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371031 Dietrich von dem Werder an Fürst Ludwig
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371031

Diederich von dem Werder an Fürst Ludwig


Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) sendet F. Ludwig (Der Nährende) das ihm zur Korrekturdurchsicht zugeleitete zehnte Stück (wohl ein Teil von F. Ludwigs Übersetzung Francisci Petrarchæ Sechs ... Triumphi oder Siegesprachten; Cöthen 1643) (mit einem Tag Verspätung) zurück. F. Ludwig werde schon merken, was bei einer für die Durchsicht so knapp bemessenen Zeitfrist und der damit verbundenen Eile herauskomme. — Werder begründet die Reimgestaltung seines Gedichts „Cöthen bleibt Cöthen“ (Beil. I), indem er geschlossenes „e“ und „ö“ für reimtauglich erklärt. — Er weist F. Ludwig ferner darauf hin, daß nach Ansicht seiner Frau, Juliana Ursula, geb. v. Peblis (Die Vielgekörnte. PA), die Narzisse in ihrer Herkunftsregion Zimtblume genannt wird. Am Schluß verwahrt er sich gegen eine Verspottung seines Vornamens.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 326r–329v [Handschrift: [A: 329v]]; 326v, 327v, 328v u. 329r leer; Sig.; (Bl. 327r–328v eingelegtes Doppelbl. mit Gedicht, s. Beilage I). — Gekürzt veröffentlicht in KE, 143f.; auszugsweise in Diederich v. dem Werder: Dianea oder Rähtselgedicht. Faks.dr. der Ausg. von 1644. Hg. u. eingel. v. Gerhard Dünnhaupt. Bern usw. 1984, 24* (mit falscher Datierung auf den 30. 9. 1639). Brief bibliographisch erfaßt in Bürger, S. 1439 Nr. 10.

Anschrift


A Dem Nehrenden.

Text


Ey so empfahe dan der Nehrende sein mit lauter vngedult übersehenes 10tea Stücke wieder,1 vndt wan man den Vielgekörndten so übereilen, vndt nicht Zeit gönnen wil,2 das er seiner faulen Schlüngeley auch darbey etwas abwarten kan, so mag man es dan auch so überhuijet3 wiederkriegen, wie dan itzo auf der vierdten seiten der Errinnerungen nicht ein einiges drüber ist verzeichnet worden.4 Nuhn so gehets, wan man ein ding übereilen soll. Gutt ding wil weile haben. Aber was frage ich auch dar viel darnach, es mag fleißig oder vnfleißig übersehen werden, ist es doch meine arbeit nicht[.] Jch versichere dem Nehrenden ich wils künftig schnell vndt schlim genug übersehen, So werden wir dan findenb , was wir mit unserer vngestühmen übereilung ausrichten. Den Sonnabent2 bekam ichs, am Montag solte ich schon fertig mit sein. Eya, wan hette ich dan sollen in die predigt gehen?
Cöthen vndt Cehten oderc Behten Seindt zwar vngleich etwas im ausreden aber doch meiner meinung nach beyde weiche e oder ö derowegen sie auch wohl gegen einander als gleichlautende in den reimen zur endung gesetzet werden können.5 Harte e aber nenne ich
  betten
  erretten
  fetten
  hetten
  ketten
  metten
  redten
  wetten
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Die Vielgekörndte6 wil behaupten, das die Narcisse eine Zimmetbluhme in ihrem vatterlande genent werde.7
  Was macht man sich dan viel hönisch.
  Der Vielgekörndte heist wohl Dietrich
  aber nicht Theonestus8 , Er kan sich nicht
  ahnnahmen9 lassen.d

Reinsdorf Auf Wolfstag. 1637.

I

Ein todernstes Scherzgedicht Diederichs von dem Werder


Q  A. a. O., Bl. 327r, 327v leer[Handschrift: [A: 327r]];, eigenh. Eine weitere Gedichtfassung, a. a. O., Bl. 328r, 328v leer, ebenfalls von Werders H., weicht gelegentlich von dieser ab (zit. mit der Sigle A, Varianten verzeichnet in T I). Bl. 327r scheint des geglätteten Inhalts wegen eine spätere Fassung darzustellen. Zudem hebt sie den ohnehin schwer verständlichen Sinn durch eine in der Überschrift verbesserte, ansonsten ganz neu eingeführte Zeichensetzung hervor, die die Aussage der Verse zu konturieren hilft. So machen etwa die eingesetzten Kommata die „krieger“ in Zeile 3 zur Apposition der „Kröten“ und verdeutlichen damit, daß sich das Folgende auf dieses identische Objekt bezieht. Auch daß Pferdekot im Plural orthographisch stärker vom Ortsnamen „Cöthen“ abgesetzt wird, spricht für die Fassung auf Bl. 327r als der verbesserten (Zeile 22; A Zeile 24: „pferdesCöhten“). — Das Gedicht als „Reimscherz“ unvollständig, unter Auslassung der Zeilen 8, 11, 19 u. 27, veröffentlicht in KE, 144 (nach 327r oder einer verlorengegangenen dritten Gedichtfassung).

