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380207 Dietlof von Tiesenhausen an Fürst Ludwig mit beiliegendem Gruß von Martin Opitz
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Dietlof von Tiesenhausen an Fürst Ludwig mit beiliegendem Gruß von Martin Opitz


Dietlof v. Tiesenhausen (FG 208. Der Vorkommende) zeigt sich über das Wohlergehen F. Ludwigs (Der Nährende) und Fn. Sophias v. Anhalt-Köthen (AL 1629. TG 38) erfreut. — Er dankt für (F. Ludwigs) „Kurtze Erzehlung Von dem Erdichteten Cupidine“, bestätigt ein (unbekanntes) Begehren des Fürsten und bittet bei der Beschaffung zweier Wappenvisierungen um Geduld, weil sich die Wappenträger an unbekannten Orten aufhielten, einer in Kurland, der andere in Ostpreußen. — F. Ludwig werde von dem neuen polnischen ,Kreuzritterorden’ (Ordo equestris Immaculatae Virginis) gehört haben; der sei trotz des Eintritts ansehnlicher polnischer Herren durch den Widerstand anderer, besonders des Fürsten (Krzystof II.) Radziwill zugrunde gegangen. — Über den kgl.-polnischen Seezoll, gegen den einige Stände wie die Stadt Danzig und das Land Preußen opponieren, werde der auf den 10. 3. 1638 n. St. einberufene polnische Reichstag hoffentlich so entscheiden, daß das Wohl des Landes gewahrt bleibe. — Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200. Der Gekrönte) fügt am 17./ 27. 2. 1638 dem Schreiben seinen Gruß und Wunsch für den Nährenden hinzu.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 6rv u. 8rv [A u. Eingangsvermerk: 8v],[Handschrift: [Bl. 6r]] ; 8r leer; eigenh. (?) mit zeitgenöss. Zustellungsvermerk; Bl. 7rv (7v leer): eingeklebter Zettel mit einem Gruß von Martin Opitz; eigenh. — Veröffentlicht in KE, 29f. Bibliographisch nachgewiesen in Bürger, S. 1360 Nr. 1.

Anschrift


A Dem Durchlauchtigen Hochgebornen Fürsten vndt Herren, Herren Ludewichen Fürsten zu Anhalt, Graffen zu Ascanien, Herren zu Bernburg vndt Zerbst, meinem gnedigen Fürsten vndt Herren. Cöthen.
Empfangsvermerk von F. Ludwigs H.: Pres. 18. Martij 1638. Darunter von unbekannter zeitgenössischer H.: Leipzig H. George Wincklern1 zu recommendiren.
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Durchlauchtiger hochGeborner Gnediger Fürst, vndt Herr. Daß der allein gnedige Gott E. F. G. zusampt deroselben Gemahlin meiner gnedigen Fürstin vndt frawen2 biß hero vor allem vnfall bewaret, vndt noch AnJtzo Jn ziemliche wolstande erhelt, das habe Jch nebest den meinigen mitt sondern freuden vornohmen, wünschen von dem hogesten Gott, daß er E. F. G. lange darbey erhalten vndt Jhrers hertzens Contentament auß gnaden vorleihen vndt geben wolle. Bey entpfahung deß in gnaden vbersendeten reim gedichtes3 : wo für Jch vnterthenig danckbar: habe zu gleich E. F. G. gnediges begeren vorstanden, anlangende nun die zwey geselschafft wapen4 , so habe Jch vor dißmal w[e]illena waß Zeitt darzu von nöthen, sintemall der eine Jn Churlandt, Jener aber Jn hinder Preussen sich auffhelt vndt noch zur zeitt mir vnwissendt Eigentlich an welchem ortte: Jch meiner gebührenden schuldiekeitt keine satisfaction könne leisten, Jch will mich aber besten fleisses darvmb bemühen, welche dan auch So balde Jch Sie erlange E. F. G. bey gewisser post, von mir Jn vnterthenikeitt sollen vbersendett werden, von Neuwen dieses orthes sonst wenig, dan daß der Neuwe Creutz ritter orden,b welche, der ohne Sünde Empfengniß vndt [6v] geburt, der heilligen Jungfraw Mariæ gestiefftet, da von ohne zweivell, weillen solches weitt vndt breit erscholen E. F. G. albreit wissenschafft tragen werden, wiewoll dasselbe viell ansehnliche Polnische herren angetretten, nun mehr auff etzlicher der Cronc vornehme haupter, sonderlich vndt für andern, auffd deß Fürsten Ratziwils wiedersetzung zergangen.5
  Den SeeZoll6 Jhm lande hir betreffende, ob demselben zwar Theilleß stende billigen theilles darwieder Sein, auch die Statt Dantzig vndt das landt preussen noch zur zeitt gleichfalß nicht drin willigen wollen. Jhre Königl. Mäyst. gleichwoll noch stracke darauff dringen wirdt vnser Jtziger reichßtag welches den10 Martij stilo nouo anfehet den außschlag geben, der högeste Gott helffe daß also beratschlaget vndt geEndiget möge werden daß dem aufsteigenden vngewitter vber diß gutte landt Gott der Herr mitt einem lieblichen Sonnenschein, Erfreuwen wolle dan alle diese hendell ein wiettf 7 vndt groß außsehen haben, darff mehr nicht schreiben, besondern Empfele E. F. G. gottlicher obAcht zu allen zeitten vndt werde die zeitt meins lebenß vorbleiben

