieselbige nicht allein besser alß alle andere warnungen auffnehmen/ sondern auch daher anlaß nehmen können/ voreins theils dingen sich zu hüten/ anders theils davon abzustehen.
   Der löbliche König auß Macedonia Philips/ deß grossen Alexanders Herrn Vatter/ ließ alle morgen einen Edelknaben vor sein bette tretten/ vnd jhmeb diese worte zuschreyen; O König/ gedencke [Bl. a iij v] daßa du ein mensch bist. Das war wol etwas/ vnd zu einem herrlichen zweck angesehen/ aber nicht genug[/]c dieweil es nur ins gemein geredt/ vnd nicht auff etwas gewisses vnd sonderbares gerichtet war/ es geschahe deß tages nur einmahl/ darzu deß morgen[s] frühe/ ja im bette/ daher er vielleicht noch halb schlaf[f]truncken/ vnnd also die worte nicht recht hören od[er] behertzigen kondte/ so würde es auch von einem kn[a]ben der kein ansehen hatte/ darzu auff befehl gerede[t]/ es geschach auß einer gepflogenen gewohnheit/ die d[an] endlich zur verachtung außzuschlagen pflegt/ wan[n] sie gemein wird/ Jn summad / es war nicht gnug.
Es soll aber allhier die sage eben nicht seyn/ vo[n] groben vnd grossen sünden/ oder solchen thaten/ d[ie] da auß der Bibel oder Rechtsbüchern müssen
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erkl[e]ret vnd erörtert werden/ sondern von gemeinen/ v[nd] vornemlich den Rittersleuten vbel anstehenden [sa]chen/ welche entweder der zeit darinn sie leben/ o[der] jhrem stande/ gestalt vnd wesen nicht wohl ansteh[en] vnd geziemen/ alß welche jhre geberden/ behuts[am]keit im reden/ gedult im anhören/ willfährigkeit [im] schweigen/ vnd im gebrauch der gedancken die m[an] zu treffen/ angehen. Alldieweil das genugsam [be]kandt/ daß anderer mängel vnd gebrechen/ so da [er]zehlter massen beschaffen/ zu tadeln vnnd herauß [zu] streichen/ das löbliche Frawenzimmer vor ander[n] sehr geneigt ist/ so finde ich demnach kein besser m[it]tel/ alß daß man denselbigen dieses ampt auffer[lege] vnd vberlasse/ darzu es dann zuversichtlich gar w[il]lig sich wird gebrauchen lassen/ vnnd solches vmb [so] [a iiij r] vielmehra darumb/ dieweil es an guter folge vnd würckung nicht wird zu zweiffeln haben/ da̅ ihme halten die Rittersleute trefflich viel/ ja mehr alß allen anderen zu gut/ jhme zu gefallen endern sie wohl vnd verhängen/ was sonsten fest geschlossen/ vnd nicht leicht zu erhalten gewesen were/ derenthalben machen sie sich offt viel vngemach vnd bemühung/ da sie sonsten in guter muß vnd ruhe hetten seyn vnnd leben können/ ja sie thun in denen dingen/ die da sonst leicht zu verrichten gestanden/ ihrenthalben auß widersetzlichkeit vnnd andern zum trotz gar das gegen[s]piel.
  Auff daß aber das löbliche frawenzimmer desto leichter dieses ampt anzutretten bewogen/ vnd desto eifferiger darinnen befunden werden möge/ so habe ich nichts bessers zu seyn erachtet/ alß diß Buch/ welches von all jhrem thun ziemlich deutlich/ doch mit aller ehrerbietung vnd bescheidenheit handelt/ demselben ins gesampt zuzuschreiben/ der gäntzlichen hoffnung vnd zuversicht/ es werde/ seinem löblichem [sic] gebrauch nach/ vnd wie es von natur zur rache geneigt ist/ sich sehr bald zu rechnen4 / vnd den Rittersleuten ihr wesen vnd handel hinwiederumb vorzulegen vnd zu beschreiben nicht vnterlassen/ dabey aber/ weil sie vielleicht/ alß ohne das empfindlich/ etwas mögen gerühret seyn/ desto weniger höflichkeit vnd stillschweigen gebrauchen/ nichts verbeissen/ sondern die klare/ reine/ nackende warheit herauß zu sagen: Vnnd ob auch gleich einiger eyffer vorgehen/ vnd dasselbe vbertragen möchte/ so weit/ daß es et[Bl. a iiij v]wasa stärcker alß sonsten herauß gehen dörffte/ wir[d] doch solches die schwachheit jhres geschlechts/ vnn[d] höflichkeit der jenigen/ denen es zu ehren vnd beste[n] vielmehr/ alß schimpff angesehen/ entschüldigen[/] vnd die arbeit nicht weniger fruchtbar vnd dienli[ch] machen/ den gewünschten zweck zu erlangen/ alß ic[h] begierig bin dasselbe zu sehen vnd zu erleben/ ja au[ch] zu beweisen/ wie geflissen ich sey dessen gutes lehren[/] straffen vnd vermahnungen zu folgen/ alß der i[ch] ohne das/

  Deß löblichen Frawenzimme[rs]
  gehorsamer Diener sterbe/
  Pantagrue[l]
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III
Theophilus Neuberger über die Frömmigkeit, Sprachkenntnis und
übersetzerische Tätigkeit des Landgrafen

Beschreibung der Quelle


Q [Jean Puget de La Serre]: L’entretien des bons esprits sur les vanités du monde (erstmals o. O. 1629), dt. v. Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65): [Holzschnittrahmen] Anmuthige/ vnd sehr nutzliche | Betrachtung | DEr Eytelkeit der | WELT: | Auß Liebe der Tugendt (als | welche der Eytelkeit zu wider ist) | auß dem Frantzösischen/ allen Tu- | gendliebenden Teutschen zum be- | sten in jhre Muttersprach versetzet. | Durch Weyland den dapfern/ | recht Teutschen vnd Standhafftigen | Fürsten vnd Herrn/ | Herrn Wilhelmen den Fünff- | ten/ Landgraven zu Hessen/ Graven | zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd | Nidda/ hochlöblichen seeligen | andenckens. | Jetzo aber/ wegen vielfaltigen nach- | fragens vffs newe in diesem bequemen | Format an tag gegeben. | [Zierstück] | Getruckt/ zu Cassel bey Jacob | Gentsch/ Jn Verlegung Jo- | han Schützens/ 1641. — HAB: 145.10 Pol. (2).1
Aus der Vorrede des Kasseler Superintendenten Theophilus Neuberger d. d. Kassel 23. 6. 1640 (Bl. B iij r – [B vij]v):

Günstiger/ Lieber Leser.


[...] Vmb deß willen haben je zu weilen vornehme verstendige Leute von der Eytelkeit der welt geschrieben/ vnnd schöne Gedancken gefasset. Es ist aber vnter allen andern diß buch wol der fürnembsten eins/ wegen der schönen inventionen, vnd der anmutigen scharpffsin̄igen Art zu reden/ so darinn gebraucht würd: derowegen es auch dem löblichen/ dapffern vnnd berümbten Fürsten/ Weiland dem Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnnd Her:n [sic]/ Herrn Wilhelmen/ Landgraven zu Hessen/ Graven zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ genant Standhaftigen/ Hochlöbl: Ged: dermaßen wolge[Bl. B [vij] r]fallen/ daß Jh. Fürstl. Gn. dasselbe nicht allein gar fleißig gelesen/ sondern auch selbst/ nach vnnd nach/ wann sie anderer geschäffte halben gekont/ es auß dem Frantzösischen ins Teutsch versetzt/ vnd theils mit eigenen handen geschrieben/ theils aber dero Kammer- oder andern anwesenden Dienern/ dictirt haben. Dann Jhr. Fürstl. Gn. (wie sie dann andere Sachen mehr vbersetzt haben) so gar nicht müssig seyn könten/ das/ wann Jh. Fürstl. G. Abends vnnd morgens in der Bibel gelesen/ vnd jhr Gebet zu Gott verrichtet hatten/ vnd sich dann auß oder anziehen liessen/ vnd vnter dessen sonst kein Anspruch oder Geschäffte vorfiel/ sie diß Buch/ oder was anders vorgenomen/ gelesen/ oder lesen laßen/ vnd jhrer art nach/ wie dann Jhr. Fürstl. Gn. in den sprachen sehr gut war/ verteutschet [B [vij] v] vnnd einem Diener zuschreiben in die Feder dictirt haben. Diß Buch ist schon einmahl gedruckt worden vnd verhandelt2 . Weil dann fleissige nachfrage darnach geschiehet/ als ist für gut erachtet worden/ es wieder zu durchsehen/ vnnd aufflegen zu lassen. Vnnoth achte ich/ es weiter zu rühmen. Der leser würd demselben den ruhm schon selbst geben/ wann ers mit Nachdencken lieset. Jch zweiffele aber nicht/ es
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würd diß Buch redlichen teutschen/ auch vmb des berümbten dapffern Fürsten3 willen/ der die arbeit daran gethan/ vnnd es verteutscht hat/ desto angenehmer seyn. Gott gebe/ daß es viel Frucht schaffe/ zu erleydung des eitelen Weltwesens/ vnnd auffmunterung in der tugend vnd Gottesforcht/ Amen. Cassel/ den 23. Junij 1640. Theophilus Neuberger.

