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380000 Cuno Ordomar von Bodenhausen an Diederich von dem Werder
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380000

Cuno Ordomar von Bodenhausen an Diederich von dem Werder


Cuno Ordomar v. Bodenhausen (FG 69. Der Bequeme) dankt Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) für die von F. Ludwig (Der Nährende) veranlaßte Übersendung einer Lob- und Trostschrift über die Fußgicht. Bodenhausen greift Aspekte des sa-
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tirischen Enkomiums auf und bereichert sie durch eigene Einfälle. Eine (dunkle) Anspielung auf Eintragungen im Kirchenbuch der Werderschen Patronatskirche zu Reinsdorf und auf den jugendlichen Leichtsinn Werders, welcher sich zwar aus dem Geblüt verloren habe, im Gemüt jedoch noch immer behaupte, beschließt den Brief.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 385r–386v [A: 386v],[Handschrift: [Bl. 385r]] Schreiberh. mit eigenh. Unterschrift; Sig. Zwischen zwei Briefen Diederichs v. dem Werder an F. Ludwig (381130 und 380721).

Anschrift


A Dem Vielgekörnten Reinsd.1

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Dem Vielgekornten entbeut der bequeme2 seinen dienstlichen grus[,] bedancket sich freundtlichen daß derselbe auf befehl des Nehrenden die lob- vndt Trostschrifft vber die fusgicht3 dem bequemen theilhafftig machen wollen, Vndt wie sie mit deßen fest gefasten meinung gentzlich ubereinstimmet, also ist sie auch mit guter Vergnugung des gemuts gelesen worden. Die wackelende geschwollene beine vndt gantz mörbe vermattete knie aber, haben wenig linderung noch kräffte hieruon empfunden, den als der bequeme fur Freude (daß er so guten beyfal vndt trost in gemelter schrift empfunden) vom stul alleine aufstehen vndt lustig herrumb springen wollen, wehre ehr balt gantz vbern hauffen gefallen, do4 ihn nicht zwey starcke Kerl ergriffen vndt mit ein bahr starcken Aw icha 5 vndt krummen maule wieder zusizen gebracht hetten.6 Die Volkommenheit aber dieses lobes ist unmuglich gewesenb in einer so kurtzen schrifft zuuerfaßen, meine ganz geschwollene vndt noch gar sehr erstarrete handt auch (so mihr fast außer dieser nohtwendigkeit den nahmen zuunterschreiben, nicht gehorsamen wil) ietzo nicht fehig solches zuuermehren, weil esb wohl wurdig ein Bibel gros buch daruon zuschreiben; mitt wenigen etwas zuberuhren so ist bey dem Vhrsprung vndt herkommen dieser hochEdelen fusgicht dieses zu erwegen daß dieselbe von vhralttem vornehmen geschlechte gezeigetc vndt gebohren wirdt das uber 32 ahnen weist,7 dieselbe ihr furstliches oder adeliches herkommen gahr leicht beweisen vndt darthun kan daß auch derjenige bey dehm sie eingekehret vndt wohnung macht dahero gahr wohl fur gewis schließen kan daß ehr Echte vndt recht gebohren vndt kein hur kindt sey, [385v] Vndt ob sie zwarten8 zum öfftern auch bey denenjenigen, so nicht eben eines so altten furstl. oder Adelichen stammes gebohren, einzukehren, vndt ihrer art vndt gelegenheit nach mit ziemlicher empfindtligkeit in deren Kuntschafft sich begeben[,] so wirdt sie doch iederzeit diesen vnterscheidt haltten daß sie bey niemandt anders sich vernehmen vndt finden leßet, als die durch dapfferkeit – geschickligkeit vndt dergleichen adeliche tugende sich obgemeltten gleich gemacht auch wohl in vielen ubertreffen, oder zum wenigsten durch großes reichthum sich denselben gleich achten wollen, So ist sie gleichfals nicht alleine die fusgicht, sondern stattlich beschwistert vndt befreundet, als da seindt die hendegicht, die Elbogen gicht, die Kniegicht, die Ruckengicht etc. vndt dergleichen mehr so in Volkommenheitt vndt starcker ubung jene bey weitem ubertreffen, Die gemeine Gicht aber gehört fur die bauren. Vnter anderen Ehren
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auch[,] so die fusgichtträger, wie in der gemelten schrifft erzehlet, ist diese nicht zuuergeßen, daß dieselben bey allen hohen heuptern das immerwehrende Sitzrecht erhaltten, auch bey höchstem gebreng; Ja wohl mehr Ehre erlanget als das höchste haupt der Christenheit, dem Röm. Pabstd , so sich nurt9 im gebrenge von gemeinen groben starcken Schweitzern tragene vndt auff den schein der pantoffel kußen lest, besagte fusgichtträger aber nicht auf ein blos gebränge, sondern auff ordnung der Natur offt von vornehmen leuten nicht allein an den tisch sondern wohl gahr nach erforderung der Noht mitt sonderlicher geschickligkeit vndt Vorsichtigkeit auf einen hollenstul10 getragen werden, so kein Pabst geschiet[,] er habe sich dan auch in die fusgichtträgerey geselschafft gegeben,11 [386r] Zugeschweigen daß mitt derer fußen vndt beinen viel behutsamer vndt antächtiger vmbgegangen werden mus als mitt des Pabsts Pantoffelen, zu den andern nutzen vndt behegligkeiten so diejenigen so dieser geselschafft mitt handt