K Die Datierung auf den 31. 10. als Tag des Namenspatrons Wolfgang. S.
Grotefend, I, 210; II.2, 185, der als „Wolfgangstag“ den 29., 30., vorwiegend aber den 31. Oktober, auch wohl den 20. Juni angibt. Der 31. 10. als Tag des Namenspatrons Wolfgang auch in:
Kalender Herlitz 1646 (HAB: Xb 6222; vgl. zu diesem Kalender 371110 K 3);
Kalender Zerbst 1654 (HAB: Ti 254). Auch aus inhaltlichen Gründen muß der vorliegende Brief zwischen 371028A und 371108 geschrieben worden sein. Vgl. Anm. 2.
Im überlieferten Briefwechsel zwischen F. Ludwig und Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) hat sich kein einziges Schreiben
von F. Ludwig (Der Nährende) aus dem Jahre 1637 erhalten. Vgl. 370113 K 0. Das hier genannte, von Diederich v. dem Werder durchgesehene
zehnte Stück eines Manuskripts war wohl ein Teil von F. Ludwigs Übersetzung
FRANCISCI PETRARCHÆ ... Sechs Triumphi oder Siegesprachten
(Cöthen 1643). S. 371027 K 2.
Sendung nicht erhalten. Sie hat Werder
gemäß der Aussage im vorliegenden Brief am Sonnabend zuvor erreicht. Da der 31. Oktober im Jahr 1637 auf einen Dienstag fiel, war der vorausgehende Samstag der 28. Oktober.
S.
Grotefend I, Tafeln S. (71); Lothar Franke: Kalender der Jahre 1000–2100 zur Zeitrechnung im deutschen Sprachraum. Wiedemar 1998, 30. Der Dienstag als
Abfassungstag des vorliegenden Briefes paßt auch gut zu dem Vorwurf, Werder habe seine Korrekturen schon am Montag zurücksenden sollen (aber offenbar nicht können).
übereilt;
DW XI.2, 327.
Stieler 871f. kennt nur die Interjektion, das Adjektiv (celer, velox, pernix, rapidus)
und das Substantiv (festinatio) Huy, daneben die Adjektiv- und Adverbformen huig, huiglich, huyicht, huihaft und das Nomen Huigkeit. Ähnlich
Wachter, 760f.; schon
eingeschränkt
Götze, 126 („hui interj.
hurra“);
Steinbach I, 790 (Subst. „Hui (der) momentum“, und Interjektion). Auch im
dialektalen Wortschatz des Mittelelbischen ist ein Verb „huien“ oder „huyen“ nicht belegt. Hier begegnet uns die Interjektion „hui“ lautmalend für starken Wind. Vgl.
Mittelelb. Wb.
II, 254.
Eine (unbekannte oder verlorene) Liste mit Korrekturen oder Verbesserungsvorschlägen Werders zu der
genannten Handschrift (s. Anm. 1). Auf S. 4 dieser „Erinnerungen“ fehlten nach Werders brieflicher Aussage Korrekturen zum 10. Stück des Petrarcabuchs. In 371108 nimmt Werder seinen scherzhaften
Vorwurf zurück: jene vierte Seite sei mit Absicht (weil es nichts zu verbessern gab), nicht aber aus Übereilung unbeschrieben geblieben. S. dort.
Werder unterscheidet hiermit langes geschlossenes „e“ und „ö“ von kurzem offenem „e“ bzw. „ö“. Seine Terminologie
(weich/ hart) kommt zumindest mit der von Christian Gueintz (FG 361. 1641) nicht überein; dieser spricht in seinem von der FG autorisierten Werk
Gueintz: Rechtschreibung von langen bzw.
„langsam“ ausgesprochenen bzw. „weiten“ und kurzen Vokalen (S. 11, 12, 26, 27 u. 53; vgl. auch
Gueintz: Sprachlehre, 16f.). Zur lautlichen Behandlung der Umlaute wird keine Regel angegeben.