Textapparat und Kommentar





Textapparat
T
a Undeutlich.
a Eingefügt für 〈von〉
b vnd anders halben am Rand ergänzt.
c Folgt unleserliche Streichung.
d in deme, eingefügt.
e Bis lufft am Rand ergänzt.
f dort vnd dreyer Sonnen eingefügt.
g vorkommen oder eingefügt.
h Eingefügt für 〈gestanden〉
i Folgt 〈geschehen sollen〉. Passage bis vorgangen, eingefügt.
j Eingefügt.
k Eingefügt für gestrichenes unleserliches Wort.
l Folgt 〈gern〉
m Bis gern eigentlich am Rand ergänzt.
n Folgt 〈gern eigentlich〉
o sich erzeiget eingefügt für 〈gestanden〉
p Folgt 〈hinder〉
q Gebessert aus vnßern folgt 〈gestan〉
r Folgt 〈berichten woll〉
s Folgt 〈woll〉
t Folgt 〈ahnlangt〉
u Bis können, am Rand ergänzt.
v Stark gekürzter Beginn der Kurialien, die von einem Schreiber für die Ausfertigung des Briefs auszuführen waren.

T I

a N vberflüßig

T II

"
a Auch Kustode.
b D. h. sich
c In der Kopie unleserlich im Falz. Konjekturen hier und im Folgenden in eckigen Klammern.
d Druckfehler snmma

