Text

380320 Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel an Johann Saubert d.Ä.
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380320

Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel an Johann Saubert d. Ä.


Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) überschickt mit dem vorliegenden Brief einen Entwurf des Titelblatts und der Vorrede zu seiner geplanten, vollständig nach der Luther-Übersetzung revidierten deutschen Bibel (Beilage I). Er erbittet dazu Johann Sauberts d. Ä. Stellungnahme. Die vor 14 Tagen per Boten abgegangenen Briefe Sauberts sind verschlossen und richtig eingeliefert worden. Er werde Georg Calixt die Antwort Sauberts zusenden und erwarten, ob Calixt Änderungen an seinem Entwurf vorschlagen werde. Saubert würde sich Hz. August sehr verpflichten, wenn er ihm alle seine Bibel-Notate mitteilte. Saubert werde ihm (als Ratgeber) viele andere ersetzen.

Beschreibung der Quelle


Q   HAB: Cod. Guelf. 92.2 Extrav., Bl. 9rv [A: 9v]; eigenh.; Sig.

Anschrift


A  H. Magistro Johanni Sauberto1 ad palmas proprias.

Text


Diese auß uhrsachen anders eingerichtete vorrede, schicken wir zur nachrichtung unda ergeben sie seiner offenhertzigen Censur; die wir gelegenlich [sic] von ihm erwarten wollen: ihm danebest vermeldend: daß die vor 14 tagen dem botten genommene brieffe, uns uneröfnet woll zugekommen seyn. Wollen Calixto2 die Andtwort schicken und vernehmen ob er die pconcepta mutieren wolle: Worvon hernägst ein mehrers.
  Den 20 Martii. 1638 mp

Er wirdt uns ihmb sehr devinieren3 wen er uns alle stellen, so er in Bibliis notieret,c wirdt communicieren. Wir wollens danckbarlich erkennen. Zuverlässig:
Eris mihi instar multorum.4

I

Entwurf des Titels und der Vorrede für Herzog Augusts geplante
Druckausgabe seiner revidierten Luther-Bibel

Beschreibung der Quelle


Q HAB: Cod. Guelf. 92.2 Extrav., Bl. 8rv; Schreiberh. mit eigenh. Streichungen, Korrekturen und Einfügungen Hz. Augusts. Auch scheint der Herzog gelegentlich Umlautstriche nachgetragen zu haben.
Veröffentlicht in Heimo Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet. Herzog
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August d. J. von Braunschweig und Lüneburg und seine Revision der Lutherbibel. In: Was Dolmetschen fur Kunst und Erbeit sey. Beiträge zur Geschichte der deutschen Bibelübersetzung. Hg. H. R. Hamburg 1982 (Vestigia Bibliae, 4), 42–69, hier 63–65. Vgl. ders.: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Wolfenbüttel 1983 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 40), S. 280–304, hier Nr. 179 u. Abb. 186; Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 396.

Text


Die Hochheiligen Bücher

Darinnen die Schriften des Heiligen Moses, vnndt anderer Gottes Männerer1 , der Heiligena Weißagererb vnndt Botschaftenc Christusd ime Alten oder ersten vnndt daruf folgendem Newen oder letzten beschriebenen willen Gottes begriffen seindt.

Auß

Einem Christeyferigem, bedächtigem vorsatze, mit vngespartem fleiße, vom Gustavo Seleno2 , (nach anleitung der vnter vns Euangelischen an itzo gebreuchlichen teutschend verdolmetschung, so der H. SchriftLehrerf Marten Luther, nebest seinen Mitgehülfen3 , vor vielen Jahren angefangen vnndt verfertiget hatd) ins teutsche anderweit v̈bergesetzet, vnndt dürch den öffentlichen truck, dehnen, so es etwa gefallen mögte, zum gebrauche, herrausgegeben,
In g Verlegung des Dolmetschers
16.39.


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Den Liebhabern vnndt recht Christ-Eyferigen Lesern dieser wehrten
BUCHER mein gebührender gruß, vndt hertzlicher annwunsch,
zu einer rechtschaffenen wahren Andacht, zuuorn,


