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370900 Jesaias Rompler von Löwenhalt über Graf Eberhard von Rappoltstein
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Jesaias Rompler von Löwenhalt über Graf Eberhard von Rappoltstein


Lob- und Leichengedicht (Auszug) des Jesaias Rompler v. Löwenhalt auf Gf. Eberhard v. Rappoltstein (FG 147).

Beschreibung der Quelle


Q [Holzschnitt]: Des| Jesaias Romplers von | Löwenhalt | [Zierstück] | erstes gebüsch | seiner | Reim-getichte. | [Zierleiste] | Getruckt zu Strasburg/ bej Joh. Phil. Mülben/ | in dem 1647.ten iar Chrl.er z. [Christlicher Zeitrechnung]. S. 101–123, hier S. 112–115, V. 428–519, u. S. 122f. Yale UL (Faber du Faur, no. 443), Mikrofilm. Faksimile in: Des Jesaias Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch seiner Reim-getichte 1647 mit e. Nachwort, Kommentaren u. bibliographischem Anhang hg. Wilhelm Kühlmann u. Walter E. Schäfer. Tübingen: Max Niemeyer 1988, a. a. O. (Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 38). Bis auf die am Schluß Gfn. Agatha in den Mund gelegten Verse wiederveröffentlicht v. Anna Hendrika Kiel: Jesaias Rompler von Löwenhalt. ein Dichter des Frühbarock (Diss. U. Amsterdam). Utrecht (1941), 137–159, mit Erklärungen u. Kommentar: 37, 39–44, 94f. u. 223–226.
Orthographische Hinweise: Akut über alleinstehendem Vokal bedeutet Länge, ein Bogen zwischen Wörtern schafft ein Kompositum. Der Doppelpunkt über einem Vokal entspricht in unserer Wiedergabe einem von Rompler über den Vokal gestellten kleinen e. Eine Übersicht über Romplers Rechtschreibung liefern Kühlmann und Schäfer, in: Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch, a. a. O., S. 5*–7*.

Text


Lob- und Leich-gedicht
zu ehren und gedächtnus

p.a Herren Eberharten von
Rappoltstein1 &c.

Welcher (68-järigen alters) im̃ Augstme
des 1637.ten jars nach Gottes mäñschwerdung
sein zeitliches leben beschlossen.
[...]