Kommentar

K Dieser Brief, am Anfang einer dramatischen Flucht Lgf. Wilhelms V. v. Hessen-Kassel (FG 65) vor der drohenden Umschließung durch feindliche Truppen geschrieben, verdient in unsere Ausgabe nicht so sehr als Antwort auf das wissenschaftsgeschichtlich bemerkenswerte Schreiben 370421 aufgenommen zu werden, als vielmehr als ein Zeugnis der politisch-militärischen Verstrickung eines herausragenden Fruchtbringers und als ein spätes Zeugnis der geistigen Interessen Wilhelms vor dessen baldigem Tod. In einer Zeit allgemeiner und persönlicher Friedlosigkeit (s. Anm. 1) hatte er noch 1635 und 1636 zwei seiner Übersetzungen (vgl. schon 291104A) drucken lassen: Anmütige vnterhaltung Vnd Zeitvertreib Edeler Gemühter/ Vber Der Eytelkeit der Welt (anon. Cassel 1635) und Die Tugendsame Fraw (pseud. Cassel 1636). S. Beil. I u. II.
1
Seit dem November 1630 eventualiter, seit August 1631 (Allianzvertrag von Werben) offiziell mit Schweden verbündet und zunächst militärisch sehr erfolgreich in Westfalen, Hessen, an Mittel- und Niederrhein operierend, hatte sich Lgf. Wilhelm in Folge des Prager Friedensschlusses auf Verhandlungen mit dem König v. Ungarn und künftigen röm. König u. Ks. Ferdinand III. mit verschiedenen Vermittlungsversuchen Kursachsens und Würzburgs (Bf. Franz v. Hatzfeld, vgl. 371028 K 8) eingelassen, weil er „gleichsamb mitten im fewre sas/ allerdings verlassen vnd ümbzingelt“ (Chemnitz II, 962, vgl. 986; ferner Londorp IV, 476ff.). Am Ende wurden die Verhandlungen aufgegeben, weil Wilhelm hinsichtlich der Sicherung seiner Interessen auf unnachgiebigen Widerstand stieß. Vgl. 370305 K 9; Meike Hollenbeck: Die hessisch-kaiserlichen Verhandlungen über die Annahme des Prager Friedens. In: Frankreich und Hessen-Kassel zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens. Hg. Klaus Malettke. Marburg 1999, 111–122. Stattdessen ging er am 2./ 12. Juni („Mindener Vorvertrag“, blieb unratifiziert) und, in militärisch äußerst bedrängter Lage (s. u.), vollends am 11./ 21. Oktober 1636 (Vertrag von Wesel) notgedrungen, wie schon die Leichenpredigt, aber auch etwa Volker Press betonen (s. u.), ein förmliches Bündnis mit der Krone Frankreich ein. Vgl. auch 370715 K 15. Dieses sollte ihn zur Fortführung des Krieges mit einer eigenen Streitmacht befähigen, ließ sich in der Praxis aber anfangs nur sehr schwer an. Mit dem Entsatz
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der Festung Hanau im Juni 1636 (vgl. 360703) hatte der Landgraf seinen Entschluß zur Fortsetzung einer antihabsburgischen Bündnispolitik in die Tat umgesetzt. Vgl. zu den Vorgängen in Hessen und Westfalen in der ersten Jahreshälfte 1636 Chemnitz II, 944f., 957ff., 982f, 1006ff.; zum Entsatz Hanaus 1009, 1013ff. Am 9./ 19. August 1636 sprach der Regensburger Kurfürstentag die Reichsacht aus und erklärte ihn seiner Länder für verlustig. Lgf. Georg II. v. Hessen-Darmstadt wurde in einer besonderen, vorerst geheim gehaltenen ksl. Vollmacht gleichen Ausstellungsdatums zum Administrator Niederhessens ernannt und im November 1636 vom Kaiser mit der Exekution der Reichsacht gegen Lgf. Wilhelm beauftragt. Am 24. 4. 1637 bestätigte der neue Kaiser Ferdinand III. die Ächtung. Das Eindringen von Truppen des Kaisers und des Reichs in Wilhelms niederhessische Stammlande und in die zahlreichen westfälischen Quartiere seiner Truppen vollzog sich schon seit Ende 1635, vollends seit dem Juli 1636, als sich eine starke Armee unter dem kurbayerischen Feldmarschall Gf. Johann v. Götz (vgl. 370421 K 4 u. 5) anschickte, die hessische Vormachtstellung in Westfalen zu brechen und ins Niederhessische einzufallen. Vgl. auch 371028 K 10. War es im April 1636 Lgf. Wilhelm im Bund mit dem von Friherre Axel Oxenstierna (FG 232) auf den niedersächsisch-westfälischen Kriegsschauplatz abgeordneten General und Feldmarschall Alexander Leslie (vgl. 370722 K 4) noch gelungen, Osnabrück zu entsetzen, das Bst. Paderborn und die Gft. Ravensberg mit Bielefeld wieder in seine Hand zu bringen, Minden zu erobern und schließlich im Juni die schwedische Festung Hanau zu entsetzen, so verdüsterte sich die Lage für die hessische Armee zum Jahresende 1636, zumal Leslie im Juli 1636, kaum von Hanau an die Weser zurückgekehrt, vom schwedischen Feldmarschall Johan Banér (FG 222) an die Elbe zurückbeordert worden war. Vgl. Chemnitz III, 12ff., 44, 60, 75; Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 338, 340 u. 344. Bis zum 11./ 21. 10. 1636 wurden Amöneburg, Homberg, Paderborn, Soest, Dortmund, Lünen, Werl, Hamm und andere Garnisonen von Götz’ Truppen eingenommen. Nach der Niederlage bei Wittstock am 4. 10. 1636 n. St. fielen zurückweichende ksl. und Reichs-Truppen unter Hatzfeld (s. u.) ins Niederhessische ein, um sich mit den ihnen entgegenziehenden Truppen Götzens am 10. 11. 1636 bei Creuzburg a. d. Werra zu vereinigen und dann vor dem anrückenden Banér ins Bst. Paderborn und die Gft. Mark zurückzuziehen, während Banér bis zum 8. 12. 1636 in Kassel blieb, bevor er wieder nach Osten aufbrach (vgl. seinen Brief an Oxenstierna aus Kassel, 1. 12. 1636; AOSB SA VI, 353ff.; ferner Chemnitz III, 67ff.; Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 357 u. 361). In dieser Zeit hielt sich Lgf. Wilhelm in Hamburg, Bremen und der sicheren schwedischen Garnison Minden auf und traf erst zum Jahresende wieder in Kassel ein. Im Frühjahr 1637 gingen Reich und Kaiser zu einer Großoffensive gegen die Schweden über. Die ksl. bzw. bayerischen Feldmarschälle Reichsgf. Melchior Hatzfeld und Gf. Johann v. Götz (s. 370421 K 5), durch den ksl. General Gf. Gottfried Huyn van Geleen (s. ebd.) verstärkt, rückten wieder nach Osten; die bayerischen Verbände Gf. Joachim Christians v. (der) Wahl (s. 370421 K 4) setzten sich vom Stift Paderborn aus in Bewegung. Vermehrte darmstädtische Truppen zogen ebenfalls heran und Jan v. Werth (s. 370421 K 5) stieß mit schweren und leichten Reitern aus Südwesten (Rhein/Mosel) vor. Der selbst bedrängte schwedische Feldmarschall Johan Banér konnte noch ein Reiterkorps unter Generalleutnant James King (FG 224; vgl. 370722 K 14) zu Wilhelm detachieren. Am 11. 4.1637 vereinigten sich Kings Schweden mit den hessischen Verbänden nördlich von Kassel an der Werra. Vgl. 370421 K 11. Am 22. 4. 1637 verjagte man gemeinsam die feindlichen Besatzungen aus Eschwege und Allendorf. In die Enge getrieben von drei aus Osten, Süden und Nordwesten heranziehenden Armeen und politisch wie militärisch auf verlorenem Posten, mußte Lgf. Wilhelm sein Land (bis auf die Festungen Kassel und Ziegenhain in der sumpfigen Schwalmniederung) aufgeben und sich mit seinen und Kings Truppen durch das Stift Paderborn nach Minden und weiter nach Norden durchschlagen. Am 27. April begann der Abzug der hess. und schwed. Truppen von der Werra (Allendorf); am 30. 4. verließen Wilhelm und
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King endgültig (und gerade noch rechtzeitig, s. 370421 K 5 u. STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 49v) Kassel. Vgl. 370421 K 11. Mit dem Abzug des hessischen Kriegsstaates wird Niederhessen in der Folgezeit einer enormen Verwüstung preisgegeben. Aus Petershagen (Stadt und Schloß an der Weser im Bst. Minden) schrieb Lgf. Wilhelm am 12. 5. 1637 an Oxenstierna: Zwar seien durch das „beharrliche kriegswessen“ seine eigenen Erblande, „darinnen der feindt leider den meister spiehlet, dermassen jämmerlich durch unauffhörliches sengen und brennen zuegerichtet und verheeret worden, dass es endtlich damit auff eine gäntzliche wüsteney ausschlagen muss“, der an den Untertanen verübten Greuel und Schandtaten nicht zu gedenken. Obwohl daher nichts sehnlicher als der Frieden zu wünschen sei, habe man doch von einem „particulier frieden“ nichts zu erhoffen. Daher „müssen wihr Gott und der zeit die sache noch ferners befohlen sein lassen, und anderer besseren mittell und gelegenheit zue einem allgemeinen, durchgehenden, sichern, bestendigen frieden [...] in gedult erwartenn.“ AOSB SA VII, 654f.; vgl. Chemnitz III, 67, 70, 76; Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 306. Blomberg (3. 5.), Rinteln (Mai), Wildeshausen a. d. Hunte (Ende Mai), Vechta (Anfang Juni), Bersenbrück (9./ 10. 6.), Bielefeld (18. 6.), Lippstadt, Lemgo (Ende Juni), Rinteln (Juli), Cloppenburg (1. 8.) usw. waren die weiteren Stationen bzw. Quartiere auf Wilhelms Zug, bis ihm trotz gelegentlicher kleinerer Militärerfolge nichts blieb, als seine Truppen im September 1637 in der Gft. Ostfriesland einzuquartieren, um dort besserer Zeiten zu harren, während Hessen-Darmstadt die Administration des Kasseler Landesteils beanspruchte. Am 23. 8. 1637 hatte Wilhelm noch aus Oldersum/ Ostfriesland an den Obristen Johann (v.) Geyso (s. Anm. 5) geschrieben, er habe „weder strohe noch anders geschweige ein bette“ in seinem Quartier. Abgedruckt in: Beiträge zur Geschichte des 30jährigen Krieges. In: Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte u. Landeskunde 2 (1840), 179–187, 179. Kaum war die Einquartierung mit dem Akkord von Leerort (13./ 23. 9. 1637) abgesichert, starb er am 21. 9./ 1. 10. 1637 in Leer in ärmlichen Verhältnissen: „[...] die inwendige Glieder [waren] sehr verzehret/ vnd alle natürliche Kräfften vergangen/ daß sie gleich wie ein außgebrand Liecht erloschen.“ (Theatrum europaeum, 3. Tl. [1644], 838.) Kurz zuvor soll er mit Kreide an die Wand seines Sterbezimmers geschrieben haben: „Homo disce mori“. Seine Frau Lgfn. Amalia Elisabeth hatte er, fieberkrank, in seinen letzten Tagen vom Hauptmann Adolf Wilhelm v. Krosigk (FG 248; später Gesandter Hessen-Kassels bei den Westfälischen Friedensverhandlungen) aus Bremen zu sich holen lassen. Dorthin hatte Wilhelm sie und die zwei Söhne Wilhelm (VI.) (FG 694) und Philipp (1630–1638) im Juli 1636 noch persönlich und eskortiert von (Johann) Ludwig (v.) Geyso (FG 327. 1639; s. Anm. 5) und dessen Reiter-Regiment aus Kassel über Rinteln (16. 7.) in Sicherheit gebracht (vgl. Wilhelms Brief an Oxenstierna vom 30. 7.; AOSB SA VII, 655f.). Die vier Töchter (Emilia, Charlotte, Elisabeth und Louisa, s. AD I, 91f.; EST I, T. 99) scheinen, nach Ausweis der von E. Bettenhäuser veröffentlichten Familienbriefe (s. u.), in der Festung Kassel zurückgeblieben zu sein. Noch etwa drei Wochen blieb Amalia Elisabeth in Leer, zog sich dann mit ihren Söhnen nach Delfzijl bzw. Groningen zurück. Vgl. auch den Brief Frh. Enno Wilhelms v. Innhausen u. Knyphausen (FG 238) an Friedrich v. Schilling (FG 21), d. d. Hamburg, 14. 10. 1637. (LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Kö. A 9a Nr. 87b, Bl. 149r–150v). In Groningen starb ihr Sohn Philipp (am 17. 8. 1638) und Wilhelm VI. erkrankte schwer. Später begab sie sich nach Dorsten (seit Dezember 1638) und Lippstadt (seit Oktober 1639). Am 9. 3. 1640 reiste Amalia Elisabeth, die einbalsamierten Leichen Lgf. Wilhelms V. und Pz. Philipps mit sich führend, nach Kassel. Am 23. 4. 1640 wurden die sterblichen Überreste Wilhelms und Pz. Philipps in der Stiftskirche St. Martin, seit 1567 Grablege der hess. Landgrafen, in einem von Wilhelm neu angelegten Grabgewölbe unter dem Kapitelhaus beigesetzt, zusammen mit dem Töchterchen Louisa (5. 11. 1636 – 6. 1. 1638, s. o.). Die Gruft wurde teilweise im Zweiten Weltkrieg, vollends bei Räumung und Wiederaufbau der Martinskirche zerstört. Nur einzelne, stark angegriffene und beraubte Särge und Sargfragmente sind noch erhalten.