vndt fußen verpflichtett empfinden, wehren derselben noch viel zu zehlen, wan man der sachen wichtigkeit vndt nohtturfft genuge thun woltte, Bey dem geistlichen nutzen ist dieses nicht der geringste, wie die danckbarkeitt das beste opffer, das dergleichen fusgichtträger fur die genesung vndt wenige linderung ihresf geringsten gliedes des kleinen zehes, die straffe der kranckheit als auch die große furtreffligkeitt eines gesunden leibes mehr betrachten, Gottes hulffe erkennnen, vndt darauf sich wegen der andern nohtleidenden glieder fest verlaßen, vndt mitt gedultt deßen erwartten (wie sie kein ander mittel der genesung finden können) auch von hertzen inniglich dancken als kein gesunder der in 10 oder 12 Jahren keine kranckheitt empfunden, fur seinen ganzen gesunden leib zu thun pfleget, dan ob man gleich etwa fur etzlichen Jahren zu Nurnberg kranck gelegen, oder bisweilen wang wegen gebrauch der Artzney des Jahres einmahl die winde die quere kommen, so ist doch solches balt vergeßen, do4 herjegen diese fusgicht ihre geselschaffter oder gehorsame vnterworffene in täglicher ubung vndt gedechtnus erheltt,
  Gleichfals haben diese geselschaffter sich aus diesem liede (so fahre hier fort vndt schone dort vndt las mich hier wohl bußen)12 einen starcken trost, wie dan der bequeme der gewißen hoffnung die grune dintte13 soltte mitt der zeitt auf diese maße aus dem kirchenbuche zu Reinsdorff außgedilget werden, Do4 herjegen zu wuntschen daß dergleichen mittel sich ereigneten, wormit der Vielgekörntte die sunden seiner Jugent bußen könte, vndt ob zwartten8 der Mutwille im geblute sich daselbst zimlich verlohren haben mag, so stecken aber deßen noch viel im gemuteh , vndt wan man mitt den leichtferttigen beinen gleichfals daruon komen könntte, soltte man billich wohl darmit zufrieden sein, [386v] Vndt ob zwartten8 etzliche sich selbst vnterschiedene artten zu bußen erfunden vndt solcher buße unterwerffen, als daß etzliche im heißen Sommer vndt warmen tagen nebens anderen wohlverwartten kleidern sich in einen dicken busmanttel ein wickelen, weil aberi eigen erdichten Bußen wedderj diej luterischen noch diek Verenderten14 beyfallen, sondern allein die Päbstische solche hoch haltten die in ihren Kutten sich auch begraben laßen, Also finde ich jenel von Gott vndt der Natur aufgelegte Buße vorträglicher15 , iedoch stehet in eines iederem gefallen wie weit ehr dieser meinung beypflichten vndt zu dieser fus-
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gichttregerey begirig vndt willig sein wolle. Gottes Schutz hiermitt ergebende, verbleibet

  des Vielgekörnten dienstgeflißener
  Der Bequäme

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Unsichere Lesung.
b
Eingefügt.
c
Lies: gezeuget
d
dem Röm. Pabst am Rand ergänzt.
e
Folgt <laßen[?]>
f
Eingefügt für <seines>
g
Folgt <man>
h
Eingefügt für <geblute>
i
Folgt <den>
j
Folgt <bey>
k
Gebessert aus der
l
Eingefügt für <diese>

Kommentar

K Wie die Anschrift und der Gebrauch der Gesellschaftsnamen andeuten, war Bodenhausens Brief ursprünglich wohl einem anderen, amtlichen Schreiben Bodenhausens an Werder beigelegt, das dieser an den Fürsten weiterleitete. In dem anderen Schreiben könnte Cuno Ordomar v. Bodenhausen (s. Anm. 2) Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) nicht über Aufträge F. Ludwigs (Der Nährende) im Dienste der FG (vgl. z. B. 380423A I u. 380522) berichtet haben, sondern über solche im Dienste des Landes. Bei einer anhaltischen Fürsten- und Ständezusammenkunft am 14. 9. 1636 werden als Teilnehmer auch der „Oberste [Diederich v. dem] Werder vndt Bodenhausen“ als Vertreter der Landstände genannt (Christian: Tageb. XIV, Bl. 200v), desgleichen am 19. 9. 1636 wiederum Werder, Bodenhausen und (Albrecht) Christof v. Krosigk (FG 7) (a. a. O., 203r). Cuno Ordomar begegnet in den Quellen häufiger als Mitglied des Großen wie auch des Engeren Ausschusses der Landstände. Vgl. etwa KU IV, 16 (1. 1. 1637); 35ff. (10. 2. 1637); 223f.; 255ff. (13. 9. 1637); 280ff. (30. 1. u. 17. 2.), 422f. (21. 2. u. 23. 2. 1639). Jenes Schreiben Bodenhausens, das der vorliegende Brief als Beilage begleitete, ließ sich ebenso wenig nachweisen wie ein Brief Werders, mit welchem der vorliegende Brief an F. Ludwig gesendet worden sein muß. — Der vorliegende Brief, in dem sich Bodenhausen über eine wohl deutschsprachige scherzhafte Schrift über das Podagra (vgl. Anm. 3) äußert, welche ihm F. Ludwig durch D. v. dem Werder zur Anregung überschickt hatte, stellt eines jener literarischen Schreiben dar, welche die FG schon in ihrer Frühzeit förderte (vgl. 200125, 210401 u. 230430), um ihre beiden Gesellschaftszwecke durch conversatione civile und Pflege der geschriebenen Sprache zu erfüllen und dadurch vor allem einen im Deutschen neuen Briefstil einzuüben. Vgl. Conermann I, Bl. A iij v u. Conermann: Akademie.
