Text

380302 Fürst Ludwig an Prinz Ernst Gottlieb von Anhalt-Plötzkau
[Inhaltsverzeichnis]
|| [456]

380302

Fürst Ludwig an Prinz Ernst Gottlieb von Anhalt-Plötzkau


Nachdem F. Ludwig (Der Nährende) seinem Neffen F. Ernst Gottlieb v. Anhalt-Plötzkau (FG 245. Der Starke) am Vortage von einer in lateinischer Sprache abgefaßten Beschreibung des Königreiches China berichtet hat, sendet er ihm diese nun beiliegend zu. Er verbindet das mit dem Vorschlag, Ernst Gottlieb möge das Werk verdeutschen, da die Fruchtbringende Gesellschaft herkömmlicherweise von den Mitgliedern verlange, für das Gedeihen und die Bereicherung der Muttersprache etwas darin zu verfassen oder zu übersetzen. Ernst Gottlieb verfüge über gute Kenntnisse des Lateinischen und fände in seinem Umfeld gewiß kompetente Unterstützung. Der unterhaltsame Text, welcher ihm gefallen werde, verspreche dem Übersetzer großen Ruhm. Bei Fragen zur Übersetzung und zur deutschen Sprache bietet Ludwig seine eigene Hilfe an.

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 9rv, 9v leer, [Handschrift: [Bl. 9r]]; eigenh. Konzept. — Unter Auslassung der Schlußkurialie veröffentlicht in KE, 31; KL III, 97. Bibliographisch erfaßt in Bürger, S. 948 Nr. 30.

Anschrift


A  Fehlt.

Text


Es wirdt dem Starcken vom Nehrendena 1 nechst vermeldung seines gebuhrenden grusses, hiemit zugefertiget, die ihme gestriges tagesb angedeutete beschrei-
|| [457]
bung des konigreichs China in Latein,2 in deren er sich zu zeitenc belustigen kan: Und weill bey der fruchtbringenden gesellschaft woll hergebracht, das von ihren gliedernd zu auffnehmung und erweitterung ünserer deutschen land- und Muttersprachee , entweder etwas in derselbenf von neuen verfassetg und geschrieben, oder aus andern sprachen ubergesetzet wirdt, als hatt ihme Starckenh diese büchleini -verdolmetschung wollen furgeschlagen, und doj 3 er darzu belieben träget, auffgetragen werden[,] Nicht zweiffelnde, weill er bey erfharenheitt der Lateinischen sprache undk anwesenheit deren die an und umb ihn seind gar gutte mittell dar zu hatt, er nicht alleine, der lustigen sachen halber, die darinnen begriffen, eine sonderbahre zuneigung hierzu tragen wirdt, sondern es auchl mitt ferner[m]m grossen nachruhm gar wolln anfangen, mitteln und endigen können. Es ist doch der Nehrende des erbietens, das wo der Starcke seiner handbietung, so viell das deutsche betrifft[,]m darzu von nötten,o ihme darzu gar willigp und gerneq behulfflich zur sein, erwartet hierauff seine zuversichtliche wilfärige erklerung, und verbleibet

  dess Starken gantz williger geselschaffter
  Der Nehrende

Geben in der auff Schlavonisch also genanten Kesselstadt4 , 2.t des Mertzen im Jhar 1638.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
vom Nehrenden eingefügt.
b
gestriges tages am Rand eingefügt für <jüngst>
c
zu zeiten am Rand ergänzt.
d
Folgt <etwas>
e
und Mutter am Rand ergänzt.
f
in derselben am Rand ergänzt.
g
Gebessert aus <ge>fasset
h
Fehlt in KL.
i
Am Rand ergänzt. KE dieses büchlein verdollmetschung KL dieses büchleins verdolmetschung
j
KE, KL da
k
Bis seind am Rand ergänzt.
l
sondern es auch eingefügt für <und er>
m
Zeichenverlust aufgrund eingerissenen seitlichen Blattrands. Konjektur in eckigen Klammern.
n
Folgt <ein>
o
Folgt <er>
p
KE, KL gernwillig statt gar willig
q
Folgt <wolle> KL und gerne fehlt.
r
Eingefügt.
s
Fehlt bis Nehrende in KE und KL.
t
Eingefügt für <3>

