K Der knappe Eintrag in
Christian: Tageb. dokumentiert die
persönliche Verbindung und den Bücheraustausch zwischen F. Christian II. v.
Anhalt-Bernburg (FG 51) und Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG
227), zweier FG-Mitglieder, die beide intensiv gelehrte und literarische
Interessen pflegten. Vgl. zum Bücherverkehr innerhalb der FG 371112 K 1. Stellt
man Christians Tagebuch-Eintrag in den Kontext jener Nachrichten, die F. Christian
zu seinen einige Wochen zuvor erfolgten Besuchen am Hofe des Welfen in
Braunschweig notierte, sowie jener Hinweise, die er wenig später zur Ordnung
seiner eigenen Büchersammlung festhielt, erweitert sich die Bedeutung der
Tagebuch-Stelle als Ausweis literarisch-gelehrter Korrespondenzzusammenhänge um
buch- und bibliotheksgeschichtliche Aspekte.
Das in Anm. 3
genannte Buchgeschenk Hz. Augusts d. J. folgte auf die Besuche F. Christians
II. in Braunschweig im Frühjahr und Sommer 1637. Vgl. für das folgende
Christian: Tageb. XIV, Bl. 438r–466v: Am 3. Juni war F.
Christian von Bernburg aufgebrochen, um seine nach der verheerenden Erstürmung
des Bernburger Schlosses durch kursächsische Truppen am 11. 3. 1636 in die
holsteinische Heimat seiner Gemahlin Eleonora Sophia (TG 39) exilierte Familie
(vgl. 370517 K) in Plön abzuholen und um nicht näher angegebene Gesundheits-
und Finanzangelegenheiten in Hamburg (vgl. auch 370722) zu erledigen. Diese
Reise hatte ihn über Helmstedt am 4. Juni auch nach Braunschweig geführt. Er
schrieb unter diesem Datum in seinem Tagebuch (a. a. O., Bl. 438r): „Abends
nach Hof, nach beschehener jnvitation alda Hertzogk Augustus von Braunschweig
vndt Lünenb. nebst Sr. Ld. gemahlin, mich gar wol tractirt.
Il a 58 ans, elle
22. belle fille de ma soeur la Duchesse de Meckl. Il est en credit a la cour
Imperiale, & par l’accession de ceste Duchè, il s’est acquis beaucoup
d’authoritè.“ Hz. August war 1635 in unerwarteter Erbschaft das Ft.
Wolfenbüttel zugefallen. Aufgrund der anhaltenden ksl. Besetzung der Festung
Wolfenbüttel hatte sich der Herzog mit seiner Gemahlin in dritter Ehe, Sophia
Elisabeth, geb. Herzogin v. Mecklenburg-Güstrow (AL 1629. TG 42b; vgl. 340107)
und als solche Stieftochter von Christians Schwester Eleonora Maria (AL 1617.
TG 17), bis 1643/44 in Braunschweig niederlassen müssen. Als Landesherr des
welfischen Teilft.s Wolfenbüttel war Hz. August zum regierenden Reichsfürsten,
und als Senior des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg zum Kodirektor des
Niedersächsischen Kreises und Mitglied der Reichsdeputation aufgestiegen. —
Tags darauf, am 5. 6., setzte Christian seine Reise fort. Sie führte ihn über
Celle, Uelzen, Lüneburg und Winsen nach Hamburg (8. 6.). Über Rethwisch (in
Stormarn), wo ihn sein Schwager Hz. Joachim Ernst v.
Schleswig-Holstein-Sonderburg zu Plön (FG 101) abholte, ging die Reise am 10.
und 11. 6. gemeinsam nach Plön. Hier „habe ich meine fr. hl. gemahlin vndt
kinder [Erdmann Gideon, Victor Amadeus [FG 589. 1652] u. Eleonora Hedwig], Gott
Lob in gutem Zustandt gefunden, nach dem wir noch nie so lange von einander
gewesen, alß dißmal, nemlich vber ein Jahr.“ (A. a. O., Bl. 440v.) Von Plön aus
besuchte F. Christian seine Schwestern in Güstrow — die verwitwete Eleonora
Maria (s. o.), Sibylla Elisabeth (AL 1617. TG 18), Sophia Margaretha (AL 1631.
TG 33c) und Dorothea Bathildis (AL 1634. TG 24b). Vgl. zu deren Aufenthalten in
Mecklenburg 321201 K 11, 340107 K 6, 360428 K II 6 u. 21 sowie 370517 K 2.
Christian erreichte am 27. 6. Lübeck, wo er verschiedene „sachen zu
expediren“
hatte, und kehrte am 28. 6. nach Hamburg zurück (zu seinem dortigen Aufenthalt
vgl. 370715 K 4). Am 21. 7. brach er erneut auf, um seine Familie aus Plön
abzuholen. Dort nahm man am 25. 7. Abschied und reiste über Hamburg (dort
Abreise am 29. 7., s. 370729), Harburg, Soltau, Celle, Braunschweig,
Quedlinburg und Ballenstedt zurück nach Bernburg, wo die Familie am 12. 8.
eintraf. Auf der Rückreise via Braunschweig (Ankunft dort am 3. 8.) kam es
erneut zum Zusammentreffen mit
Hz. August und seiner Gemahlin. Den 4. 8.
verbrachte die anhaltinische Familie von Mittag bis Abend in Hz. Augusts
Braunschweiger Residenz („Mosthof“, d. i. die alte Welfenburg inmitten der
Stadt). „Nachmittags haben mir Jhre Ld. ihre schöne
bibliothecke sehen laßen,
darinnen viel schöne, vndt gute bücher gewesen.“ (A. a. O., Bl. 463r.) — Es mag
sein, daß diese Besichtigung F. Christian zu einer Ordnung und Katalogisierung
seiner eigenen Büchersammlung angeregt hat, s. Anm. 2. Ferner ist anzunehmen,
daß in den Gesprächen mit Hz. August auch der Mecklenburger
Vormundschaftsstreit zur Sprache kam, in dem Hz. August eine Art
Vermittlerrolle zugedacht war. Vgl. 371009 K 0 u. 380423 K 9.