  Als er nun letztlich sich nach Strasburg2 her‿verfüget
(Wie andre herren mehr/ die sonst daheym bekrieget
Und elend worden seyn/) schien er der gantzen schár
Ein ur-att3 schier zuseyn/ gleich wie der Nestor war/
Als Griechenland zumal vor Trojen ist gelegen.
Es waren beyderseits grös‘/ ält’4 / und witz zugegen.
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Dort gieng der drejfach-alt an jaren und verstand
Den hölden allen vor: da hat in disem land [113]
Der grose Rappoltstein den ruhm darvon getragen.
Er wusste kunst-gemäs von iedem ding zusagen;
Das macht/ er hatte lang mit sonderbahrem fleiß
Der bücher sich gebraucht/ darauß man klug und weiß/
Ja mäñschreich5 werden kan. So bald sein mund sich reget/
Hatt‘ iedes hörers härtz sich in dem leib beweget
Durch/ weys nicht waß für/ kraft/ die in dem reden war;
Auch macht‘ erfahrenheit ihm noch mehr offenbar.
Waß ehrbars zucht-gepräng und sitten mag belangen/
Jst ihm nicht eyner wol darinnen vorgegangen.
So steht im̃ zwejfel noch/ ob er nicht manches land
Und manche frömde statt/ (nur so von frejer hand)
Nach gräntz-geländ und art hätt deutlicher gerissen/6
Als Ptolomäus selbs/ und als Merkators wissen
Sich seither hat ersträckt. Der alten Wält geschicht
Hat er durch beispihl sein auff heitigs thun gerichtt;
Gestalt man dan darauß die besten lähren findet/
Warauff statt-wesen sich/ und reichs-beherschung/ gründet.
Die Tichtkunst eben auch/ das Himlische geschänck/
Das Göttische gespräch/ und süsse wort-gelänck7
Lies er ihmb (wie es dan verdienet) hoch gefallen/
Verstuhnd‘ da auß dem grund/ waß hart-erzwungnes lallen/
Und waß dargegen reyn/ waß art-recht flüssig ist:
Er selber war so weit mit der kunst außgerüstt/
Daß er die reim-gedicht‘ auch zimlich wol geschrieben.8
Zuforderst lies er ihm vernünfftig mit‿belieben
Daß unsre Teütsche sprách soll weder mit Latein/
Noch frömdem misch-masch sonst/ als arm/ befläkket seyn
Gleich wie ein bättelrock; dan/ welcher darmit pranget/
Der zeygt/ daß immer noch der schulsack an ihm hanget/
Und daß er nicht verdaut/ waß ihm der herr Donat
Jn seinen blöden kropff zuvil geschoppet9 hat:
Ja bringt sich in verdacht/ es trukken ihn die sorgen/
Er möcht an dem Latein wol endlich gar erworgen/
Wan er nicht in das Teütsch stehts solche prokken speüc /
Und weiß hiemit dem volck/ was künstlichs in ihm sey.
Ach/ wie ein hüpsche kunst/ die spráchen so zumischen!
Dan/ wan das wasser trüb/ ist trefflich gut zufischen [114]
Dargegen aber nicht/ wo hälle quällen seyn.
Versuech= versuech es doch/ und red das Teütsch allein!
Lateinisch auch also! laß sehen/ wird es klingen?
Jch förcht/ ihr werdet theyls nicht vil zuwegen bringen.
Waß raths/ wan einer auch gar nicht Lateinisch kan/
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Mást doch gemischter ziehr sich in dem Teütschen an?
Ej/ da mus Spanisch/ Wälsch/ Frantzösisch/ und dergleichen
Das rad-gebrechte Teütsch durchspikken und bereichen;
Dan solche stümppelej behagt dem näuling mehr/
Als lauterkeit der red. Warumb? Es fällt ihm schwer/
(Weil er zu ungeübt) gleich wörter auffzutreiben/
Daß er kön̄t eygentlich ein iedes ding beschreiben
Wie sich nach art gebürt: drum flickt er da und dort
Mit frömbden lumpen zu/ wan nämlich Teütsche wort’
Dem ungeschickten kopff von haimat‿auß nicht kommen.
Es hat der Rappoltstein dargegen wahrgenommen/
Auch fleiß mit‿angewandt/ daß iede sprách ihr recht/
Jhr eygenschaft behalt; daß zweyerlej geschlächt/
Die wider ehr und art frech miteinander huerten/
Nicht bastart högeten10 / und etwan mißgebuhrten.
 Nun! solches lob-gerücht/ daß diser herr bekam/
Macht’/ daß fürst Ludwig es gar wol in achtung nahm/
(Den wir von Anhalt sonst und von Askanjen nennen/
Den die Frucht-bringenden für ihren schutz erkennen/
Und für ihr oberhaupt:) er lued ihn höflich eiñ/
Jn der gesellschaftzahl frucht-bringend mit‿zuseyn
Mit reyner Teütscher sprách/ mit reynen Teütschen sitten.
Der Rappoltsteiner lies sich da nicht lang erst bitten/
Begab sich in gesätz’ und recht der wehrten schár/
Da sein keñ-zaichen auch der labhaft Jmber war.11
 Weil nun unmöglich schier/ wer reim-gedichte liebet/
Daß der nicht auch zugleich die Stim̄-kunst etwan üebet:
Jm̄ fall er aber sie nicht selber üeben kan
Hat er gemeyniglich doch grosen lust daran/
Wan er sie üeben hört. Der herr/ von dem wir sagen/
Wär hie/ wan er noch lebt’/ um zeignus wol zufragen/
Weil/ wer ein ding versteht/ am̃ besten zeigen kan.
Dan/ ställt’ er underweil ein frölichs stim̄-werck an/ [115]
Und lies auff seytenspihl ein süses stück erklingen/
Auch lebhaft mit dem mund die lieder iergend singen/
So urtheilt’ er zugleich/ und stim̄te selbs mit eiñ/
Daß manchem maister wol kaum möglich möchte seyn/
Und daß Apollo sich wol selten so lasst hören.
 Kurtz! waß ein groser herr für gáben nur begehren
Und gleichsam wünschen möcht/ die waren als ein schatz
Jn ihm. und nicht umsonst.
[...]
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Grabschrifft


