K
Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen (AL 1629. PA. TG 38), zweite Gemahlin F.
Ludwigs.
Pzn. Anna Sophia v. Anhalt-Bernburg (1604–1640; AL 1617[?]. PA. TG 19);
fünfte Tochter F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) und Schwester F.
Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51). Die Geschwister verband ein
inniges Verhältnis und eine regelmäßige Korrespondenz. Anna Sophia starb
unvermählt, vgl. 400902. Nach der Erstürmung und Plünderung des Bernburger
Schlosses am 11. 3. 1636 (vgl. 360428 nebst Beilagen) hatte F. Christian II.
seine Gemahlin Eleonora Sophia (TG 39) und die drei Kinder (Erdmann Gideon,
Victor Amadeus [FG 589. 1652] u. Eleonora Hedwig) in Ahrensbök und Plön, den
Schlössern seines Schwagers Hz. Joachim Ernst v.
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön (FG 101), in Sicherheit gebracht. Er
besuchte sie dort erst im Juni und Juli 1637 und führte sie darauf nach
Anhalt zurück. Seine Schwester Anna Sophia war zuvor in Köthen
zurückgelassen, die anderen Schwestern bei der Ältesten, Hzn. Eleonora Maria
v. Mecklenburg-Güstrow (AL 1617. TG 17), in Güstrow untergebracht worden. Zu
den Schwestern vgl. 300330 K 3, 340107 K 6, 360428 K II 6. In der Folgezeit
hielt sich Anna Sophia überwiegend am Köthener Hof des Onkels Ludwig auf.
Vgl. 360428 K II 21;
Christian: Tageb. XIV, Bl. 11v, 119v, 165r,
188r, 196v, 199r, 363r, 468v, 471r, 472r u. ö.; vgl. auch Anm. 5 und 360703
[Johann v. Mario (FG 100) an Friedrich v. Schilling (FG 21)]: „[...] daß die
anderen Fürstlichen Frawelein einige in Holstein, einige in Mechelburg
vertheilt sollen sein.“ Am 13. 9. 1636 erkrankte Pzn. Anna Sophia während
eines Besuches in Bernburg „jusqu’a la mort“ (a. a. O., 199r). Als Christian
II. am 20. 2. 1638 erfuhr, wie sehr Anna Sophia am Stein litt, notierte er:
„Gott lindere doch einmahl diese vndt alle andere
calamiteten vnsers
bedrengten Fürstl. hauses, vndt tilge alle vnsere gebrechen, nach seiner gr.
Barmhertzigkeitt.“ (559v). Am 15. 6. 1638 schrieb er ihr nach Köthen und
sandte „
remedia pro calculo“ (612r), da sie erneut sehr erkrankt war (vgl.
617r). Vgl. K I; ferner 231206, 240301, 260500, 260703, 270810, 300320 I,
310108 II, 320626 u. ö., bes. 380504 sowie
Conermann TG, 614 u. Anm.
129ff.
Weddegast,
Dorf und fl. Vorwerk (Gemeinde Poley), unweit Kl.
Paschleben, im köthnischen Amt Nienburg, zwischen Bernburg und Köthen
gelegen.
Beckmann III, 391, 427 u. 458;
Ritter: Lexicon 9 II,
1225. Das Treffen dort scheint am verabredeten Termin des übernächsten Tages
nicht stattgefunden zu haben. S. Anm. 5.
Nachdem F. Christian II. im Frühjahr 1636 seine Familie aus dem erstürmten
und geplünderten Schloß Bernburg evakuiert hatte (s. Anm. 2) und selbst am
21. 5. 1636 nach Bernburg zurückgekehrt war, entfloh er der desolaten Lage
in Bernburg, besuchte die
hzl. Vettern in Weimar (30. 5. – 20.
6. und 27. 9. – 11. 10. 1636) und wanderte vorwiegend im Süddeutschen hin
und her. Auf die Unbeugsamkeit seines Tugendwillens im Jahre 1636 könnte die
abgebildete Schaumünze aus diesem Jahr hinweisen (s. Abb. S. 148). Vor allem
suchte er durch mehrfache längere Aufenthalte in Regensburg, wo sich Ks.
Ferdinand II. aus Anlaß des zusammengetretenen Kurfürstentages aufhielt, und
in Wien Recht und Genugtuung für den von kursächs. Truppen verübten „sacco
di Bernburg“ zu erlangen (Regensburg: 15. 7. – 3. 8. 1636, 7. 11. 1636 – 11.