Alß ich nun viele Jahre hero nach meinem verrichteten gewöhnlichem Gebethe, in den Schriften des H. Göttlichen wortes (nach anleitung derh folgenden von mir zu Tübingen eingerichteten Tage verzeichnußi ,) vnausgesetzet zulesen, mich täglich belüstiget, vnndt zugleich, zu meiner gedächtnüße vnndt fernerm nachsinnen, aus vielen stellen was aufgezeichnet4 : So habe ichs vor weniger Zeitj zusammen ziehen, vom newen mit fleiße vbersehen, diese meine wolgemeinte Verdolmetschung in unsere muttersprachek daraus mit abfaßen, vnndt zu fieler verhoffentlich nützlichem gebrauche, auf begehren herrausgeben: Auch die kürtze außzüge, des Pommerschen nunmehr abgeleibten Schriftgelehrten D. Cramers5 eines Jedern Buches Abtheilungen vorsetzen, vnndt nach anleitung des Luthers Verdolmetschung (wie am ersten Blat erwehnet) meine gedancken einrichten wollen: Einem Jeden friedtliebenden anheimbstellendt, ob diese Heilige Bücher er in dieser Verdolmetschung zu lesen würdigen, oder der altgewohneten sich ferner gebrauchen wolle. Auf welchen letzten fall, demselben, diese wie eine geringe erklerung, zum fernern nachdencken, dienen möchte.6 Eß wirdt sich sonsten darinnend keine verenderung oder vnterscheidtl der hauptd-Stücke vnsers Christlichen glaubenß, dardürch den alten vndt newen wiedrigen, mehr anlaß zur behaubtung ihrer meinungen, die Sie nicht aus den haubtSprachen selbsten albereit gescherfet, etwa vervhrsachet werden mögte,
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verhöffentlich befinden.7 Fernerm habe ich michn , so viel es thünlich geweseno , vnserer so reich von Worten teutscher Muttersprachen dürchaus beflißen: vnndt außer den Nahmen der Persohnen, Völckern, Ländern, Städten vnndt dergleichen keiner außländischen Sprachen worter gebrauchet.8
  Im newen oderd letzbeschriebenen willen Gottes9 , habe ich dem Heiligen Johannes die erste stelle10 (wie Ihn vnter andern der Bischof zu Gendt Korneliuß Jansenius, vnndt Pater Johannes Roberts, S. J. in ihren Vereinigungsschriften,11 vnndt Syluester Steier Leovalla in dem kurtzen Begrieffe12 , dieser heiligen Büchern, den andern auch Vorgesetzet haben) gegeben: vnndt demselbigen, seinen so reichsinnigen ersten Brief (welchen Luther selbst, in deßen Vorrede also zu ordtnen, erinnert13 ) gleich nachgesetzet: Die dray nehesten stellen haben, der H. Mattheus, Marcuß vnndt Lucaß: deßen beyde Schrifften, hiedürch in einer vnzertrenten ordtnung einander folgen; Daß nun der heiligerp Johanneß, mit seinem Im Anfang14 , (gleichwie die Alten, der Moses anhebet) die newen Bücher auch anfanget15 : Dartzu hatt mich veruhrsachet, das Er mit seiner so tiefsinnigen ahrt zuschreiben, die Gotheit des Herrn Jesus Vnß entdecket: die alß ohne einen [8v] anfang seiner Menscheidt, so Er in der Zeit angenommen (welche die andern drey nuhr beschrieben) nicht vnbillig vorzuziehen.16 Wiewoll mir nicht vnwißendt, daß es die meisten alten Kirchen Lehrereq dafür halten: Er habe seine Verkündigung vom Herrn Christus (wie Luther das Griechische wordt Evangelion, in dem erstenr Joh. 1. in der fünften Zahl vndt in der Vorrede v̈ber die Alten Bücher am ende des ersten Satzes auf teutsch auch gesetzet vndt nennet) nach den andern dreyen zuschreiben angefangen. Beschließet also eben dieser die newen vndt letzten Bücher des geoffenbahrten willen Gottes mit seinen Sieben offenbahrungen der heimlich verborgenen theils noch zukünftigen dingen.17
  Nach den Briefen des heiligen Paulus, vnter welchen der an die Ebreer, der letzter18 ist: habe ich des heiligen Jacobus Brieff, den Briefen des heiligen Petrus vorgerücket: vnndt daßelbe verhöffentlich mit gleicher erlaubnuß vndt vnuerfenglicher freiheit, alß in den Altgeschriebenen vnndt anfangs getrücketen der Heiligen Schrift-Büchern, das Buch von den Geschichten vnndt thatten der heiligen Aposteln nach den Briefen des heiligen Pauluß, geordtnet, gefunden wirdt,19
  Eß seindt auch nuhrs etliche stellen in beeden so woll dem alten ersten alß newen letzten Büchern (das mit allen es für diesmahl die müße [sic] vnndt Zeit nicht erleiden wollen) nach der Haibraischen [sic] vnndt Griechischen Sprachen entweder dürch hintzusetzen, oder dürch verendern, beobachtet. Sonsten habe ich auch die gleichstimmigen stellen auf den seiten des einhaltßt eineß Jedernu Buches mit fleiße nachgeschlagen, recht gesetzet, auch vermehret, Die Vorreden aber, v̈ber ein Jedes Buch vnndt die kurtzen auslegungen vor diesmahl mit bedachte außgelaßen: Demnach dergleichen bey den erleuchteten Gottes dienern, in ihren herlichen Schriften v̈berflüßig absonderlichd gelesen werden mögen: vnndt mein absehen nuhr gewehsen, den einhalt dieser Bücher so viel die Menschliche Schwacheit zugeben wollen, bloß dartzustellen: vnndt mit dergleichen Zusatzen dieses werck nicht vngeschmeidig zu machen,
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  Schließlich stelle ich alß ein Leye dieses alles gerne vnndt willig Zu der geübten vnndt mehr erfahrnen Lehrern der H. Schrift, fernerm nachsinnen, vnndt rechtmeßigen aus einem sanftmütigem Geiste herfließendem Vhrteil, nach der richtschnur vndt dem richtscheide der haubtquellen derselben eingerichtet: Sie gebührlich ersuchendt, diese meine angefangene Beobachtung des bloßen inhalts (vmb denselben vernemblich vnndt dem Hebraischenv vnndt Griechischem einhalte ähnlich so viel Vnsere mutterSprache es zugeben kann, zumachen) auf obgedachte maße, da es nöhtig sein wirdt, (daranne ich woll nicht zweifele sintemahl ich mich ein fehlender Mensch zu sein eben woll befinde) ferner vortzusetzen, vnndt in rechter Gottesfurcht ohne einige des gemühts bewegung, die nicht thuet was Gott will, zuuerbeßern,
  Der Allmechtiger laße dieses, Zu seines H. Nahmens ehre, vnndt vieler Menschen Sehligkeit woll hinnausschlagen vndt gerahten: Dehme ich Vnß alle hertzlich befehle. Geschrieben aus Braunschweig den ersten tag des ersten Monats des 1639. Jahrs. von mir der bezeugt20 ,w
Angularem en Lapidem Domino Darix Biblia gratum21
1                6    7            2.         4.     5.      3.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Folgt <offentl>
b
Lies: sich
c
Folgt <uns>

