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371219 Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig
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Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig


Beantwortet durch 371220. — Seit F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) in sein Fürstentum zurückgekehrt ist, hat er zu seinem großen Bedauern nur Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310. Der Ergänzende) zur Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft vorgeschlagen, nicht aber zugleich auch den guten Bekannten Gf. Friedrich Casimir v. Ortenburg (FG 316. 1637) aus uraltem Grafengeschlecht und reformierten Glaubens. F. Ludwig (Der Nährende) möge ihn mit einer angemessenen Imprese aufnehmen und dem Ergänzenden in der Reihenfolge vorziehen. — F. Christian versichert, alles zum Gedeihen der Gesellschaft Dienliche nach besten Kräften zu unternehmen. — Grüße von Gattin zu Gattin (Fn. Eleonora Sophia v. Anhalt-Bernburg, die Unveränderliche [TG 39], an Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen, die Nährende [AL 1629. TG 38]).

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 120r–121v [A: 121v], 121r leer;[Handschrift: [Bl. 120r]] eigenh. mit einer Impresennotiz von F. Ludwigs H. 121v. — Gekürzt veröffentlicht in KE, 73f. Bibliographisch erfaßt in Bürger, S. 947 (o. Nr.).

Anschrift


A An den Herren Nährenden. Cöhten. Cito. Cito.
Daneben Impresennotiz von F. Ludwig:
216. Friedrich-Casimir graff von Ortenburg.
Der Verharrende
Die wurtzell China
Jm besten wesen.1

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Der Vnverenderliche weiß in seinem bekümmernüß, zu Niemandt anders, als zu dem Nehrenden seine zufluchtt zu nehmen, vndt suchett Trost, wo er ihn zu erfinden verhofft. Sein anliegen ist dieses, das er sich von anbeginn seiner wiederkehr, in dieses Löbliche Fürstenthumb2 darinnen schändtlich vergeßen, vndt
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vbel vorgesehen, daß er dem Nehrenden, nur allein den Ergentzenden Ritter3 , in die rühmliche Fruchtbringende Gesellschaft, nicht aber zugleich auch, den vornehmen herren, Graf Friederich Casimirn von Ortemburgk4 , eines vhrallten NeunhundertJährigen Löbl. [gr]avengeschlechtsa , im Röm. Reich, vndt einen eyferigen Reformirten Christen, vnsern so guten Freundt, vndt allten bekandten, mitteinzunehmen, vorgeschlagen. Nun hette er zu bitten, wann es ie noch gesein5 [sic] köndte, daß man ihm dem vnverenderlichen, nicht allein seinen fehler verzeyhen, sondern auch gedachten Reichsgraven, einnehmen, vndt mitt einem wolanstendigen Nahmen, wortt, vndt gemählde in der Fruchtbringenden gesellschafft zieren, begaben, vndt dem Ergentzenden, (weil es in so einer kurzen Zeitt geschehen) vorziehen wollte. Es wirdt gemelter Graff, wie auch der vnverenderliche höchlich, durch solche bezeygung verbunden werden. [Handschrift: [Bl. 120v]] Der Graff wirdt es vor eine große ehre halten, vndt zu verdienen, (wiewol er deßen gar wol würdig ist) ie mehr vndt mehr vrsach gewinnen, vndt der Ergentzende wirdt es selber gerne sehen. Der hocherleuchte Nehrende, wirdt es seinem beywohnendem verstande nach, reiflich erwegen, vndt des vnverenderlichen hierinnen begangenen fehltritt, zu rechte helfen, auch sich versichert halten, daß der vnverenderliche alles das iehnige was zu ferrnerem [sic] wachsthumb vndt aufnehmen der offterwehnten hochlöbl. Fruchtbringenden Gesellschaft gereichen möchte, ihme nach beschaffenheit der vmbstände, eyferig werde angelegen laßen, vndt verbleibett in solcher andachtt,
  desb Nehrenden, allezeitt williger Diener vndt geselle,
  Der Vnverenderliche. etc.
  Es leßett die Nehrende, die vnverenderliche fr. grüßen.6

  Bernburgk, am 19ten Christmonats, im Jahr, 1637.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Zeichenverlust im Falz, Konjektur in eckigen Klammern. KE Gravengeschlechts
b
Bis grüßen in KE weggelassen und durch einfaches & ersetzt.