1. 1637; Wien: 27. 3. – 22. 4. 1637). Erfolge dieser Reisen waren eher auf
der symbolischen Ebene der fl.-anhalt. Repräsentation zu verbuchen;
politische Ergebnisse oder gar finanzielle Entschädigungen blieben
weitgehend aus. Vgl. auch 371009 K 0. Die Rückreise von Wien führte
Christian durch gefährdetes Terrain Böhmens und Meißens nach Altenburg, Jena
und Weimar. Zwischen Weimar und Heldrungen wurde Christians Reisetroß am 10.
5. 1637 überfallen; er verlor Geld, Schmuck und andere Kleinodien wie
goldene Gnadenpfennige, silberne Eßbestecke und sein kostbares Siegel, dazu
Ausrüstung, Papiere, seine Pferde und die gerade erworbenen ksl.
Schutzpatente. Tags darauf, am 11. 5. 1637, schrieb er Hz. Wilhelm IV. v.
Sachsen-Weimar (FG 5) aus Heldrungen: „[...] wie vbel ich gestern mit meiner
reyse angelaufen, vndt in waß vor schimpf vndt schaden ich zugleich gehezet
worden, werden E. G. von dero selbst eigenen Leutten, vndt
convoy vernehmen
können. [...] Hette ich noch ein [
d. i. ungefähr; s. 380110 K 6] 15
oder 20 Musketirer bey mir gehabtt, so hette man sich beßer als geschehen
wehren können. Habe numehr weder Heller noch R. [
Reichstaler] bey
mir, vndt es thut mir der Schimpf, (deßen ich vielleichtt noch mehr gewarten
muß) eben so wehe, als der große schade, so ich zumahl bey itzigem meinem
zustandte erdulden muß.“ (Thüring. HSTA Weimar: Fl. Hausarchiv A 309, Bl.
1rv). Christians Tagebuch teilt Genaueres mit: „Vnsere
convoy hielt sich
schlecht, war auch starck vbermannet, also daß es schiene daß die räuber wol
vier mahl fast stärcker wehren als wir. Der ChurS. Ob. L. Gaul sprach ihnen
zu, sich zu bedencken, vndt sagte ihnen wer ich wehre, auch daß ich einen
kayl. paß bey mir hette, kähme auch vom kayl. hoffe, es half aber alles
nichts. Darvber wardt ich, vndt mein Cam
merJuncker [Carl Heinrich v.]
Nostitz [FG 360. 1641], wie auch mein page Sanderßleben [s. u.], vndt der
Kam
merdiener Tobias Steffeck [v. Kollodey] inn- und vor der
Kutsche vberfallen vndt desvalisirt, da ich dann ein 1000 Thlr. werth, an
geldt vndt geldes werth, also verlohren“. Auch gegen den Fürsten ging die
Rotte hart vor, zog ihm mit Gewalt die Ringe von den Fingern, bei
entsicherten Pistolen und gezogenen Degen. Seine Leute wurden herumgestoßen,
entkleidet, durchsucht, fast hätte man sie „ermordet [...] Die Felleisen [d.
h. Ranzen, Satteltaschen] giengen mitt allem Heyl hinweg, vndt thut mir
solcher vngewöhnlicher, vnerhörter Schimpf vndt schaden, sehr wehe. Gott
wolle ihn
resarciren anderwerts.“ Auch seine Leute hatten viel verloren,
„vndt ist mir solcher poße noch nie wiederfahren.“ Am 13. 5. 1637 über
Sangershausen und Eisleben nach Bernburg zurückgelangt, hatte Christian
„also Gott zu dancken, daß ich noch mitt gantzer hautt, vndter solchen
vnordnungen, darvon kommen bin“ (
Christian: Tageb. XIV, Bl. 421v
ff.). Der Überfall war auch dem
Theatrum europaeum, 3. Teil (2. Aufl.
Frankfurt a. M. 1644), S. 796 (HAB: Ge 4° 54), eine Mitteilung wert. Vgl.
ferner
Beckmann V, 363ff. und eine Schadensaufstellung zu diesem
Überfall in ThHSTA Weimar: Fl. Hausarchiv A 309, Bl. 3rv u.