Seleno, pseud., s. Anm. 3.F. Christians
Tageb. hält
am 14. 8. 1637 fest: „Franciscum [d. i. Franciscus Gericcius] habe ich ein
Register meiner zusam
men geraffelten büch
er machen laßen“ (467r); und erneut d. d. 15. 8. 1637:
„Meine bücher ferrner
durch Franciscum Gericium registriren laßen.“ (468r.)
Nach der Katalogisierung sollte offenbar auch eine geordnetere Aufstellung
erfolgen: „Nachmittags,
den Franciscum Rectorem Scholæ allhier, bey mir
gehabtt, vndt die bibliothecam ihn besichtigen laßen, zu etwas beßerer
ordnung.“ (Bl. 508r; Eintrag vom 1. 11. 1637). Zum Rektor der Bernburger
Lateinschule, Franciscus Gericcius, vgl. 300509 K 3. — Daß Christian bei seiner
Bibliotheks-Neuordnung dem Vorbild der Bibliotheca Augusta, genauer des seit
1625 geführten sog. Bücherradkatalogs folgte, muß als unwahrscheinlich gelten.
Die Sachgruppen-Gliederung im später angelegten Bernburger
Catalogus secundus, die dem Fächerkanon der zeitgenössischen
Wissenschaft folgte, fällt gröber aus als im differenzierteren Katalog der
augusteischen Büchersammlung, unterteilt aber innerhalb der Sachgruppen die
Bestände ebenfalls nach Format/ Größe (Folio, Quart etc.). Die ungewöhnliche
Vollständigkeit der Titelverzeichnisse im Bücherradkatalog Hz. Augusts, ergänzt
um einen von Hz. August begonnenen alphabetischen Autorenindex, findet
ebensowenig Entsprechung im
Catalogus secundus wie das
Signaturensystem, das leicht die beliebige Ergänzung des Bestands erlaubte. Der
Catalogus secundus und das Inventar des Nachlasses
F. Christians (s. u.) weisen jedenfalls nicht auf eine ursprüngliche
systematische Signierung hin, zumindest werden keine Signaturen mitgeteilt.
Innerhalb der Fachgruppen (Libri Theologici, Libri philosophici [mit
weitgespanntem Fächerkanon], Libri Historici) läßt sich weder eine
alphabethische Ordnung nach Titeln oder Autoren noch eine systematische nach
Gegenständen oder Fächern feststellen. Vgl. JNVENTARIVM. Des weylandt
Durchlauchtigen, Hochgebornen Fürsten undt Herrn, Herrn Christiani, des andern,
Fürsten zu Anhalt ... Verlaßenschafft betreffende, Anno 1657. In: LHA Sa.-Anh./
Dessau: Abt. Bernb. 7a Nr. 10
2 („Acta, den Nachlaß des Fürsten Christian II.
von Bernburg betr. 111 fol. 1656/57“), hier Bl. 9r–11v (Verzeichnis der Bücher
in Christians Kabinett). Ein in dieser Akte, Bl. 55v als Beilage A zum Inventar
angekündigtes eigenes Verzeichnis der Bibliothek F. Christians läßt sich in der
Akte leider nicht finden. Vgl. aber
Catalogus secundus.
Vgl. auch Maria v. Katte: Herzog August und die Kataloge seiner Bibliothek. In:
Wolfenbütteler Beiträge 1 (1972), 168–199.
(Gustavus Selenus, d. i. Hz. August d. J. v.
Braunschweig-Wolfenbüttel:) Das Schach- oder König-Spiel. Von GUSTAVO SELENO,
Jn vier unterschiedene Bücher ... abgefasset (Leipzig 1616). HAB: Hn 4° 2. Lt.
Catalogus secundus verwahrte F. Christian II. v.
Anhalt-Bernburg das Buch in seiner eigenen Bibliothek zusammen mit Hz. Augusts
Cryptographia als Nr. 26 unter den „LIBRI
PHILOSOPHICI [...] IN FOLIO“: „Gustavi Seleni Cryptographia et Schachiæ Lusus“;
vgl.
Gustavi Seleni CRYPTOMENYTICES ET CRYPTOGRAPHIÆ
Libri IX. In quibus & planißima STEGANOGRAPHIÆ à Johanne Trithemio, Abbate
Spanheymensi & Herbipolensi, admirandi ingenij Viro, magicè &
ænigmaticè olîm conscriptæ, Enodatio traditur. Inspersis ubiquè Authoris ac
Aliorum, non contemnendis inventis (Lüneburg 1624). HAB: Fb 4° 78. Am 10. 12.
1623 hatte bereits F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) Hz. August um die
Übersendung beider Bücher gebeten (s. 231210). Am 6. 1. 1624 schickte August
ein Exemplar seines Schach-
buches. Die
Cryptographia
wurde ebenfalls in ihren bereits gedruckten Teilen überschickt, das Fehlende
folgte in den kommenden Wochen, bis F. Christian I. am 6. 9. 1624 den letzten
Rest und ein vollständiges Exemplar erhielt (s. 240106, 240116, 240319,
240907). Vgl.
Catalogus primus, „LIBRI MILITARES IN
FOLIO“, Nr. 25 und „LIBRI SYSTEMATICI […] IN FOLIO”, Nr. 19 u.
20.