Die hier genannte lateinische „beschreibung des
konigreichs China“ läßt sich nicht eindeutig identifizieren. Daß aber Pz. Ernst
Gottlieb die Übersetzungsarbeiten begann, zeigt 380427. Da ältere und
zeitgenössische Missions- und Reiseberichte, etwa von Giovanni Battista Ramusio,
Pierre Bergeron, Richard Hakluyt, Fernan Mendez Pinto, Johann Albrecht v.
Mandelsloh usw. entweder schon vom Titel her oder aus sprachlichen,
sachlichen
oder chronologischen Gründen ausscheiden, könnte es sich um die Übertragung einer
der im Verzeichnis der nachgelassenen Bibliothek F. Ludwigs genannten
Beschreibungen Chinas handeln, besonders ein „
Manuscriptum
von der Geselschafft Jesu Christlicher verrichtunge bey den Chineßern auß dem
F. Matthias Ricius“ (
IP, 333r; vgl.
IP, 278r Nr. 36 u. 37, 282r Nr. 163, 320r Nr. 144 u. 326v Nr. 144). Es
begegnet in
IP als mögliche Vorlage nur ein lateinischer
Titel: „De Christiana expeditione apud Sinas Matt. Riccii et Francisci Xavelij
1615“ (
IP, 304v Nr. 73). Dabei handelt es sich um die von
Nicolas Trigault herausgegebene Geschichte der chinesischen Mission von dem
Pionier der Jesuitenmission in China, Matteo Ricci (1552–1610): DE | Christiana
Expeditio- | ne Apud Sinas Svscepta AB | SOCIETATE JESU | Ex P. Matthæi Ricij eiusdem | Societatis Com̄entarijs | Libri V.
[…] describuntur: | Auctore | P. Nicolao TRIGAUTIO BelgA | ex eadem Societate |
ANNO CHRISTI Augustæ Vind. apud Christoph Mangium M DC XV. HAB: S 122a
4° Helmst. Das Werk besteht aus fünf Büchern mit jeweils 11 bis 21 Kapiteln, auch
zur Landeskunde, Geschichte, Verfassung und Sitten Chinas, führt jedoch keine
Randnoten auf., deren Übertragung der Fürst von Pz. Ernst Gottlieb in 380427
verlangte. — Andere lateinische Vorlagen wie die vielen jährlichen Berichte der
Jesuitenmission sind nicht auszuschließen, jedoch fehlen uns im Briefwechsel der
FG, in Bücherverzeichnissen oder anderen Quellen Anknüpfungspunkte. Die lat.
Übersetzung der
Historia de las cosas más notables, ritos y
costumbres del gran reino de la China des spanischen Augustinermönchs Juan
González de Mendoça (erstmals Rom 1585; HAB: 487.8 Hist.) kommt kaum in Frage, da
sie schon im Titel auf eine ältere Verdeutschung hinweist: [Rot-Schwarz-Druck]
NOVA |ET SVCCIN- | CTA, VERA TAMEN |
HISTORIA | DE AMPLISSIMO, POTENTISSIMO- | q́ue, nostro quidem orbi hactenus incognito, sed perpaucis
|abhinc annis explorato Regno CHINA [...] Ex Hispanica
primùm in Italicam, inde in Germanicam, |ex hac demùm in
Latinam linguam conuersa: | Operâ Marci Henningi Au- | gustani. [...] FRANCOFVRDI ad Mœnum s. a. [1589]. HAB: 521
Hist. 8° 283 (1). Eine nicht näher bezeichnete Ausgabe befand sich einst in der
Bibliothek F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg [FG 26], s.
Catalogus primus, Libri Historici in Octavo, Nr. 72. Der Titel der
Verdeutschung, auf die sich Hennings Übertragung stützt, lautet: Ein Neuwe/
Kurtze/ | doch warhafftige | Beschreibung | deß gar Großmächtigen |
weitbegriffenen | bißhero vnbekandten Kö- | nigreichs China [...] Bey gantz
neuwlichen Jahren erkündiget/ hernacher in | Hispanischer Sprach beschrieben/ auß
derselbigen in die | Jtalianische/ vnnd nunmehr in Hoch- | Teutsch gebracht. | […]
Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ Jn Verlegung | Sigmund Feyrabends/ Jm Jhar 1589.