KU IV.1,
169f. Sie zählt unter den geraubten Sachen fernerhin auf: „Eine Deutsche
Bibel in
Octavo, in weiß Pergament gebunden, verguldten Blettern, Zu Leiden
gedruckt, welche der Ritter Johann Philipps Geuder [s. Anm. 6],
hochgedachtem vnserm gnädigen Fürsten vndt Herrn verehret, vndt sich
Lateinisch auffs erste Blat geschrieben“; ein Stammbuch des Kammerjunkers v.
Nostitz (s. o., vgl. 360630 u. I u. III) mit Eintrag und Wappenzeichnung F.
Christians und Einträgen „viel Herren vnd
Cavaglieri mehr, auß Deutschlandt
vndt Franckreich“; schließlich das Reisetagebuch F. Christians selbst, mit
den Aufzeichnungen der Reise von Wien bis zum Überfall, u. a. m. — Kaum in
Bernburg zurück, hat sich am Nachmittag des 14. 5. ein weiteres „großes
vnglück zugetragen, in dem mein
Cam
merpage, Julius
Adrian von Sandersleben, in der Sahle gebadet, vndt leyder darinnen
ertruncken. Jch beklage ihn, vmb so viel desto mehr, dieweil er mir numehr
ein Jahr hero sehr wol aufgewartett, hurtig, treẅ, vndt
fleißig gewesen, vndt vber alle maßen behertztt, vndt tapfer, auch sonsten
fromb, vndt gehorsam. [...] Er war ohngefehr ein 17 in 18 Jahr alltt,
zimlich erwachßen, vndt geneigt zu aller Tugendt, vndt Ehr, so viel ich
vermercken können. Solche
citationes kommen mir sehr verdächtig vor, Gott
wolle doch einmahl seine Zornsruhte inß Feẅer werffen.
Amen.“ (
Christian: Tageb. XIV, 423r). „Man sagt, ein gespenst der
Nickardt genandt, soll den Schanderßleben hinein in den grundt deß waßers
gezogen haben, Er hat sonst schwim
men können, ist auch gewarnet
worden, sich wol vorzusehen, hatt aber zu seinem vnglück zu geeilett, vndt
mag villeicht auch sonsten in den wirbel also kommen sein. Die bürger sagen
auch, es habe sich derselbige Nickardt, wie ein Mann, gestern auf der Sahle
sehen laßen, vndt es pfleget alle iahr alda iemandt zu ertrincken. Er der
Page ist zwar heutte, vndt diese tage vber, allezeitt gar lustig gewesen,
aber ich habe doch gestern vndt heutte die farbe in seinem angesichtt, sehr
verendert gesehen, vndt diese Nachtt hat er auch, (wie mich der
Kam
merdiener berichtett) in lautter vnruhe zugebrachtt [...] vndt
hatt immer vber hitze geklagt, auch sich gestern vndt heutte, im
mer
nach dem kalten bade gesehnett.“ (423v; vgl. 424r). Seine Beerdigung fand
unter großer Anteilnahme am 15. 5. statt. Man habe beobachtet, daß er „sich
dann sehr im waßer gewehret, geruffen, vndt in die höhe gestoßen soll haben,
ab
er man hat ihm so baldt nicht können zu hülfe kom
men.
Gott wolle doch, daß er sehlig gestorben seye.“ (424r). Zur deprimierenden
Lage F. Christians und des Bernburger Hauses trug in dieser Zeit auch die
zugespitzte Situation in Güstrow bei, wo Christians verwitwete älteste
Schwester Eleonora Maria (s. Anm. 2) Pressionen durch den lutherischen
Schwager Hz. Adolph Friedrich I. v. Mecklenburg-Schwerin (FG 175) ausgesetzt
war. S. 371009 K 0. Hinzu kamen ständige Raubüberfälle durch marodierende
Soldatesca, die Anhalt unsicher machten: „vndt müssen [wir] also, stehtigem
vnfriede, vndt alarm vndterworfen sein“ (
Christian: Tageb. XIV,
426r). Vgl. dazu Anm. 5.