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Sarg und Gebeine Wilhelms V. galten seit der Trümmerräumung in der Martinikirche 1953 als verschollen. Kürzlich wurde allerdings im Dachmagazin des Landesmuseums eine Kiste mit Sarg- und Knochenresten aufgefunden. (Wir danken K.-H. Wegner, Direktor des Stadtmuseums Kassel, und Herrn Schmidberger von den Staatlichen Museen Kassel für freundliche Auskunft.) Vgl. Christian Presche: Die fürstlichen Grabstätten in der Kasseler Martinskirche. In: Zs. d. Vereins f. Hess. Geschichte u. Landeskunde 107 (2002), 17–69, hier 29ff. — F. v. Geyso (s. u.) III, 110, 133 erwähnt noch ein vielversprechendes Tagebuch Wilhelms in einem Schreibkalender von 1636, das im STA Marburg trotz angestrengter Nachforschungen bislang nicht aufgefunden werden konnte (freundliche Mitteilung von Dr. Gerhard Menk). Vgl. insgesamt Merian: Topographia (Hassiæ 1646), 35; Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 283f., 306, 329f., 340ff., 370 u. 390f.; Theophilus Neuberger: Christliche Ehrengedechtnis Des ... Herrn Wilhelmen des Fünfften/ genant Standhafftigen/ Landgraven zu Hessen ... als J. F.G. Wie auch dero gleichfals in Gott ruhenden Jungen Herrn/ Herr Philipsen/ vnd Fürstl. Frewlins/ Frewlins LOYSÆ … verblichenen Leichnam mit hochansehentlicher Fürstl. Leichbegängniß vnd Ceremonien zu dero auffs new dazu erbawten Fürstlichen Ruhestette gebracht/ vnd darinn niedergesetzt worden (Kassel: Jacob Gentsch 1640), darin der Lebenslauf Wilhelms S. 19 [recte 20] – 59 [recte: 60]. HAB: J 301 4° Helmst. (12) und LP Stolberg 12874–76. Ein hsl. Entwurf der Personalia, der die Mitgliedschaft Wilhelms in der FG nicht erwähnt, in STA Marburg: 4a 46, Nr. 13 (5 Bl. ungezeichnet, undatiert, unbek. H.); vgl. LP STA Marburg, Nr. 448. Vgl. auch Theophilus Neuberger: Christliche Leich- vnd TrostPredigt/ Alß ... Frawen AMELIÆ ELISABETHÆ, Landgrävin zu Hessen ... verblichener Leichnam/ mit Fürstl. solenniten in die Fürstliche Grufft vnd Ruhestette gebracht/ vnd niedergesetzt worden ... am 30. Septembris des Jahrs 1651 gehalten/ vnd vff Begehren schrifftlich vffgesetzt (Kassel 1651: Salomon Schadewitz); Personalia dort Bl. E r – G iv v (HAB: Gm 2287). Vgl. ferner: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Bd. VI: Kreis Cassel-Stadt. Bearb. v. A. Holtmeyer. Text, 1. Teil. Cassel 1923,168, 175, 185, 186; Dass., Atlas, 1. Teil (Tafel 1–164). Cassel 1923, T. 132.1 (Abb. des Sarges Wilhelms, Inschriften nicht erkennbar; nach dieser Tafel erneut in Presche [s. o.], S. 63, Abb. 9); Baudenkmale in Hessen. Stadt Kassel I. Hg. Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Braunschweig/ Wiesbaden 1984, 73; Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. [Bd. 2:] Hessen. O. O. 1966, 450f. Weitere Lit.: ADB XLIII, 39ff.; AOSB FA XV, 356ff., 491f., 517f. u. ö.; AOSB SA VII, 642ff. u. 655ff.; AOSB SA IX, 925ff. (James Kings Briefe an Oxenstierna); Barudio, 497ff.; Bircher/ Palme II, 178f.; Conermann III, 70ff.; DBA I, 1370/ 357ff.; Ritter: Deutsche Geschichte, 600; Rössler/ Franz, 3161; Theatrum europaeum, 3. Tl. (1644, HAB: Ge 4° 54), 783, 791, 793, 804f., 818, 838; Winkelmann, 285 (zum Grabgewölbe), 382 (zur Du-Bosc-Übersetzung, s. Beil. II); Ruth Altmann: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel im Kampf gegen Kaiser und Katholizismus 1633–1637. Marburg 1938, 108ff., 161ff.; Karl E. Demandt: Geschichte des Landes Hessen. 2., neubearb. u. erw. Aufl. Kassel u. Basel 1972, 254ff.; Familienbriefe der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel und ihrer Kinder. Hg. Erwin Bettenhäuser. Marburg 1994, 1ff.; Frankreich und Hessen-Kassel zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens. Hg. Klaus Malettke. Marburg 1999 (insbes. darin der Aufsatz von Christian Tacke: Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter, S. 175–187); Franz v. Geyso: Beiträge zur Politik und Kriegführung Hessens im Zeitalter des 30jährigen Krieges und Grundlagen zu einer Lebensgeschichte des Generalleutnants Johann Geyso. (Erster Teil.) In: Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte u. Landeskunde 53 (1921), 1–115; Zweiter Teil. In: A. a. O. 54 (1924), 1–160; Dritter Teil. In: A. a. O. 55 (1926), 1–175, hier insbes. III, 73ff., 124ff. (104 u. 150 zu A. W. v. Krosigk); Helmut Lahrkamp: Jan von Werth. Sein Leben nach archivalischen Quellenzeugnissen. Köln 1962, 75; Klaus Malettke: Der Dreißigjährige Krieg in Hessen und seine Folgen. In: Hess. Jahrbuch f. Landesgeschichte 51 (2001),
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83–102, hier insbes. 90f., 93; Gerhard Petri: Das Militärwesen von Hessen-Kassel in der Zeit Landgraf Wilhelms V. und der Landgräfin Amalie Elisabeth 1627–1649. Diss. Universität Bonn 1996 (masch.); Hans Philippi: Das Haus Hessen. Ein europäisches Fürstengeschlecht. Kassel 1983, 92ff.; F. C. Th. Piderit: Geschichte der Haupt- und Residenz-Stadt Cassel. 2., erw. Aufl. hg. Jacob Ch. C. Hoffmeister. Cassel 1882, 146ff.; Volker Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, 1567–1655. In: Das Werden Hessens. Hg. Walter Heinemeyer. Marburg 1986, 267–331, insbes. 310ff.;Georg Schmidt: Der Dreissigjährige Krieg. München4 1999, hier 58, 60. Vgl. zu Lgf. Wilhelm schließlich noch 231206, 240109, 240301, 250514, 280308, 291104A u. I, 291200, 300420 u. I u. II, 300420A. Zu Wilhelms Nachleben s. Anm. 7.
2
„Meteor“ war im Sprachgebrauch Lgf. Hermanns und der Zeit die Bezeichnung für alle flüchtigen Himmels- und Wettererscheinungen, nicht nur für den Kometen oder Schweifstern, daher seit Aristoteles’ Meteorologica die Ableitung „Meteorologie“ für Wetterkunde oder Wissenschaft von der Atmosphäre. Die „Meteorologia“ ist jener Teil der Naturlehre, „darinnen hauptsächlich von denen sogenannten Meteoris, oder von der Natur und Beschaffenheit derer hin und wieder vorkommenden Lufft-Zeichen oder Lufft-Begebenheiten gehandelt wird.“ (Zedler XX, 1282.) S. dazu Lgf. Hermanns HISTORIA METEOROLOGICA von 1651 (vgl. 370421 K 1), darin im „Vortrab“ das erste Kapitel „Von Vrsachen oder Vrsprung aller Meteoren ins gemein“ (Bl. a i r – a iii r). In den nachfolgenden Kapiteln werden die verschiedenen Arten der „Meteore“ abgehandelt: die reinen feurigen, die vermischten feurigen, die wässerigen, „Straal/ Donner vnd Blitz“, die „erscheinenden meteoren, welche von Aristotele Gesichte genennet werden“ (Bl. c i r – d iii v) und zu denen auch der Regenbogen sowie Sonnenbilder gerechnet werden (vgl. 370421 K 12). Vgl. H. Howard Frisinger: The History of Astronomy: to 1800. New York 1977, 15ff.; G. Hellmann: Die Meteorologie in den deutschen Flugschriften des XVI. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Meteorologie. Berlin 1921 (Abhandlungen der Preuss. Akademie der Wissenschaften 1921, pysikal.-mathemat. Klasse, H. 1); Hans-Günther Körber: Vom Wetteraberglauben zur Wetterforschung. Leipzig 1987, 57f.
3
Statt halon, zu lat. halo f. (gr. ἅλως), Korona oder Strahlenkranz der Sonne bzw. des Monds. Sen. quaest. nat. 1,2. Vgl. Faber/ Buchner (1664), 444 (s. v. halo): „Germani Latinum reddunt vocabulum, der Hoff ümb den Monden/ ein runder Kreiß oder Circkel ümb die Sonne.“ S. 370421 K 12.
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Vgl. Stieler, 1412 „Einem von einer Sache part geben/ communicare rem alicui & cum aliquo, participem, certiorem facere alicujus rei.“ Vgl. auch Steinbach II, 166.
5
Johann (v.) Geyso (Geisse, Geissen, Geisso; 1593–1661), älterer Bruder (Johann) Ludwig Geysos (s. Anm. 1), nahm schon 1620 als Hauptmann an der Schlacht am Weißen Berge teil, ebenso 1626 als dänischer Oberst an der Schlacht bei Lutter am Barenberge; seit 1628 hessen-kasselscher Amtmann zu Eschwege; unter Lgf. Wilhelm V. Oberst des berühmten „weißen“ (Leibgarde-)Regiments und 1631 Generalquartiermeister der hessischen Truppen, 1635/36 Militärgouverneur im östlichen Westfalen, unter Wilhelms Witwe Lgfn. Amalia Elisabeth 1648 Generalleutnant, d. h. der gleich nach der Landesherrin rangierende Oberkommandierende aller hess. Truppen. Er war einer der wichtigsten Berater Lgf. Wilhelms. Seit 1632 „blieb der Oberst Geiso beständig an der Seite des Landgrafen Wilhelm V. bis zu dessen so schnell erfolgtem Lebensende“ (Ersch/ Gruber I, 56 u. 233). Unter dem nach Ostfriesland geretteten hess. „Kriegsstaat“ befand sich auch sein soeben erwähnter Bruder, der Oberst Ludwig Geyso (†1644), der im Mai/ Juni 1636 nachweislich als Kommandeur des berittenen Leibregiments in der engsten Umgebung Lgf. Wilhelms zu finden war. Er hatte im Juli 1637 an der Evakuation der Landgräfin und ihrer beiden Söhne nach Bremen mitgewirkt (s. Anm. 1). Vgl. ADB IX, 138f.; AOSB SA VII, 455, 499f.; Conermann III, 374f.; Ersch/ Gruber I. 56, 231f. u. 232–238; Beiträge zur Geschichte des 30jährigen Krieges. In: Zs. d. Vereins f. hess.