HAB: 190. 15 Quod. (1). 4° 8 Bl., 181 (1) S. (S. [182] Kolophon: Gedruckt zu
Franckfurt am Mayn/ | in Verlegung Sigmundt Feyrabends/ | Jm Jahr Christi/ |
[Vignette, darunter Linie] | M. D. LXXXIX.). In der Widmungsvorrede (o. O., 1. 3.
1589) gibt der Übersetzer seine Identität preis: Johann Kellner, Schultheiß am
Reichsgericht zu Frankfurt. Die Widmungsvorrede des lat. Übersetzers Marcus
Henningus ist datiert Augsburg, August („mense Sextili“) 1589. Die lat. Ausgabe
folgt in der Wiedergabe der Vorrede Mendoças an den Leser (S. 15–19) und des
Inhaltsverzeichnisses sowie in der Beschränkung auf die drei Bücher des ersten
Teils genau der kurz zuvor erschienenen dt. Übersetzung. Von dieser erschienen
1597 und 1598 Neuauflagen, die aber nicht die Vorrede Mendoças an den Leser
enthalten: Historien vnd Bericht/ | [Zierleiste] | Von dem Newlicher | Zeit
erfundenen Königreich CHINA/ | wie es nach vmbstenden/ so zu einer rechtmeßigen |
Beschreibung gehören/ darumb | beschaffen. | Jtem/ Von dem auch new erfundenen |
Lande VIRGINIA. | Jetzund auffs newe vbersehen/ vnd mit einem Zusatz ver- |
mehret/ Nemlich: Wie es vmb die Religion in Perser vnd Moh- | renland/ vnter
Priester Johan bewand sey; | Jn Druck verfertiget/ durch | MATTHÆVM DRESSERVM D. |
der Sprachen vnd Historien Professorn. | [Zierstück] | Gedruckt zu Leipzig/ durch
Frantz Schnelboltz. | TYPIS HAEREDVM BEYERI. | ANNO | [Linie] | M.D.XCVII. HAB: T
1186.4° Helmst. (1). 4° 6 Bl., 297 (1) S. Kolophon auf S. 297: Gedruckt zu
Leipzig/ bey | Frantz
Schnellboltz. | Typis hæredum Beyeri. | [Vignette] | Jm
Jahr: | [Linie] | M.D.XCVII. Der Herausgeber Dresser bekundet in seiner Vorrede,
die dt. Mendoça-Übertragung überarbeitet und vermehrt zu haben, da „lange Zeit
kein Exemplar desselben [des Büchleins von 1589] weder hier noch zu Franckfurt ist
zu finden“. Die
Beschreibung deß grossen Königreichs China
mit den drei Büchern des ersten Teils auf S. 1–170. Eine Titelauflage dieses
Werkes erschien 1598 in Leipzig (HAB: 219. Hist. [2], allerdings Fehldruck mit
leer gebliebenen Seiten 274–281, u. Alv. II 205); ein textidentischer Nachdruck
erschien in Halle 1598: Paul Gräber (HAB: 190.16 Quod. [2]). — Immerhin aber
besitzt die ALB Dessau ein Exemplar der
Nova et svccincta ...