Am 15. 5. 1637 erhielt F. Christian II. Post von seiner Schwester Anna
Sophia (s. Anm. 2) aus Köthen. Tags darauf, am 16. 5. 1637, begab er sich
nach Plötzkau zu F. August (FG 46) und dessen Familie, in der er auf
willkommene Aufnahme und „große
condolentz mitt meinem Zustandt“ traf
(
Christian: Tageb. XIV, Bl. 424v). Am 17. 5. 1637 kehrte er wieder
nach Bernburg zurück, wo er ein weiteres Schreiben Anna Sophias vorfand. Er
beantwortete es und setzte zugleich den vorliegenden Brief an F. Ludwig auf.
Zu dem hierin avisierten Zusammentreffen am 19. 5. kam es aber nicht.
Christian scheint an diesem Tag in Bernburg geblieben zu sein (vgl.
Christian: Tageb. XIV, 426v f.), und auch F. Ludwig verharrte in
Köthen. Am 18. 5. teilte F. Johann Casimir v. Anhalt-Dessau (FG 10) nämlich
seinen Oheimen Ludwig und August v. Anhalt-Plötzkau mit, daß der
(umgängliche) kursächsische Generalfeldwachtmeister Dam Vitzthum v. Eckstädt
(FG 312, vgl. 371220 I), den F. Ludwig am 27. 7. 1637 in Köthen in die FG
aufnehmen wird (vgl. 371221 K 6), in Zerbst eine (bald auch gesandte)
Leibkompanie einquartieren wollte (Vitzthums Schreiben v. 16./17. 5. 1637 an
F. Johann Casimir) und daß am Vortage (nicht identifizierte) Verbände
„hinauf ins Fürstenthumb gangen (dahero dann E. Fürst Ludwigs Lbd. sich
sonderlich wohl in acht Zu nehmen haben)“ (
KU IV.1, 355). Am 20. 5.
treffen wir F. Christian erneut in Plötzkau an, folgenden Tags ist er schon
wieder in Bernburg (
Christian: Tageb. XIV, 424v ff.). Erst am 23. 5.
gelangte Christian — nicht ohne Schwierigkeiten — nach Köthen, wo er „bey
dem herren vetter Fürst Ludwig, vndt seiner gemahlin, wie auch Schwester
Annen Sophien gar willkomb gewesen“ (429v). Die nächsten drei Tage blieb er
dort und verbrachte die Zeit mit „
Discours, Pourmenades in die schönen
gärten mitt dem herrenvetter, vndt den
Dames“, mit gemeinsamem Kirchgang
(24. bzw. 25. 5.; 430r) und allerlei Gesprächen, auch vertraulichen
(„confidenter“), mit F. Ludwig, mit „Christof Mahler“ [Ch. Rieck(e)], dem
kranken Hofmeister Friedrich v. Schilling (FG 21; vgl. 371027) sowie mit
Spielen und Spaziergängen (430r ff.) Am
27. 5. brach Christian
nach Bernburg auf, bis zur Domäne Weddegast eskortiert von F. Ludwig und
köthnischem Adel (431r). Das dringlichste Thema in den Unterredungen, noch
vor der gerade ausgestandenen Reise F. Christians (s. Anm. 4), dürfte die
Beteiligung des besetzten und bedrückten bernburgischen Anteils an der vom
kursächsischen Obristen Zehmen (vgl. 380608A K 7) verlangten anhaltischen
Kontribution gewesen sein. Vgl. Christians abwehrende Argumentation im Brief
an seinen Oheim August vom 29. 5.: „Nun ist Reichskundig, das kein ortt im
gantzen Fürstenthumb durch den Krieg so übell mitgenommen worden, Alß vnser
Fürstl. Antheil, Jnsonderheit aber Ambt vndt Stadt Bernburgk, Es haben Zu 4
vnterschiedenen mahlen 4 starcke Armeen daselbst gelegen, vndt alles Zu
grunde ruinirt, 14 gantzer Wochen vber haben Zwey Regimenter Schwedische in
der Stadt Bernburgk logiret, Jm Schloß seindt ChurSachsische, in der Stadt
aber Schwedische Völcker in besatzung gewesen, so hostiliteten gegen
einander verübet, Unsere Stadt Bernburgk nebst dem Berge [hochgelegener
Stadtteil Bernburgs] ist Zu vnterschiedenen mahlen außgeplündert, welches
alles gleichwohl keinem andern ortte wiederfahren.“ (
KU IV.1, 168).