1
Diederich v. dem Werder lebte auf seinem Gut Reinsdorf in Anhalt unweit Köthen.
2
Cuno Ordomar v. Bodenhausen (FG 69. Der Bequeme), älterer Bruder Bodos v. Bodenhausen (FG 152, s. 370305) und fl.-anhaltischer Landrat und Ständevertreter, der in Görzig als unmittelbarer Nachbar Werders (Anm. 1) lebte. Vgl. Anm. 0; 380423A I, 380522 u. 381030; Conermann III, 75f.; Gauhe I, 128f. Daß sich die Kontakte zwischen Bodenhausen und Werder nicht auf amtliche Aufgaben für Land, Stände und Fürstenhaus Anhalt beschränkten, für die beide tätig waren, zeigen dieser Brief wie auch das Trauergedicht, das Werder 1654 seinem alten Kollegen und Freund aufsetzte. Es erschien ohne Titel, gezeichnet „Jch rede dir von Trewe“ (Anagramm für Diederich v. dem Werder), Inc.: „SOl Jch mich wohl unterstehn/ soll ich es wohl dürfen wagen?“ in der Leichenpredigt: Mors piorum, finis omnium malorum ... Bey Wohlansehnlicher Leichbestattung Des Weiland WohlEdelgebornen/ Gestrengen Herren Cuno Ordemars von Bodenhausen/ daselbsten und auff Niedergandern/ Görtzig und Rhode Erbsassen. Welcher den 2. Octobris ... 1654. in seinem Erlöser Christo Jesu sanfft und selig entschlaffen; Wie auch bey Leichbestattung seines hertzgeliebten Jüngsten Sohnes/ Des Weiland WohlEdelgebornen Ernst Lebrecht von Bodenhausen/ Der verwichenen 4. Julij des 1654. Jahres/ unversehens ... seinen Geist selig aufgegeben. Welche beyde verblichene
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Adeliche Leichnam ... den folgenden 12. Decembris/ in volckreicher Gegenwart/ Eines Fürstl. Anhalt. ... Abgesanten/ auch vieler ansehnlicher von Adel/ und anderer vornehmen Personen/ in der Kirchen zu Görzig ... beygesetzet worden. Gehalten durch Martinum Beutnitz (o. O. 1655), Bl. K[iv]r – M[i]r. LP Stolberg 6356/ 6357 und HAB: Slg. Alv. Nh 203 [7]. Der Verstorbene hat demnach „nicht allein seinen Benachbarten und Befreundten/ sondern auch dem gantzē Lande und der Fürstl. Herrschafft in Verschickungen und Verrichtungen erspriesliche/ rühmliche und treue Dienste geleistet/ welches noch unvergessen/ und wird dieses Fürstenthumb wohl beklagen/ daß es einen so treuen Patrioten/ und der es mit dem Vaterlande recht auffrichtig und treulich gemeinet“, verloren habe. Obwohl er, so rühmt der Lebenslauf in der LP weiter, ein „weltweiser/ gelehrter wohlgereister von Adel gewesen“ sei, habe er doch „das sonst sehr gebräuchliche politische simuliren gar nicht practiciren können/ sondern was ER im Hertzen und Sinne gehabt/ und vor billich und recht/ seinem wohlgefasten Judicio nach/ erachtet/ alsobald offenhertzig bey grossen und kleinen ohne scheu offentlich mit dem Munde heraus gesaget“ (Bl. J[iv]r f.). Seine freigiebige Unterstützung der Armen, Kranken und Bedürftigen wird in den Personalia unterstrichen, die Mitgliedschaft des „zur Arbeit“ „Bequemen“ in der FG aber lediglich in einem Trauergedicht „Des Bequemen Andencken“ vom Gleichgefärbten (Wilhelm Heinrich v. Freyberg. FG 439. 1645) (a. a. O., Bl. M ij r f.) angesprochen. Der Gleichgefärbte hat übrigens später Werders Anagramm „Jch rede dir von Trew“ zum thematischen Anlaß seines Epicediums auf Diederich v. dem Werder gemacht. Vgl. Beckmann VII, 288. Werder selbst unterzeichnete mit dieser Formel seine Widmungsepistel in [Giovanni Francesco Loredano: La Dianea, zuerst Venetia 1635; dt. übersetzt von Werder u. d. T.:] DIANEA | Oder | Rähtselgedicht/ | in welchem/ | Vnter vielen anmuhtigen Fügnussen/ | Hochwichtige Staatsachen/ | Denklöbliche Geschichte/ und | klugsinnige Rahtschläge/ | vermittelst | Der Majestätischen Deutschen Sprache/ | Kunstzierlich | verborgen. | [Vignette mit Purpurmuschel] | Nürnberg/ | Jn Verlegung Wolfgang Endters/ | [Linie] | M. DC. XXXXIV. Faksdr. hg. u. eingel. v. Gerhard Dünnhaupt. Bern usw. 1984, Bl. [2]r. Zur Person Freybergs vgl. 371030 K 8.