Zu seiner gemálten Bildnus.12

Steh stille (wer du bist) betracht das blasse Bild/
Daß da ligt abgemált! Hie ligt der Tugend schilt:
Der ädlen Künsten preiß: der Wissenschaften ruhm:
Der Herrlichkeiten schmuck: der Landsgebieter blum:
Der From̃keit/ Gottesforcht/ uñ guter Thaten khärtz:
Der hohen Häupter sél: des gantzen Wält-kreyß härtz.
Hie ligt Herr Eberhart/ der Herr von Rappoltstein/
Und wartet auff den tag/ an dem uns Gott erschein. [123]
Außspruch seiner gemálin13

p.a Fr. Agathen/ geborhnen gräfin

von Solms &c.



Wer dise Bildnus sieht/ der denck an meine schmärtzēa /
Hie ligt so bleych und todt das halb-theyl meines härtzē/
Hie ligt Herr Eberhart/ der Herr von Rappoltstein/
Mein trautes égemál. Ach! mus ich wittwe seyn?

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Im Original ein p-ähnliches, für perge bzw. etc. gebräuchliches Zeichen, das vor bzw. hinter einem Namen die Verkürzung der Titelatur andeuten kann.
b
Lies: sich
c
Lies: Brocken spiee
a
Druckfehler: schmrätzē