Kommentar

K
1
Die Imprese Gf. Friedrich Casimirs v. Ortenburg, als Nr. 316 (oben falsch: „216“) noch Ende 1637 in die FG aufgenommen (das GB 1641 gibt das Eintrittsjahr 1637 an, ebenso GB 1646): „Der Verharrende“ — „Die wurtzel China“ — „Jm besten wesen“. Conermann III, 360. Vgl. Anm. 4, zu seiner Einnahme in die FG vgl. auch 371220 u. I, 371221 u. 380128.
2
F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) war am 13. 5. 1637 von einer Reise an den Wiener Kaiserhof in seine Residenz Bernburg zurückgekehrt, vgl. 370517 K 2 u. K 4. Während der in Folge des „Sacco di Bernburg“ (am 11. 3. 1636, vgl. 360428 u. Beilagen) durchgeführten Reisen Christians nach Regensburg und Wien 1636/37 hatten sich besonders enge Beziehungen zu Hans Philipp (v.) Geuder (s. Anm. 3) und Gf. Friedrich Casimir (s. Anm. 4) ergeben. Nach seiner Rückkehr aber hatte Christian zu seinem nachträglichen Bedauern nur Geuder zur Aufnahme in die FG vorgeschlagen (s. 370517).
3
Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310), der am 24. 12. 1636/ 3. 1. 1637 vom römischen Kg. Ferdinand, dem späteren Ks. Ferdinand III., in Regensburg zum Ritter geschlagen und am 25. 5. 1637 auf Vorschlag F. Christians II. in die FG aufgenommen worden war. S. 370517 Postskriptum u. K 6.
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4
Der reformierte Gf. Friedrich Casimir v. Ortenburg (1591​–1658), seit 1627 regierender Graf des Hauses Ortenburg, blieb ehe- und kinderlos. Er hatte seine Ausbildung als Jugendlicher u. a. in Amberg genossen und war seit dieser Zeit gut mit F. Christian II. bekannt. Während seiner Reisezeit 1636/37 (vgl. Anm. 2) besuchte F. Christian von Regensburg aus Ortenburg (westlich von Passau). Christian: Tageb. XIV, Bl. 147v. Als er im Dezember 1636 ebenfalls von Regensburg aus nach München fuhr, traf er am 6. 12. unterwegs seinen „guten Graf Friderich Casimir von Ortenburg“ (270r). Keine zwei Wochen später kam der Graf in Regensburg an, so daß es den Dezember über zu regelmäßigen Zusammenkünften Christians mit Graf „Fritz“ kam (287r, vgl. 280r, 287r u. 301r). Als Christian am 24. 12. Abschied vom Grafen und von Regensburg nahm, hinterließ er ihm seine kostbaren Kleider und Gegenstände zur Verwahrung, die der Graf im Januar nach Ortenburg abholen ließ (329v u. 346v). Am 6. März 1637 besuchte ihn Christian für eine Woche in Ortenburg, wo man die Zeit mit Konversationen, Besichtigungen, Lektüre und Musik verbrachte, auch im Beisein der von F. Christian wegen ihrer Bildung sehr geschätzten Stiefschwester Lucia Euphemia (1586–1648, AL 1617; vgl. 310108 K II 18 und Hausmann [s. u.], 36) (374vff.). Im Anschluß reisten F. Christian und Gf. Friedrich Casimir nach Salzburg, wo sich der Graf durch Umsicht und Organisationstalent auszeichnete (379vff.). Nach Ortenburg zurückgekehrt, kam es am Vorabend von Christians Abschied zum Streit mit dem Grafen — wohl im Zusammenhang mit einer Zecherei (23. 3. 1637; 389v). Seit dem Mai 1637 wieder in Anhalt, blieb Christian durch Korrespondenz mit Gf. Friedrich Casimir verbunden. Auch wurde der Graf wiederholt Gegenstand von Gesprächen und Beratungen der Anhaltiner (vgl. 430v, 434v, 446r, 449r, 472v, 484v, 518v, 525v u. 562v). Bei einer erneuten Reise zum Kaiser nach Wien stieg Christian, auf der Donau von Regensburg her kommend, am 27. 10. 1638 für eine Nacht im nahegelegenen Ortenburg ab: „Zu Ortenburg, habe ich meinen lieben frommen Grafe Friederich Casimirn vberrascht, vndt in zimlichem zustandt befunden, Seine fraẅlein Schwester aber, Freẅlein Lucia Euphemia ist etwas an fieber vnpaß gewesen“. Am nächsten Tag, nach der reformierten Morgenpredigt, brach Christian zur Fortsetzung seiner Reise wieder auf. Christian: Tageb. XV, 48r. — Gf. Friedrich Casimirs Aufnahme in die FG geht auf den vorliegenden Brief zurück. Vgl. 371220 u. I, 371221, 380128 u. 380310; ferner Conermann III, 360f.; EST V, T. 80; Gauhe II, 832ff.; Köbler, 444; NDB XIX, 597; Siebmacher II.1, S. 17f. u. T. 11; Zedler XXV, 2040ff.; Wilfried Hartleb: Das evangelisch-lutherische Schulwesen in der Reichsgrafschaft Ortenburg von der Einführung der Reformation im Jahr 1563 bis zur Übernahme der Grafschaft durch Bayern im Jahr 1805. Passau 1987, 107ff.; Friedrich Hausmann: Die Grafen zu Ortenburg und ihre Vorfahren im Mannesstamm. Ein genealogischer Überblick. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch f. Geschichte, Kunst u. Volkskunde 36 (1994), 9–62, insbes. S. 36; [Jakob Wilhelm Imhof:] S. Rom. Germanici Imperii procerum tam ecclesiasticorum quam secularium notitia historico-heraldico-genealogica (Tübingen 1684), 1029ff., insbes. 1034 (HAB: Ff 25); Universitätsbibliothek Regensburg: Alte Bücher aus dem Besitz der Grafen zu Ortenburg. Kat. zur Ausstellung 19. 3. – 26. 4. 1991. Regensburg 1991, 107f. Eine von Gf. Friedrich Casimir in Auftrag gegebene, von dessen Hofprediger Michael Gall verfaßte und für die Nürnberger Druckerei Wolfgang Endter 1641 als Druckmanuskript fertiggestellte, jedoch aufgrund Geldmangels nicht gedruckte Familiengeschichte hat sich im Gfl.-Ortenburg’schen Familienarchiv im Schloß Tambach erhalten: Genealogia Ortenburgica, hoc est Descriptio stirpis illustrissimorum et generosissimorum S. R. I. comitum in et de Ortenburg. S. Hausmann (s. o.), 10. Darüber hinaus war Gf. Friedrich Casimir künstlerisch begabt und interessiert. Hier wäre für die Kunstgeschichte manche Entdeckung zu machen: die Serie von 40 Aquarellen, etwa 1620/1630 entstanden, in der der Graf teilweise mit genrehaften Zügen Land und Leute seiner Grafschaft festhielt, viele weitere eigenhändige Skizzen, technische Entwürfe, Zeichnungen und Aquarelle wie seine Monatsbilder und sein Entwurf der Holzdecke im (ehemaligen)
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Tafelsaal des Schlosses Alt-Ortenburg, die als eine der schönsten Renaissance-Holzdecken Deutschlands gilt. Ein Malbuch des Grafen hat sich im Gfl.-Ortenburg’schen Archiv in Tambach ebenso erhalten wie hsl. Schulbücher (Sprachen, Grammatik) und eine Vielzahl von Urkunden. Ein Inventar ist in Arbeit. Schließlich hat Johann Wilhelm v. Stubenberg (FG 500. 1648) ein in besagtem Familienarchiv hsl. erhaltenes und bislang unbekanntes „Klinggedichte Des unglükkseligen, an Den Wehrten Verharrenden“ aufgesetzt (Gfl.-Ortenburg’sches Archiv Tambach: Abt. Familie u. Gft. Ortenburg, Akten Nr. 715). Das Sonett ist undatiert, muß aber zwischen 1648 (Aufnahme Stubenbergs als ‚Der Unglückselige’ in die FG) und 1658 (Tod Gf. Friedrich Casimirs) verfaßt worden sein. Wir danken Friedrich Hausmann für freundliche Auskünfte und Gf. Heinrich v. Ortenburg für seine Genehmigung. Vgl. Heinz Pellender: Tambach. Vom Langheimer Klosteramt zur Ortenburg’schen Grafschaft. Coburg 1985 (Schriftenreihe der Historischen Gesellschaft Coburg e. V., H. 3), insbes. S. 43–45 (mit Abbildungen eines Porträts des Grafen und zweier Zeichnungen/ Aquarelle von seiner Hand, heute in der Gfl.-Ortenburg’schen Ahnengalerie bzw. im Gfl.-Ortenburg’schen Archiv in Schloß Tambach), 61 (Abb. des seit 1531 geführten gevierten Schildes wie im GB Kö., s. Conermann II, S. [201]) u. die genealogische Tafel am Schluß.
5
Verstärktes Verbum sein, auch in der Bedeutung von sich verhalten, geschehen, statthaben. DW IV.1.2, 4024f.; Baufeld, 216; Götze, 104. Im Mhd. konnte das „ge-“-Präfix vor alle Zeitwörter gesetzt werden mit leiser Bedeutungsmodifizierung zum Zusammenfassen, Abschließen oder Verstärken der ausgedrückten Tätigkeit. Lexer: Taschenwb., 54.
6
F. Christians II. Frau, Fn. Eleonora Sophia (TG 39), läßt F. Ludwigs zweite Gemahlin, Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen (AL 1629. TG 38), grüßen. Zur Praxis innerhalb der FG, den Frauen die Gesellschaftsnamen der Ehemänner beizulegen, vgl. 371110 K 8.

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