  E. F. G. vntertheniger getreuwer Diener
  Der vorkommen[de]g
  den 17⁄7 Februarij

[7r]
Dem Durchlauchten, Gnädigen Nährenden allen Fürstlichen wolstandt, glückliche regierung, friedsames langes leben. Danzig, den 27.⁄17. Februar. 1638.
  Jhr. fürstl. Gn.
  trewgehorsambster Der vnschuldig-Gekrönte.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Wohl Schreibfehler, vgl. KE willen
b
Folgt unleserliche, gestrichene Passage.
c
KE von
d
Eingefügt für <wegen>
e
KE starck
f
KE wirtt
g
Papierabriß.
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Kommentar

K
1
Georg Winckler, Kaufmann in Leipzig. S. 371208 K 1.
2
F. Ludwig u. Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen (AL 1629. TG 38). Der Verfasser des Briefs, der einstige schwedische und kursächsische Obrist Dietlof v. Tiesenhausen (FG 208. Der Vorkommende), aus deutschbaltischem Adel stammend, lebte nach seiner Resignation vom Militärdienst im April 1636 bei Danzig und verkehrte mit Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200. Der Gekrönte). S. 371030 K 7 u. I. Vgl. zu einem nicht erhaltenen Brief Tiesenhausens Opitz‘ Schreiben 380402 K 4. Vgl. zu Tiesenhausen Conermann III, 216f.; Engerisser, 167, 182 u. 195.
3
Fürst Ludwigs „Kurtze Erzehlung Von dem Erdichteten Cupidine“, ein Lehrgedicht in Alexandrinern, s. 371027 K 2. Vgl. Martin Opitz‘ (FG 200) Urteil über das Werk in 380402. Vgl. 380720. Hinter dem in 380207 genannten „Reimgedicht“ könnten sich kaum das Trauersonett F. Ludwigs auf den verstorbenen Friedrich v. Schilling (FG 21; s. DA Köthen I.4 371027 I u. II), desselben Widmungssonett für die Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten (s. 371209 I u. II) Fürst Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), F. Ludwigs Sonett auf Martin Opitz’ (FG 200) geplante Hochzeit (s. 371208 I) oder seine Reimgesetze auf neue Mitglieder der FG verbergen. Die kleine Sammlung „Geistliche Lieder | vnd | Psalmen. | [Linie] | Gedruckt im jahr 1638.“ kommt wohl schon wegen des Plurals nicht in Betracht. Aus terminologischen und gattungsmäßigen Gründen kann an die (vertonten) geistlichen Lieder (s. 371222 mit Beil. I–III) Diederichs v. dem Werder (FG 31) ebenfalls nicht gedacht werden. Noch weniger dürften größere literarische Arbeiten F. Ludwigs wie seine Bibelepik (s. Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt u. 371110 K 5) oder seine Petrarca-Übersetzung (s. 371027 K 2) gemeint sein, so daß nur seine Cupido-Dichtung und seine Dichtung auf den Jubilus Ps. Bernhards (s. 371124 I) zur Wahl stehen. Da nur der Cupido 1637 gedruckt (s. 371110) und verschickt wurde, kommt allein er in Betracht. Zur Schwierigkeit der Bestimmung von ungenau bezeichneten „reimen“ vgl. auch 380226.
4
Unbestimmt. Es könnte sich um Wappen für das GB Kö. handeln. Zum FG-Brauch, die Wappen (wie auch die Impresen) aller Mitglieder auf Seide zu sticken und zu Gobelins für den Köthener Schloßsaal zusammenzunähen vgl. 371220 K 12. Noch in seinem Schreiben 380625 mußte Opitz F. Ludwig mitteilen, Dietlof v. Tiesenhausen habe die Wappenvisierungen (welcher Mitglieder?) noch nicht erlangt, bemühe sich aber weiter darum.
5