Ein, in vielen, am ende Cöthen gleich klingenden, wörtern, bestehendes Gedicht.


1  Cöthen bleibt Cöthen,
   wan wir die Kröten,
   die krieger, behten,a
   auch händ’ erhöhten,
5  stets seuftzer wehten,
   ja vns erböhten,
   vndt nicht entblödten,
   Mit vnsern flöhten,b
   sie anzuflöhten:
10  Auch rümb vns drehten,
   weit weg vns flöhten1 ,
   vnsc mächtig blehten,d
   Geldt ihnen böhten,
   Mit viel lamprehten2 ,
15  Auche fleissig flehten,
   vndtf hart verböhten,
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   ja alles theten,
   das sie nicht meehten,
   Auch nicht entströhten3 ,
20  vndt gantz verödten,
   Noch rein zertreten,
   Mit pferdesköten
   was wir nächst seeten;

   Sie aber schmehten,
25 vns zuerröhten,
   das wir selbst nehten,
   vndt Hembder flöhten,4
   vns auch geböhten,g
   vndt zuentböhten,
30  jhr Staal zulöthen,
   vns zuertödten:

   jedoch, bey stehten
   Beschwerd- vndt nöthen,
   Bleibt Cöthen Cöthen etc.h
      Der Vielgekörndte.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Eingefügt.
b
KE sehen
c
Bis Behten eingefügt.
d
Die ganze Passage fehlt in KE.

T I
a
Folgen in A zwei in der Leitüberlieferung entfallene Zeilen: vndt wie propheten | sehr helle krehten
b
Folgt in eine in der Leitüberlieferung entfallene Zeile: Recht als Poëten
c
Verbessert aus vndt
d
Zeile fehlt in A.
e
A vndt
f
A Auch
g
Diese und die folgenden zwei Zeilen in A: drümb sich auch blehten | vndt steif geböhten
h
A Bleibt Cöthen Cöthen.