Kommentar

K
1
Da dieses „Lob- und Leich-gedicht“, von Rompler (Dinkelsbühl 18. 6. 1605 – nach 1674) auf Mikrofilm und als Faksimile greifbar ist, können wir uns an dieser Stelle damit begnügen, nur den Abschnitt des in ausgefeilten deutschen Versen und einfallsreicher Sprache (neuartige Komposita) geschriebenen Poems wiederzugeben und zu erläutern, der die sprachlichen, wissenschaftlichen und musischen Interessen des Fruchtbringers Gf. Eberhard v. Rappoltstein (FG 147) beschreibt. Ein früherer Druck des Gedichts, etwa als Parentation im Anhang zu einer Leichenpredigt, ist nicht bekannt. Vgl. aber noch: Johann Selbmann: Leichenpredigt auf Eberhard von Rappoltstein. Straßburg 1637, so zit. in Kiel (s. Q), 226 (Die beiden angehängten Epigramme stehen allerdings nachweislich im Zusammenhang mit einem Gemälde, s. u. Anm. 12 u. 13.) Das Preis- und Sterbegedicht verdient besonderes Interesse wegen der Kritik am sprachlichen Alamodewesen der Zeit. Jesaias Rompler v. Löwenhalt schreibt diese Haltung, die das sprachliche Programm der FG nur in einem Punkt wiedergibt, vielleicht zutreffend Rappoltstein zu, obgleich hierfür bisher ein anderer Beleg als diese Verse fehlt. Immerhin verdient das Zeugnis Romplers in der vorliegenden Edition auch deshalb berücksichtigt zu werden, weil die Rolle Rappoltsteins in der von Exulanten geprägten Straßburger Gesellschaft das in der FG verbreitete Mäzenatentum und Dilettantentum (im besten Sinne) des hohen deutschen Adels auch für den äußersten Südwesten des Reichs eindrucksvoll belegt. Zur späteren, kritischen Haltung Romplers zur FG vgl. 470604. Allerdings sind die Wurzeln dieser Kritik auch schon in der Sprachauffassung des vorliegenden Lob- und Leichengedichts greifbar. Kiel (s. Q), 94f., problematisiert diese historisch vielfach gebrochene Kritik in ihrer selbst zeitgebunden-irrationalistischen, affirmativ-einseitigen Feststellung: „Zwar hatte die Tannengesellschaft die Ideale der deutschen Bewegung [ein ideologiegeschichtlich verhängnisvolles Konstrukt Herman Nohls] wohl klarer erfaßt als die
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Fruchtbringende Gesellschaft, indem sie die Verwirklichungsmöglichkeit in „modernem“ Sinne viel stärker von der „Art“, dem irrationellen Sein des Einzelnen, als von einer von außen her eingepflanzten verstandesmäßigen Bildung abhängig gemacht hatte. Aber trotzdem erweisen sich in diesem Jahrhundert die formalistischen Tendenzen immer als die stärkeren.“ Gegenüber dieser Auffassung, die alles verfehlt, was die FG historisch ausmachte (außer, daß sie in der Tat keinen Irrationalismus pflegte), konstruiert Schäfer — unter Berufung auf Ferdinand van Ingen (Überlegungen zur Erforschung der Sprachgesellschaften. In: Internationaler Arbeitskreis für deutsche Barockliteratur. Bd. 1. Wolfenbüttel 1973, 96) —, darin auch zeitgebunden, einen anderen Gegensatz, in dem Rompler sich als „Protagonist nationalbewußter Sprach- und Kulturleistungen“ und als „Proselyt der frühpietistischen Bewegung“ befunden habe, aus dem sich der Dichter in der Sprache seiner geistlichen Lyrik und in der „Tugendpflege der Tannengesellschaft“ unter dem Einfluß der Straßburger Reformorthodoxie (Johann Schmidt) aber zunehmend befreit und damit von der in der FG verfochtenen Idee der nationalen Erneuerung aus der Sprache distanziert habe. Walter E. Schäfer: Jesajas Rompler von Löwenhalt als Satiriker und die Straßburger Tannengesellschaft, in: Daphnis 5 (1976), 127–143, wiederveröffentlicht v. Wilhelm Kühlmann/ Walter E. Schäfer: Literatur im Elsaß von Fischart bis Moscherosch. Gesammelte Studien. Tübingen 2001, 147–159, hier S. 151f. Aus der kleinen elsässischen Aufrichtigen Gesellschaft von der Tannen fand nur Johann Matthias Schneuber (FG 498. 