K Die Verbindung zwischen Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310) und der FG verlief über F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), vgl. etwa 371208A, 380108, 380120 u. 380310. Christian hatte sich des Nürnbergers während seiner Reisen nach Regensburg und Wien (Sommer sowie Spätherbst/ Jahresende 1636 bzw.
Frühjahr 1637) als Hofmei-
ster bedient; danach war er ihm als Agent in Nürnberg verpflichtet. Auch standen beide in regelmäßiger Korrespondenz, wie
Christian: Tageb. XIV, 213v, 340r, 347r, 353r, 389r, 430v, 440r, 446v, 473r, 493r, 503r, 540v, 543r u. 548r zeigt. Vgl. zu Geuder 370517 K 6. Daß der
vorliegende, nur im Postskript erhalten gebliebene Brief indes nicht an F. Christian, sondern an F. Ludwig adressiert war, ergibt sich aus einer Reihe von Anhaltspunkten. Geuder bedankt sich mit großer Wahrscheinlichkeit für F. Ludwigs „Kurtze Erzehlung Von dem Erdichteten
Cupidine“ (s. Anm. 1), die er Geuder
zugesandt und diesen dadurch seiner Gunst versichert habe. Ein damals in Frage kommendes „reimgedicht“ F. Christians II. ist nicht bekannt. Noch stärker fallen die beflissenen Erklärungen Geuders ins Gewicht, die Gesetze und Verordnungen der FG einhalten und sich aktiv an ihren selbstgesetzten Aufgaben beteiligen
zu wollen. Sie sind in dieser Förmlichkeit in einem Brief an die Gesellschaftsleitung zu erwarten, zumal solcherlei Verständigungen mit F. Christian gewiß schon im Vorfeld und im Zusammenhang der Aufnahme in die FG getroffen worden waren. Diese fand am 25. 5. 1637 in Abwesenheit Geuders statt und wurde ihm
von Christian vermutlich tags darauf brieflich angezeigt (vgl. 370517 K 6). Schließlich darf die Beschreibung der gesundheitlichen und sozialen Bedrängnis, die Geuder als Grund für seine bisherige Passivität in fruchtbringerischen Belangen anführt, als weiterer Hinweis auf F. Ludwig als Briefadressaten gedeutet werden,
da F. Christian über die Lage Geuders längst im Bilde war (vgl. Anm. 12).
Vermutlich nicht das Reimgesetz zu Geuders FG-Imprese. Diese war ihm bei seiner Aufnahme am 25. 5. 1637 erteilt und von F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg in seinem (verlorenen)
Schreiben an Geuder vom 26. 5. sicherlich mitgeteilt worden. Es liegt uns kein Zeugnis vor, wann das Reimgesetz aufgesetzt und Geuder (vermutlich über F. Christian) zugesandt wurde. Vgl. zum Reimgesetz die identischen Fassungen in
GB 1641,
GB 1641/44 und
GB 1646 sowie die davon abweichende Fassung des
GB Kö. (in
Conermann III, 351). Mit dem Ausdruck Reimgedicht ist in der Korrespondenz der Jahre 1637/38 wohl F. Ludwigs 1637 und wiederum 1643 erschienenes kleines Lehrgedicht „Kurtze
Erzehlung Von dem Erdichteten
Cupidine“ gemeint. S. 371027 (K 2) u. ö., zur Bezeichnung vgl. auch 371226, 380207 u. 381007, ferner 380720. Vgl. zum Bücherverkehr innerhalb der FG 371112 K 1.
Adj. „wahrsam“, d. i. vorsichtig, aufmerksam, seltene Nebenform zu „gewahrsam“, im älteren Nhd. auch tätig, tüchtig, gesteigert: „efficax, warsam“.
DW XIII, 978f. Im
Nordischen hat sich die Form ohne Präfix „ge-“ durchgesetzt: dän. varsom; schwed. u. norweg. varsam. Aus dem Adj. abgeleitet das spärlich belegte Adverb „wahrsamlich“, d. i. sorgfältig, genau, und das feminine Nomen „Wahrsam“: Obhut, Verwahrung, sicherer Ort; kommt im älteren Nhd. vereinzelt neben dem häufigeren
„Gewahrsam“ vor. Der Übergang zum Maskulinum erfolgte erst im 19. Jh. DW XIII, 979; vgl.
Diefenbach, 892. „Gewahrsam“, mhd. „gewarsame“, kennt sowohl die subjektive Bedeutung von Vorsicht, Aufmerksamkeit, Klugheit, Voraussicht, auch Aufsicht und Fürsorge, als auch die objektive Bedeutung
von Sicherheit, sicherer Ort, auch Rechtsförmlichkeit (
DW IV. 1, 4876ff.;
Götze, 106;
Lexer: Taschenwb., 70;
Stieler, 2411 u.
Wachter, 581.