Kommentar

K Die Datierung auf den 31. 10. als Tag des Namenspatrons Wolfgang. S. Grotefend, I, 210; II.2, 185, der als „Wolfgangstag“ den 29., 30., vorwiegend aber den 31. Oktober, auch wohl den 20. Juni angibt. Der 31. 10. als Tag des Namenspatrons Wolfgang auch in: Kalender Herlitz 1646 (HAB: Xb 6222; vgl. zu diesem Kalender 371110 K 3); Kalender Zerbst 1654 (HAB: Ti 254). Auch aus inhaltlichen Gründen muß der vorliegende Brief zwischen 371028A und 371108 geschrieben worden sein. Vgl. Anm. 2.
1
Im überlieferten Briefwechsel zwischen F. Ludwig und Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) hat sich kein einziges Schreiben von F. Ludwig (Der Nährende) aus dem Jahre 1637 erhalten. Vgl. 370113 K 0. Das hier genannte, von Diederich v. dem Werder durchgesehene zehnte Stück eines Manuskripts war wohl ein Teil von F. Ludwigs Übersetzung FRANCISCI PETRARCHÆ ... Sechs Triumphi oder Siegesprachten (Cöthen 1643). S. 371027 K 2.
2
Sendung nicht erhalten. Sie hat Werder gemäß der Aussage im vorliegenden Brief am Sonnabend zuvor erreicht. Da der 31. Oktober im Jahr 1637 auf einen Dienstag fiel, war der vorausgehende Samstag der 28. Oktober. S. Grotefend I, Tafeln S. (71); Lothar Franke: Kalender der Jahre 1000–2100 zur Zeitrechnung im deutschen Sprachraum. Wiedemar 1998, 30. Der Dienstag als Abfassungstag des vorliegenden Briefes paßt auch gut zu dem Vorwurf, Werder habe seine Korrekturen schon am Montag zurücksenden sollen (aber offenbar nicht können).
3
übereilt; DW XI.2, 327. Stieler 871f. kennt nur die Interjektion, das Adjektiv (celer, velox, pernix, rapidus) und das Substantiv (festinatio) Huy, daneben die Adjektiv- und Adverbformen huig, huiglich, huyicht, huihaft und das Nomen Huigkeit. Ähnlich Wachter, 760f.; schon eingeschränkt Götze, 126 („hui interj. hurra“); Steinbach I, 790 (Subst. „Hui (der) momentum“, und Interjektion). Auch im dialektalen Wortschatz des Mittelelbischen ist ein Verb „huien“ oder „huyen“ nicht belegt. Hier begegnet uns die Interjektion „hui“ lautmalend für starken Wind. Vgl. Mittelelb. Wb. II, 254.
4
Eine (unbekannte oder verlorene) Liste mit Korrekturen oder Verbesserungsvorschlägen Werders zu der genannten Handschrift (s. Anm. 1). Auf S. 4 dieser „Erinnerungen“ fehlten nach Werders brieflicher Aussage Korrekturen zum 10. Stück des Petrarcabuchs. In 371108 nimmt Werder seinen scherzhaften Vorwurf zurück: jene vierte Seite sei mit Absicht (weil es nichts zu verbessern gab), nicht aber aus Übereilung unbeschrieben geblieben. S. dort.
5
Werder unterscheidet hiermit langes geschlossenes „e“ und „ö“ von kurzem offenem „e“ bzw. „ö“. Seine Terminologie (weich/ hart) kommt zumindest mit der von Christian Gueintz (FG 361. 1641) nicht überein; dieser spricht in seinem von der FG autorisierten Werk Gueintz: Rechtschreibung von langen bzw. „langsam“ ausgesprochenen bzw. „weiten“ und kurzen Vokalen (S. 11, 12, 26, 27 u. 53; vgl. auch Gueintz: Sprachlehre, 16f.). Zur lautlichen Behandlung der Umlaute wird keine Regel angegeben. Allerdings: „ist ein anders im schreiben/ so doch im aussprechen bey etzlichen fast einerley/ ein schüler mit den ü/ und ein anders ein schieler/ mit ie.“ (Bl. )( iij v). Wenn nun für einen „reinen Reim“ seit der hochmittelalterlichen Versepik der völlige lautliche Gleichklang der Reimwörter vom letzten betonten Vokal an erfordert wird, muß für Werder die lautliche Konvergenz der Grapheme „e“ und „ö“ bedeutend genug gewesen sein, um sie als reimfähig zu behandeln. Daß dies seiner Reimpraxis entspricht, zeigt v. dem Werder, Erster Gesang, 7. Strophe, Z. 2 und 4: „stehet“/ „erhöhet“; Strophe 36, Z. 7 und 8: „leg“, „mög“ u. ö. Auch die Reimgesetze der GBB zeigen sogar Reime wie „grösten“/ „besten“ (GB Kö., Bl. P ij r) oder „außgetrögt“/ „seyn gelegt“ (a. a. O., Bl. Y iv r). Einen weiteren Hinweis liefert Gueintz, wenn — im Gegensatz zur heutigen Einordnung der Umlaute unter die Vokale A, O und U — die Umlaute „ä“ und „ö“ in seiner alphabetischen Wörterliste unter „e“ erscheinen. Gueintz: Rechtschreibung, S. 54: die „Ehre“ und die (Getreide-)„ähre“; S. 56: „Engsten“ (Superlativ zu eng) und „ängsten“ (ängstigen); S. 54: [Nadel-]„Ohr oder öhre“ eingereiht unter dem Buchstaben „E“; S. 150: „Verheeren“ und direkt anschließend „Verhören“. In Gueintz: Sprachlehre, 13f. hingegen werden die Umlaute als „uneigentliche doppeltlautende“ Vokale aufgefaßt, die unter ihren „derivatis“ aufzuführen sind, wie z. B. „Ruhm/ Rühmlich“. In Gueintz: Rechtschreibung bestätigt sich die lautliche Verschleifung von langem „e“ und „ö“ auch im Wort „beschwehren“ (S. 12) für das heutige „beschwören“. In den Widmungsgedichten zur Rechtschreibung begegnet ebenfalls die Praxis der Werderschen Reimauffassung: „höhen“ reimt sich auf „ergehen“ (Bl. [a viij] r), analog „barbarisiren“ auf „anführen“ (ebd.), „für“ auf „zier“ (Bl. [a vi]v) usw. Den sprachgeschichtlichen Hintergrund dieser Auffälligkeit bilden die fnhd. Rundungs- bzw. Entrundungsprozesse in der gesprochenen Sprache fast aller