F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der
Unveränderliche) vermerkte am 24. 1. 1638 den Erhalt eines Briefes F. Ludwigs (Der
Nährende). S.
XIV, Bl. 548v.
Der gereizte Ton F. Ludwigs und seine Zurechtweisung F.
Christians II. dürfte Ursachen oder Anlässe gehabt haben, die über die Gegenstände
und Meinungen hinausgehen, welche im hier vorgelegten fruchtbringerischen
Briefwechsel der beiden ausgetauscht wurden (vgl. Anm. 4 u. 380126). Bei der
Verteilung der Kriegslasten fühlte sich Christian regelmäßig übervorteilt, so im
Oktober 1633 in Harzgerode, als F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) und F. Ludwig
„aus teufelischem gifftigen neidt, vndt mißgunst“ Soldateska zwecks Eintreibung
rückständiger Kontributionsgelder einlogiert haben sollten: „Ô Gott räche es,
Amen“ (
Christian: Tageb. XII, 168v). Beim pactum familiae
oder Erbeinigungs- und Senioratsvertrag vom 15. 4. 1635 erschien F. Christian als
in der Familie isolierter Opponent, der nur widerstrebend und unter Vorbehalt
unterzeichnete. Vgl.
KU III, 136ff. Das Dokument auch
abgedruckt in: Johann Christian Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv. 24 Bde.,
Leipzig 1710–1722 (HAB: Gl 4° 272), Bd. 10 [=Partis Specialis Continuat. II, unter
„Anhalt“], 234ff.;
Lentz, 825–830; Codex Anhaltinus Minor
oder die vornehmsten Landtags-, Deputations- und Landrechnungs-Tags-Abschiede,
auch Theilungs-, Seniorats- und andere Recesse des Fürstenthums Anhalt de Anno
1547 bis 1727. Leipzig 1864, 106–114; Die Hausgesetze der regierenden deutschen
Fürstenhäuser. Hg. Hermann Schulze. Bd. 1. Jena 1862, 35–43, vgl. auch S. 12; vgl.
ferner Michael Rohrschneider: Johann Georg II. v. Anhalt-Dessau (1627–1693). Eine
politische Biographie. Berlin 1998, 84. Den Hintergrund der im vorliegenden Brief
angedeuteten Vorwürfe F. Ludwigs könnten die wiederholten Reklamationen F.
Christians um Erlaß oder Teilerlaß seiner Kontributionsquoten gewesen sein. So
hatte er, gerade von seinen Reisen zum Regensburger Kurfürstentag und zum
Kaiserhof zurückgekehrt (vgl. 370517 K 4), in seinem Schreiben vom 29. 5. 1637 an
den Senior des Hauses Anhalt, F. August v. Anhalt-Plötzkau, gegen dessen
„ContributionsAnlage“ die besonders desolate Lage seines Landesteils angeführt und
eine Ermäßigung seines Anteils gefordert: „Wir gönnen andern ihre
Conservation von
grundt vnsers Hertzens gern, können vns aber nicht überreden laßen, daß andere
örtter, insonderheit die Stadt Cöthen, ein gut theil mehr oder doch nicht weniger
gelitten haben sollte“.
KU IV.1, 168f. F. Ludwig reagierte
darauf (a. a. O., 171 u. 175) mit der Zurechtweisung, „daß ein theil vnterm
vorwand mehrer ruin etc. dem andern die last meist oder endlich gar allein nicht
vfbauen möge“, und bezweifelte, daß der Bernburger Landesteil mehr Kriegspressuren
ausgestanden habe als der Köthener, Dessauer oder Zerbster. Den auch innerhalb der
anhaltischen Landstände geführten „Wettbewerb“, wer die schlimmsten Drangsale und
Verelendungen zu erleiden hatte, griff Diederich v. dem Werder (FG 31) in einer
Note des Engeren Ständeausschusses an die Landesfürsten vom 26. 7. 1638 mit
bitterer Ironie an: „Aber o des versehrten vndt verkehrten angesichts vnsers
Fürstenthumbs, o der vergrelleten vndt verstellten gestalt vnserer Sachen
Zustandes, o der wunderbarlichen vndt seltzamen irrung Zwischen der Ritterschafft
vndt lande mit den 4 HauptStädten [
Bernburg, Dessau, Köthen und
Zerbst, die eine Verringerung ihrer Kontributionsanteile forderten]. Wir
suchen beyderseits vnsern gewin in der größe des Verlustes, ie mehr einer
verlohren, ie mehr gedenkt er Zu erhalten. Wir streitten vndt weil [
recte: will] ein iedes theil vnter vnß das ärmste vndt
elendeste sein, da doch sonst einem jeden Armuth vndt Elendt Zuwider ist. Sonsten
klaget vnd beseuffzet ein ieder seinen erlittenen schaden, Alhier bey dieser
Streitigkeit aber rühmet vndt pranget iedes theil mitt demselben, vndt frewet
sich, wan er derselben viel außgestanden Zu haben anziehen kann, ja es ist iedem
theile schier leidt, daß es nicht mehr jammer erduldet, damit es in dieser
Streitigkeit desto mehr für vndt auff die bahne bringen, vndt einen Sieg des
Elendes vndt Kummers erhalten möge.“
KU IV.1, 309; vgl.