Allerdings: „ist ein anders im schreiben/ so doch im aussprechen bey etzlichen fast einerley/ ein schüler mit den ü/ und ein anders ein schieler/ mit ie.“ (Bl. )( iij v). Wenn nun für einen „reinen Reim“ seit der hochmittelalterlichen
Versepik der völlige lautliche Gleichklang der Reimwörter vom letzten betonten Vokal an erfordert wird, muß für Werder die lautliche Konvergenz der Grapheme „e“ und „ö“ bedeutend genug gewesen sein, um sie als reimfähig
zu behandeln. Daß dies seiner Reimpraxis entspricht, zeigt
v. dem Werder, Erster Gesang, 7. Strophe, Z. 2 und 4: „stehet“/ „erhöhet“; Strophe 36, Z. 7 und 8: „leg“, „mög“ u. ö. Auch die Reimgesetze der GBB
zeigen sogar Reime wie „grösten“/ „besten“ (
GB Kö., Bl. P ij r) oder „außgetrögt“/ „seyn gelegt“ (a. a. O., Bl. Y iv r). Einen weiteren Hinweis liefert Gueintz, wenn — im Gegensatz zur heutigen Einordnung der
Umlaute unter die Vokale A, O und U — die Umlaute „ä“ und „ö“ in seiner alphabetischen Wörterliste unter „e“ erscheinen.
Gueintz: Rechtschreibung, S. 54: die „Ehre“ und die (Getreide-)„ähre“; S. 56: „Engsten“
(Superlativ zu eng) und „ängsten“ (ängstigen); S. 54: [Nadel-]„Ohr oder öhre“ eingereiht unter dem Buchstaben „E“; S. 150: „Verheeren“ und direkt anschließend „Verhören“. In
Gueintz: Sprachlehre, 13f. hingegen
werden die Umlaute als „uneigentliche doppeltlautende“ Vokale aufgefaßt, die unter ihren „derivatis“ aufzuführen sind, wie z. B. „Ruhm/ Rühmlich“. In
Gueintz: Rechtschreibung bestätigt sich die lautliche Verschleifung
von langem „e“ und „ö“ auch im Wort „beschwehren“ (S. 12) für das heutige „beschwören“. In den Widmungsgedichten zur
Rechtschreibung begegnet ebenfalls die Praxis der Werderschen Reimauffassung: „höhen“
reimt sich auf „ergehen“ (Bl. [a viij] r), analog „barbarisiren“ auf „anführen“ (ebd.), „für“ auf „zier“ (Bl. [a vi]v) usw. Den sprachgeschichtlichen Hintergrund dieser Auffälligkeit bilden die fnhd. Rundungs- bzw. Entrundungsprozesse in der gesprochenen
Sprache fast aller hd. Mundarten („e“ wird zu „ö“, „ö“ wird zu „e“), die jedoch nur in seltenen Fällen in die Schriftsprache eingegangen sind. S.
Hartweg/ Wegera, 137f.;
Reichmann/ Wegera: Frühnhd. Grammatik,
75ff.; Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln u. Texte. München
6 1986, 149. — Für Martin Opitz (FG 200), seine literarischen Mitreformer und Nachfolger sind deutsche Verse ohne Reime nicht denkbar. In der lautlichen
Reinheit sind seine Ansprüche an den Reim strenger als die der voropitzischen dt. Dichtung. Entsprechend lautet ein Reimdekret im 7. Kapitel seines
Buchs von der Deutschen Poetery (1624): „Von den reimen/ jhren wörtern vnd
arten der getichte“, daß sich „verkehren vnd hören“ nicht zusammen „schicken“,
Opitz II. 1, 385. Im Falle des Umlauts „ü“ aber, der „fast wie ein i außgesprochen wird“ (391), ist eine Reimung mit „i“ möglich, wie sein eigenes Beispiel
„geziehrt“, „entführt“ lehrt (a. a. O., 395). F. Ludwigs Reimkunst-Gedicht (
KL III, 136ff.) sagt dazu nichts. Vgl. aber 371224 K I 2. Insgesamt aber erlaubt sich, so Andreas Heusler, die Epoche der Opitz und seiner Nachfolger bei aller
poetischen Regelhaftigkeit „vokalische Freiheiten“, nicht zuletzt bei der Reimbindung von „e“ und „ö“, die bei fast allen Dichtern der Epoche begegnet. Vgl. Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte. 3. Bd., Tl. 4 u. 5: Der frühneudeutsche Vers, der neudeutsche
Vers. 2., unveränd. Aufl. Berlin 1956 (Ndr. Berlin 1968), 92f., 97f.; Friedrich Neumann: Geschichte des neuhochdeutschen Reims von Opitz bis Wieland. Berlin 1920, insbes. 112ff.; Johannes Rettelbach: Art. „Reim“, in: Horst Brunner/ Rainer Moritz (Hg.):
Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin 1997, 281–283. Zur Frage reiner Reime s. auch 380609.