Kommentar

K
1
Brief F. Ludwigs (Der Nährende) an seinen Neffen Pz. Ernst Gottlieb v. Anhalt-Plötzkau (FG 245. Der Starke), den 1620 geborenen ältesten Sohn des gelehrten, besonders an Geheimlehren interessierten Bruders F. Ludwigs, F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46). Pz. Ernst Gottlieb war schon 1634, also etwa vierzehnjährig in die FG aufgenommen worden. Daß Prinzen schon sehr früh, teilweise auch im Kindesalter zu fruchtbringerischen Arbeiten wie dem Verdeutschen herangezogen wurden, läßt sich auch bei F. Ludwigs eigenen Söhnen Pz. Ludwig d. J. (FG 6) und Pz. Wilhelm Ludwig (FG 358) feststellen. Vgl. auch die Übersetzung der Cento novelle antiche durch eine Schar anhaltischer Prinzen und Prinzessinnen (unter Anleitung F. Ludwigs und seiner Gattin Amoena Amalia [AL 1618. TG 2]): Die Erzehlungen aus den mittlern Zeiten. Mit ... der ital. Vorlage hg. u. erl. v. Ulrich Seelbach. Stuttgart 1985 (Bibliothek d. Literarischen Vereins in Stuttgart, 311); vgl. Conermann  TG, 592ff.; Conermann in Köthen II.1, S. *36.
2
Die hier genannte lateinische „beschreibung des konigreichs China“ läßt sich nicht eindeutig identifizieren. Daß aber Pz. Ernst Gottlieb die Übersetzungsarbeiten begann, zeigt 380427. Da ältere und zeitgenössische Missions- und Reiseberichte, etwa von Giovanni Battista Ramusio, Pierre Bergeron, Richard Hakluyt, Fernan Mendez Pinto, Johann Albrecht v. Mandelsloh usw. entweder schon vom Titel her oder aus sprachlichen,
|| [458]
sachlichen oder chronologischen Gründen ausscheiden, könnte es sich um die Übertragung einer der im Verzeichnis der nachgelassenen Bibliothek F. Ludwigs genannten Beschreibungen Chinas handeln, besonders ein „Manuscriptum von der Geselschafft Jesu Christlicher verrichtunge bey den Chineßern auß dem F. Matthias Ricius“ (IP, 333r; vgl. IP, 278r Nr. 36 u. 37, 282r Nr. 163, 320r Nr. 144 u. 326v Nr. 144). Es begegnet in IP als mögliche Vorlage nur ein lateinischer Titel: „De Christiana expeditione apud Sinas Matt. Riccii et Francisci Xavelij 1615“ (IP, 304v Nr. 73). Dabei handelt es sich um die von Nicolas Trigault herausgegebene Geschichte der chinesischen Mission von dem Pionier der Jesuitenmission in China, Matteo Ricci (1552–1610): DE | Christiana Expeditio- | ne Apud Sinas Svscepta AB | SOCIETATE JESU | Ex P. Matthæi Ricij eiusdem | Societatis Com̄entarijs | Libri V. […] describuntur: | Auctore | P. Nicolao TRIGAUTIO BelgA | ex eadem Societate | ANNO CHRISTI Augustæ Vind. apud Christoph Mangium M DC XV. HAB: S 122a 4° Helmst. Das Werk besteht aus fünf Büchern mit jeweils 11 bis 21 Kapiteln, auch zur Landeskunde, Geschichte, Verfassung und Sitten Chinas, führt jedoch keine Randnoten auf., deren Übertragung der Fürst von Pz. Ernst Gottlieb in 380427 verlangte. — Andere lateinische Vorlagen wie die vielen jährlichen Berichte der Jesuitenmission sind nicht auszuschließen, jedoch fehlen uns im Briefwechsel der FG, in Bücherverzeichnissen oder anderen Quellen Anknüpfungspunkte. Die lat. Übersetzung der Historia de las cosas más notables, ritos y costumbres del gran reino de la China des spanischen Augustinermönchs Juan González de Mendoça (erstmals Rom 1585; HAB: 487.8 Hist.) kommt kaum in Frage, da sie schon im Titel auf eine ältere Verdeutschung hinweist: [Rot-Schwarz-Druck] NOVA |ET SVCCIN- | CTA, VERA TAMEN | HISTORIA | DE AMPLISSIMO, POTENTISSIMO- | q́ue, nostro quidem orbi hactenus incognito, sed perpaucis |abhinc annis explorato Regno CHINA [...] Ex Hispanica primùm in Italicam, inde in Germanicam, |ex hac demùm in Latinam linguam conuersa: | Operâ Marci Henningi Au- | gustani. [...] FRANCOFVRDI ad Mœnum s. a. [1589]. HAB: 