Am 27. 5. brachte der aus Mecklenburg zurückgekehrte anhaltinische Gesamtrat
Martinus Milagius (FG 315, s. 371220 I) gute Nachrichten in der Güstrower
Erb- und Vormundschaftssache mit. Vgl. schon
KU IV.1, 161 [Brief
Heinrichs v. Börstel (FG 78) v. 25. 5.] und 371009 K 0.
Hans Philipp (v.) Geuder (v.
Heroldsberg gen. Rabensteiner); FG 310. 1637. S. auch 371220 I. Geuder hatte
Kg. Gustav II. Adolf v. Schweden als Kriegsrat und Kommissar im Fränkischen
Kreis gedient. Da sein aus dem Nürnberger Patriziat stammender Vater Jacob
(1575–1616) 1611 sein Bürgerrecht aufgab, sich in der fränkischen
Reichritterschaft immatrikulieren ließ, 1613 zum reformierten Bekenntnis
übertrat und kurpfälzischer Rat und Landrichter zu Amberg unter F. Christian
I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) wurde, war der spätere Lebensweg Hans Philipps
(1597–1650) im Reformiertentum und in anhaltischen und
reichsritterschaftlichen Funktionen vorgezeichnet. Auf seinen Schlössern
Heroldsberg und Neunhof nahe Nürnberg bot er den Reformierten Nürnbergs und
der Nachbarschaft, darunter vielen Exulanten, Gottesdienst und Abendmahl.
Erst 1648 beugte sich die Stadt, die in der Pfarrkirche zu Heroldsberg ihr
Patronatsrecht behauptete, dem Faktum eines quasi-öffentlichen
Privatgottesdienstes. Vom Anfang der 20er Jahre an bis 1626 hatte Hans
Philipp Geuder Gf. Wolfgang Ernst v. Löwenstein-Wertheim als Ritterrat
gedient, vertrat 1628 als Gesandter der fränkischen Reichsritterschaft deren
bedrohte Rechte, auch das der Religionsfreiheit, vor dem Kaiser (seine
„legation ad aulam caesaream ao. 1628“ im STA Nürnberg: Archiv der
Geuder-Rabensteiner, Nr. 1282). Seit 1631 vertrat er seine Standesgenossen
im schwedischen Consilium formatum, wiederum um Reichsfreiheit, religiöse
Selbstbestimmung und Erleichterung der Kontributions- und
Einquartierungslasten bemüht. 1635 gab er sein Amt als schwedischer
Oberkommissar des Fränkischen Kreises auf, betonte seine Reichstreue und die
Interessengemeinschaft von Kaisertum und Reichsritterschaft. In deren
Diensten stieg er vom Rat und Hauptmann des ritterschaftlichen Orts Gebürg
zum Direktor des reichsritterschaftlichen Corpus der drei Kreise Franken,
Schwaben und am Rheinstrom auf. Nach Abschluß des Prager Friedens im Mai
1635 trat Geuder als Rat und Hofmeister in den Dienst F. Christians II., des
Sohns des kurpfälzischen Amberger Statthalters F. Christian I. (s. o.). Für
Christian II. bewies Geuder v. a. auf der Reise des Fürsten nach Regensburg
und Süddeutschland 1636/37 (s. Anm. 4) und danach als Agent in Nürnberg
seine Treue. Vgl. auch Geuders Brief an Christian, „Heroltzberg den
14t
en Novemb. Ao. 1643“, in dem er F. Christian auf vertrautem
Fuße zur Geburt des Sohnes Ferdinand Christian (23. 8. 1643 – 14. 3. 1645)
gratuliert und über die Betreibung seiner politischen und finanziellen
Aufträge berichtet. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 10 Nr. 26
4 (1 Bl.,
Akte unfoliiert). Später soll er lt. Beckmann zusätzlich die Funktion eines
kurbrandenburg. Rats (von Haus aus) wahrgenommen haben. Vgl. allgemein
Beckmann VII, 227f.;
Conermann III, 350ff.;
Engerisser, 208; Johann Gottfried Biedermann: Ge-
schlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg.
Bayreuth 1748, Ndr. Neustadt a. d. Aisch (1988), Tab. LII–LIII; (Heinz
Zirnbauer:) Die Geuder von Heroldsberg. Aus der Geschichte einer Nürnberger
Patrizierfamilie. Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg 48
(1965), Nr. 105 u. 122 (Aufzeichnungen v. 1614 u. 1615 über G.s Reisen) u.