T I
a
Folgt <Seherer vnndt>
b
Folgt <1. Sam. 9. v. 9: 1 Cor. 14. v. 29.>
c
Folgt <2. Cor. 5. 20>
d
Von Hz. August eingefügt.
e
Darüber eingefügt von Hz. August <Ioh. 13. 16>
f
Von Hz. August gebessert aus Schriftlehrer
g
In Verlegung des Dolmetschers von Hz. August eingefügt für <Lüneburgk, Beim Bürgermeistern Hansen Sternen vnnd seinem Bruder Heinrichen zubefinden.>
h
Von Hz. August gebessert aus des
i
Tage verzeichnuß Von Hz. August eingefügt für <Kalendern>
j
vor weniger Zeit von Hz. August eingefügt für <eher>
k
in unsere muttersprache von Hz. August eingefügt.
l
Von Hz. August gebessert aus vnterschiedt
m
Von Hz. August eingefügt für <So>
n
Folgt <ferner>
o
es thünlich gewesen von Hz. August eingefügt für <möglich>
p
Von Hz. August gebessert aus heilige
q
Von Hz. August gebessert aus Lehrer
r
Folgt <1.>
s
Von Hz. August eingefügt für <mehr>
t
Lies: Inhalt
u
Von Hz. August gebessert aus Jeden
v
Von Hz. August gebessert aus Heibraischen
w
Folgt <quod>
x
Gebessert aus Dare [?]

