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371209 Fürst Ludwig an Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg
[Inhaltsverzeichnis]
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371209

Fürst Ludwig an Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg


Antwort auf 371208A, beantwortet durch 371211. — F. Ludwig (Der Nährende) bestätigt, von F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) die Sendung Hans Philipp (v.) Geuders (FG 310. Der Ergänzende) empfangen zu haben und schickt sie beiliegend wieder zurück. Mit Freude hat F. Ludwig Geuders fruchtbringerisches Interesse an einer Übersetzung aus dem Spanischen vernommen und wünscht genauer zu erfahren, worum es sich handelt. Vorausgesetzt, es werde in flüssiger Rede vorgelegt, werde das Übersetzungswerk gewiß zum Ansehen der deutschen Muttersprache und der Fruchtbringenden Gesellschaft beitragen. F. Ludwig übersendet als weitere Beilage das von Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) vordem verbesserte Sonett (F. Ludwigs) zur Übersetzung des Christlichen Fürsten durch F. Christian II. — Er bittet seinen Neffen, eine Visierung des Wappens von Hans Andreas Kessler (v. Kessel) (FG 171. Der Befördernde) zu beschaffen, um es danach in das Köthener Gesellschaftsbuch einmalen zu lassen. Christian werde das Wappen am ehesten einzuholen wissen, da der Befördernde aus Christians Geburtslande stamme, wo es am ehesten zu erhalten sein dürfte. — In einem Postskriptum klärt F. Ludwig Christian über den Personennamen des Befördernden auf, der aus der Oberpfalz stamme und früher Obristleutnant gewesen sei.

Beschreibung der Quelle


Q LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 167, Bl. 38rv (ältere Blattzählung „37“ gestrichen) u. 53rv [A: 53v], 53r leer; eigenh.; Sig.

Anschrift


A Dem Vnveränderlichen zu handen.

Text


Vom Unverenderlichen hatt der Nehrende empfangen was der Ergentzende1 an demselben gelangen lassen, so hiermit wieder kömbt: Der Nehrende erfreuet sich, das der Ergentzende sich so gesellschaftmessig auch in anerbietung einer verdeutschung aus dem Spanischen2 erzeiget, wen man nun[,] was es sein solte, wissen möchte, würde es desto mehrer beghierde solches bald zu haben erwecken, auch wie nicht zu zweiffeln, wan es fein lauffig und flussig3 gestellet unserer Muttersprache und der gesellschaft zu grossen ehren gereichen: das auff den Christlichen Fürsten auffgesetzte Klinggedicht4 ist noch einsten, von dem Viellgekörnten in weinigen ubersehen, hierbey5 : Und hat der Nehrende, seinem obliegen nach, uber dieses nicht vorüber gekont, dena Unverenderlichen gebührend zu ersuchen, sich so viell zu bemuhen, und ehester gelegenheit das wappen des Befödernden6 , in der fruchtbringenden gesellschaft Ertzschrein einzumahlen unbeschweret zu wege zubringen, verhoffet auch er darzu zugelangen die beste gelegenheit haben werde, weill solcher gesellschafter aus seinem des Unveränderlichen geburtslande bürtig,7 und es aldar am füglichsten zuerfharen. Hiermit wirdt der Unveränderliche in des Allerhöchsten obacht befholen, und verbleibet des Unverenderlichen

  dienstwilliger
  der Nehrende
  Geben an Jochimstage8 im Jhar 1637.
Das blat umb
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[38v] Wo ferne dem Unveränderlichen etwa unbekandt, wer der Befödernde sey,9 so hatt er zu wissen, das es der geselschafft Nahme ist Hans Andreas Keßlers von Kessell, domals Obersten Leutenants, von der geburt aus der OberPfaltz.

I

Fürst Ludwigs Widmungssonett für Fürst Christians II. von Anhalt-Bernburg Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten
von 1639
mit den Verbesserungen Diederichs von dem Werder

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 364rv, 364v leer;[Handschrift: [Bl. 364r]] Schreiberh. mit Verbesserungen von F. Ludwigs H. Darunter für Zeile 6 und 7 eigenh. Verbesserungen von Diederich v. dem Werder. Das Gedicht wurde in 290510 K 8 irrtümlich Werder zugeschrieben.