3
„Furchtbar den Menschen, und dem Ohre schon verhasst | Heiss’ ich die Fussgicht, schrecklich Weh den Sterblichen. […]”. So beginnt in der dt. Übersetzung von K. F. Hermann der Okypus des Lukianos von Samosata, dem sich dessen Tragopodagra anschließt, welche bereits in Christoph Martin Wieland einen kongenialen Übersetzer gefunden hatte. (Lucians Schnellfuss oder die Tragödie vom Podagra. Übers. v. Karl Friedrich Hermann. Göttingen 1852, Zitat S. 10; Lucians von Samosata Sämtliche Werke. Aus dem Griech. übers. … v. C. M. Wieland. 6 Tle., Leipzig 1789, 421–440). Beide Texte bilden nach Hermann ein Ganzes; sie werden von der parodistischen Idee getragen, daß die Gichtbrüchigen Eingeweihte und Diener der unbezwingbaren, weltbeherrschenden Göttin Podagra sind (Podagra wurde meistens auf die Fuß-, Chiragra auf die Handgicht eingeschränkt). Das kultische Opfer der podagrischen Gemeinde sind ihre Qualen und Schmerzen. Die Moral lautet, daß sich jeder Kranke geduldig in sein Schicksal fügen soll. Lukians Parodie ist stilbildend geworden für eine Reihe weiterer ironischer Enkomia auf das Podagra in Antike und Humanismus. Beide Epochen pflegten die komische Lob- oder Verteidigungsrede auf niedrige Gegenstände. Caspar Dornau (1577–1631) sammelte eine beachtliche Fülle alt- und neulateinischer Enkomia und verwandter Humoresken in seinem monumentalen Werk Amphitheatrum Sapientiæ Joco-Seriæ (Hanoviæ: Daniel ac David | Aubrii & Clemens Schleichius 1619: Typis Wechelianis), Ndr. hg. u. eingel. v. Robert Seidel. Goldbach 1995. Eine unveränderte zweite Ausgabe erschien 1670 in Frankfurt a. M. (HAB: P 506. 2° Helmst.). Dornaus Sammelwerk vereinigt rund 600 Texte von etwa 300 Autoren, darunter gut 30 antike Verfasser. Die Texte reichen vom zweizeiligen Epigramm bis zur über vierzigseitigen Abhandlung oder Rede. Darunter finden sich Ciceros „Encomium cæcitatis“, Ulrichs v. Hutten „Dialogus Febris prima et secunda“ und Erasmus’ von Rotterdam „Stultitiæ laus“. Zur Gicht bringt das Sammel-
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werk Lukians „Tragopodagra“ (II, 196–202), Willibald Pirckheimers „Podagræ lavs“ (II, 202–208), Hieronymus Cardanus’ (Girolamo/ Geronimo Cardano) „Podagræ Encomium“ (II, 215–219), Ioannes Carnarius’ (Jean de Vleeschoudere d. Ä.) „De Podagræ lavdibus oratio“ (II, 219–223), Johann Fischarts Trostbüchlin (s. u.) in lat. Übersetzung (II, 229–261), daneben auch größere und kleinere Gedichte wie Erasmus’ „Podagræ et calcvli ex comparatione vtriusque Encomium“ (II, 202), Friedrich Taubmanns „Podager et Chirager“ (II, 219) oder des Prager Domprobsts Georg Barthold Pontanus 1605 in Frankfurt a. M. erschienener „Trivmphvs Podagræ“ (II, 224–227) u. a. m. — Auch Petrarca knüpfte in einem Dialog (in De remediis utriusque fortunae) und in seiner Fabel von der Spinne und der Gicht (in seinem Brief an Kd. Giovanni Colonna in seinen Epistolae de rebus familiaribus et variae) an die antike Tradition an. Die Fabel wurde von Hans Sachs bearbeitet („Der Zipperlein unnd die Spinn“). Von Cardanus’ Podagrae Encomium erschien 1557 in Frankfurt a. M. erstmals die dt. Übersetzung: Meßkram für die Podagrischen: Darinn des Podagrams ursprung, altens herkommen, ... lob, nutz und tugent, angzeigt ... auch vor ... missgünstigen ... nachreden ... verfochten ... Wirt (STB-PK Berlin). Sowohl Ioannes Carnarius’ im Herbst 1552 an der U. Padua öffentlich vorgetragene Lobrede als auch Willibald Pirckheimers mehrfach aufgelegte und übersetzte Verteidigungsrede des Podagra von 1522 übersetzte recht frei und stark erweiternd Johann Fischart in seinem „quodlibetischen“ Werk: Podagram̄isch | Trostbüchlin. | Jnnhaltend | Zwo artlicher SchuzReden von | herlicher ankonft/ geschlecht/ Hofhaltung/ | Nuzbarkait vnd tifgesuchtem lob des Hoch= | geehrten/ Glidermächtigen vnd zarten | Fräulins PODAGRA. | Nun erstmals zu kitzeligem trost vnd ergezung andächtiger Pfotengrammischer perso- | nen/ oder Handkrämpfigen vnd Fusverstrick- | ten kämpfern lustig vnd wacker (wie ain | Hund auf dem Lotterbett) bossirt | vnd