Der 1637 von Kg. Wladislaus IV. Sigismund v. Polen geplante Ordo equestris Immaculatae Virginis. S. 380310, 380312, 380320A u. 380501. Er fehlt in der Liste der Ritterorden bei Hille, s. jedoch Christiani Gryphii kurtzer Entwurff der Geist- und Weltlichen Ritterorden, Jtzo nach des Hn. Autoris seel. Tode zum andernmahl weit verbesserter ... [v. Christian Stieff] heraus gegeben. (Leipzig u. Breslau: Christian Bauch 1709), 319–351. HAB: Tq 484. Enthält die Erstveröffentlichung eines lateinischen „Project[s]“, welches Stieff von einem ungenannten Theologen erhielt: Gründungsritual mit Eidformel, Statuten, Bestätigung durch Papst Urban VIII. Vgl. Gryphius, 319f.: „Jm Jahre 1637. stifftete König Vladislaus IV. in Pohlen einen neuen Ritter-Orden der unbeflecktem Empfängniß Mariä/ welcher aber/ ehe er noch zu Kräfften kommen/ von dem Fürsten Radczivil und einigen anderen Magnaten hintertriben worden.“ Die BU Warszawa besitzt zwei Handschriften, die das Stiftungsprojekt und Radzwills Gegnerschaft dokumentieren. Die Entwürfe für die Statuten des Ordens samt päpstlicher Konfirmation vom 4. 7. 1637 bezeugt die Handschrift Rps 62, Bl. 5r–14v: Modus præficiendi et ordinandi militem inclyti et Heroici ordinis Equitum Immaculatæ Virginis. Radziwills Gegenargumente entwickelt Rps 62, 15v–19v unter dem Titel: Sexzehen starcke gründe, mit welchen Jhre fürstli. Durchl. Christoff Radziwill, Jhr. Königl. Maÿst. in Pohlen, von dem neue vorgeschlagenen Ritters Orden: Der vnnbeflecten Jungfraw Marien Brüder, abrahtet, vnd Schlieslich bittet: Das Jhre Maÿ. die stifftung desselben, biß auff den nechst künfftigen Reichstag verlegen wolle. Vgl. Hugo Grotius’ Bemerkung in seinem Brief an den Danziger kgl. Burgvogt Israel Köhne-Jaski (den Vater des späteren Opitz-
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Herausgebers Andreas Köhne-Jaski, vgl. 260217 K 1, 310703 Q, T, K u. 330311 K bzw. Opitz-Brieferepertorium, S. 15ff.) v. 16. 1. 1638 n. St.: „Pour le serment de la Chevalière de la S. Vierge considérant tout le sens, qui se peut cacher sous ce mot ,Successorum’ et sous ces mots ,Romane sedis’ et sous le mot ,infidelibus´ ie ne m’estonne pas que tant les protestants que les sages d´entre les catholiques romains s’en ombragent. Outre cela le prince Radzivil a si bie[n] mérité du roy de Pologne, que quand il n’y auroit pas tant de ray[s]ons pour quitter ces inventions nouvelles, son authorité devroit suff[r]ir pour raison.“ Grotius: Briefwisseling IX, 34; zuerst veröffentl. durch Andreas Köhne-Jaski in HUGONIS GROTII EPISTOLÆ AD ISRAELEM JASKI. (Dantisci 1670: Typis Rhetianis), 14–16, hier 15. HAB: Li 3163. Der Gegner des Vorhabens war der reformierte Reichsfürst Krzystof II. Radziwill, Fürst v. Birze, Woiwode von Wilna und Kronfeldherr von Litauen (1585–1640), der Bruder F. Janusz’ (vgl. dessen Gattin u. Töchter in der TG, 290410 K 6). Er machte sich in Kämpfen gegen Moskowiter und Schweden um die Krone Litauen verdient und erhob, dabei von allen Reformierten und vom polnischen Großkanzler Thomas Zamoyski (1594–1638) und anderen Katholiken unterstützt, in einem Brief an den polnischen König (lt. Jaski in seinem Schreiben an Grotius, 3. 12. 