521 Hist. 8° 283 (1). Eine nicht näher bezeichnete Ausgabe befand sich einst in der Bibliothek F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg [FG 26], s. Catalogus primus, Libri Historici in Octavo, Nr. 72. Der Titel der Verdeutschung, auf die sich Hennings Übertragung stützt, lautet: Ein Neuwe/ Kurtze/ | doch warhafftige | Beschreibung | deß gar Großmächtigen | weitbegriffenen | bißhero vnbekandten Kö- | nigreichs China [...] Bey gantz neuwlichen Jahren erkündiget/ hernacher in | Hispanischer Sprach beschrieben/ auß derselbigen in die | Jtalianische/ vnnd nunmehr in Hoch- | Teutsch gebracht. | […] Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ Jn Verlegung | Sigmund Feyrabends/ Jm Jhar 1589. HAB: 190. 15 Quod. (1). 4° 8 Bl., 181 (1) S. (S. [182] Kolophon: Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ | in Verlegung Sigmundt Feyrabends/ | Jm Jahr Christi/ | [Vignette, darunter Linie] | M. D. LXXXIX.). In der Widmungsvorrede (o. O., 1. 3. 1589) gibt der Übersetzer seine Identität preis: Johann Kellner, Schultheiß am Reichsgericht zu Frankfurt. Die Widmungsvorrede des lat. Übersetzers Marcus Henningus ist datiert Augsburg, August („mense Sextili“) 1589. Die lat. Ausgabe folgt in der Wiedergabe der Vorrede Mendoças an den Leser (S. 15–19) und des Inhaltsverzeichnisses sowie in der Beschränkung auf die drei Bücher des ersten Teils genau der kurz zuvor erschienenen dt. Übersetzung. Von dieser erschienen 1597 und 1598 Neuauflagen, die aber nicht die Vorrede Mendoças an den Leser enthalten: Historien vnd Bericht/ | [Zierleiste] | Von dem Newlicher | Zeit erfundenen Königreich CHINA/ | wie es nach vmbstenden/ so zu einer rechtmeßigen | Beschreibung gehören/ darumb | beschaffen. | Jtem/ Von dem auch new erfundenen | Lande VIRGINIA. | Jetzund auffs newe vbersehen/ vnd mit einem Zusatz ver- | mehret/ Nemlich: Wie es vmb die Religion in Perser vnd Moh- | renland/ vnter Priester Johan bewand sey; | Jn Druck verfertiget/ durch | MATTHÆVM DRESSERVM D. | der Sprachen vnd Historien Professorn. | [Zierstück] | Gedruckt zu Leipzig/ durch Frantz Schnelboltz. | TYPIS HAEREDVM BEYERI. | ANNO | [Linie] | M.D.XCVII. HAB: T 1186.4° Helmst. (1). 4° 6 Bl., 297 (1) S. Kolophon auf S. 297: Gedruckt zu Leipzig/ bey | Frantz
|| [459]
Schnellboltz. | Typis hæredum Beyeri. | [Vignette] | Jm Jahr: | [Linie] | M.D.XCVII. Der Herausgeber Dresser bekundet in seiner Vorrede, die dt. Mendoça-Übertragung überarbeitet und vermehrt zu haben, da „lange Zeit kein Exemplar desselben [des Büchleins von 1589] weder hier noch zu Franckfurt ist zu finden“. Die Beschreibung deß grossen Königreichs China mit den drei Büchern des ersten Teils auf S. 1–170. Eine Titelauflage dieses Werkes erschien 1598 in Leipzig (HAB: 219. Hist. [2], allerdings Fehldruck mit leer gebliebenen Seiten 274–281, u. Alv. II 205); ein textidentischer Nachdruck erschien in Halle 1598: Paul Gräber (HAB: 190.16 Quod. [2]). — Immerhin aber besitzt die ALB Dessau ein Exemplar der Nova et svccincta ... historia: ALW *HB 49201, das aus einstigem anhaltischen Fürstenbesitz stammt. Vgl. Henri Cordier: Bibliotheca Sinica. Dictionnaire bibliographique des ouvrages relatifs a l’empire chinois. 