1648) Aufnahme in die FG, nicht jedoch der wohl als versponnen oder eigenwillig geltende Rompler — welcher allerdings der Mitgliedschaft in Philipp v. Zesens (FG 521. 1648) Deutschgesinneter Genossenschaft gewürdigt wurde. Vgl. neuerdings Monika Bopp: Die 'Tannengesellschaft': Studien zu einer Straßburger Sprachgesellschaft von 1633 bis um 1670. Johann Matthias Schneuber und Jesaias Rompler von Löwenhalt in ihrem literarischen Umfeld. Frankfurt a. M. u. a. 1998 (Mikrokosmos, 49). In diesem Zusammenhang kann noch das Stammbuch Romplers (Sammlung Karl Schumm, Neuenfels) erwähnt werden, in dem sich Eintragungen von Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200. 1629. Eintrag d. d. 5. 4. 1630) und von Gf. Rappoltstein (1637) finden. Kühlmann/ Schäfer, in: Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch, 110* (ohne Besitzangabe) u. Jörg-Ulrich Fechner: Zu einem unbekannten Stammbucheintrag von Martin Opitz. In: WBN 15 (1988), 21–23.
2
Gf. Rappoltstein († Straßburg 27. 8. 1637) floh nach der Niederlage des protestantischenHeeres bei Nördlingen 1634 nach Straßburg. Vgl. Conermann III, 147f. (mit älterer Lit.); Kühlmann/Schäfer, in: Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch, 30* u. 54*–56*; Art. „Rappoltstein“. In: Lexikon des Mittelalters VII (München u. Zürich 1994), 444f. u. 448; Christine Bührlen-Grabinger: Herren von Rappoltstein. 1368–1682. Stuttgart 2002 (Repertorien, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand A, 183); Casimir Henricus Radius: De origine, dignitate juribus et praerogativis quibusdam illustrissimae comitum Rappoltsteinensium domus. Argentorati 1745; Édouard Meaume: Les Seigneurs de Ribeaupierre, famille de chevalerie Lorraine en Alsace et en Suisse. In: Mémoires de la Société d'archéologie lorraine 31 (1873), 302–309; Johannes Wallmann: Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus. 2. überarb. u. erw. Aufl. Tübingen 1986 (Beiträge zur historischen Theologie, 42), 1, 38f. u. 45; Johann Fischart widmete Rappoltstein seine Übersetzung der Démonomanie Jean Bodins (HAB: Alv.: Nf 131; 2. Aufl. 1586: HAB: Alv. Nf 130) und Julius Wilhelm Zincgref schrieb ihm, dem Präsidenten der unterelsässischen Landstände und ksl. Kämmerer, 1624 als „sonderbahre[m] Liebhaber vnd Mecenas aller freien Künsten vnnd Wissenschafften“ seine Ausgabe von Opitz: Poemata (1624) zu. Ein Symbolum Rappoltsteins wird in Zincgrefs Sammlung (Kupfertitel:) Der Teutschen Scharpfsinnige kluge Sprüch/ Apophthegmata genant (Straßburg 1628; 2. Teil Straßburg 1631; HAB: 36. 1 Eth.) nicht genannt, auch nicht unter den Devisen („Bey-Wörter“) in der erweiterten dreiteiligen Leidener Ausgabe von 1644, Teutscher Nation klug-außgesprochene Weißheit (HAB: Xb 1025), Tl. 1, 407ff. Aus Lina Baillets