Kommentar

K Im Januar 1635 hatte Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) begonnen, eigenhändig eine vollständige Revision der Lutherbibel durchzuführen: Er trug seine zahlreichen sprachlichen Verbesserungen nebst Randbemerkungen in sein gedrucktes Handexemplar der Luther-Übersetzung von 1545 ein: BIBLIA. | Das ist: | Die gantze heilige Schrifft | Deutsch/ | D. Mart. Luth. | Mit außgehenden Versiculn/ Marginalien vnd Vorreden Lutheri/ | Concordantzien/ Chronologien/ vnd vnterschiedlichen Registern der Historien vnd Hauptleren/ sampt | den Summarien D. Danielis Crameri/ auch den vbrigen Büchern Esra vnd Maccabeorum/ Auff | solche Art noch nie gesehen. | Mit Churfürstl. Sächs. Privilegio. | [...] | Lüneburg bey den Sternen/ | Jm tausend hundert sechs/ vier vnd dreyssigstem Jahr/ | Da stoltzer Fried lieblich blüht/ ich gedrucket war. (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1634). HAB: 519. 4. 1 Theol. 2°. Vgl. K I 4; fernerHerzog August d. J. und die Revision der Lutherübersetzung im 17. Jahrhundert. In: Christian Heitzmann: Ganze Bücher von Geschichten. Bibeln aus Niedersachsen. Wolfenbüttel 2003 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 81), S. 119–136, hier S. 127 (Nr. 44); Heimo Reinitzer: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre
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Tradition. Wolfenbüttel 1983 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 40), S. 280–304, hier Nr. 176 u. Abb. 183; Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 395. Am 1. 2. 1638 hatte der Herzog die gesamte Bibel durchgesehen und komplett überarbeitet. „Mit der Biblischen Lection seyn wir nahe [lies: beinahe] Gott sey dank, hindurch“, schrieb August am 6. 2. 1638 an Georg Calixt (s. Anm. 2). Zwar sei er anfangs mit seinen Korrekturen noch nicht streng und systematisch verfahren, doch werde er dies nachholen, damit am Ende „alles fein einträchtig werde“. HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 64r–65v, hier 64r. Das Projekt einer sprachlichen Revision der dt. Luther-Bibel beschäftigte Hz. August bereits von etwa 1624 an bis zu seinem Tode 1666 und ist als der Mittelpunkt seines literarisch-gelehrten Lebenswerks anzusehen. Sowohl sein Biblischer Außzug Oder Gründliche Summaria, Vber die beeden heyligen Testamenta (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1625; s. K I 5), wie auch seine Passionsharmonie Die Historie und Geschichte Des HErrn Jesu des Gesalbten Leyden / Sterben und Begräbniß (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1640 u. ö.; HAB: Th 2980; vgl. Heitzmann: Gantze Bücher [s. o.], Nr. 45; Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 401–408, vgl. dazu Hz. Augusts ersten, am 12. 4. 1639 vollendeten hsl. Entwurf dazu: HAB: Cod. Guelf. 32 Noviss. 8°; s. Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 400) und seine Evangelische Kirchen-Harmonie in zwei Teilen (Wolfenbüttel: Johann u. Heinrich Stern 1645 u. ö., HAB: 508.16 Theol. 4°; vgl. Heitzmann: Gantze Bücher [s. o.], Nr. 46; Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 409–414) legen Zeugnis von intensiven Bibelstudien und dem Plan einer Revision der Lutherbibel, später sogar vom Vorhaben einer neuen Bibelverdeutschung ab. Seine kritische Arbeit am Lutherdeutsch dokumentieren u. a. auch verschiedene Korrekturlisten, die quer durch die Texte des Alten und Neuen Testaments Ausdrücke Luthers durch solche Hz. Augusts ersetzen. HAB: Cod. Guelf. 31 Noviss. 8°, Bl. 110r–135v. Vgl. Die neueren Handschriften der Gruppe Novissimi. Beschrieben von Renate Giermann. Frankfurt a. M. 1992, 93f. Anschwellende Kritik bewegte den Herzog, sein großes Bibelprojekt zwischenzeitlich (seit etwa 1639/40) auf die bescheideneren Arbeiten der Passions- und Kirchenharmonie zu beschränken. Er griff es aber in seinen letzten Lebensjahren unter Mitarbeit des Helmstedter Orientalisten und Alttestamentlers Johann Saubert d. J. (1638–1688) noch einmal auf. Dabei wandelte sich das ursprüngliche Vorhaben einer in der Hauptsache sprachlich-stilistischen Verbesserung des älteren Lutherdeutsch zugunsten einer selbständigen neuen dt. Übersetzung der Bibel aus den Quellen. Zeugnis dieser angestrengten und unter enormem Zeitdruck vorangetriebenen Arbeit sind die Akte HAB: Cod. Guelf. 44.1 Extrav. (enthaltend Sauberts Übersetzung des Alten Testaments. Fragment) und der Druck [Kupfertitel:] Der Heiligen Schrifft Alten Testaments Erster Theil. | Auff Verordnung deß Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn Herrn | Augustus Herzogen zu Brunswik und Lüneburg auß der Ebraischen | Grund Sprache verteutschet. [Wolfenbüttel: Hans Stern 1665/66]. HAB: Bibel-S. 4° 202a; vgl. Heitzmann: Gantze Bücher (s. o.), Nr. 49; Reinitzer: Biblia Deutsch (s. o.), Nr. 180; Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 415–419. Vgl. dazu den Briefwechsel zwischen Hz. August und Johann Saubert d. J. in HAB: BA (Bibliotheksarchiv) Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 745ff.; Cod. Guelf. 