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Geschichte u. Landeskunde 2 (1840), 179–187 (Briefe an Johann v. Geyso); Demandt (s. Anm. 1), 256; Franz v. Geyso (s. Anm. 1), insbes. III, 76, 83ff., 93, 112, 120ff., 133, 146f., 154, 171f.; Petri (s. Anm. 1), 31, 44, 129, 137; Gerhard Petri: Das Militärwesen von Hessen-Kassel in der Zeit Lgf. Wilhelms V. und der Lgfn. Amalie Elisabeth 1627–1649. Diss. U. Bonn 1996 (Masch.schr.), passim. Johann (v.) Geysos Kupferporträt abgebildet in Anselm van Hulle: PACIFICATORES ORBIS CHRISTIANI, SIVE ICONES PRINCIPUM, DUCUM, ET LEGATORUM, QUI MONASTERII atque OSNABRUGÆ PACEM EUROPÆ RECONCILIARUNT. (Rotterdam 1697), Nr. 95(HAB: Xb FM 1); Hugo Brunner: Geschichte der Residenzstadt Cassel. 913–1913. Kassel 1913, T. 8. Vgl. auch Bircher/ Palme I, 97 (Nr. X. 14) u. II, 179 (Nr. 452).
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Lutter am Barenberge, Schlacht am 27. 6. 1626, die mit der Niederlage Kg. Christians IV. v. Dänemark und dem Sieg des Ligaheers unter Gf. Johann Tserclaes v. Tilly endete.
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Zur naturwissenschaftlichen Erklärung dieses Phänomens und der Möglichkeit eines göttlichen Zeichens vgl. 370421 K 12–15, zu Wilhelms Schicksal s. Anm. 1. Zu seinem Nachleben sei nur mitgeteilt: Am 25. 3. 1637 war F. Friedrich v. Anhalt-Harzgerode (FG 62) von Warschau kommend in Kassel eingetroffen und hatte auf Anerbieten Lgf. Wilhelms die Stellung eines Generalmajors der hessischen Truppen angenommen, die er 1641 aufgab. Beckmann V, 385; vgl. F. v. Geyso (s. Anm. 1) III, 165 (F. Friedrich an der Spitze der hess. Stabsoffiziere in den münsterländischen Garnisonen, Koesfeld, September 1638). Als sein kaisertreuer Bruder F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) am 8. 6. 1637 davon erfuhr, reagierte er wütend: „Il gastera mes affaires avec cela, & les siennes ensemble. Dieu le redresse.“ Christian: Tageb. XIV, Bl. 440r. Vgl. auch Christians besorgte Anfrage bei seinem Cousin Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) vom 24. 6. 1638. Da die ksl. Belehnung des Hauses Anhalt anstehe, erkundigt er sich im Hinblick auf seinen Bruder Friedrich, wie die weimarische Belehnung ausgefallen sei: wurde Hz. Bernhard (FG 30), der ja auch „dem feindt dienet“, übergangen oder gar explizit ausgeschlossen? (ThHSTA Weimar: Fl. Haus A 309, Bl. 2r). Das Schicksal Lgf. Wilhelms V. scheint F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) insgesamt unbeteiligt aufgenommen zu haben. Als er bei währendem Kurfürstentag in Regensburg am 9./ 19. 11. 1636 erfuhr, daß Lgf. Wilhelm (mit dem Kurfürsten v. Trier) in die Acht erklärt werden sollte, und am 14./ 24. 11. Kenntnis erhielt, daß Lgf. Georg II. v. Hessen-Darmstadt die militärische Exekution der Acht aufgetragen worden und er mit 12000 Mann im Ausrücken begriffen sei, notierte er lediglich die bloßen Nachrichten ohne Regung oder Ausdruck des Bedauerns (a. a. O., Bl. 233r u. 239v). In Bernburg erreichte Christian am 27. 8. 1637 die Nachricht, „daß Landtgraf Wilhelm, seine famjljam, in Bremen salvirt, das Landt zu heßen aber, öde vndt wüste stehe, vndt ob es schon mitt einem reichen kornsegen vberschüttet, so wehre doch niemandt wegen desolation deß Landes, der es einerndtete.“ (A. a. O., Bl. 473r.) (Zur guten Witterung und Agrarsituation als einem der wenigen Lichtblicke in der desolaten Lage Hessens bis 1640 vgl. Piderit [s. o.], 160f. u. 183.) Unter dem 29. 9. 1637 heißt es im Tagebuch lapidar: „Zeitung, daß Landgraf Wilhelm todt seye, wiewol man hertz. Berndt [Bernhard v. Sachsen-Weimar, FG 30] auch todt gesaget.“ (A. a. O., Bl. 491v.) Die Bestätigungen der Todesnachricht für „gewiß“ dann am 12. und 17. 10. 1637 (a. a. O., Bl. 498v u. 500r, vgl. auch 511r). Auch anläßlich des Klageschreibens der verwitweten Lgfn. Amalia Elisabeth, das ihn am 1. 12. 1637 aus Ostfriesland erreichte, wird lediglich der Erhalt vermerkt (Bl. 527r). — Von F. Ludwig liegt uns kein unmittelbares Zeugnis einer Reaktion auf die Todesnachricht vor. Er dürfte spätestens Anfang Oktober durch Frh. Enno Wilhelm v. Innhausen u. Knyphausen vom Tod des Landgrafen erfahren haben. Am 6. 10. 1637 teilte dieser Friedrich v. Schilling (s. Anm. 1) neben der Todesnachricht mit, daß Lgf. Wilhelm testamentarisch die Vereidigung der Armee und des Generals Melander auf seinen Sohn Wilhelm VI. verfügt und die Witwe und die Generalstaaten zu dessen Vormündern bestellt habe. Der Tod des Landgrafen sei „une tresgran-
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de perte pour le party Franҫois et Suedois, lequels s’en trouvent bien en peine“ (LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Kö. A 9a Nr. 87b, Bl. 147r–148v). Vgl. das Bedauern F. Ludwigs in 371028. — Das herzlichste Beileidszeugnis aus den Kreisen der Fruchtbringer stammt von dem ehemaligen Kasseler Hofmarschall Diederich v. dem Werder (FG 31). Er antwortete d. d. Reinsdorf 6. 1. 1638 auf die Todesnotifikation durch die Witwe Amalia Elisabeth d. d. Leer 23. 11. 1637, er habe bereits vom Tod des „allerlöblichsten Fürsten“ gewußt, jedoch sei sein „hertzleidt“ erneuert und vergrößert worden, v. a. „wan ich 1. E. F. G. betrübte höchstgeängste persohn, 2. E. F.G. löbliche junge herrschafft, 3. die, auff den eussersten fall vndt vntergang stehende wohlfahrt ihres fürstlöblichen hauses vndt Casselischer linie, 4. den nimmer ersetzlichen landesschaden, vndt 5. den in höchster gefahr schwebenden Zustandt der Kirchen Gottes vndt vnserer reinen verbesserten lehre des Glaubens, mir für die augen stelle.“ Er erinnert daran, daß er seine leibliche und seelische Wohlfahrt der Erziehung im fl. Hause Kassel verdanke und beteuert, daß er vor diesem „abgrunde der widerwertikeiten“ täglich in Sorge um das Haus Kassel und im Gebet um Gottes Schutz verharre. „Der weylandt hocherleuchte Fürst, dessen gleichen nuhmehr der deutsche erdtboden nicht trägt, hatt die ehre der tapferkeit vndt eyffers für die warheit Gottes da seine vorfahren reichlich mit begabt gewesen, wieder aufs newe erhoben, vndt noch heller ans liecht gebracht: Es hatt dieser Seligste Fürst seine eigene holdtselige persohn, sein Fürstliches haus, vndt ansehnliche mächtige lande vndt leute, für die ehre jesu Christi, in eusserste gefahr zusetzen, nicht geschewet, Er hatt gewust, an wen er geglaubt, drümb hatt er auch in der thatt erweisen wollen, das es derselbe wehrt sey, das man ihm glauben gebe. Auff solchen glauben vndt in der Andacht hatt dieser ChristFürstliche heldt sein leben beschlossen, ihm [lies: sich] einen vnsterblichen ruhm nicht alleine für der welt, Sondern was mehr ist ein vnvergängliches lobwürdiges gedächtnüs bey der Kirchen Gottes, am allermeisten aber die vnverwelckliche Krone der ehren, als ein Standthafter Soldatt vndt Ritter seines Capitains jesu Christi im himmel erlanget.“ Werder empfiehlt der Witwe ein unbedingtes Vertrauen zu Gott, „der es mit seiner Kirchen vndt auserwehlten nicht anders als gutt machen kann vndt will“. (UB/ LMB Kassel: 2° Ms. Hist. Litt. 4, 2 Bl., eigenh.). Vgl. auch K III 3. 1646 wird Werder im Auftrag Amalia Elisabeths die Vermählung ihres Sohnes Wilhelm VI. mit der kurbrandenburgischen Pzn. Hedwig Sophia vermitteln. Vgl. Krause: Werder, 53f. — Erwähnt seien die seltsamen Palmbaumtaler Lgf. Wilhelms (1627ff.), die aber nicht die Palmen-Ikonographie der FG, sondern die emblematische Constantia-Tradition aufnehmen. S. Artur Schütz: Die hessischen Münzen des Hauses Brabant. III: Gesamthessen, Hessen-Marburg und Hessen-Kassel 1509–1670. O. O. u. J., 183f., 187ff., 195ff. u. ö.; vgl. DA Köthen I. 3, 104ff.; Emblemata, 192f., 196. Vgl. außerdem noch Beil. III. Eine religionspolitisch aussagekräftige Anekdote zu Lgf. Wilhelm überliefert Julius Wilhelm Zincgref: Teutscher Nation klug-außgesprochene Weißheit (3 Tle., Leiden 1644), III, 26 (HAB: Xb 1025).
8
Johann Bernhard v. Dalwigk (zu Dillich; 1582–1638) aus hess.-waldeck. Uradel, lgfl. hessen-kasselscher Geheimer Rat, Bevollmächtigter bei Friherre (Greve) Axel Oxenstierna (FG 232) und beim Direktorium des Heilbronner Bundes, Vizestatthalter von Niederhessen. Er hatte am 4. 2. 1628 als Bevollmächtigter des gerade zur Regierung gelangten Lgf. Wilhelm V. die Reichslehen von Ks. Ferdinand II. empfangen. Zudem hatte Wilhelm in seinem Testament vom März 1633, das seine Frau Amalia Elisabeth zur Regentin und zum Mitvormund des unmündigen Pz. Wilhelm VI. erklärte, ihr ein Kollegium von fünf Räten (und einen zehnköpfigen landständischen Ausschuß) zur Seite gestellt, dem neben dem Statthalter Hermann v. der Malsburg, der allerdings im Dezember 1636 verstorben war, dessen Stellvertreter Dalwigk, der Oberste Johann (v.) Geyso (s. Anm. 5) u. a. angehören sollten. Die lgfl. Räte in Kassel ließen umgehend nach der eingetroffenen Nachricht vom Tode Wilhelms V. am 23. 9. 1637 die Behörden und Bürger Pz. Wilhelm VI. huldigen. Johann Bernhard v. Dalwigk starb wenig später am 13. 1. 1638.
|| [143]
Vgl. GHdA LVIII (=Adelslexikon, Bd. 2), 413f.; Kneschke II, 407ff.; NDB III, 495; Siebmacher III. 4, S. 7, T. 6; Rudolf v. Buttlar-Elberberg: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft. Wolfhagen 1888, unpag. (T. 3 zum Geschlecht der „von Dalwigk“); Reinhard Frh. v. Dalwigk: Denkwürdigkeiten und historische Skizzen aus dem Leben vieler Mitglieder der Familie von Dalwigk. Darmstadt 1841, 67–70; F. v. Geyso (s. Anm. 1) II, 91 u. 108; III, 111, 139, 153 u. 163; Karl Wilhelm Justi: Amalie Elisabeth, Landgräfin von Hessen. Versuch einer Darstellung ihres Lebens und Charakters. Giessen 1812, 40ff.; Margret Lemberg: Juliane, Landgräfin zu Hessen (1587–1643). Darmstadt u. Marburg 1994, 391; Piderit (s. Anm. 1), 181f.