121ff.; Ewald Glückert: Schloß Neunhof bei Lauf als Gottesdienststätte
reformierter Glaubensflüchtlinge. In: Frankenland 38 (1986), 311–316; Georg
Kuhr: Ritterschaftliches Pfarrerbuch Franken. Neustadt a. d. Aisch 1979, s.
v. Geuder; Hans Neidiger: Die Entstehung der evangelisch-reformierten
Gemeinde in Nürnberg als rechtsgeschichtliches Problem. In: Mitteilungen d.
Vereins f. Geschichte der Stadt Nürnberg 43 (1952), 225–340; Matthias Simon:
Evangelische Kirchengeschichte Bayerns. 2 Bde. München 1942, I, 363; II
490f. (zum Pietismus der von Geuder in Heroldsberg um 1700); Andreas
Wachter: Die Geuder v. Heroldsberg im 17. u. 18. Jh. Mag.-Arb. U.
Erlangen-Nürnberg 1993; ders.: Geschichte der Reformierten in Bayern von
ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Nürnberg 1994, 10f. (nur knapp). — Die
Tagebucheinträge F. Christians II. unterrichten ausführlich über Geuder.
Während Christians Aufenthalten in Nürnberg im Juli und Oktober 1636 traf er
verschiedentlich mit Geuder zusammen (
Christian: Tageb. XIV, Bl.
144r, 151v, 154r, 228vf.), der ihn dann am 5./ 15. 11. in Hilpoltstein zu
seinem zweiten längeren Aufenthalt in Regensburg 1636 (vgl. Anm. 4) abholte.
Dort betrieb Christian seine verschiedenen Angelegenheiten beim Kaiser und
bei den (u. a. zur römischen Königswahl Ehz. Ferdinands) versammelten
Kurfürsten mit Unterstützung Geuders („mein itziger Hofmeister“, Eintrag vom
18./ 28. 11. 1636; a. a. O., 244r), den Christian an die kfl. Vertretungen
von Bayern, Brandenburg, Köln und Mainz schickte (233rf., 238v, 244r, 253r,
256rf., 271r, 280v, 286r u. ö.). Unter dem Datum des 16./ 26. 11. 1636
erfahren wir erstmals vom Wunsch, Geuder zum Ritter schlagen zu lassen
(284r, vgl. 288v). Dem schienen sich Widerstände entgegenzustellen, wie
Christian am 17./ 27. 12. 1636 in der ksl. Anticamera hintertragen wurde:
„Geyder wehre ein
patritius von Nürnberg, würde solch
er gestaltt,
[der Ritterschlag] nicht angehen. Jch beantwortet es also, Er hette zwar in
Nürnberg gewohnet, wie andere mehr vom Adel, wehre aber nicht ein
patritius denn vor zeitten vmb der vnsicherheitt willen, wie auch
noch, viel vom adel vom Lande, sich in die Städte
retiriren müßen. So wehre
er auch in der Fränckischen Ritterschaft, ein Mittgliedt vndt ihr
abgeordneter [...].“ (288vf.) Tags darauf aber hat sich Geuder „vndter die
iehnigen, so da sollen zu Rittern geschlagen werden, beym ReichsMarschalck,
auch müßen enrolliren laßen“ (291r). Vgl. zu Gf. u. Herr Maximilian v.
Pappenheim, Lgf. v. Stühlingen (1580–1639), der vom Calvinismus zum
Luthertum gewechselt und seit 1607 Reichserbmarschall war, als solcher
offenbar auch verantwortlich für die formale und logistische Organisation
des Regensburger Kurfürstentages 1636/37, Hans Schwackenhofer: Die
Reichserbmarschälle, Grafen und Herren von und zu Pappenheim. Zur Geschichte
eines Reichministerialengeschlechtes. Treuchtlingen u. Berlin 2002, S.
164ff., T. VI und Abb. 25. Die ksl. Gunst trug Christian und seinem
Hofmeister zwar Neid und Mißgunst ein (21./ 31. 12. 1636; Bl. 299v), am 20.