1637; Grotius: Briefwisseling VIII, 763f.), sechzehn Einwände vor allem gegen den (von Gryphius/ Stieff, 329f. zitierten) Eid der Ritter: „Ego N. juro, quod Serenissimi Principis ac D. Vlatislai IV. Regis Poloniæ & Suecorum [Successorum], ac Reip. Poloniæ salutem, dignitatem & commoda post DEUM, ejus Deiparæ virginis, sanctæque Matris Ecclesiæ Romanæ sedis Apostolicæ honorem præ oculis habebo: si bellum a Barbaris & infidelibus ingruat, pro virili obviabo, & vires meas conferam. In bello ut milites Ordinis [commilitones] mei stipendiis contenti sint, nec a quoquam quidpiam violenter extorqueant, curabo, & a rapinis pro posse meo arcebo. Ne DEUS ejusque Sanctissima Mater, me audiente, blasphemetur, vel cum vitæ periculo me opponam, ejusque cultum promovebo. Leges Ordinis & amorem cum fratribus meis debitum observabo. Sic [Ita] me DEUS adjuvet, & hoc S. S. Evangelium:” Die hier von uns in eckige Klammern gesetzten Abweichungen entstammen der Abschrift in der UB Amsterdam: coll. RK., 55515, zit. in Grotius: Briefwisseling VIII, 764), deren Fassung auch Grotius vorgelegen haben dürfte. In Deutschland machte noch 1638 eine Flugschrift das kgl. Vorhaben sowie F. Radziwills Einwände dagegen publik: Newer |angestalter |Ritter-Orden/ | der vnbefleckten Jungfraw | Mariæ. | Wie solcher von Jhrer Königl. Maj. in Pohlen an- | gefangen/ mit Ausschreiben/ Gesetzen vnd Ordnungen be- | stättiget vnd zu Männigliches Wissenschafft | publiciret worden. | [Abb. einer Krone] | Mit angehengten 16. starcken Gründen/ mit welchen | Jhre Furstliche Gnad. H. Christoph Ratzeviel/ Jhrer | Königl. Maj. in Pohlen/ von dem vorgeschlagenen Ritters- | Orden der vnbefleckten Mariæ Brüder abrathet/ | vnd schließlich bittet/ die Stifftung biß auff | nechst künfftigen ReichsTag zuverschieben. | [Vignette, darunter Linie] | M. DC. XXXVIII. ULB Halle: Pon. IIm 654, QK (weiteres Ex. in STB Berlin — PK). Wir konnten die Schrift nicht einsehen u. zitieren nach VD 17 3:657473G. Der König mußte 1638 auf das Projekt verzichten, s. 380501 K 13. F. Ludwig dürfte zweifellos auch von anderer Seite über das spektakuläre Ordensprojekt informiert worden sein, da es die Stellung der Protestanten in Polen bedrohte, als Auftrag zur gewaltsamen Gegenreformation verstanden werden und zudem den polnischen Staat in eine Abhängigkeit vom Papst bringen konnte. Vgl. Joachim Pastorius ab Hirtenberg: FLORUS POLONICUS, Seu POLONICÆ HISTORIÆ EPITOME NOVA, Quintum recognita, aucta, & ad nostri usque temporis bella continuata (Gedani et Francofurti: Simon Beckensteinius 1679), 435 (HAB: Go 89]: „Quem [erg. ordinem] legibus certis definitum summus Pontifex Urbanus VIII. rem fervide inprimis, agente Georgio Osslinscio, hoc anno confirmat. Sed institutum à male suspicacibus mirificè vituperatum, per dissensum Ordinum, accedente inprimis Comitiorum anno sequente habitorum, auctoritate, exolevit.“ Das Erlöschen des Ritterordens notierte F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) am 28. 5. 1638 in sein Tagebuch: „[Zeitung], daß der Polln.
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Reichstag sich geendet, vndt der Ritterorden S. Mariæ gantz aufgehoben vndt cassirt worden.“ (Christian: Tageb. XIV, 601r). Vgl. Theatrum Europaeum III, 885 u. 944f.
6
S. 371030 I.
7
Ostpreußische Dialekteinflüsse waren schon in 371030 I zu bemerken.

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