Werders Frau in seiner 1629 geschlossenen zweiten Ehe, Juliana Ursula v. Peblis (PA; †1655). Vgl. 240718 K 32 u. I, 310800 K 3, 371110 u. ö. Zur Praxis innerhalb der FG, den Frauen die Gesellschaftsnamen der
Ehemänner beizulegen, vgl. 371110 K 8.
Leider kennen wir nicht den Brief, in dem — vielleicht im Zusammenhang mit einer Imprese auf ein neues Mitglied der FG oder der Beschaffung von Gartenzwiebeln — von Narzissen die Rede ist. Die Narzissen
der Mitglieder Nr. 194 (1629; Hz. Franz Albrecht v. Sachsen-Lauenburg) und 395 (1642; Hans Georg v. Osterhausen) können aus zeitlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht gezogen werden, obgleich die gelben Narzissen auch in Osterhausens Reimgesetz als
„Anmutigst im geruch’“ (
GB 1646; vgl.
Conermann III, 464) empfohlen werden. Vgl. dort auch das ähnliche ,Wort’ des Mitglieds.
Die uns nicht überlieferte Spielerei mit seinem Rufnamen Dietrich (meistens Diederich) empfand Werder anscheinend als Verhöhnung. Die von Werder zurückgewiesene Namensform Theo-nestus bleibt unerklärlich,
da „-nestus“ in der latein. Lexik gar nicht belegt und ableitbar erscheint. Auch das
Ökumenische Heiligenlexikon führt keine Namensbedeutung an und füllt die entsprechende Zeile mit einem Fragezeichen aus; desgleichen das Nachschlagewerk
Origine et étymologie des prénoms (www.e-prenoms.com [Juni 2005]) Möglicherweise war der Namensscherz auf den Hl. Theonestus abgestellt, Bf. von Philippi und Mainz, der am 30. 10. 425 den Märtyrertod erlitt und dessen kathol. Gedenktag
entsprechend auf den 30. Oktober fiel. S. a. a. O. sowie
Grotefend II. 2, 175. Nach Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) kommt aber auch Theodorus nicht als Übersetzung für Diederich in Frage. Er merkt in seiner Etymologie „De Nominibus
propriis veterum Germanorum“ kritisch an, es sei „irrig/ daß man den Teutschen Nahmen Diederich endert in
Theodorus, welches ein Grichsch
[sic] Wort ist und Donum DEI, Gottes Gabe bedeutet: Diedrich ist Teutsch/
und heisset so viel als Gottreich/ reich in Gott/ an Göttlichen Gaben reich.“
Schottelius, 1087. Der Lebenslauf in Werders Leichenpredigt, der sicher in der einen oder anderen Weise von Werder autorisiert worden war, schreibt zur Taufe des Jungen,
daß er „mit dem herrlichen Nahmen Theodorus oder Dieterich genennet worden“ sei. Der Vom Vater gegebene/ Vom Sohne ausgeführete/ Und vom H. Geiste versiegelte Raht des Heils/ Bey Hochansehnlicher Leichbestattung Des Weyland HochEdelgebohrnen ... Herren
Dieterichs von dem Werder ... Eröffnet und gepredigt von Godefredo Colero (Cöthen [1658]: Fürstl. Druckerei, Jacob Brand), Bl. K [i]r (HAB: Xa 1: 47 [10]).