92.2 Extrav. u. Cod. Guelf. 102.1 Novi. Nach Augusts Tod ließ Saubert das schwierige und von der lutherischen Orthodoxie angefeindete Projekt fallen. Die Drucke des ersten Teils wurden zunächst weggeschlossen und später, bis auf ganz wenige erhaltene Exemplare, anscheinend zu Makulatur. Vom zweiten Teil lag ohnehin nur der Kupfertitel, gestochen von Jacob Sandrart (1630–1708), vor (HAB: Bibel-S. 4° 202a). — Der gesamte Komplex der Augusteischen Bibelrevision, der uns auch in den Folgebänden dieser Edition begleiten wird, harrt bis heute einer eingehenden sprach- und theologiegeschichtlichen Untersuchung. Augusts großes Vorhaben, das aufgrund seiner Hartnäckigkeit häufig Verwunderung auslöste, wird nicht nur aus einer protestantischen Glaubenshaltung verstehbar, wonach die möglichst reine, unverfälschte Vermittlung des Wortes Gottes und die aktive Aneignung desselben durch die Gemeinde im Zentrum der theologischen Lehre, des Gottesdienstes und
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aller frommen Praxis stehen. Vielmehr gewinnt Augusts Projekt seine Konturen auch vor dem Hintergrund der Bestrebungen der FG, die die anspruchsvolle Laienbildung und wissenschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder ebenso förderte wie die normierende und ästhetisch verfeinernde Arbeit an der Muttersprache. Nicht von ungefähr tritt Augusts Projekt in den späten 30er Jahren deutlicher zu Tage, als auch in der FG die intensive Sprachdiskussion begann (vgl. besonders 381028 u. 381105 K 5). Daß Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) Ostern 1638 als Präzeptor Pz. Anton Ulrichs v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 716. 1659) in Braunschweig angestellt und von Hz. August alsbald beauftragt wurde, die damals in Abschriften zirkulierende Sprachlehre des Christian Gueintz (FG 361. 1641) einer Kritik zu unterziehen, darf daher hier nicht übergangen werden. Schottelius’ 1641 in Braunschweig erschienene eigene Teutsche Sprachkunst stellt seine unmittelbare Antwort auf Gueintz: Sprachlehre dar. Vgl. K I 1 u. I 18. Ebenso dürfte es kein Zufall sein, daß der seit 1639 am Wolfenbütteler Hof tätige Carl Gustav v. Hille (FG 302) in seiner FG-Geschichte die Gründung der Gesellschaft (1617) erfolgen ließ, „als eben vor hundert Jahren/ das seligmachende Liecht des Heiligen Evangelii hervorgeleuchtet/ und die H. Schrift [...] in unsere Teutsche Sprache [...] kunstgründig gedolmetschet worden“. Hille, 9. (1517 erschien mit den sieben Bußpsalmen Luthers erste Verdeutschung eines Bibeltextes; 1534 kam erstmals seine gesamte Bibelübersetzung heraus.) — Vgl. insgesamt zu Hz. Augusts Bibelprojekt: Jacob Burckhardt: Historia Bibliothecae Avgvstae qvae Wolffenbvtteli est, dvobvs libris comprehensa (Leipzig u. Wolfenbüttel 1744), I, 138ff. (HAB: Bb 2260); Richard van Dülmen: Orthodoxie und Kirchenreform. Der Nürnberger Prediger Johannes Saubert (1592–1646). München 1970, 666ff.; Herzog August d. J. und die Revision der Lutherübersetzung im 17. Jahrhundert. In: Christian Heitzmann: Ganze Bücher (s. o.); Wolf-Dieter Otte: Religiöse Schriften. In: Sammler Fürst Gelehrter, 193–205; ders.: Herzog August und die Revision der deutschen Lutherbibel. In: Wolfenbütteler Beiträge 5 (1982), 53–82; Heimo Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), 280–304; ders.: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet (s. I Q), 42–69. Alle hier genannten Studien haben jeweils nur Teile des Quellenbestandes in der HAB herangezogen.
1
Johann Saubert d. Ä. (1592–1646), lutherischer Theologe, in Nürnberg seit 1628 Prediger an St. Lorenz, seit 1637 Hauptpastor an St. Sebald und damit Oberhaupt der reichsstädtischen Geistlichkeit. Vgl. ADB XXX, 413–415; DA Halle II.2., 35, 42, 47 u. ö.; DBA I 1082/ 137–169; DBA II 1122, 446f.; NDB XXII, 447f.; RGG V, 1375; RGG4 VII, 849; Dietrich Blaufuß: Johann Saubert (1592–1646). In: Fränkische Lebensbilder 14 (1991), 123–140, insbes. 127; Donald R. Dickson: Johannes Saubert, Johann Valentin Andreae and the Unio Christiana. In: German life and letters 49 (1996), 18–31;Richard van Dülmen: Orthodoxie und Kirchenreform. Der Nürnberger Prediger Johannes Saubert (1592–1646). München 1970, insbes. 664ff. — Saubert war 1638 engster Berater Hz. Augusts bei dessen Bibelrevision. Davon zeugen noch 13 Briefe des Nürnbergers an den Herzog (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 727–739) und 4 Schreiben Hz. Augusts an Saubert (Cod. Guelf. 92.2 Extrav., Bl. 6r–13v; s. Sammler Fürst Gelehrter, S. 194). Wohl Anfang Januar hatte sich Hz. August über seinen Nürnberger Agenten Georg Forstenheuser (1584–1659) an Saubert gewandt. Es ging um eine textkritische Frage zu Sauberts Bibeledition [Kupfertitel:] BIBLIA/ | das ist/ | Die gantze H. Schrift | Deutsch. | D. Marth. Luther. | mit solchen Summarien/ | darinn ein jedes Capitel | in die Haubtstuck abge- | theilt. Daß sie dem Leser der | Schrifft sehr dienlich | sein können | sampt den gebetlein ha- | bermans vnd gesangbuch | Durch | M. JOH. SAUBERTUM | Predigern in Nurmberg, | zu St. Laurentz. | mit Churf. Sächs. Priuilegio | Gedruckt vnd verlegt zu | Nürmberg durch Wolff- | gang Endtern. Ao. 1629. HAB: Bibel-S. 54. (Die Bibel wurde mehrfach neu aufgelegt, seit 1651 hg. Johann Michael Dilherr; vgl. Biblia deutsch [s. Anm. 0], Nr. 135). Hz. Augusts Frage lautete, ob es ein Druckfehler („sphalma Typographicum“) sei, wenn es in den Klageliedern Jeremiae 3, 27 heiße