publicirt | Durch Hultrich Elloposcleron. | [Holzschnitt] | Anno M. D. LXXVII. HAB: Lo 1408. In der Vorrede an alle „Podagramsgedultige vnd Zipperlinschuldige“ (Bl. B iijv – C iijr) bemüht Fischart nach dem Vorbild der Consolatio des Boethius die Philosophie als Trösterin des menschlichen Gemüts. Sie unterstütze oder ersetze, was die Heilkunst am Leib ausrichte bzw. nicht mehr vermöge. Die erste „Rede von Vrsprūg Stammen/ zucht/ Lob vnd Nutz der Edelen/ Zarten Dirnen Podagrae: etwan offentlich zu Padua auf der hohen schul/ durch den H. Medicum Ioannem Carrarium[sic] lateinisch gehaltē: Nun aber zu trost den Teutschen haußschim̄eligen Podagrischen/ widerrum inn truck gepracht/ Vnd folgender gestalt Teutsch entworfen” (Bl. C iij v – H r) beschreibt die Abstammung des edelen Fräulein Podagra von den Eltern Venus und Bacchus (nach Vergil), ihre Auferziehung in den paradiesischen Heimatgefilden Zyperns. Überfluß an allem, Unmäßigkeit und Müßiggang beherrschen ihr Leben ebenso wie das der Reichen und Hohen, in deren Paläste und Häuser sie auf ihrem Weg zur Weltherrschaft bevorzugt einzieht, so daß „die Reichesten/ herlichsten vn̄ statlichsten sich zu Priestern vnnd Opferpflegern der herlichen Glidgöttin Podagra darstellen. Dan hat sie nicht Gaistliche häupter/ Bäpst/ Cardinäl/ Bischoff/ Prelaten/ desgleichen weltliche vorsteher/ Kaiser/ König/ Fürsten/ Grauen/ Freiherrn/ Landherrn/ Edel/ vnd vnedle/ Gelehrte vnd vngelehrte/ wolhäbige/ Müsige/ die alle dieser Göttinn auf das fleisigst vorgehn/ opfern vnd dinen? Welches warlich ihren nicht aine geringe ehr ist/ vnd sie inn groses ansehen pringet.“ (D viijr f.) Der Beschreibung des hohen Adels der Podagra und ihrer Klientel folgt eine Aufzählung der Nützlichkeitsaspekte: Sie führe die von ihr Befallenen zu Selbsterkenntnis, Weisheit, Bescheidenheit und Mäßigung in Glück und Unglück; sie bekämpfe den Stolz, prüfe die Geduld, bewähre den Glauben und befördere eine christliche Vorbereitung auf den Tod. Als von Gott geschicktes heilsames Übel, das selbst nicht zum Tode führt, sondern nur die Füße und Hände befällt, erfährt Podagra eine Lobrede, die vom schlicht-populären Ton auf eine ernste, erhabene Stilebene wechselt (F vijr ff.). Dieser Trostrede an die Podagristen folgt nun eine zweite verdeutschte Rede, die Apologia seu Podagrae Laus, welche Pirckheimer in Form einer Verteidigungsrede der personifizierten Podagra vor ihren
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Richtern verfaßt hatte: „Lob des Podagrams/ etwa Latinisch von dem Hochgelehrten Herrn Bilibald Pirckhaimer geschriben/ nun aber den Teutschen Podagrischen zu trost inn jrer gemainen sprach an tag gegeben“ (H v – M viij v). Auch hier sind es, im Rückgang auf Lukian, Petrarca u. a., die Reichen und Müßiggänger, die Prasser und Buhler, die selbst durch ihre zügellose Lebensweise das schuldlose Podagra in ihre Glieder zwingen. Somit spendet Podagra den Menschen leiblichen, geistigen und seelischen Nutzen. — Wenn Bodenhausen im vorliegenden Brief ausdrücklich für eine „lob- vndt Trostschrifft vber die fusgicht“ dankt, die ihm von F. Ludwig durch Werder übermittelt worden war, haben wir Grund zu der Erwägung, ob es sich bei der genannten Schrift um Fischarts Trostbüchlin gehandelt haben kann. Es weist ebenso den Charakter der Trost- als auch der Lobrede auf und spricht das in Titel und Teiltiteln aus, verteilt es sogar mit dem jeweiligen Schwerpunkt der Aspekte auf beide Reden. Allerdings nahm sich nach Fischarts Trostbüchlin auch Georg Fleissner der Gicht in dt. Sprache an: Ritter Orden | Deß Podagrischen Fluß: | Das ist: | KVrtze vnd eigentliche be- | schreibung/ auß Mercurii der | Götter Postbotten Munde | selbst verfasset: | Von deß zarten Jungfräwleins vnd | Göttin Podagræ Herkunfft/ Geburt/ Na- | men/ Complexion/ [...] Durch | Herrn Georgen Fleißnern [...] Anjetzten widerumb auffgelegt/ vnd an vilen | örtern mit fleiß vbersehen. O. O. 1601. UB Leipzig: BST 8° 146 (2). 8° 23 Bl., in Versen. Das Werk erschien erstmals 1596 in Leipzig. SUB Göttingen: 8 Med. pract. 