Druck: S. Beilage II.

Text



Klinggedicht uber den Christlichen fürsten.


Wie soll ein Christen fürst woll stellen an sein Leben,
  Er ruffe seinen gott umb wahre weißheitt an,
  Vndt geh’ in kindes furcht auffs herren rechter bahn,
Undta die Gerechtigkeittb verwalten wol undc eben,
Die einem ieden gleich daß seine pflegt zu geben1
  Vndt keinem unrecht thutt, mittheilettd was sie kann.
  Jne ihren kräfften ist, daß alles muß daran,
Der billigkeitt durchaus bestendig nachzustreben.
  Vorsichtig, keusch, gelindt’ vndt meßig er stets sey,
  Geduldt vndt demut ihm’ auch täglich wohne bey.
So wirdt er gar gewiß daß rechte zihl erreichen,
  Daß er regiere woll sein herschafft undt sein Landt,
  Vndt seine güttigkeitt wird’ uberall bekandt
Die Laster werden weg fur ihme mußen weichen.

Darunter von Werders H.:
6. — — — — Sie theilt mit was sie kan
7. Streckt ihre gantze machtf samt allen kräften dran2
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II

Fürst Ludwigs Klinggedicht auf den Christlichen Fürsten in der
Drucküberlieferung

Beschreibung der Quelle


Q [Antonio de Guevara: Libro llamado relox de príncipes (1529 u. ö.), ital. Übers. u. Bearb. v. Mambrino Roseo da Fabriano (d. i. Collenuccio Costo): L’institutione del prencipe christiano (1543 u. ö.), dt. übers. (v. F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg) u. d. T.:] Die Vnterweisung | Eines Christlichen Fürsten/ | Aus dem Spanischen ins Jtaliänische | erstlich übergesetzt/ | Durch | MAMBRINUM ROSEUM | von Fabriano, | Vor Jahren verdeutschet durch ein Mitglied | der Fruchtbringenden Geselschaft/ | Vnd anetzo im Druck gegeben. | [Vignette] | Cöthen im Fürstenthumb Anhalt/ | [Linie] | Jm Jahr 1639. HAB (3 Ex.): 218. 4 Quodl. (1); QuN 199 (2); Sf 310 (alle drei identischer Druck, vgl. 371027 K 4 u. 5). 4° 4 Bl., 331 (1) S., 19 Bl. (S. 207 Druckfehler: 107; S. 272 Druckfehler: 273). Das Klinggedicht auf Bl. )( [iv] r. Es blieb ungezeichnet und undatiert. — Aus dem Druck erneut veröffentlicht in KL III, 75. Nicht nachgewiesen in Dünnhaupt: Handbuch, 2613 (Art. Ludwig, Fürst von Anhalt-Köthen). [Handschrift: iv]

Text


Klinggedichte/ über dena

Christlichen Fürsten.


WIe sol ein Christen Fürst wol stellen an sein leben?
  Er ruffe seinen Gott ümb wahre Weißheit an/
  Er geh’ in kindesfurcht aufs HErren rechter bahn/
Vnd die Gerechtigkeit verwalte wol vnd eben/
Die einem jeden gleich daß seine pflegt zu geben/
  Vnd keinem vnrecht thut/ Sie theilt mit/ was sie kan/
  Streckt jhre gantze macht sampt allen kräften dran/
Der billigkeit durchaus bestendig nach zustreben.
  Vorsichtig/ keusch/ gelind’ vnd meßig er stets sey/
  Gedult vnd demut jhm’ auch täglich wohne bey.
So wird er gar gewiß daß rechte ziel erreichen/
  Daß er regiere wol sein’ Herrschaft vnd sein Landt/
  Vnd seine gütigkeit werd’ überal bekandt/
Die Laster werden weg für jhme müssen weichen.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Gebessert aus dem