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„hand, pro, jugendt“. (Klg 3, 27 nach Biblia [Luther 1545]: „Es ist ein köstlich ding einem Man/ das er das Joch in seiner Jugent trage.“ Die Erstausgabe der Saubert-Bibel von 1629 hat an dieser Stelle (S. 766) noch richtig: „Es ist ein köstlich ding einem mann/ daß er das joch in seiner jugendt trage.“ Die Ausgabe von 1636 bringt jedoch (S. 792): „Es ist ein köstlich ding einem mann/ daß er das joch in seiner hand trägt.“ HAB: Xb 941 (1). (Diesem Exemplar ermangelt das Titelblatt.) Saubert räumte in seinem Brief an Hz. August vom 19. 1. 1638 (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 727) den Fehler ein. Er beklage seit langem „die incuria, so in etlichen Typographijs vorläuft“ und versichert, „wie höchlich ich erfreuet worden, do die H. Sternen [Gebrüder Stern, Lüneburger Verlags- u. Druckhaus, vgl. Anm. 4] mich per literas berichtet, wie E. F. Durchl. Ihre recht fürstliche gedancken, singularissimo exemplo, vff das hochheylige wort gottes mitt allem fleiß vnd dergestalt gerichtet, daß Sie gnädigst gewillet seyn, der Christenheit zum besten, den text der Teutschen Biblien von den mendis Typographicis oder casographicis [gebessert aus  orthographicis] zu reinigen vndt also die orthographiam Biblicam zu restituirn“. Er lobt das Vorhaben als ein „hohes exemplum insignis Pietatis“. Damit tritt uns als ursprüngliches Motiv der Augusteischen Bibelrevision der Verdruß über die fehlende typographische Sorgfalt bei den Nachdrucken der Lutherbibel entgegen, ein Motiv, das auch in der nachfolgenden Korrespondenz und anderen Dokumenten (vgl. Anm. 4) noch anklingt. Saubert fährt fort, ihn habe auch der Jenaer Theologe Johann Gerhard (1582–1637; vgl. 380417 K 5) seinerzeit oft wegen des nunmehr fast abgeschlossenen und zum Druck anstehenden Weimarischen oder Jenaischen Bibelwerks (vgl. 380417 K 5) zu Rate gezogen. Man sei sich über die Notwendigkeit einig gewesen, „vor allen dingen den text selbst zu purificirn, die exemplaria zu conferirn, die längst eingeschlichne Sphalmata außzusetzen etc.“ Luthers Bibelübersetzung weiche gelegentlich vom Urtext ab, durch Auslassungen wie durch ungenaue Übersetzungen, so daß „eine bescheidentliche restitutio“ angemessen sei. „Jm fall nun E. F. Durchl. die vorhabende correctur allein vff den Dialectum der NiderSächsischen provincien, gnädigst gesonnen zu accommodirn, wird Zweifelsohne denselben damitt höchlich gedienet sein: Ob es aber ein durchgehend werck sein möchte, zumahln wann auch die weinmairische [sic] Biblien zugleich ans Liecht kommen“, möge der Fürst überdenken. Am 30. 1. 1638 schrieb August persönlich an Saubert und legte zur Verdeutlichung seines Vorhabens einen Entwurf desselben bei: „Was sonsten meine gedanken sayn, bey kunfftiger wolmeinentlich angefangenen Biblischen Correctur, und wohin ich mich eigentlich collimiere, habe ich vor wenig tagen in etwas entworffen: thu dieselben ihm zusenden: und möchte sein bedenken, bey dem einen und andern puncte woll darüber, da es seine Kirchengeschäffte zugeben wolten, vernehmen. Wan ich auch etlicher discrepantium locorum halber erinnerung quo ad versionem von ihm gelegenlich zun zeiten erlangen möchte, würde mir ein grosser gefalle, daranne geschehen. Dan Oculi plus vident, quâm oculus: Habe auch solche monita vnd additamenta gerne.“ Dem Brief fehlt heute die angesprochene Beilage. (HAB: Cod. Guelf. 92.2 Etrav., Bl. 6r–7v). Am 17. 2. antwortete Saubert, gratulierte dem Fürsten zu seinem „heyligen Eiver“ und bemerkte zur beigelegten „delineation“: 1. Das Werk möge auf die Stadt Lüneburg „angesehen“ sein. 2. Es solle einem jeden freistehen, diese neue oder die alte dt. Bibel zu lesen. Die neue Version könne aber den Liebhabern der Hl. Schrift „instar alicujus commentarij“ sein oder dienen. 3. In den „hauptarticuln“ dürfe nichts verändert werden, was schon in einem Vorwort deutlich angezeigt werden solle „zu verhüttung vngleiches vrtheils“. 4. Er billigt die Voranstellung des Johannes-Evangeliums vor die drei synoptischen Evangelien. HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 728. Mit Nr. 729 u. 730 folgen zwei Saubert-Briefe vom 24. 2. („in feriis Matthiae“) und 28. 2. („Prid. Kal. Mart.“) 1638, die von uns in Anm. 2 behandelt werden. Auf den vorliegenden Brief 380320 antwortete Saubert sodann am 31. 3. mit dem von August erbetenen Urteil zu dessen Vorrede (s. Beil. I). Zunächst rät Saubert von der „allegatio nominum Cornelij Jansenij, J. Roberts S. J. vndt Sylvestri Leovallæ“ ab, da ihre Nennung „allerley gedancken