912/7 (konnte nicht eingesehen werden). Ein Exemplar befand sich einst in F. Ludwigs Bibliothek, s. IP, Bl. 284r, Nr. 233. Jacob Balde (1604–1668) veröffentlichte Jahrzehnte später einen Trost der Podagristen: SOLATIUM | Podagri- | corvm | Avthore | JACOBO BALDE | è Societate Jesv. | LIBRI DVO. | Cum Approbatione & Licentia | Superiorum. | [Vignette] | MONACHII. | Typis LVCÆ STRAVB. | Sumptibus Ioannis Wagneri | Bibliopolæ. | [Linie] | M. DC. LXI. HAB: 147.13 Med. (3) u. QuN 1050 (2); Dünnhaupt: Handbuch, 396 (= Art. Balde, Nr. 27). Der erste Teil faßt in 42 Kapiteln i. W. das zeitgenössische medizinische Wissen zusammen; der 2. Teil enthält das lat. Gedicht „Lusus Satyricus“. Johann Michael Moscherosch (FG 436. 1645) verarbeitete in seinen menippeischen Satiren die alt- und neulateinische Tradition, besonders neben der Pirckheimer-Apologie auch Fischarts Trostbüchlin: [Kupfertitel:] LES VISIONES | Don de Quevedo | Continuatio. | SATYRISCHE | Gesichte | Philanders | vonn | Sittewalt. | III. vnd IIII. Theil. Francofurti Anno 1645. | Mit Schönen Kupfferstucken geziehret. S. 472–569 (= 1. Gesicht des 4. Teils), vgl. insbes. die eigentliche Apologie des Podagra S. 488–535. Faber du Faur, Nr. 428, Microfilm-Ausgabe. Vgl. insgesamt: Moritz Maximilian Mayer: Wilibald Pirkheimer: Vertheidigung oder Lob des Podagra. Nürnberg 1831; Johann Fischarts Werke. 3. Tl.: Das Podagrammisch Trostbüchlin, Das Philosophisch Ehzuchtbüchlin. Hg. Adolf Hauffen. Stuttgart 1894 (Abdr. der lat. Lobrede des Johannes Carnarius S. VIII–XIX, der lat. Pirckheimer-Apologie S. XXIII–XXXVIII); Willibald Pirckheimer: Verteidigungsrede oder Selbstlob der Gicht. Lat. u. dt. Übertragen v. Wolfgang Kirsch (mit Anmerkungen und Nachwort). Mit zehn Kupferstichen v. Baldwin Zettl. Jahresgabe der Pirckheimer-Gesellschaft im Kulturbund der DDR 1988. Berlin u. Weimar 1988; Ulrich Winter: Willibald Pirckheimer: Apologia seu Podagrae Laus. Verteidigungsrede oder Lob der Fußgicht. Einleitung, Text, Übersetzung, Wortindex. Egelsbach u. a. 1997, dazu ders.: Willibald Pirckheimer: „Apologia seu Podagrae Laus“. Ein Kommentar. Heidelberg 2002 (Beihefte zum Euphorion 43). Vgl. dazu die ausgesprochen kritische Rezension von Niklas Holzberg in Zs. f. dt. Altertum u. dt. Literatur 133 (2004), 145–147; Dieter Paul Mertz: Geschichte der Gicht. Kultur- und medizinhistorische Betrachtungen. Stuttgart, New York 1990, 87ff.
4
„Do“ hier als zeitlich-konditionale Konjunktion: wenn, insofern. Vgl. 371110 K 15.
5
Lies: au ich. Interjektion: weh mir!
6
Hatte schon Bodenhausens Vater Melchior lange Zeit heftig unter Gicht und Verkalkung (Calcination) gelitten, so ist auch bei Cuno Ordomar das Podagra „immer
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stärcker und stärcker/ an Füssen/ Knien und Händen geschlagen/ daß ER vielmahl etliche Wochen nicht eine Hand zum Munde bringen/ oder sich alleine ümbwenden mögen/ welche prodragische Schmertzen Jhme auch die Schenckel der massen an Kräfften ausgemergelt/ daß er nicht alleine nicht mehr stehen und gehen können/ sondern hat sich nun in das fünffte Jahr aller Orten hin heben/ legen und tragen lassen müssen“ (s. Leichenpredigt [Anm. 2], Bl. K[i]v f.; vgl. Bl. J iij v).
7
Zur Legitimation adliger Rechte und Privilegien, wie der Lehens-, Turnier- und Satisfaktionsfähigkeit, des Zugangs zu Ritterorden und Hofämtern oder zu den reichen Pfründen der Domkapitel und adligen Stifter, bei Fideikommissen usw. bedurfte es der Adels- oder Ahnenprobe. Vgl. Haberkern/ Wallach I, 30; Deutsches Rechtswörterbuch. (Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache). Hg. Preuß. Akademie der Wissenschaften. Bd. 1 (Weimar 1914–32), 470; Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. Adalbert Erler u. Ekkehard Kaufmann. Mitbegr. v. Wolfgang Stammler. Bd. 1 (Berlin 1971), 82ff.; Handbuch der Genealogie. Bearb. u. hg. v. Eckhart Henning u. Wolfgang Ribe. Neustadt a. d. Aisch 1972, 8, 15.
8
Zwar, adv. Vgl. 180000 K 3, 300320 K 8 u. 371027 K I 1.
9
Nur, adv. Vgl. 181023 K 4, 360428 K I 5 u. 371220 K 13.