hd. Mundarten („e“ wird zu „ö“, „ö“ wird zu „e“), die jedoch nur in seltenen Fällen in die Schriftsprache eingegangen sind. S. Hartweg/ Wegera, 137f.; Reichmann/ Wegera: Frühnhd. Grammatik, 75ff.; Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln u. Texte. München6 1986, 149. — Für Martin Opitz (FG 200), seine literarischen Mitreformer und Nachfolger sind deutsche Verse ohne Reime nicht denkbar. In der lautlichen Reinheit sind seine Ansprüche an den Reim strenger als die der voropitzischen dt. Dichtung. Entsprechend lautet ein Reimdekret im 7. Kapitel seines Buchs von der Deutschen Poetery (1624): „Von den reimen/ jhren wörtern vnd arten der getichte“, daß sich „verkehren vnd hören“ nicht zusammen „schicken“, Opitz II. 1, 385. Im Falle des Umlauts „ü“ aber, der „fast wie ein i außgesprochen wird“ (391), ist eine Reimung mit „i“ möglich, wie sein eigenes Beispiel „geziehrt“, „entführt“ lehrt (a. a. O., 395). F. Ludwigs Reimkunst-Gedicht (KL III, 136ff.) sagt dazu nichts. Vgl. aber 371224 K I 2. Insgesamt aber erlaubt sich, so Andreas Heusler, die Epoche der Opitz und seiner Nachfolger bei aller poetischen Regelhaftigkeit „vokalische Freiheiten“, nicht zuletzt bei der Reimbindung von „e“ und „ö“, die bei fast allen Dichtern der Epoche begegnet. Vgl. Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte. 3. Bd., Tl. 4 u. 5: Der frühneudeutsche Vers, der neudeutsche Vers. 2., unveränd. Aufl. Berlin 1956 (Ndr. Berlin 1968), 92f., 97f.; Friedrich Neumann: Geschichte des neuhochdeutschen Reims von Opitz bis Wieland. Berlin 1920, insbes. 112ff.; Johannes Rettelbach: Art. „Reim“, in: Horst Brunner/ Rainer Moritz (Hg.): Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin 1997, 281–283. Zur Frage reiner Reime s. auch 380609.
6
Werders Frau in seiner 1629 geschlossenen zweiten Ehe, Juliana Ursula v. Peblis (PA; †1655). Vgl. 240718 K 32 u. I, 310800 K 3, 371110 u. ö. Zur Praxis innerhalb der FG, den Frauen die Gesellschaftsnamen der Ehemänner beizulegen, vgl. 371110 K 8.
7
Leider kennen wir nicht den Brief, in dem — vielleicht im Zusammenhang mit einer Imprese auf ein neues Mitglied der FG oder der Beschaffung von Gartenzwiebeln — von Narzissen die Rede ist. Die Narzissen der Mitglieder Nr. 194 (1629; Hz. Franz Albrecht v. Sachsen-Lauenburg) und 395 (1642; Hans Georg v. Osterhausen) können aus zeitlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht gezogen werden, obgleich die gelben Narzissen auch in Osterhausens Reimgesetz als „Anmutigst im geruch’“ (GB 1646; vgl. Conermann III, 464) empfohlen werden. Vgl. dort auch das ähnliche ,Wort’ des Mitglieds.
8
Die uns nicht überlieferte Spielerei mit seinem Rufnamen Dietrich (meistens Diederich) empfand Werder anscheinend als Verhöhnung. Die von Werder zurückgewiesene Namensform Theo-nestus bleibt unerklärlich, da „-nestus“ in der latein. Lexik gar nicht belegt und ableitbar erscheint. Auch das Ökumenische Heiligenlexikon führt keine Namensbedeutung an und füllt die entsprechende Zeile mit einem Fragezeichen aus; desgleichen das Nachschlagewerk Origine et étymologie des prénoms (www.e-prenoms.com [Juni 2005]) Möglicherweise war der Namensscherz auf den Hl. Theonestus abgestellt, Bf. von Philippi und Mainz, der am 30. 10. 425 den Märtyrertod erlitt und dessen kathol. Gedenktag entsprechend auf den 30. Oktober fiel. S. a. a. O. sowie Grotefend II. 2, 175. Nach Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) kommt aber auch Theodorus nicht als Übersetzung für Diederich in Frage. Er merkt in seiner Etymologie „De Nominibus propriis veterum Germanorum“ kritisch an, es sei „irrig/ daß man den Teutschen Nahmen Diederich endert in Theodorus, welches ein Grichsch [sic] Wort ist und Donum DEI, Gottes Gabe bedeutet: Diedrich ist Teutsch/ und heisset so viel als Gottreich/ reich in Gott/ an Göttlichen Gaben reich.“ Schottelius, 1087. Der Lebenslauf in Werders Leichenpredigt, der sicher in der einen oder anderen Weise von Werder autorisiert worden war, schreibt zur Taufe des Jungen, daß er „mit dem herrlichen Nahmen Theodorus oder Dieterich genennet worden“ sei. Der Vom Vater gegebene/ Vom Sohne ausgeführete/ Und vom H. Geiste versiegelte Raht des Heils/ Bey Hochansehnlicher Leichbestattung Des Weyland HochEdelgebohrnen ... Herren Dieterichs von dem Werder ... Eröffnet und gepredigt von Godefredo Colero (Cöthen [1658]: Fürstl. Druckerei, Jacob Brand), Bl. K [i]r (HAB: Xa 1: 47 [10]).
9
Wohl kaum wie in DW I, 413 als nomine interpellare verstehbar. Dem pejorativen Sinn nach muß es wohl eher heißen: (aliquem) nomine minuere, jmd. durch Verfälschung des Namens mindern. Als Beiname, oft mit scherzhafter oder gar spöttischer Konnotation ist „Anname“ häufiger belegt, s. DW (Neubearb.) II, 1197 u. Fnhd. Wb. I, 1337; die auf S. 1338 aufgeführten Bedeutungen des Verbums „annamen“ (etwas übernehmen; etwas festlegen, bestimmen; jemanden als etwas bezeichnen) führen hinsichtlich der hier behandelten Briefstelle auch in der dritten Variante nicht recht weiter.