K I
1
Der äußerst produktive Erfolgsschriftsteller Jean Puget de La Serre (1593–1665) wurde Bibliothekar des Gaston d’Orléans (Bruder Kg. Ludwigs XIII. v. Frankreich) sowie kgl. Historiograph. Sein von Lgf. Wilhelm übersetztes Werk, im Original erstmals ohne Ortsangabe 1629 erschienen, erlebte zahlreiche Ausgaben. Bis 1631 erschienen die folgenden: o. O. (1629); Bruxelles: Vivien 1629 (u. 1631); o. O. 1630; Paris 1630; Rouen: Louis Loudet 1630 bzw. 1631; Lyon: Claude de Larjot 1631; Paris: Mathurin Rénault, Nicolas de La Vigne u. Nicolas de La Coste 1631. S. Arbour, Nr. 13770, 13771, 14090, 14378, 14379, 14380, 14381, 21166 u. 14090*; zu den späteren Ausgaben von 1637, 1638 u. 1642 vgl. Arbour, Nr. 16236, 16608 u. 17871. Die Ausgabe Paris 1631 in UB Göttingen: 8 PHIL VI, 7188; eine Ausgabe Lyon 1633 in SLB Dresden: Theol. oct. 10360. Vgl. Cioranescu III, 1656. Wir konnten durch Entgegenkommen der SLB Dresden Einsicht nehmen in die Ausgabe Rouen 1630: L’ENTRETIEN | DES BONS ESPRITS | SVR LES | VANITEZ | DV MONDE. | PAR LE Sr DE LA SERRE | Historiographe de France. | [Kupferstück, in Schmuckgirlande Jesus, Maria, Engel und Friedenstaube] | A ROVEN, | Chez Lovys Lovdet, ruë aux | Iuifs, prés le Palais. | [Linie] | M. DC. XXX. | AVEC APPROBATION. SLB Dresden : Phil. C. 689m. Aufbau des Werks: Titelblatt, undatierte Widmungs-„Epistre“ an Albert Conte de Berghes, Marquis de Berghes sur la Zoom etc. (Bl. a 3r–a 4v), Chap. I –XIV. Vgl. Werner Ginzl: Puget de La Serre. Eine literarhistorische Charakterstudie. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert. Diss. Rostock 1936. Ginzl weist auf S. 88f. auf die dritte Satire Boileaus hin, in der, wohlgemerkt nach Meinung eines „campagnard“, Puget de La Serre Ronsard und Théophile de Viau überlegen sei. Die Zurückweisung der Leistung Pugets durch Boileau wird dadurch offensichtlich: „Là tous mes sots, enflés d’une nouvelle audace [...]“. — Die Lektüre des Werks vermerkt F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) während eines Besuches in Weimar am 5. 10. 1636: „Gelesen, in Landtgr. Wilhelms buch von der eytelkeitt“. (Christian: Tageb. XIV, Bl. 212v).
2
4°, 8 Bl., 531, (1) S. — Aufbau des Werks: Titelblatt (Rückseite leer), Vorwerk (Bl. a ij r – [b iv] v): [I] Vorrede Pugets: „Vbersetzte Vorrede/ an den günstigen Leser.“ (Bl. a ij r – [a iv] r); [II] Einleitung des Übersetzers Lgf. Wilhelm: „Deß Vbersetzers Bericht/ an den vielgünstigen Leser/ Wie er diß Buch mit nutze lesen soll.“ (Bl. [a vi] v – b ij r); [III] Gedicht zum Inhalt, gezeichnet A. L.: „Kurtzer Inhalt aller Capitel dieses Buchs.“ (Bl. [b ij] v – b iij r); [IV] Gedicht auf die Eitelkeit, gezeichnet M. L.: „Von der Eytelkeit.“ (Bl. b iij r – [b iij] v); [V] an den Leser adressierte Inhaltsangabe, gezeichnet A. v. E.: „An den Leser/ vom Jnhalt vnd viertzehen Capiteln dieses Buchs.“ (Bl. [b iv] rv). Es folgen die 14 Kapitel zur Eitelkeit (S. 1–531). — Eine vom Leipziger Buchhändler und Verleger Henning Grosse verantwortete weitere Puget-Übersetzung stammt nach der Jahresangabe des Kupfertitels aus dem Jahr 1634. Zwei gegenüberliegende Kupfertitel, links: LENTRETIEN | DES BONS | ESPRITS | SURLES | VANITEZ | DVMONDE; rechts: Unterhaltung | Guter Gemüther | vber den | Eitelkeiten | der Welt | Auß dem Frantzösi-| schen des Herrn von | Serre | Teutsch gegeben | durch | Henning Grossen | Jn Leipzig | Jn eben dessen Verlegūg | Jm Jahr | M DC XXXIV. Am unteren Bildrand findet
|| [144]
man den Hinweis auf den Kupferstecher „Ioseph Schifelin sculp:“, vermutlich aus der Augsburger Stecherfamilie Schifflin, Thieme/ Becker XXX, 63]. HAB: 146.6 Eth. (1). 10 Bl., (626) gez. S. 12°. Entgegen der Titelblattangabe endet die Vorrede jedoch: „Geben den 28. Tag Herbst-Monats/ des laufenden 1635. Jahrs. Henn. Groß.“ Der auffällige Umstand, daß fast zur gleichen Zeit in Kassel und Leipzig zwei Puget-Übersetzungen erschienen und daß die im Titelblatt fingiert ältere (Leipzig 1634) sich in Wahrheit der vermeintlich jüngeren (Kassel 1635) bedient hat, bedarf einer Erklärung. Mögen bereits die Abweichungen in den Überschriften der vierzehn Kapitel eine gewisse Eigenständigkeit der Leipziger Übersetzung suggerieren — Lgf. Wilhelm V. überschreibt etwa das 2. Kapitel „Von der Eytelkeit/ so die Menschen in der Hoheit vnd Reichthum suchen“, Grosses Text hingegen lautet: „Von der Eitelkeit hoher Ehr vnd Reichthumbs“ —, so läßt die das „Plagiat“ ein wenig verschleiernde Vorrede des Leipziger Übersetzers doch keinen Zweifel an den tatsächlichen Abhängigkeiten: „Dieweil ich aber nun wiederumb auff das newe zu beförderung obgedachtes Werckes schreiten/ vnd meiner Zusage nachkommen wollen: Komet mir vnverhofft ein Vbersatz [eine Übersetzung] dieses Büchleins vor Gesichte/ welcher/ nachdem er mir sehr wol gefallen/ habe ich denselben meinem eigenem Gemächte weit vorzuziehen/ mir belieben lassen/ weil ich nicht/ als ein ander Narcissus, mich in mein geringes Werck zu sehr vergaffen/ vnd vielmehr den Vorzug andern gönnen wollen. Jch habe besagten Vbersatz fleissig/ doch ohne Momus Augen/ dem Frantzösischen entgegen gehalten/ vnd vbersehen/ vnd darinnen nichts/ als was nicht vnsere Landsart zu reden/ geendert/ oder da sonsten etwas außgelassen/ ergentzet. Die eingemischten Catholischen Legenden betreffende/ habe ich schlecht [d. i. schlicht, d. Hg.] außgemustert/ vnd sie/ weil erster Vorgeber dieses Buchs/ keines einigen Worts davon in seiner MutterSprache gedencket/ mit Biblischen Geschichten zu ersetzen/ für vnnötig geachtet [...].“ (A. a. O., Bl. A 2vf.) Grosses Hinweise auf Textabweichungen der Übersetzung Lgf. Wilhelms von seiner frz. Textvorlage (biblische Exempel statt kathol. Legenden) und zwischen den beiden Übersetzungen müssen wir an dieser Stelle auf sich beruhen lassen und einer werkphilologischen Spezialuntersuchung anheimstellen.
3
Eine zweite Ausgabe der Übersetzung Lgf. Wilhelms wurde postum 1641 von Theophilus Neuberger herausgegeben: s. Beil. III Q. Diese Ausgabe ist textidentisch bis auf signifikante orthographische Normierungen: einmaliges kontrahiertes „nit“ wird zu „nicht“; Großschreibung von Substantiven (z. B. „Gedichte“, „Sprache“, „Worte“, „Herberge“, „Gemühte“, „Büchlein“); Zusammenschreibung von „umb sonst“; „ss“ wird zu „ß“; uneinheitliches Verfahren bei „und“: die Konjunktion wird dreimal, und zwar am Ende des „Berichts“, korrigiert zu „vnnd“. Diese Abweichungen der Erstauflage von der Neuauflage von 1641 tangieren (mit Ausnahme des genannten nit/ nicht und der in Anm. T III a aufgeführten Variante) an keiner Stelle Lautstand oder Bedeutung der zitierten Passage und werden daher nicht eigens angemerkt.
4
Verfasser, Autor. Vgl. 240109 (K 3).