380721 K 6 u. 370728. Ein weiteres Schreiben F. Christians an F. Ludwig und die
Dessauer Vettern Johann Casimir (FG 10) und Georg Aribert (FG 24) vom 17. 9. 1637
(a. a. O., 259ff.) steckt voller Reserven und Vorhaltungen und stellt die
behaupteten Kontributionsbeiträge in Frage. Im Frühjahr 1638 machten den
Anhaltinern v. a. die regelmäßigen Unterhaltsforderungen der kursächsischen
Garnison in der Stadt Magdeburg unter dem Generalfeldwachtmeister Dam Vitzthum v.
Eckstädt (FG 312; vgl. 371221 K 6) zu schaffen (400 Taler monatlich, a. a. O., 240
u. 268; vgl. F. Christians eigenhändig aufgesetzte „Abrechnung des Fürstenthumbs
Anhaltt, mit der Magdeburgischen Garnison“ nach Dedit und Debet vom November 1636
bis August 1637. In: LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 2 Nr. 3, Bl. 55r; vgl.
ferner a. a. O.: Abt. Dessau A 10 Nr. 44, Bl. 55r–56v und Abt. Köthen C 16 c1 Nr.
66
b, Bl. 66rv). Dennoch liegt uns aus dieser Zeit (
KU IV.1,
271ff.) kein Zeugnis eines offenen Zerwürfnisses zwischen F. Christian und F.
Ludwig vor. Vgl. aber die Tagebucheinträge Christians vom Frühjahr und Sommer 1638
voller Empörung und Vorhaltungen an die Adresse der Oheime und Vettern wegen der
Kontributionsaufteilung.
Christian: Tageb. XIV, etwa 572v,
607r, 609r, 621v u. ö. Vgl. auch 380609 K 0. Ein massiver, sich über viele Jahre
hinziehender Konflikt zwischen F. Christian und seinen Verwandten wird sich dann
im April 1639 anspinnen. Vgl. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt.
Bernburg A 10 Nr. 4: „Acta, Correspondenzen F. Christian II. von Bernburg mit
familien mitgliedern, den fürstlichen Vettern, beamten
etc.
1639/43. 194 fol.“ Möglicherweise hatte sich diese Akte beim Tode F. Christians in
seiner Schlafkammer befunden, wo sie notariell aufgenommen wurde: „Acta, die
Differentien, mit F. F. [F. Friedrich v. Anhalt-Harzgerode] betreffende, Tomus 1.
de Anno 1639 biß Anno 1643.“ S. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 7a Nr. 10
2,
darin: „JNVENTARIVM. Des weylandt Durchlauchtigen, Hochgebornen, Fürsten undt
Herrn, Herrn Christiani, des andern, Fürsten zu Anhaltt [...] Verlaßenschafft
betreffende, Anno 1657“, Bl. 34vff. (mit weiteren Akten in den damaligen
Streitsachen, darunter einer Sammlung „Differentze mit Fürst Ludwigen, Anno 1641,
und 642“). Aus dieser Akte spricht tiefer Groll Christians aufgrund vermeintlicher
Benachteiligung durch die Gesamtung des Fürstentums und wegen angeblicher
Ignorierung der außerordentlich ruinösen Lage in seinem Landesteil. Er bildete
offenbar das unterschwellige Motiv für ein Zerwürfnis zw. F. Christian II. und
seinem Bruder Friedrich v. Anhalt-Harzgerode (FG 62). Auch in diesem Familien- und
Verfassungskonflikt um die Fragen der Gesamtregierung im Teilfst. Bernburg und des
Seniorats im Gesamtft. Anhalt, in dessen Verlauf die althergebrachte „concordia
domi“ in Gefahr geriet, wehrten sich F. August und F. Ludwig gegen Christians
Anmaßung, nur seine Landesteile seien verheert und ruiniert
worden (F. August u.
F. Ludwig an F. Christian, Plötzkau, 14. 12. 1639, a. a. O., Bl. 33v–39r).
Christian stand in diesem Konflikt mit den offenkundig unterlegenen Positionen und
Argumenten allein in der Familie. Vergeblich vermittelte die Anhaltinerin Gfn.
Anna Sophia v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) in diesem Konflikt. Selbst F.
Christians hohe Regierungsräte, z. B. Heinrich v. Börstel (FG 78), gingen auf
Distanz und versuchten sich verzweifelt in Vermittlungs- oder Demissionsgesuchen.
In 390504 und 390504A kommt der seit 1636/37 schwelende Konflikt deutlich zur
Sprache. Auffälligerweise verstummte danach (und schon davor) die
fruchtbringerische Korrespondenz zwischen Christian und Ludwig für viele Monate.
Vgl. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Lit. T. no. 95 [z. Zt. noch alte Aktennummer], Bl.
127r–135v: „Copia deß Fürstbrüderlichen Vergleichß [zwischen F. Christian II. und
F. Friedrich], zu Ballenstedt, am 4t
en Augusti
aufgerichtet, Anno 1647 p.“ Vgl. insgesamt auch
Herz: Tagebücher
F. Christians II.