T I

a
Von F. Ludwig gebessert aus Vndt [?]
b
Folgt <er wirdt>
c
wol und von F. Ludwig eingefügt.
d
von hier bis zum Zeilenschluß in KL: Sie theilt mit, was sie kann,
e
Zeile in KL: Streckt ihre gantze macht sampt allen kräften dran,
f
Von F. Ludwig eingefügt für <kraft>

T II

"
a
Im Druckfehlerverzeichnis (a. a. O., Bl. Zz ij v) aus Klinggedicht über dem verbessert.
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Kommentar

K
1
Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310), der am 25. 5. 1637 auf Vorschlag F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) in die FG aufgenommen worden war. S. 370517 Postskriptum und K 6.
2
F. Christian II. hatte F. Ludwig mit 371208A ein verlorenes Schriftstück Geuders zugesandt, in dem dieser seine Absicht bekundete, „etwas Spanisches oder Lateinisches zu verdeutzschen“(s. 371208A). Daß sich Geuder für Francísco de Quevedos Sueños entschied (vielleicht auf Vorschlag F. Ludwigs), zeigt 371224. Allerdings brachte Geuder diese Übersetzung nicht zum Abschluß, jedenfalls nicht zum Druck. Vgl. 371208A K 3 u. 5, ferner 371106 K 5.
3
Die von F. Ludwig hier erhobene Forderung nach Flüssigkeit der Rede muß auch Geuder selbst vorgetragen worden sein, möglicherweise in jenem „andencken“, daß der Fürst Geuder zugestellt hatte oder zustellen ließ (s. 371208A), möglicherweise durch entsprechende Hinweise seitens F. Christians, der diese Passage des vorliegenden Briefes Geuder mitgeteilt haben könnte. In 371224 jedenfalls schrieb Geuder an F. Ludwig, daß „der g. erinnerung zu volge, der Teutschen Sprache eigenschafft vnnd leuffiger flüssiger wort verstandt, deß Ergänzenden wenigen wissenheit vnd erfahrung nach, Jnn obacht gezogen werden solle“. Nachdem F. Christian II. mit 380108 drei Briefe Geuders in italienischer (371221A), französischer (371223) und deutscher Sprache (371224) an F. Ludwig gesandt hatte, urteilte dieser in seiner Antwort 380110: „Dem Unverenderlichen werden hiermit des Ergentzenden drey schreiben in unterschiedenen sprachen nechst gebührender dancksagung fur deren mittheilung wieder uberschicket: darunter das frantzösische am flüssigsten oder leufrichsten gestellet [...].“ Vgl. auch F. Ludwigs Vorrede zu seiner Übersetzung Der weise Alte (310411), wonach er in dieser habe „zeigen wollen, wie man in ungebundener rede lauffig, rein und verstendlich, nach der rechten art unserer hochdeutschen Muttersprache schreiben und ubersetzen könne“ (310411 S. 390/ 391 u. K 5). Den von Johann Joachim v. Wartensleben (FG 108) begonnenen Tamerlan wird F. Ludwig ebenfalls als eine stilistisch gelungene Übersetzung werten: „L’histoire de Tamerlane est presque traduicte, ie pense en assez bon Allemand“ (s. 380100). Denn es sie war „trèsbonne et coulante” (371112A). Worum es ihm mit dem Stilideal der Läufig- oder Flüssigkeit der Rede ging, mag F. Ludwigs ungedruckt gebliebene und erst in Beckmann: Accessiones, 165–292, veröffentlichte Reise-Beschreibung illustrieren. Als F. Ludwig mit seiner Reisegesellschaft zu Beginn des September 1596 in Orléans eintraf, sah man sich alsbald nach einem geeigneten Lehrer der französ. Sprache um