K II
1
Die Erstausgabe des ersten Teils erschien 1632 in Paris bei Pierre Billaine, die Fortsetzung zuerst 1634 in Paris bei André Soubron und der dritte Teil zuerst 1636 in Paris bei Augustin Courbé. S. Arbour, Nr.14540 u. 15178 bzw. 15804; Cioranescu II, 767. Wir vergleichen die dreiteilige Ausgabe (Rev., corr. & augm. en cette 4. éd.) Paris: Piot 1647 (HAB: 39.5 Eth. (1) und die Derniere Édition. Revue, corrigée & augmentée par l'Auteur. Yverdon 1649–1650 (HAB : Lm 1163). Die Übersetzung des ersten Teils durch Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65) erschien 1636. Der französische Franziskaner Jacques Du Bosc, ein produktiver Moralschriftsteller, lebte vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts. Vgl. DBF XI, 1010f. Zu Du Boscs L’honneste femme als dem „frauenadressierten Gegenstück zum L’honneste homme, ou l’art de plaire
|| [145]
à la court
(1630) von Nicolas Faret“ und zur Übersetzung durch den Fruchtbringer Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65) s. Sabine Koloch: Der Sonnenorden, gestiftet von Karl Gustav, Pfalzgraf von Pfalz-Zweibrücken — ein Dokument fruchtbringerischer Wirksamkeit. In: WBN 30 (2003), 23–38 (mit Lit. zu Du Bosc), Zitat S. 35.
2
Mt 7 v. 3 (nach Biblia [Luther 1545]): „Was siehestu aber den splitter in deines Bruders auge/ vnd wirst nicht gewar des Balcken in deinem auge.“
3
Von befahren, sw. V., d. i. befürchten. S. 270406 K 10, 340107 K 25, 371009, 371110 u. 381006.
4
Nebenform zu: sich rächen, ulcisci. DW VIII, 22.