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bey etlichen erwecken möchte“. Auch ohne Berufung auf diese könne Augusts Ordnung der Evangelien „sein bewendten“ haben. Ansonsten werden in 10 „Quaestiones“ verschiedene Überlegungen zu Mängeln der bisherigen dt. Bibel entwickelt. Bis dahin also scheint Saubert Hz. Augusts Plänen zustimmend gefolgt zu sein. Am 6. 4. aber, alarmiert durch Anzeichen drohender theologischer Streitigkeiten innerhalb des Luthertums, schlug er ein modifiziertes Vorgehen vor: Statt einer revidierten dt. Bibelausgabe wäre eine eigene Abhandlung zu den ermittelten korrupten Stellen eine weniger anfechtbare Alternative. A. a. O., Nr. 732. Vgl. zum weiteren Meinungsaustausch in der Korrespondenz zwischen Saubert und Hz. August 380417 K 2 u. 3. Ungeachtet aber der vorauszusehenden Schwierigkeiten hat Saubert dem Fürsten auch weiterhin in jedem Brief konkrete Bibelstellen angezeigt, deren Übersetzung verbessert werden könnte. — Vgl. zu den zeitgleichen Bemühungen Hz. Ernsts I. v. Sachsen-Gotha (FG 19) um eine auf der Grundlage der Luther-Bibel edierte und allgemeinverständlich erklärte Heilige Schrift, an der seit 1636 — seit 1638 auch intensiv von Saubert — gearbeitet wurde und die 1640 erstmals komplett im Druck erschien 340604 K 2; ferner Andreas Klinger: Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen. Husum 2002, 214f. mit der dort angegebenen weiterführenden Literatur.
2
Georg Calixt(us) (1586–1656), seit 1614 Professor der Theologie an der U. Helmstedt, Vertreter einer philippistisch geprägten irenischen Ausgleichstheologie. Vgl. 330920 K 3. In der HAB haben sich in den Handschriftengruppen Extravagantes und Novissimi zahlreiche zwischen Hz. August und Calixt gewechselte Briefe erhalten. Ein Teil wurde von Ernst Ludwig Theodor Henke veröffentlicht: Georg Calixtus’ Briefwechsel. In einer Auswahl aus Wolfenbüttelschen Handschriften hg. E. L. Th. Henke. Halle 1833; Georgii Calixti Ad Augustum Ducem Brunsvicensem Epistolae XII. Ex Autographis primum edit E. L. Th. Henke. Jena 1835. Unter den hier publizierten Briefen findet sich jedoch keiner aus dem Jahre 1638. Unter den 19 Briefen von Calixt an Hz. August aus den Jahren 1638–1655 in Cod. Guelf. 55.1 Extrav., Bl. 1r–28v u. 31r–42v, den 32 Briefen von Hz. August an Calixt aus den Jahren 1631–52 in Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 57r–135v sowie den 11 Wechselschreiben (Extrakte) von 1631–1641 in Cod. Guelf. 149.6 Extrav., Bl. 189r–193v, haben sich kein Brief von 1637 und nur wenige von 1638 erhalten. Sie zeigen immerhin, daß der Helmstedter Theologe bereits in Hz. Augusts Bibelpläne eingeweiht war. So teilte der Fürst Calixt in seinem Brief vom 6. 2. 1638 nicht nur mit, daß seine kritische Bibellektüre unmittelbar vor dem Abschluß stehe (s. Anm. 0), sondern übersandte ihm auch beiliegend „des M. Sauberti zu Nürnberg gedanken über die Historien des Näemans: Seynd á theologis Jenensibus, wie wir vernehmen, approbieret.“ (HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 64r–65v; Abschrift in 149.6 Extrav., 190r), welche Saubert August am 19. 1. 1638 erläutert hatte. In einem beigelegten Traktat war es Saubert insbesondere um die Frage gegangen, ob sich aus 2 Kg 5 (v. 18f.) ableiten ließ, daß Protestanten etwa bei Aufenthalten in Italien den „päpstischen“ Gottesdienst besuchen dürften, sofern sie nur ihren wahren Glauben im Herzen behielten. Saubert hatte diese Frage energisch verneint und seine Position durch Hinweis auf die fehlerhafte Übersetzung des hebräischen Urtextes durch Luther untermauert. Nachdem Hz. August im soeben zitierten Brief vom 6. 2. Calixt um sein Urteil dazu ersucht hatte, fiel dieses konträr aus. Am 24. 2. — „in feriis Matthiae“, d. h. am Feiertag des „Nachrücker“-Apostels Matthias, der in allen Konfessionen des abendländischen Christentums am 24. 2. begangen wurde (Grotefend I, 120 u. II.2, 140) — bestätigte Saubert, „das bedencken H. D. Calixti“ erhalten zu haben. Seine Gegenantwort liege diesem Brief ebenso bei wie in Kopie das Gutachten eines Professors der hebräischen Sprache „vff einer vornehmen Vniversitet“. HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 729. Schon am 13. 2. hatte Hz. August erneut an Calixt geschrieben und ihm mitgeteilt: „Seine gedancken circâ discessum Näemanni vom Elisar haben wir empfangen. Schicken ihm noch eines andern gedanken, qui Sauberto adstipulatus.“ HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 66r–67v; Ab-