12./ 3. 1. 1637 aber wurden 18 Personen vom römischen Kg. Ferdinand, dem
baldigen Ks. Ferdinand III., in Regensburg zum Ritter geschlagen, unter
ihnen — auf Christians Interzession hin — Geuder (Bl. 297v; vgl. 305r,
Eintrag vom 24. 12. 1636: „Johann Philips Geuder, mein Raht, hofmeister,
auch der freyen Fränckischen Ritterschafft abgeordneter.“). Bei einem
Zwischenaufenthalt in Eger resümierte Christian am 24. 1./ 3. 2. 1637 die
Ergebnisse seiner Reise zum Kaiser nach Regensburg. Unter den 13
Erfolgspunkten, die Christian mit den „
13. labeurs d’Hercules“ vergleicht,
rangiert auch das gewonnene Ansehen beim römischen König, dem künftigen
Kaiser, „
il a fait mon maistre d’hostel, Chevallier“ (343v). Sogar das
Theatrum europaeum, 3. Tl. (1644), 745f. (HAB: Ge 4° 54) vermeldet
zum Regensburger Wahltag auch die „Namen deren/ so zu Rittern geschlagen
worden“; an 17. Stelle erscheint „Johann Philips Geuder“. Am 24./ 25. 5.
1637 bezeugte Christian die Anwesenheit einiger FG-
Mitglieder
in Köthen (s. Anm. 5): Caspar Ernst (v.) Knoch (FG 33), Cuno Hartwig v. dem
Werder (FG 164), Wolf (v.) Schlegel (FG 72) (?), Hans Ernst v. Freyberg (FG
140) (?) (430r). Möglicherweise hat es ein Gesellschaftertreffen in solcher
kleinen Runde gegeben, die am 25. 5. die Aufnahme Geuders in die FG vornahm:
„Mein Raht vndt hofmr. Geuder, ist in die fruchtbringende Gesellschaft (zwar
absens) mitt eingenom
men worden. Sein Nahme ist: Der ergäntzende,
sein Krautt: Sanickell, sein wortt: waß verwundett.“ (430v). Der wohl nicht
erhaltene Brief, den F. Christian am 26. 5. an Geuder schrieb, dürfte auch
die Nachricht von der erfolgten FG-Aufnahme beinhaltet haben (
Christian:
Tageb. XIV, 430v). Zu Geuder s. auch 371027, 371106, 371112 u. I,
371116, 371120, 371123, 371208A, 371209, 371219, 371221, 371221A, 371223,
371224, 380108, 380110, 380120, 380310, 380312, 380331, 380410, 380606 u.
380609.
K I Das Gedicht könnte im Zusammenhang mit einer „ODE TROCHAICA“
entstanden sein, die Rist unter dem Eindruck eines Zusammentreffens mit F.
Ludwigs hochbegabter Nichte Pzn. Anna Sophia v. Anhalt-Bernburg (AL 1617
(?). PA. TG 19) verfaßte: „An die Durchleuchtige/ Hochgebohrne Fürstin vnd
Fräwlein/ Fräwlein Anna Sophia/ Fürstiñe zu Anhalt ... Vber
etliche mit jhrer Fürstl. Gnaden gehaltenen Gesprechen vnd vnterredungen/
etc.“ (a. a. O., Bl. D r – D iiij r). Wann und wo diese Gespräche
stattfanden und Rist in die Gegenwart F. Ludwigs gelangte, ist nur ungefähr
zu bestimmen. Da Rists erste Gedichtsammlung
Musa Teutonica (Hamburg
1634), die er in Heide am 1. 4. 1634 dem holstein-schaumburg. Drosten Ernst
v. Wietersheim (FG 279. 1636) und einigen anderen Notabeln widmete, die
beiden Gedichte noch nicht enthält, dürften sie im Zeitraum 1634/37
entstanden sein, denn sie erschienen zuerst in Rists Sammlung
Poetischer
Lust-Garten, welche Rist am 31. 12. 1637 dem bfl.-lübischen Großvogt
und Domherrn Gabriel v. Wietersheim (FG 285. 1636) und anderen widmete.
Rist, der 1635 mit dem Pastorat in Wedel betraut wurde, könnte F. Ludwig auf
dessen norddeutscher Reise Oktober 1636 – Januar 1637 in Hamburg oder in der
Umgebung (z. B. Pinneberg, Eutin, Lübeck, Plön, Ahrensbök u. Rethwisch)
getroffen haben, als auch die Wietersheim, Christian, Detlev und Paul v.
Rantzau (FG 278, 280 u. 291. 1636), Gf. Christian (v.) Pentz (FG 281. 1636),
Bf. Hans v. Lübeck, Hz. v. Schleswig-Holstein (FG 286. 1636) und andere in
die FG aufgenommen wurden (s.