5 Bde. Paris 1904–1922, Ndr. Bruxelles 1963, I, 8–10, 14–16, IV, 3025; Hartmut Walravens: China illustrata. Das europäische Chinaverständnis im Spiegel des 16. bis 18. Jahrhunderts. Weinheim 1987 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 55), Nr. 6ff. u. passim; Die Geschichte der höchst bemerkenswerten Dinge und Sitten im chinesischen Königreich des Juan Gonzales de Mendoza. Hg. Margareta Grieszler. Sigmaringen 1992 (bietet eine Neu-Übersetzung ins Deutsche nach der lat. Übersetzung von Joachim van den Bruel von 1655, s. o. Auch hier nur der erste Teil mit seinen drei Büchern). — Auf der Suche nach der Vorlage Pz. Gottlieb Ernsts wäre zuletzt nicht auszuschließen, daß jene von F. Ludwig genannte lat. „beschreibung des konigreichs China“ einem geographisch-historischen Universalwerk entnommen sein könnte. Ein solches waren etwa Les états, empires et principautés du monde des Pierre Davity (1573–1635), die erstmal 1613 in Paris erschienen waren. Das Werk wurde von Johann Ludwig Gottfried (ca. 1584–1633) ins Lateinische (Erstausgabe 1628 ohne Illustrationen) und 1637/38 ins Deutsche übersetzt: ARCHONTOLOGIA COSMICA, | SIVE | IMPERIORVM, | REGNORVM, PRINCI- | PATVVM, RERVMQVE PVBLICA- | RVM OMNIVM PER TOTVM | Terrarum Orbem | COMMENTARII LVCVLENTISSIMI, […] Opera & studio | JO. LVDOVICI GOTOFREDI, | QVI EOS PRIMO GALLICE PER D. T. V. Y. SACRI CVBICVLI | apud Regem Christianissimum Equitem conscriptos: Nuper verò ex nouissimo & auctiore | exemplari Parisiensi in sermonem Latinum conuertit nouisque accessio- | nibus locupletauit, & in tres Libros diuisit […] Francofvrti ad Mœnum, Sumptibus Lvcæ JennesI. | [Linie] | Anno M. DC. XXIIX. HAB: 209.2 Hist. 2°; vgl. Henri Cordier: Bibliotheca Sinica (s. o.) V, 3257. Die Beschreibung „REGNVM CHINENSE, SIVE SINARVM REGIO“ im 2. Buch, S. 180–200. 1638, 1649 und nach 1649 erschienen drei illustrierte lateinische Neuausgaben im Merian-Verlag zu Frankfurt a. M., ebenso zwischen 1638 und nach 1695 vier deutsche Ausgaben, ebenfalls in der Übersetzung durch J. L. Gottfried. Deren erste wurde im Frankfurter Herbstmeßkatalog 1637 angezeigt und dürfte im Frühjahr 1638 erschienen sein: Neuwe | ARCHONTO- | LOGIA | COSMICA, | Das ist/ | Beschreibung aller Kay- | serthumben/ Königreichen vnd Re- | publicken der gantzen Welt […] Alles auß vnverwerfflichen Gründen vnnd Zeugnussen/ vom Anfang biß auff | vnsere Zeit/ das Jahr Christi 1638. zusammen gelesen/ vnd in eine richtige be- | greiffliche Ordnung verfasset | Durch | Johann Ludwig Gottfried. | Mit zugehörigen Summarien vnnd außführlichen Registern versehen: auch mit den vornehm- | sten in Kupffer gestochenen Landt-Taffeln vnd Stätten gezieret/ vnd verlegt von | MATTHÆO MERIAN. | [Verlagssignet] | Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ in Wolffgang Hoffmans | Buchtruckerey/ im Jahr nach Christi Geburt | [Linie] | M. DC. XXXVIII. HAB: 139.1 Hist. (2). Vgl. Lucas Heinrich Wüthrich: Das druckgraphische Werk von Matthaeus Merian. d. Ä. Bd. 3: Die großen Buchpublikationen I. Hamburg 1993, 307ff. Die Widmungsvorrede Matthäus Merians d. Ä. ist datiert Frankfurt a. M., 12. 9. 1637. Die Beschreibung „Von dem Königreich China in Orient“ im 2. Buch, S. 677–692. Da F. Ludwig seinem Neffen offenbar ein größeres Übersetzungs-Projekt angetragen hat (vgl. 380427), sprechen der geringe Umfang, aber auch die fehlenden Randglossen oder
|| [460]
–marginalien gegen die Annahme, F. Ludwig könnte die China-Beschreibung der lat. Archontologia Cosmica von 1628 entnommen haben. Auch ist bei seinen guten Verbindungen zum Merian-Verlag unwahrscheinlich, daß ihm die im Herbst 1637 angekündigte Veröffentlichung einer dt. Übersetzung verborgen geblieben ist.
3
Do, adv., conj.; hier als Konditionalkonjunktion „wenn, sofern“. S. 371110 K 15.
4
Zu F. Ludwigs Ableitung des Ortsnamens Köthen vom wendischen Wort für „Kessel“ s. 380328 K 8.

XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000214/briefe/380302.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000214/tei-transcript.xsl
PDF: http://diglib.hab.de/edoc/ed000214/download/380302.pdf