historia: ALW *HB 49201, das aus einstigem anhaltischen Fürstenbesitz
stammt. Vgl. Henri Cordier: Bibliotheca Sinica. Dictionnaire bibliographique des
ouvrages relatifs a l’empire chinois. 5 Bde. Paris 1904–1922, Ndr. Bruxelles 1963,
I, 8–10, 14–16, IV, 3025; Hartmut Walravens: China illustrata. Das europäische
Chinaverständnis im Spiegel des 16. bis 18. Jahrhunderts. Weinheim 1987
(Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 55), Nr. 6ff. u. passim; Die
Geschichte der höchst bemerkenswerten Dinge und Sitten im chinesischen Königreich
des Juan Gonzales de Mendoza. Hg. Margareta Grieszler. Sigmaringen 1992 (bietet
eine Neu-Übersetzung ins Deutsche nach der lat. Übersetzung von Joachim van den
Bruel von 1655, s. o. Auch hier nur der erste Teil mit seinen drei Büchern). — Auf
der Suche nach der Vorlage Pz. Gottlieb Ernsts wäre zuletzt nicht auszuschließen,
daß jene von F. Ludwig genannte lat. „beschreibung des konigreichs China“ einem
geographisch-historischen Universalwerk entnommen sein könnte. Ein solches waren
etwa
Les états, empires et principautés du monde des Pierre
Davity (1573–1635), die erstmal 1613 in Paris erschienen waren. Das Werk wurde von
Johann Ludwig Gottfried (ca. 1584–1633) ins Lateinische (Erstausgabe 1628 ohne
Illustrationen) und 1637/38 ins Deutsche übersetzt: ARCHONTOLOGIA COSMICA, | SIVE
| IMPERIORVM, | REGNORVM, PRINCI- | PATVVM, RERVMQVE PVBLICA- | RVM OMNIVM PER
TOTVM | Terrarum Orbem | COMMENTARII LVCVLENTISSIMI, […] Opera & studio |
JO. LVDOVICI GOTOFREDI, | QVI EOS PRIMO GALLICE PER D. T. V. Y. SACRI CVBICVLI |
apud Regem Christianissimum Equitem conscriptos: Nuper verò ex nouissimo &
auctiore | exemplari Parisiensi in sermonem Latinum conuertit nouisque accessio- |
nibus locupletauit, & in tres Libros diuisit […] Francofvrti ad
Mœnum, Sumptibus Lvcæ JennesI. | [Linie] | Anno M. DC.
XXIIX. HAB: 209.2 Hist. 2°; vgl. Henri Cordier: Bibliotheca Sinica (s. o.) V,
3257. Die Beschreibung „REGNVM CHINENSE, SIVE SINARVM REGIO“ im 2. Buch, S.
180–200. 1638, 1649 und nach 1649 erschienen drei illustrierte lateinische
Neuausgaben im Merian-Verlag zu Frankfurt a. M., ebenso zwischen 1638 und nach
1695 vier deutsche Ausgaben, ebenfalls in der Übersetzung durch J. L. Gottfried.
Deren erste wurde im Frankfurter Herbstmeßkatalog 1637 angezeigt und dürfte im
Frühjahr 1638 erschienen sein: Neuwe | ARCHONTO- | LOGIA | COSMICA, | Das ist/ |
Beschreibung aller Kay- | serthumben/ Königreichen vnd Re- | publicken der gantzen
Welt […] Alles auß vnverwerfflichen Gründen vnnd Zeugnussen/ vom Anfang biß auff |
vnsere Zeit/ das Jahr Christi 1638. zusammen gelesen/ vnd in eine richtige be- |
greiffliche Ordnung verfasset | Durch | Johann Ludwig Gottfried. | Mit zugehörigen
Summarien vnnd außführlichen Registern versehen: auch mit den vornehm- | sten in
Kupffer gestochenen Landt-Taffeln vnd Stätten gezieret/ vnd verlegt von |
MATTHÆO MERIAN. | [Verlagssignet] | Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ in
Wolffgang Hoffmans | Buchtruckerey/ im Jahr nach Christi Geburt | [Linie] | M. DC.
XXXVIII. HAB: 139.1 Hist. (2). Vgl. Lucas Heinrich Wüthrich: Das druckgraphische
Werk von Matthaeus Merian. d. Ä. Bd. 3: Die großen Buchpublikationen I. Hamburg
1993, 307ff. Die Widmungsvorrede Matthäus Merians d. Ä. ist datiert Frankfurt a.
M., 12. 9. 1637. Die Beschreibung „Von dem Königreich China in Orient“ im 2. Buch,
S. 677–692. Da F. Ludwig seinem Neffen offenbar ein größeres Übersetzungs-Projekt
angetragen hat (vgl. 380427), sprechen der geringe Umfang, aber auch die fehlenden
Randglossen oder
–marginalien gegen die Annahme, F. Ludwig könnte die
China-Beschreibung der lat.
Archontologia Cosmica von 1628
entnommen haben. Auch ist bei seinen guten Verbindungen zum Merian-Verlag
unwahrscheinlich, daß ihm die im Herbst 1637 angekündigte Veröffentlichung einer
dt. Übersetzung verborgen geblieben ist.