„ [...] der gar in deutsch verstund/
Der solt uns ihre sprach’ eintrichtern aus dem Grund/
Er war von Priester art/ nicht alzuhoch gelehret/
Doch wies’ er uns/ wie wir gantz rein und unversehret
Aussprechen sollten/ so wie ein Frantzose thut
Dem seine Zunge leicht’/ und so leuft wie sein mut
Eilfertig immer fort/ man muß das wort nicht zwingen/
Nur sprechen fein gelind/ es wird sonst herbe klingen:
Wie unsre Deutsche sprach’ helt ihren Heldenstand/
Wen ihr der rechte thon reicht gleichsam seine hand“.
(A. a. O., 181; vgl. Otto Denk: Fürst Ludwig zu Anhalt-Cöthen und der erste deutsche Sprachverein. Marburg 1917, 18f.). Vgl. dazu weiterhin 371028, 380000 K 0, 380125A, 380320 u. I, 380427, 381116A u. 390121 (KE, 36f.).
4
F. Ludwigs Sonett auf F. Christians Die Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten. Zum Buch vgl. Beil. II Q und Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, S. 481ff. — F. Ludwig hatte die Übersetzung seines Bernburger Neffen kritisch durchgesehen und korrigiert und mit einem Widmungs-Sonett bereichert. Vgl. 371027 K 4. Das von F. Ludwig verfaßte Sonett mit den in der Tat geringfügigen („in weinigem“) Korrekturen Diederichs v. dem Werder (FG 31) vgl. in Beil. I. Diederich v. dem Werder steuerte dem Christlichen Fürsten
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selbst auch ein Sonett „An den Leser/ Wegen verdeütschung deß Christlichen Fürstens“ bei, s. 380602 I.
5
Die Beilage dürfte eine Abschrift des im Erzschrein erhaltenen, auch von Diederich v. dem Werder korrigierten Sonetts F. Ludwigs gewesen sein, das wir hier als Beil. I veröffentlichen. Vgl. dort Q.
6
Hans Andreas Kessler (v. Kessel), FG 171; geb. in der Oberpfalz, wohl in Nürnberg aufgewachsen, zur Zeit seiner Aufnahme Obristlieutenant, 1638 bfl.-würzburgischer Obrist. F. Christian II. hatte Kessler einst am Amberger Statthalter-Hof seines Vaters F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) kennen gelernt. Es sollte F. Ludwig und F. Christian II. selbst unter Inanspruchnahme des mit Kessler gut bekannten Geuder über die Jahre nicht gelingen, eine farbige Visierung des Kesslerschen Wappens zu erhalten. So zeigt das GB Kö. denn auch nur eine unkolorierte Wappenzeichnung, die Kessler vielleicht mit seinem in 380331 weitergeleiteten Brief übersandt hatte. Am Ende wurden aufgrund dieser Umstände Zweifel an Kesslers Adelsstand geäußert (s. 371223 K 5). Vgl. auch 371220, 371221, 380312 (F. Ludwigs Auftrag an F. Christian, durch Geuder das Wappen Kesslers beschaffen zu lassen), 380331, 380410, 380606 u. 380609; Conermann III, 172f. Zum FG-Gebrauch, die Wappen (wie auch die Impresen) aller Mitglieder auf Seide gestickt zu sammeln und in Gobelins für den Köthener Schloßsaal zusammenzunähen vgl. 371220 K 12.
7
F. Christian II. kam am 10. 8. 1599 in Amberg in der Oberpfalz zur Welt, woher Kessler ebenfalls stammte. Vgl. Anm. 6.
8
Im Anhaltischen war der 9. Dezember der Joachims- und „Des Herren Aufferstehungstag“. S. Kalender Zerbst 1654, 694f.
9
Möglicherweise war F. Christian II. die Identität des Befördernden klar. In 371211 wird er aber F. Ludwig um eine Aufschlüsselung aller Gesellschaftsnamen bitten. Eine Liste der Mitglieder mit deren Personennamen schickte ihm F. Ludwig mit 371220 zu.


K I
1
Der alte, von Cicero (De officiis, De legibus) und anderen überlieferte Rechtsgrundsatz des „suum cuique“ von quasi definitorischer Kraft für „Gerechtigkeit“. Vgl. Gerhard Köbler: Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte. München 1997, 566; Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Zusammengestellt, übersetzt und erläutert von Detlef Liebs unter Mitarb. v. Hannes Lehmann u. Gallus Strobel. München 1982, S. 204 Nr. 89.
2
Die Korrekturen Diederichs v. dem Werder (FG 31) wurden in die Druckfassung des Sonetts übernommen. Vgl. Beil. II.


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