K III
1
12°, 22 Bl., 575, (1) S. Aufbau des Werks: Kupfertitel (mit Motiven der Fortuna, des Todes, des seifenblasenden Kindes und der Arche Noah; Rückseite leer), Titelblatt (Rückseite leer), Vorwerk (Bl. A iij r – [B x] r): [I] Vorrede Pugets: „Vbersetzte Vorrede/ An den günstigen Leser.“ (Bl A iij r – [A vij] v); [II] Einleitung des Übersetzers: „Deß Vbersetzers Bericht/ an den vielgünstigen Leser/ Wie er diß Buch mit nutze lesen soll.“ (Bl. [A viij] r – [A xij] r); [III] Gedicht zum Inhalt, gezeichnet A. L.: „Kurtzer Inhalt aller Capitel dieses Buchs.“ (Bl. [A xij] rv); [IV] Gedicht auf die Eitelkeit, gezeichnet M. L.: „Von der Eytelkeit.“ (Bl. B rv); [V] An den Leser adressierte Inhaltsangabe, gezeichnet A. v. E.: „An den Leser/ vom Jnhalt vnd viertzehen Capitteln dieses Buchs.“ (Bl. B ij r – B iij r). Im Vergleich zur Ausgabe von 1635 sind die folgenden beiden Teile hinzugefügt: [VI] Die Vorrede des Herausgebers, gezeichnet Theophilus Neuberger: „Günstiger/ Lieber Leser“ (Bl. B iijr – [B vij] v); [VII] Epigramme auf den Landgrafen: „EPIGRAMMATA. In librum de vanitate seculari, ab Illustriss. Hass. VVilhelmo è Gallico in germanicum sermonem translatum, singulorum capitum summam complectentia“ (Bl. [B viij] r – [B x] r). Es folgen auch bei dieser Ausgabe die 14 paginierten Kapitel des Haupttextes mit den aus der Ausgabe 1635 übernommenen Überschriften, die ebenso jeweils unterhalb einer Zierleiste beginnen: [a] Von der Eytelkeit/ welche die Menschen auß jhrer Geburt ziehen. Das I. Capitel. ([I] – 47); [b] Von der Eytelkeit/ so die Menschen in der Hoheit vnd Reichthum suchen. Das II. Capitel. ([48] – 88); [c] Von der Eytelkeit der Aempter. Das III. Capitel. (89–120); [d] Von der Eytelkeit grosser Schlösser/ Palläst- vnd Lusthäuser. Das IV. Capitel. (121–146); [e] Von der Eytelkeit/ die auß Vnterhaltung vieler Diener herfleusset. Das V. Capitel. (147–163); [f] Von der Eytelkeit/ der Kleydung. Das VI. Capitel. ([164]–200); [g] Von der Eytelkeit/ grosses Ruhms. Das VII. Capitel. (201–238); [h] Von der Eytelkeit/ die sich in den Gemälden vnd Bildern befindet. Das VIII. Capitel. (239–277); [i] Von der Eytelkeit/ der Gastereyen vnnd Däntze. Das IX. Capitel. ([278]–332); [j] Von der Eytelkeit/ der Wissenschafft. Das X. Capitel. (333–377); [k] Von der Eytelkeit deß Glücks/ vnd dessen Anhangern. Das XI. Capitel. ([378]–415); [l] Von der Eytelkeit der Dapffrigkeit. Das XII. Capitel. ([416]–485); [m] Von der Eytelkeit der Schönheit. Das XIII. Capitel. ([486]–540); [n] Von der eytelen vnd fürwitzigen Begierde/ die Welt zu sehen. Das XIV. Capitel. (541– 575). — Eine unvollständige Handschrift der Vorrede Neubergers und seiner Epigramme hat sich erhalten in: UB/ LMB Kassel: 4° Ms. Hass. 85, Bl. 1r – 3r. Unbekannte Hand. Der Titel lautet hier: „Anmuthige und sehr nützliche Betrachtung der Eytelkeit der Welt: aus Liebe der Tugend (als welche der Eytelkeit zu wieder ist) aus dem französischen, allen Tugendliebenden Teutschen zum besten in ihre Muttersprache versezet, durch weyland den dapfern, recht teutschen und standhafftigen fürsten und herrn, herrn Wilhelmen den fünften, landgraffen zu heßen, grafen zu Catzenelnbogen, Diez, Ziegenhain und Nidda, hochlöblichen, seeligen andenckens, jezo aber, wegen vielfältigen Nachfragens aufs neue in diesem bequemen Format an tag gegeben. gedruckt zu Cassel in Verlegung Johann Schüzens 1660 in 12. helt 1 Alph. 9 bogen (NB. solches hat h. lymberger Gymnasij Hersfelt. Collega mir com̅uniciret).“ (Der im Notabene Er-
|| [146]
wähnte: Wilhelm Limberger (1644–1709), seit 1682 vierter „collega“ am Gymnasium zu Hersfeld. [DBA I, 766/ 100ff.; Winkelmann, 472; Fritz Adolf Schmidt (Hg.): Die Hersfelder Bürgerbücher. Bürgeraufnahmen 1587–1784. Hersfeld 1936, S. 51, Nr. 1269]). Die Jahresangabe 1660 weist darauf hin, daß die Neuauflage nahezu zwanzig Jahre nach deren Erscheinen noch einmal aufgelegt worden ist oder zumindest werden sollte. Eine Veröffentlichung ist jedoch nicht nachweisbar. Die stark gekürzte und sich auf das Ende beschränkende Vorrede Neubergers (zwei Seiten im Ms. gegenüber neuneinhalb im Druck von 1641) ist textidentisch mit der entsprechenden Passage des Druckes von 1641. Sie wird im Manuskript wie folgt eingeleitet: „Theophilus Neuberger, Superintendus Cassellanus, in praefatione hujus libellj anno 1640 scripta ita scribit:“. Abweichend vom Druck beginnt der handschriftliche Text ohne Anrede „Es haben jezuweilen vornehme verstendige leute von der [...]“ und endet, zwar mit identischem Datum und der Unterschrift des Herausgebers, bereits mit „Weil dann fleissige nachfrage darnach geschiehet, als ist für gut erachtet worden, es wieder zu durchsehen/ vnnd aufflegen zu lassen. etc.“ Auch die Epigramme folgen dem Druck von 1641. Zu Neubergers Ausführungen vgl. außerdem die Vita Wilhelms in Theophilus Neuberger: Christliche Ehrengedechtnis Des ... Herrn Wilhelmen des Fünfften/ genant Standhafftigen/ Landgraven zu Hessen (Kassel 1640; s. K 1), S. 19 [recte 20] – 59 [recte: 60]. HAB: J 301 4° Helmst. (12) und LP Stolberg 12874–76.
2
Verkauft. S. Baufeld, 82; Steinbach I, 694; Stieler, 756. Vgl. die in Beil. I Q zit. Erstauflage.
3
Vgl. noch den Nachruf eines ungenannten Zeitgenossen („ut vivens eo anno [1637] Scriptor sua manu scribit“) auf Lgf. Wilhelm, den Johann Adolf Hartmann überliefert hat und der Wilhelm v. a. als Verteidiger des Reformiertentums, als Mäzen und als deutschen Patrioten feiert: „nam, [...] multae in eo [Lgf. Wilhelm V.] virtutes concurrebant. Erat Religionis purioris acer Defensor, benignus Literarum Patronus, libertatis Germanicæ strenuus Vindex. Erat justus, patiens, prudens, fortis, clemens, constans. Tum in bello, tum in pacis tractandæ negotio primam illi Religionis purioris fuisse curam acta perspicue docent. Inter arma non neglixisse literas, testis Academia, in medio armorum strepitu Cassellis condita, & ad mortem usque conservata“ (die kurzlebige Universität Kassel als Ersatz für das zwischenzeitlich an Hessen-Darmstadt verlorene Marburg). „[…] Tam præclara Constantiæ documenta nobis reliquit, ut CONSTANTIS titulo posteritati non immerito commendetur. Nec ullis blandimentis, nec ullis minis, nec damnis periculisve ullis a Religionis sincerioris tuendæ, a fidei Fœderatis servandæ, a publicæ Libertatis retinendæ, studio dimoveri potuit. Cum ex GUNTERODIO [Hans Heinrich v. Günderode (1596–1650), Hofmarschall], suo ad Saxonem legato, domum reduce facto, intelligeret, se speciali recessu a pace Pragensi exclusum esse: nonnihil quidem commovebatur, mox tamen, seipsum recolligens, dicebat: innocenti quidem mihi hoc accidit, & arma contra voluntatem meam gerenti; quidquid tamen Deo placet, idem mihi quoque placere debet; & paulo post: crediderim, si pace fuissem comprehensus, me fortasse cum multis, quod rectum non est, approbasse, nunc persuasissimum habeo, me Deo charum esse, quippe qui me excludi permisit, ne peccarem. Sæpe detestabatur pacis justæ, æquæ & universalis impedimenta, inter quæ Principum privata commoda primum agmen ducere, non sine justo dolore pronunciabat. Non semel ex eo vox illa audita est: utinam mea mihi salva essent! Ex omnibus occupatis terris ne culmum quidem peterem, mihique vindicarem. Tertio ante mortem [463] die, cum se solum in conclavi esse putaret, finitis precibus, Deo votum ponebat, si vita ipsi concederetur, se quieturum non esse, priusquam subditis pacem reddidisset. Haec MSS.“ (Joh. Adolphi Hartmanni ... Historia Hassiaca, auditorum usibus in compendium redacta, ejusque pars secunda, historiam Hassiæ ab anno MDLXVII ad … annum MDCL. complexa. (Marburg 1742), 461–463 (HAB: Gm 2248). Daß Epicedien und überhaupt Gelegenheitsdichtungen auf Wilhelm V. weitgehend fehlen, bestätigen Jörg Jochen Berns, Miriam Fischer: Casualgedichte für einige
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Landgrafen von Hessen-Kassel. In: Erdengötter. Fürst und Hofstaat in der Frühen Neuzeit im Spiegel von Marburger Bibliotheks- und Archivbeständen. Ein Katalog ... hg. J. J. Berns, Frank Druffner, Ulrich Schütte, Brigitte Walbe. Marburg 1997, 500–542, 506f. u. 509.

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