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380108 Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig
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Fürst Christian II. Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig


Beantwortet durch 380110. — F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) berichtet, daß sich Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310. Der Ergänzende) über die übersandten Bücher gefreut habe. Das deutsche und das italienische Schreiben Geu-
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ders möge F. Ludwig (Der Nährende) wieder zurücksenden, der ebenfalls beiliegende französische Text könne beim Erzschrein verbleiben. Es scheint, Geuder wolle seinen fruchtbringerischen Aufgaben fleißig nachkommen. — Im Postskriptum teilt F. Christian mit, Geuder werde sich (bei seinem Übersetzungs-Vorhaben) anscheinend willig der Gesellschaftskorrektur der Fruchtbringenden Gesellschaft unterwerfen. — Zu dem Brief gehörten als Beilagen die Schreiben Geuders 371221A (ital.), 371223 (frz.) und 371224 (dt.).

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 124rv [A u. Eingangsvermerk: 124v]; eigenh.[Handschrift: [Bl. 124r]] — Veröffentlicht in KE, 75. Bibliographisch erfaßt in Bürger, S. 947 (o. Nr.).
Beilage 1: 371221A, Beilage 2: 371223, Beilage 3: 371224.

Anschrift


A An den Nehrenden.
Darunter der Eingangsvermerk von F. Ludwigs H.: Pres. 8. Jenners 1638

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Dem Nehrenden ist hiemitt zu berichten, daß der Ergäntzende vber denen ihme zugesendeten büchern1 , in seinem zugestoßenem Trawerwesen2 , eine sonderbahre freẅde vndt wollust geschöpft, gestaltt dann seine schriftliche erklärung vndt waß darbey noch ferrner anzuzeigen vorfallen möchte, solches darthun kan, auch destwegen mitt zur nachrichtt beygelegt worden.3 Es wirdt aber fleißig gebehten, weil der vnveränderliche von allen dreyen stügken, in so geschwinder eyl, nicht abschrifft nehmen können, es wollten doch die Oberaufseher des Ertzschreins4 in vnserer fruchttbringenden Gesellschafft, die vrgichten5 , (ich halte daß heißen Originalia) des deutzschen vndt welschen schreibens, nach belesung, vnbeschwehrt, wieder anhero zu des vnverenderlichen Geschichten (acta)6 schicken, das Frantzösische mögen Sie wol verwahrt im Schrein behalten. Es hat fast das ansehen, alß wolle der gute gesell der Ergäntzende fleißig sein.7 Gegeben in meinem Studierstüblein, auf dem Hause Bernburgk am Erhardtstage8 den 8. Jenners, im Jahr, 1638.
  Des Nehrenden, dienstwilliger allezeitt,
  Der vnveränderliche.

Es scheinet auch, es werde sich gedachter Ergäntzende der verbeßerung gar gerne vndterwerffen.

Textapparat und Kommentar

T

Kommentar

K
1
Auf Bitten F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche) stellte F. Ludwig (Der Nährende) eine Sendung von Büchern aus den Kreisen der FG für das Neumitglied Hans Philipp (v.) Geuder (FG 310. Der Ergänzende) zusammen, die Geuder über F. Christian im Dezember 1637 erreicht haben muß. S. 371221A, vgl. 371106, 371112 u. I, 371116, 371221A u. 371224. Zum Bücherverkehr in der FG vgl. 371112 K 1.
2
Geuder war in der zweiten Jahreshälfte 1637 über Monate krank und klagte überdies über üble Nachrede und Gewalt, bedrohte Wohlfahrt und unsichere soziale Lage, verschärft durch den Tod eines Bruders. Vgl. 371123, 371221A, 371223, 371224, 380310 u. 380331.
3
Dem Brief lagen drei Schreiben Geuders bei, in denen amtliche und fruchtbringerische Belange zur Sprache kommen: 371221A (ital.), 371223 (frz.), 371224 (dt.).
4
Geuders beiliegende Briefe, offenbar als Sprachübungen aufgesetzt, sollen nicht allein F. Ludwig, sondern einem größeren Kreis kompetenter Mitglieder der FG zur Begutachtung vorgelegt werden. Der Terminus „Oberaufseher“ ist ansonsten bei der FG nicht geläufig. Stieler, 2022: „Ein Oberaufseher / superintendens, inspector supremus.
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(Haupt-)Bekenntnis eines Missetäters, besonders auf der Folter. Schottelius, 1438 verweist beim Kompositum „uhrgicht“ auf die Simplizia: „Uhr“ (1437): „indicans hoc quod primarium, caput, aut genuinum est“; „Gicht gichtung“ (1325): „tormentum“; „Uhrgicht“ (253): „Elogium captivi“. Entsprechend Stieler, 874, „Urgicht“: „elogium captivi, confessio per torturam.“ F. Ludwig stellt F. Christians Mißverständnis im Antwortbrief 38110 im Sinne der Worterklärungen bei Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) und Caspar (v.) Stieler (FG 813. 1668) richtig: „Urgichten heissen zu deutsch die peinlichen befragungen und aussagen; Originalia, heupt-brieffe oder heupt schreiben.“ Vgl. auch Gerhard Köbler: Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte. München 1997, 593: die Urgicht als „Geständnis“; Kleines Lexikon untergegangener Wörter. Wortuntergang seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Hg. Nabil Osman. München 1994, 210.
6
F. Christians Übersetzungsvorschlag orientiert sich ausschließlich am formalen Wörterbuchgebrauch. Er konnte dies tun, da im Fnhd. „Geschichten“ keineswegs auf Erzählungen fiktionalen Charakters beschränkt waren, sondern auch historische Dokumente meinten; im historischen Sinn war die Vergangenheit wiederum noch nicht in den Kollektivsingular „Geschichte“ gebannt (Koselleck). Vgl. Stieler, 1746: „Geschicht/ die/ factum, historia, actum, res gestae. [...] Mit Geschichten beweisen/ monumentis testari“. F. Ludwig erklärt in seinem Antwortschreiben 380110: „Acta handlungen“. Vgl. auch 380410.
7
F. Christians Lob dürfte sich auch auf Geuders Übersetzungs-Vorhaben beziehen. Von einer beabsichtigten Quevedo-Übersetzung ist erstmals in 371224 die Rede. Vgl. dort K 5 u. 6.
8
Der 8. Januar war der Feiertag des Erhardus, Bischof in Regensburg an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert. In Kalender Herlitz 1646 als Feiertag nach altem und neuem Kalender vorgesehen. Auch in Kalender Zerbst 1654 erscheint der 8. 1. als Feiertag des Erhardus. Vgl. auch Grotefend II.2, 94; Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon u. Ökumenisches Heiligenlexikon.

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