Steinbach II, 942: Gewahrsam
als Terminus juridicus). Das Verb „wahrsammen“ im vorliegenden Brief verrät deutlich seine semantische Verwandtschaft mit „(Ge)Wahrsam“ in ihrer objektiven Bedeutung und muß mit „sicher hinterlegen, aufbewahren“ wiedergegeben werden, ist in dieser Form und Bedeutung in der dt. Lexik aber nicht belegt. Der
einzige, übereinstimmende Beleg von „gewahrsamen“ in
DW IV.1, 4885 und
Paul Wb., 410 (J. M. R. Lenz) trägt die subjektive Bedeutung (innewerden, wahrnehmen).
Fehlerhafte Form von F. Ludwigs FG-Namen („der Nehrende“) auch in 371224.
Von „Maß“. Urspr. sich eines Dinges anmassen, d. i. etwas als sich angemessen erkennen oder beanspruchen, auch einfach nachtun, nachahmen; schon im Mhd. mit dem Nebensinn, daß das Imitat das Original nicht erreicht bzw. daß der erhobene Anspruch
nicht berechtigt ist, so auch
bei den Belegen in
Wachter, 62 u. Diefenbach, 67. Vgl.
DW I, 405ff.;
Götze, 11;
Paul Wb., 75. Dieser heute durchgängige Sinn fehlt in obiger Briefstelle, in der „anmassen“ wertungindifferent als „anmessen“ zu
lesen ist.
Stieler führt „anmaßen“ oder „Anmaßung“ gar nicht auf, erklärt aber 1284: „Anmeßen/
dimetiendo probare, pannum ad statram corporis ulnâ commetiri.“
DW I, 405f. nennt mit Belegen aus dem 17. Jdt. (Opitz u. a.) einen reflexiven Gebrauch mit Genitivus objectivus: sich
einer Person oder Sache annehmen oder unterziehen, sich unterfangen, sich auf eine Sache verwenden, sich an etwas wenden. Diese Bedeutung begegnet auch in der behandelten Briefstelle.
Die reflexive Form für den hier zu erwartenden einfachen intransitiven Gebrauch (gegen etwas handeln, fehlgehen, irren, einen Fehler machen etc.) ist nach
Baufeld, 86, und
DW XII. 1, 1788ff.
im Fnhd. nicht ungewöhnlich, vielleicht als Anlehnung an den reflexiven Gebrauch des Verbs „stoßen“ (in übertragener Bedeutung „sich an etwas stören“, „Anstoß nehmen“) erklärbar, hatte sich aber schon zu Zeiten der Gebrüder Grimm völlig verloren. Vgl. auch
Paul Wb., 971 u. 1107; ferner
Diefenbach, 568;
Steinbach II, 729: fehlen, einen Fehler begehen, „
præs. ich verstoße,
offendo, pecco“;
Stieler, 2180: „Verstoßen/
errare, delinqvere, feriendo sibi nocere“ u.
Wachter, 1777: „impelli,
sich
verstossen impingere“; (die folgenden Beispiele variieren nur den transitiven Gebrauch des Verbs).
Form nicht
belegt, vgl.
Diefenbach, 191;
DW I, 1464: nur „benachrichtigen“;
Stieler, 1563: „Einen benachrichtigen/
certiorem aliqvem facere“; „Benachrichtigung/ die/
commonitio, informatio,vulgò certioratio“, jedoch auch „Nachrichtsam/
adj.
& adverb. Etiam Nachrichtsamlich/
informatus, normalis, pro normulâ, pro memoriâ, pro informatione.“ — Geuders Unterweisung in FG-Angelegenheiten diente die Sammlung fruchtbringerischer Werke, die F. Ludwig mit 371112 an F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg zur Weiterleitung an Geuder sandte und v. a. der
Kurtze Bericht der Fruchtbringenden Gesellschafft Zweck und Vorhaben, erstmals 1622 gedruckt, den F. Ludwig in einem älteren Gesellschaftsbuch (
GB 1622 oder
GB 1628) mit 371120 seinem Bernburger Neffen für Geuder zuschickte.
Substantivierte Form des Verbs „vorsehen“, das räumlich (vor sich sehen, hervorsehen)
und zeitlich (vorhersehen, voraussehen, scharfsinnig sehen) zu verstehen ist. Davon abgeleitet die übertragene Bedeutung von Vorsorge treffen, in Aussicht nehmen, in Rechnung ziehen, vorausblickend anordnen, besorgen, bestimmen, Maßregeln treffen usw. In diesem allgemeinsten Sinne hier gemeint. S.
DW XII.2, 1541ff.; vgl.
Diefenbach, 589;
Götze, 89;
Paul Wb., 1132;
Steinbach II, 569 u.
Stieler, 2025.