Conermannn III, 311ff.). Da Pzn. Anna
Sophia sich überwiegend am Köthener Hof des Onkels Ludwig aufhielt, konnte
sie F. Ludwig nach Hamburg und Holstein begleiten. Eine Bestätigung dieser
Annahme ließ sich anhand der verfügbaren biographischen Daten allerdings
nicht erbringen. Am 21. 1. 1637 erwartete Frh. Enno Wilhelm v. Innhausen u.
Knyphausen (FG 238) Nachrichten von der Ankunft F. Ludwigs in Köthen und
machte Mitteilung, daß Gf. Otto V. v. Holstein-Schaumburg (FG 198) am 20.
Januar aus Hamburg nach Bückeburg abgefahren sei. Damit sind Zeitpunkt und
Gegend des Zusammentreffens des Fürsten und seiner Nichte mit Rist ungefähr
eingegrenzt. Zu dem Kreis der damals in und bei Hamburg weilenden
Fruchtbringer, die F. Ludwig wohl auf seiner Reise traf, ist neben den
Genannten auch Frh. Philipp Wilhelm v. Innhausen und Knyphausen (FG 241) zu
erwähnen (vgl. 370715, 370729 u. 370805). Als F. Christian II. v.
Anhalt-Bernburg (FG 51) ein halbes Jahr später mehrfach in Hamburg Station
machte (s. K 2), besuchte er diesen in Altona (20. 7. 1637;
Christian:
Tageb. XIV, Bl. 460v), traf auch wiederholt mit dessen Vetter Enno
Wilhelm zusammen, dem Obristen der Hamburger Garnison, schwed. Kriegsrat (s.
370715 K) und Agenten F. Ludwigs. Christians norddeutsche Reise führte ihn
wie seinen Oheim auch nach Güstrow zu den oben genannten Schwestern. Über
den Leibarzt Hzn. Eleonora Marias, Angelo Sala (FG 160), hat Rist in seiner
Gedichtsammlung auch ein Ehrengedicht veröffentlicht: „Vber die vortrefliche
vnd sehr nutzbahre Artzneybücher/ welche der Hochgelahrter vnd
weitberühmbter
Chy-
micus Angelus Sala von
Vincentz Fürstl.
Mecklenburgischer Hoff- vnd LeibArtz
[sic]/ nun eine zeitlang hat
hervor gegeben.“ S. 371009 III. Rists früheres Studium im nahen Rostock und
sein starkes Interesse an den Naturwissenschaften verlangen allerdings kaum,
daß wir hinter dem Poem mehr als eine Buchbekanntschaft vermuten. F. Ludwig
könnte er dagegen aus einem konkreten Anlaß getroffen haben, denn dessen
Besuch im Norden galt auch der Durchführung der Huldigung für sein Mündel,
den Grafen Otto V. v. Holstein-Schaumburg. Dazu verfaßte Rist sein
Gelegenheitsgedicht
An den Hoch- vnd Wolgebohrnen
Graffen vnd Herren/ Herren Otten/ Graffen zu Holstein/ Schaumburg vnd Sternberg/
Herren zu Gehmen vnnd Bergen/ Als jhre Hoch-Gräffliche Gnade in deroselben Graff-
schafft Holstein die Hüldigung von jren getrewen Vnterthanen hatte angenom̃en / wel-
ches geschehen den 8. Tag Novembris/ im Jahr 1636. (Bl. L iiij r – [L vij]r). In:
Poetischer
Lust-Garten (s. Beil. I Q). In dem Gedicht heißt es u. a.:
Dieß wil nun nöhtig seyn/ diß wil sich jetzt geziemen/
Daß wir die grosse Zucht vnd Edle Tugend rühmen/
Die Tugend so an euch der Fürsten Schaar beliebt
Wovon Fürst Ludowig ein trefligs Zeugniß gibt/
Anhalt der thewre Fürst/ den alle Welt muß preisen
So weit die liechte Sonn’ am Himmel pflegt zu reisen/
So weit auch als der Mond sich legt zu ruhen hin/
Weil seine Weißheit geht fast über Menschen Siñ.
Nun dieser tapffrer Fürst’ hat euch zū Freund’ erkohrē
Als’ einem der dem Neid zum Trotz’ allein gebohren/
[...]. (Bl. L v v)