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Studium der heute großenteils in der Stadtbibliothek von Kolmar aufbewahrten Familienbibliothek wissen wir, daß Gf. Rappoltstein besonders Reisebeschreibungen und Länderdarstellungen liebte, auch französische Bücher von Montaigne, Saluste Du Bartas, La Noue, Aubigné, Richelieu u. a. anschaffte, darunter L‘Astrée von d‘Urfé und Le Grand Cyrus der Scudéry. Nach Straßburg, wohin er sich in den Rappoltsteiner Hof am Finkweilerstaden zurückzog, hatte der Graf wahrscheinlich nur eine kleine Anzahl Bücher mitnehmen können (213 Bde. 1649 bezeugt). Wie seine ererbte Bibliothek besonders reich an Drucken des 16. Jahrhunderts war, so stand der Graf auch in einer anderen Hinsicht noch in einer damit zusammenhängenden, volkstümlichen Tradition: Das ererbte Amt eines Schutzherren des Pfeifergerichts, der elsässischen Bruderschaft der fahrenden Sänger, übte er u. a. dadurch aus, daß er am 16. 3. 1606 Statuten erließ, welche die Kunst für diese Vereinigung vor dem Verfall schützen sollten. S. außerdem Elisabeth Landolt: Materialien zu Felix Platter als Sammler und Kunstfreund. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 72 (1972), 245–306, zu Gf. Eberhard v. Rappoltstein und dessen Vater Egenolf s. S. 270–283. Dort wird erwähnt, daß Platter sein 1583 erschienenes Werk De corporis humani structura et usu Egenolf und Eberhard v. Rappoltstein gewidmet hat (S. 273) (HAB: 38.3 Phys. 2°). Mathias Holtzwart dedizierte Gf. Egenolf handschriftlich seinen Lustgart Newer Deutscher Poeteri. Im Druck ist das Buch dem Württemberger Hz. Christoph gewidmet. Vgl. Michael Lailach: ‚Der Gelehrten Symbola’ — Studien zu den ‚Emblematum Tyrocinia’ von Mathias Holtzwart (Straßburg 1581). Diss. Tübingen 2000, 16; J. H. Heitz: Die Herren von Rappoltstein und das elsässische Pfeifergericht. In: Neue Alsatia: Beiträge zur elsässischen Geschichte, Sage, Sitte, Sprache und Literatur 6 (1856/57), 5–33; Kiel (s. Q), 41. Ein älteres Bücherverzeichnis des 16. Jh.s veröffentlichte Charles Bartholdi: Catalogue de la bibliothèque des seigneurs de Ribeaupierre au 16e siècle. In: Curiosités d‘Alsace 1 (Colmar 1861), 36–51. Neben den Württembergern hatte sich auch Mgf. Friedrich V. v. Baden-Durlach (FG 207) mit seiner Familie nach Straßburg geflüchtet. Seinen beiden unverheirateten, von Rompler wohl zur Dichtkunst angeleiteten Halbschwestern Anna (1617–1672) und Elisabeth (1620–1692) diente Rompler (vielleicht als Hofmeister) zuerst im Drachenschlössel zu Straßburg und nach dem Umzug des Durlacher Hofs (1638) in Basel. Vgl. Kühlmann/ Schäfer, in: Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch, 14*, 104* – 106* u. 110*; Heinz Ludwig: Die Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen zu Straßburg. Eine Monographie. Diss. Univ. Innsbruck 1971 (masch.), 132, 135, 143f.; Jean M. Woods/ Maria Fürstenwald: Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des deutschen Barock. Ein Lexikon. Stuttgart 1984, 4f. (mit Lit.); Literatur-Lexikon III, 234; Jean M. Woods: ,Die Pflicht befiehlet mir/ zu schreiben u. zu dichten’: Drei literarisch tätige Markgräfinnen zu Baden-Durlach. In: Die Frau von der Reformation zur Romantik. Hg. B. Becker-Cantarino. Bonn 1980, 36–57 (S. 45: Pzn. Elisabeths Symbolum ihres Halbbruders Friedrich V.); Karl Zell: Die Fürstentöchter des Hauses Baden. Karlsruhe 1842 (S. 60–69: Gedichte der beiden Prinzessinnen); Otto Winckelmann: Das Straßburger Drachenschlössel als Baden-Durlacher Hof. In: Zs. f. d. Geschichte d. Oberrheins N. F. 33 (1918), 58–113.
3
Urahn, hier ehrwürdiger Greis, Vaterfigur; vgl. ahd. atto, mhd. atte, schweizer. att, Vater, Vetter, Schwiegervater, pfälz. atte/ ätte, Vater, Großvater, Vorfahr, allgemein im (westl.) Obd. verbreitet, im Bad., Bair., Elsäss., Rhein. u. Schwäb. umgelautet ätte/ ätt. DW I, 595; Lexer: Handwb. I, 104; Fnhd. Wb. II, 282f.; Henisch, 27 u. 135 (Atta/ aette); Stieler, 60 (att/ Atta); Wachter, 25f. (ætte); Ernst Ochs u. a.: Badisches Wörterbuch. Lahr (Schwarzw.) 1925–, I, 76; Schmeller I, Sp. 171; M. Ernst/ H. Lienhardt: Wörterbuch der elsässischen Mundarten. 2 Tle. Straßburg 1899–1907, I, 81f.; Josef Müller u. a.: Rheinisches Wörterbuch. 9 Bde. Bonn u. Berlin 1926–1971, I, 292; Fischer I, 348f.; F. Taub/ L. Tobler: Schweizerisches Idiotikon. Frauenfeld 1881–, I, 583–587. In all diesen Werken nicht als Kompositum belegt. Vgl. allgemein Virgil Moser: Deut-