10
Vermutlich aus Holm(en)stuhl/ Holbenstuhl, ein an einem Querbalken oder zwischen Balken montierter Tragsessel/ -stuhl. Kaum eine Bildung im Anschluß an fnhd. holbere (Bahre mit Vertiefung, Goetze, 124). Fehlt als Kompositum indeutschen Wörterbüchern, daher wohl als Neologismus Bodenhausens zu werten. Vgl. die engl. Umschreibung des etwa im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts in England aus Italien, bes. Neapel eingeführten „sedan”: „the hand-barrowes? what call you ’em the Sedans?“, „Hand-litters [...] what call yee it, a Sedan.“; zit. nach Richard Brome: The Sparagus Garden (1640), Akt 1, Sz. 3 bzw. 4, 10, in: The Compact Edition of the Oxford English Dictionay. 2 Vols. Oxford 1971, II, 2705. Vgl. it. portantina, angeblich zuerst in Genua bezeugt (1645) lt. Salvatore Battaglia: Grande Dizionario della lingua italiana XIII (1986), 954. Zum Gegenstand s. Zedler XXXIII, 477 (Sänfte, Tragsessel, frz. porte chaise, im Stil des 18. Jh.s) „ein hölzernes, mit Leder überzogenes und mit Fenstern versehenes Behältniß, darinne man sich durch Hülfe zweyer Menschen, oder auch wohl durch ein paar Thiere gar sanfft und gemächlich von einem Ort zum andern bringen lässet.“; vgl. XLIV, 1852–1855 (Träger, Porte- Chaisen-Träger) mit Hinweis auf Carl Christian Schramm: Abhandlung von Porte Chaises und Trage-Sänfften, durch Menschen und Thiere, in allen vier Theilen der Welt, nach der Critick, Mechanick, Historie, dem Recht, wie auch Cammer- und Policey-Wesen, mit Urkunden und Kupffern. Nürnberg 1737. Vgl. Krünitz MF, Bd. 24 (Holm); Bd. 41, 341f. (lectica); Bd. 106, 165 (Palankin); a. a. O. (J. W. D. Korth), Bd. 186, 576ff. (Trage, Bahre), 582f. (Tragebett), 598 (Tragesessel, Tragestuhl). Es paßt zum scherzhaften Ton des Briefs, wenn Bodenhausens Hollenstuhl die Assoziation mit Höllenstuhl weckt, da auch der neumodische Tragsessel offenbar die Hoffnung des Kranken auf bequemen Transport enttäuschte. Auf dem Höllenstuhl erlitten die Verdammten in verschiedenen mittelalterlichen Höllenvisionen ihre Martern. Im Faustbuch von 1587 trägt Beelzebub Faust in einem Sessel auf seinem Rücken in die Hölle und zurück. Vgl. HWDA IV, 207, 236 u. 241.
11
Zumindest auf Fischart geht dieser Spott gegen den Papst nicht zurück. Er mag ebenso Bodenhausens eigene Zugabe zur Ausschmückung des Themas sein wie die genealogische Variation der Ahnenprobe (s. Anm. 7). Bodenhausens Nennung der „fusgichtträgerey geselschafft“ könnte auf die überwiegend adlige FG anspielen, wir treffen jedoch einen „Ritterorden der Podagrischen“ auch bei Fleissner und Balde an. S. Anm. 3; vgl. Johann Fischarts Werke. 3. Tl.: Das Podagrammisch Trostbüchlin, Das Philosophisch Ehzuchtbüchlin. Hg. Adolf Hauffen. Stuttgart 1894, S. XLVIIIf.
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Zitat aus dem im 17. Jahrhundert sehr beliebten sechsstrophigen Beichtlied (Inc.:) „ACh GOtt vnd HERR/ Wie groß vnd schwer [...]“ von Martin Rutilius/ Rüdel (1551–
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1618), Archidiakon zu Weimar, am 29. 5. 1604 verfaßt und erstmals 1613 im Druck veröffentlicht: [Holzschnittrahmen] Gedenck vnd Erinnerungs | Predigt/ | [Zierleiste] | VOn dem graw- | samen Gewitter/ vnnd schräcklichem | Gewässer/ darmit Thüringen heimgesuchet | worden/ am Sonnabend vor Trinitatis in der Nacht/ | war der 29. Maji, dieses instehenden | 1613. Jahrs. | Gehalten/ vnd nunmehr mit particulari- | teten vnd sonsten in etwas vermehret/ zu | Jena den 2. Junii: | [Zierleiste] | Von | IOHANNE MAIORE, | der heiligen Schrifft Doctore vnd Profes- | sore auch Pfarherrn vnd Superintenden- | ten daselbst. | [Linie] | Erstlich Gedruckt zu Jehna/ jetzo aber zu Erf- | furt bey Joachim Mechler/ Anno M. DC. XIII. HAB: 485. 2 Theol. (25). 16 Bl. 4°. Das Lied beschließt das Bändchen undatiert und ohne Angabe des Verfassers, Bl. Diij v f. Die vierte Strophe lautet hier: „Solls ja so seyn/ Daß Straff vnd Pein/ Auff Sünde folgen müssen: So fahre hier fort/ Vnd schone dort/ Vnd laß mich ja wol büssen.“ Die genannte (bei Johann Weidner erschienene) Jenaer Erstausgabe (STB Berlin — PK) und weitere nachfolgende Ausgaben konnten wir nur zum Teil einsehen: Eisleben 1613: Jacob Gaubisch (HAB: 176. 9 Theol. [3]. 