K I Der rhythmisch unregelmäßige zweihebige Vers und der manieristisch-verspielte, gezwungen wirkende durchgängige Reim auf „Cöthen“ entsprechen in den grotesken Exzessen der Form und dem sprachlichen Irrealis genau der in diesem lyrischen Capriccio geübten Kritik am kriegerischen Unwesen und der unerbittlichen Zerstörung der Landes- und Lebensgrundlagen. Das Gedicht läßt darin einen Verfasser erkennen, der — selbst ehedem schwedischer Obrist — in vielen Gesandtschaften seitens der Fürsten und/ oder der Landstände nur zu häufig Bekanntschaft mit den Befehlshabern durchziehender, einquartierter, plündernder und raubender Soldateska machte, die den Bitten um Verschonung kein Gehör schenkten. Einen besonders barbarischen Akt hielt Christian: Tageb. XIV, Bl. 60v f. unter dem Datum des 14. 2. 1636 fest: „Aviso: daß etzliche Soldaten sollen haben Dietrich Werders, seine Kirche zu Reinstorf geplündert, seiner ersten Frawen [Dorothea Catharina, geb. v. Waldow, am 12. 2. 1625 verstorben] grab eröfnet, die gebeine heraußer geworfen, vndt das zinn vom zinnernen sargk hinweg genommen, das holz aber vom hölzernen Sarck ins fewer geschmißen, vndt rüben darbey gekochtt.“ Diese Nachricht wird im Tagebuch später nicht revidiert; sie erscheint aber auch nicht in den Personalia in Werders Leichenpredigt (s. oben K 8). Vgl. Werders Klage über den Tod seiner ersten Gemahlin: 250413 I; vgl. zu Dorothea Catharina ferner 380502. Zum eigenwilligen Vers vgl. Werders ähnlich verfaßte manieristische Reimspielerei in 380509A, in der angesichts anhaltender Trockenheit Gott um Regen gebeten wird.
1
flüchteten, zu flöhen, flüchten, in Sicherheit bringen; sw. V., DW III, 1814.
2
Lamprete, Süßwasserfisch, auch „Bricke“ oder „Neunauge“, mhd. lamprîde, aus mlat. lampreta (lat. mustela), gallorom. lampreda. Benecke/ Müller/ Zarncke I, 930; DW VI, 90; Fnhd. Wb. IX, 81f.; Lexer: Handwb. I, 1817; Die wörtliche Ableitung von lambendis petris, d. i. Steinsauger, Steinlecker bei Faber/ Buchner (1664), 508 zu „lampreta“: „piscis lubricus, colore coeruleo subrigso, septem parvis fistulis mirabili ordine distinctis, acceptam aquam remittens, quam aliàs mustelam stellarum vocant, ein Lamprete/ à lambendis petris nomen habens, Vide mustella.“ Vgl. auch Lexer: Taschenwb. 121 („lamprede“).
3
Abgeleitet von Stroh: entstrohen. Die Soldaten rauben nicht nur das noch ungemähte Getreide, sondern auch selbst das Stroh.
4
D. h. wohl: Die Soldaten schmähten die für sie von den Bewohnern genähten oder von den Flöhen gereinigten Hemden.

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