Wohl kaum wie in
DW I, 413 als nomine interpellare verstehbar. Dem pejorativen Sinn nach muß es wohl eher heißen: (aliquem) nomine minuere, jmd. durch Verfälschung des Namens mindern. Als Beiname,
oft mit scherzhafter oder gar spöttischer Konnotation ist „Anname“ häufiger belegt, s.
DW (Neubearb.) II, 1197 u.
Fnhd. Wb. I, 1337; die auf S. 1338 aufgeführten Bedeutungen des Verbums „annamen“ (etwas übernehmen; etwas
festlegen, bestimmen; jemanden als etwas bezeichnen) führen hinsichtlich der hier behandelten Briefstelle auch in der dritten Variante nicht recht weiter.
K I Der rhythmisch unregelmäßige zweihebige Vers und der manieristisch-verspielte, gezwungen wirkende durchgängige Reim auf „Cöthen“ entsprechen in den grotesken Exzessen der Form und dem sprachlichen Irrealis genau der in diesem lyrischen Capriccio geübten Kritik am kriegerischen Unwesen und der unerbittlichen Zerstörung der Landes- und Lebensgrundlagen. Das Gedicht läßt darin einen Verfasser erkennen, der — selbst ehedem schwedischer Obrist — in vielen Gesandtschaften seitens der Fürsten und/ oder der Landstände nur zu häufig Bekanntschaft mit den Befehlshabern durchziehender, einquartierter, plündernder und raubender Soldateska machte, die den Bitten um Verschonung kein Gehör schenkten. Einen besonders barbarischen Akt hielt
Christian: Tageb. XIV, Bl. 60v f. unter dem Datum des 14. 2. 1636 fest: „Aviso: daß etzliche Soldaten sollen haben Dietrich Werders, seine Kirche zu Reinstorf geplünd
ert, seiner ersten Frawen [Dorothea Catharina, geb. v. Waldow, am 12. 2. 1625 verstorben] grab eröfnet, die gebeine heraußer geworfen, vndt das zinn vom zinnernen sargk hinweg genommen, das holz aber vom hölzernen Sarck ins fewer geschmißen, vndt rüben darbey gekochtt.“ Diese Nachricht wird im Tagebuch später nicht revidiert; sie erscheint aber auch nicht in den Personalia in Werders Leichenpredigt (s. oben K 8). Vgl. Werders Klage über den Tod seiner ersten Gemahlin: 250413 I; vgl. zu Dorothea Catharina ferner 380502. Zum eigenwilligen Vers vgl. Werders ähnlich verfaßte manieristische Reimspielerei in 380509A, in der angesichts anhaltender Trockenheit Gott um Regen gebeten wird.
1 flüchteten, zu flöhen, flüchten, in Sicherheit bringen; sw. V.,
DW III, 1814.
2 Lamprete, Süßwasserfisch, auch „Bricke“ oder „Neunauge“, mhd. lamprîde, aus mlat. lampreta (lat. mustela), gallorom. lampreda.
Benecke/ Müller/ Zarncke I,
930;
DW VI, 90;
Fnhd. Wb. IX, 81f.;
Lexer: Handwb. I, 1817; Die wörtliche Ableitung von lambendis petris, d. i. Steinsauger, Steinlecker bei
Faber/ Buchner
(1664), 508 zu „lampreta“: „piscis lubricus, colore coeruleo subrigso, septem parvis fistulis mirabili ordine distinctis, acceptam aquam remittens, quam aliàs mustelam stellarum vocant, ein Lamprete/ à lambendis petris nomen habens,
Vide mustella.“ Vgl. auch
Lexer: Taschenwb. 121 („lamprede“).
3 Abgeleitet von Stroh: entstrohen. Die Soldaten rauben nicht nur das noch ungemähte Getreide, sondern auch selbst das Stroh.
4 D. h. wohl: Die Soldaten schmähten die für sie von den Bewohnern genähten oder von den Flöhen gereinigten Hemden.