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sche Orthographiereform des 17. Jahrhunderts. 3 Tle. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 60 (1936), 193–258; 70 (1948), 467–496; 71 (1949), 386–465, zur ostfränkisch-schwäbisch-elsässisch geprägten Sprache und zur Rechtschreibung Romplers s. bes. Bd. 70 u. 71.
4
Alter; DW I, 267; Fnhd. Wb. I, 876; Steinbach I, 16.
5
DW VI, 2089 kennt nur diesen Beleg und erklärt die Bedeutung des Adjektivs als „reich an menschen, hier von leuten, die an einem hangen“. Kühlmann und Schäfer, in: Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch, 34* folgen dieser Auslegung. Vermutlich ein Hapaxlegomenon bzw. eine eigene Bildung Romplers, die auch humanus, menschlich, oder reich an Menschenkenntnis, bedeuten könnte. Vgl. Schottelius 1. Teil, Lib. II Cap. XII Von der Doppelung des Nen̄wortes 5. Reich, 412–414. Kein Beleg für mänschreich, aber z. B. mannreich (S. 412), viehreich (ebd.), volkreich (ebd.), leutreich (S. 413), adelreich (ebd.); ebenso Schottelius: Sprachkunst, XII. Capitel Von der Doppelung, 4.
6
Ein Zeugnis für Rappoltsteins kartographische Fertigkeit ist nicht bekannt.
7
Zu gelange, m., Lust, Verlangen. DW IV.I.2, 2859.
8
Eine Probe seiner Dichtkunst liegt uns nicht vor. Zincgref stellt in seiner Vorrede zu Opitz: Poemata(1624) fest, Rappoltstein habe sich „bevorab die Teutsche poesie dergestalt belieben lassen/ daß sie sich selbst vnderweilen darinnen mit grossem Ruhm ergetzen/ vben vnd dißfalß vnsern alten Teutschen Helden nicht das geringste nachgeben [...]“ (Opitz II.1, 170).
9
Zu schoppen, (hinein)schieben, -stopfen, mästen; DW IX, 1564; Martin/ Lienhardt (s. Anm. 3) II, 423.
10
Zu hegen, swv. DW IV.2, 777ff., bes. 779 (eine Person unterhalten, sorgsam pflegen); Stieler, 726 (hägen, hegen).
11
F. Ludwig hatte Rappoltstein 1627 mit dem Gesellschaftsnamen des ,Schärfenden’, dem Wort (Devise) ,Den Magen’ und der Gesellschaftspflanze des ,deutschen Ingbers’ in die FG aufgenommen. Diese Bezeichnung meint, wie 1629 die Imprese des ersten illustrierten Gesellschaftsbuchs zeigt (s. Conermann I, Bl. Oo iij r), Arum maculatum L., Aronstab; s. dazu Conermann III, 148. Diese Gesellschaftsangaben erschienen (ohne Merians Kupfer) zuerst im GB 1628 (s. DA Köthen II.1, [111]).
12
Vgl. das Gemälde der Leiche des Grafen von Friedrich Brentel d. Ä. (um 1580–1651), Musée de l‘Œuvre Notre Dame, Strasbourg.
13
Die der Witwe des Verstorbenen in den Mund gelegten Verse Romplers stehen geringfügig abgewandelt auch unter dem Gemälde Friedrich Brentels d. Ä. Vgl. Anm. 12. Zur Patin des jungen Philipp Jakob Spener, Gfn. Agatha (16. 9. 1585 – 13./23. 11. 1648), geb. Gfn. v. Solms-Laubach, die Rappoltstein am 22. 10. 1609 als seine zweite Gemahlin geehelicht hatte, vgl. Joachim Stollius: 𝚻𝚨Φ𝚶𝚺 𝚨𝚯𝚨𝚳𝚩𝚶𝚺 das ist: Leich- oder Leücht-Predigt und Christenthums-Ruhm ... AGATHAE/ Frawen zu Rappoltstein (Straßburg: Johann Philipp Mülben u. Josia Städelin 1649); HAB: 287.19.1 Qu. (1) und Xa 1: 39 (7), Leichenpredigt mit Vita und Ehrengedichten, u. a. von Johann Valentin Andreae (FG 464).

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