16 Bl. 4°); o. O. 1614 (HAB: Th Kapsel 6: 18. 16 Bl. 4°). Auch hier markiert das ungezeichnete und undatierte sechsstrophige Lied jeweils den Beschluß der Predigt (Bl. Diij vf.) Das Lied fand Eingang in geistliche Liedersammlungen und Gesangbücher, darunter zum ersten Mal mit Melodie in Melchior Franck: Geistlichen Musicalischen Lustgartens Erster Theil: Darinnen allerley ... Harmonien, von Psalmen unnd andern trostreichen Texten ... so wol voce als instrumentis zu musiciren ... mit 4. 5. 6. 7. 8. und 9. Stimmen componiret (Nürnberg: Georg Leopold Fuhrmann 1616), 17. Gesang. RISM A/ I/ 3, 101. Hier lautet die letzte Zeile der 4. Strophe analog zur Fassung bei Bodenhausen: „Vnd laß mich hie wol büßen“ (nach Fischer/ Tümpel I, 40, vgl. 39f., wo das Lied in der Rubrik unbekannter Verfasser erscheint). Noch heute steht das Lied im Evangelischen Kirchengesangbuch. Vgl. Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Hg. Christoph Mahrenholz u. Oskar Söhngen unter Mitarb. v. Otto Schlißke. Bd. 3: Liederkunde, 1. Tl.: Lied 1–175. Göttingen 1970, 551f.; Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch. Bd. 2: Komponisten und Liederdichter des Evangelischen Gesangbuchs. Hg. Wolfgang Herbst. Göttingen 1999, 268f. Der Anhalter Kanzler und Dichter Martin Milagius (FG 315. Der Mindernde) nahm das Lied in den Anhang zu seinem Gesangbuch auf: Der Singende Jesaia/ Oder Der Prophete Jesaia/ Jn reine deutsche Reime gebracht/ Vnd Jn ein hundert und vierzehen Gesänge eingetheilt/ Die Nach den bekandten Frantzösischen melodeyen der Psalme D. Ambrosii Lobwassers gesungen werden können: Gefertiget Durch den Mindernden (Berthold de Villiers: Bremen 1646). Mit Noten, S. 536–538 (Ein Buß und Trost-gesang). Vgl. zu Milagius’ Werk 371222 I Q u. 380504 K 14.
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Die Farbe Grün repräsentierte in Heraldik, Liturgie und Volksbrauch i. d. Regel Freude, Hoffnung, Schönheit, Fruchtbarkeit, das Paradies, Kraft, Jugend, auch den Ehestand; im Mittelalter aber auch Teufel, Neid, Gift, Krankheit. Vgl. DW IV.1.6, 650, 653f.; Paul: Wörterbuch, 435; Stieler, 709f., 2264; Zedler XI, 1106; Gottfried Haupt: Die Farbensymbolik in der sakralen Kunst des abendländischen Mittelalters. Dresden 1941, 107ff. In der Theologie stand die Farbe Grün des weiteren im Zusammenhang mit der Buße des Sünders. Mit ihr fängt der „verdorrte Zweig wieder an zu grünen“ (freundl. Mitteilung von Günter Preckel, Archivar der Evangel. Landeskirche Anhalts). Mit Buße könnte auch die obige Briefstelle aufgrund ihrers Kontextes zu tun haben. Auf jeden Fall scheint eine pejorative Bedeutung vorzuliegen; möglicherweise auch eine problematische Pacht- oder Patronatssache. Die erhaltenen Kirchenbücher des Kirchspiels Reinsdorf beginnen leider erst mit dem Jahr 1676; die Trauregister 1712. Vgl. Graf: Anh. Pfarrerbuch, 128. Ansonsten haben, nach freundlicher Auskunft Frau Gabriele Hansteins (Predigerseminar Braunschweig) und des Landeskirchlichen Archivs in Wolfenbüttel die jeweiligen Amtsleiter, auch in der kirchlichen Verwaltung, mit grüner Tinte geschrieben und Korrekturen angebracht.
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So nennt Bodenhausen die Reformierten im Scherz wegen der Confessio Augustana variata von 1540. Die orthodoxen Lutheraner hielten in ihrem Bekenntnis an der ursprünglichen, Ks. Karl V. auf dem Augsburger Reichstag am 24. 6. 1530 vorgetragenen und tags darauf überreichten Confessio Augustana invariata fest. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 sprach den Schutz des Bekenntnisses Katholiken wie den „Verwandten der Augsburger Konfession“ zu, ohne zwischen den mittlerweile entstandenen verschiedenen Fassungen der Confessio Augustana zu differenzieren. Erst der Westfälische Frieden von 1648 bezog explizit auch die Reformierten ein. Vgl. 270406 K 11, 330920 K 0; RGG4 I, 953ff.; TRE IV, 616ff.; Das Augsburger Bekenntnis. Hg. Heinrich Bornkamm. Gütersloh 1978, 13f.; Valentin v. Tetleben: Protokoll des Augsburger Reichstages 1530. Hg. u. eingel. v. Herbert Grundmann. Göttingen 1958, 74ff.
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D. h. zuträglicher, vgl. 320715 K 2.

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