Als figürliche Phrase ist „an sein Pfund spannen“ nicht belegt, wohl aber sinnverwandte Wendungen wie „sein Pfund wohl anlegen“, „mit
seinem Pfund wuchern“ oder negativ „sein Pfund vergraben“, während „spannen“ auch im Sinne von „aufmerksam beobachten“ und „sich anstrengen“ auftritt. Schon der biblische Ursprung (Lk. 19, 12–26; Mt. 25, 14–30) läßt neben die eigentliche Bedeutung von Pfund als Gewichts- und Währungseinheit auch die
abgeleitete Bedeutung von Talent, Geistesgabe, Begabung treten. Vgl. 381028 K IV 45;
DW VII, 1810ff.;
Paul Wb., 746 u. 930;
Röhrich II, 733f.;
Stieler, 2070;
Wander III, 1338 u. IV, 652f.
Adj. sorgsam, hier im Sinne von besorgniserregend, bedenklich, gefährlich. Die weitere Bedeutung fleißig, emsig, sorgfältig kommt hier
nicht zum Tragen.
Baufeld, 221;
Dasypodius, 424v;
DW X.1, 1807ff.;
Götze, 203;
Paul Wb., 927;
Steinbach II, 614.
Zur Krankheit
Geuders vgl.
Christian: Tageb. XIV, 493r (Eintrag vom 2. 10. 1637): „Der Leiptziger avisenbohte ist wiederkommen, hatt auch schreiben mittgebrachtt vom Geyder von Nürnberg, welcher an einem hitzigen fieber sehr kranck gewesen, aber doch noch hoffnung seines lebens (daran man dubitiert
gehabtt) behalten.“ Vgl. auch 380310 u. 380331.
Hier wohl im Sinne von sich ablegen, liegen, darniederliegen, schwach werden u. dgl.
Götze, 3: „ablegen v. trans.
nieder-, weglegen, erlassen; aufheben, sühnen;
einem a.
ihn benachteiligen; den kosten a.
ersetzen.“
Diefenbach, 12: „ableg
remissus, ignawus [sic] [...] ablechtig
ermattet“. Vgl. auch
Stieler, 1111f. (s. v. „Ablager“);
Paul Wb., 40 (s. v. „ablegen“), 582f. (s. v. „Lage“) u. 615 (s. v. „liegen“); hingegen
DW I, 66 lediglich: „ABLAGE, f. depositio, das ablegen:
ablage des eides, der rechnung“ etc.; in der älteren Rechtssprache Ablage zwischen Eltern und Kindern: Auszahlung des Erbes.
Neidhart,
„ein zum appellativum gewordener eigenname, ahd. Nîdhart,
mhd. Nîthart (
einer der im nîde,
im feindlichen eifer und hasse stark ist),
wird schon im 14. jahrh. wortspielweise und appellativ für den personificierten hasz und neid oder für einen damit erfüllten menschen gebraucht“. DW VII, 559. In diesem allegorischen Sinn in der dt. Literatur seit dem Spätmittelalter häufig belegt: Oswald von Wolkenstein, Brant, Ks. Maximilian I. (
Teuerdank), Johannes Turmair gen. Aventinus, Murner, Luther, Waldis, Rollenhagen, Butschky, Schottelius, Neumark u. a. m.; auch sprichwörtlich. S.
DW VII, 559f.;
Götze, 166;
Paul Wb., 698;
Wander III, 293f. — Die
Nachstellungen, denen sich Geuder ausgesetzt sah, bleiben unklar. Vgl. aber den Eintrag in
Christian: Tageb. vom 21. 12. 1636, einen Tag, nachdem Geuder vom römischen Kg. Ferdinand (der spätere Ks. Ferdinand III.) zum Ritter geschlagen worden war, in dem er den verspürten Neid gegen sich
und Geuder wegen der erfahrenen ksl. Gunst festhält: „J’ay apperceu beaucoup d’en vie & emulation, contre moy, & mon nouveau Chevallier Geyder, a cause de ceste belle dignitè & honneur, quj luy est arrivè pour l’amour de moy. Virtutis comes invidia. Vt umbra corp
us, ita virtutem adversari
us sequitur.“
(XIV, 299v)
Zu Geuders literarischen Versuchen vgl. 371106 K 5, zu seinen sich in den folgenden Wochen herauskristallisierenden Bemühungen um eine Übersetzung aus dem Spanischen, namentlich von Francisco Goméz de Quevedos y Villegas
Los Sueños
(in der frz. Übertragung des Sieur de la Geneste) vgl. 371208, 371209 u. 371224; ferner
Conermann III, 351;
Conermann: Lope de Vega, 72.
Eine Sendung unbekannten Inhalts, die anscheinend über Leipzig per Boten-Abholung oder durch Kaufleute nach Köthen bestellt werden sollte.
Do, adv., conj.; hier als Konditionalkonjunktion „wenn, insofern“. Vgl. 371110 K 15.
F. Ludwig und seine ihm in zweiter Ehe angetraute Frau Sophia (AL 1629. TG 38).