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schrift in 149.6 Extrav., Bl. 190v. Dieser Hinweis läßt die Ermittlung der Datierung des zuletzt genannten Saubert-Briefes auf den 24. 2. als möglicherweise falsch, weil zu spät erscheinen. Die Debatte, die wir hier im Einzelnen nicht zu rekapitulieren brauchen, setzte sich auch in Calixts Brief an Hz. August vom 15. 2. 1638 (HAB: Cod. Guelf. 55.1 Extra., Bl. 1rv) und in Sauberts Schreiben an den Herzog vom 28. 2. („Prid. Kal. Mart.“) 1638 fort, in welchem der Nürnberger Calixts Stellungnahme zurücksandte und sie als „suspicion“ und „böse provocation“ zurückwies (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 730). Danach schweigen die uns bekannten Quellen zu diesem Streitpunkt, um sich 1640 im intensiven Gedankenaustausch über Hz. Augusts Passionsharmonie fortzusetzen (vgl. HAB: Cod. Guelf. 55.1 Extrav., Bl. 2r ff.; 84.9 Extrav., 81r ff.; 149.6 Extrav., 191r ff.; 32 u. 33 Noviss. 8°). In den soeben zitierten Briefen aber hatte die textphilologische Frage, wie der hebräische Urtext der Naeman-Episode in 2 Kg 5 richtig ins Deutsche zu übersetzen sei, zu einem hermeneutischen und schließlich zu einem dogmatischen Problem geführt, das die friedliche Koexistenz der Konfessionen berührte. Schon dies allein zeigte, daß inmitten der Purifikationsbemühungen das Ziel einer untrüglichen, ganz und gar eindeutigen und endgültigen Sistierung des einzigen und wahren Sinns der Hl. Schrift ein Traum war, daß die Auslegungsanstrengungen niemals in einem von allen subjektiven und historischen Irrtümern gereinigten Bibeltext ihre endgültige Form finden würden. In Hz. Augusts unbeirrtem Festhalten an einer revidierten Lutherübersetzung bzw. an einer ganz neuen dt. Bibel zeigt sich aber nicht nur eine fromme Illusion, sondern das genuin fruchtbringerische Motiv, durch eine gereinigte, verfeinerte Sprache auf der Höhe der Zeit Wahrheit besser abzubilden und daher, auch ganz im Sinne Wolfgang Ratkes, zur Einheit der Religion und zum Frieden beizutragen. Was die Bibel betrifft, sind F. Ludwig und andere Fruchtbringer wie Tobias Hübner (FG 25) und Burggf. und Herr Christoph zu Dohna (FG 20) einen vernünftigeren oder klügeren Weg gegangen: sie verlegten sich auf Nachdichtungen oder literarische Paraphrasierungen der Bibel, jenseits der „rixae theologorum“. Zum umfangreichen Komplex der Bibeldichtung inner- und außerhalb der FG s. Sachregister „Bibeldichtung“, ferner „Bibelübersetzung als Aufgabe oder Kunst“.
3
Frz. deviner, d. i. weissagen, vermuten, sich vorstellen oder einfallen lassen; mettre à deviner, zu raten geben, im unklaren lassen; Huguet III, 150. Das Fremdwort ,devinieren’ scheint im 17. Jh. ein Hapaxlegomenon zu sein. Der Herzog will wohl scherzhaft sagen, Saubert werde ihm durch seine biblischen Lesefrüchte weissagen oder zu raten geben.
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Der in Anm. 2 beschriebene und in 380320 u. 380417 dokumentierte Briefwechsel zwischen Hz. August und Johann Saubert d. Ä. sowie eine Reihe weiterer Quellen lassen die Jahre 1637 und 1638 als entscheidende Wegmarke des Augusteischen Bibelprojekts hervortreten. Saubert blieb nicht die einzige gutachterliche Stimme unter „vielen“, der Hz. August bei seiner Bibelrevision Gehör schenkte. Im Dezember 1637, also noch bevor der Fürst seine Bibelrevision (am 1. 2. 1638) abschloß (vgl. Anm. 0), erhielt der Hamburger Hauptpastor von St. Petri, Johannes Müller (1598–1672), von den welfischen Hausdruckern in Lüneburg, Johann (Hans) (1582–1656) und Heinrich Stern (1592–1665), ein (heute verschollenes) Schreiben mit der Bitte zu einem Gutachten über den beiliegenden Druckbogen mit einem Probestück der von Hz. August revidierten Luther-Übersetzung. Auch die Beilage des Probedrucks (1 Mo 1, wie wir aus einem Gutachten des Nicolaus Hunnius, s. u., und aus Burckhardt [s. Anm. 0] I, 138 wissen) hat sich anscheinend nicht erhalten. Augusts Art der textlichen Eingriffe kann daher nur aus seinen Eintragungen in dem genannten Exemplar der Lüneburger Bibel von 1634 erschlossen werden, das er als seine Hand- und Arbeitsbibel benutzte. S. Anm. 0 u. K I 4. Der ganze Schriftverkehr mit Müller lief über das Lüneburger Verlagshaus, weil sich August offenbar im Hintergrund halten wollte. (Auch der Austausch mit Johann Saubert d. Ä. war anfangs durch die Gebrüder Stern vermittelt worden, s. Anm. 1). Müller nahm Kontakt zu dem Lübecker Superintendenten Nicolaus Hunnius (1585–1643) auf, der ebenfalls um eine Stellungnahme
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gebeten worden war, und man beschloß, die Begutachtung gegenseitig abzustimmen. Am 2. 1. 1638 stellte Müller sein Gutachten fertig und sandte es, gemeinsam mit dem von Hunnius d. d. Lübeck 26. 12. 1637, an die Gebrüder Stern ab. HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.7, Nr. 670 (Müllers Gutachten auf 5 unfol. Bl., Schreiberh. mit Unterstreichungen und Marginalnoten am Rand von Hz. August; veröffentlicht in Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet, s. I Q, 54–59); ebd., Beilage zu Nr. 670 (Stellungnahme von Hunnius in seinem Brief an Müller vom 26. 12. 1637, 4 unfol. Bll.; veröffentlicht a. a. O., 60–63).
  Beide Gutachter gingen aus sprachlichen, theologischen und kirchenpolitischen Gründen zu dem Vorhaben auf Distanz. Müllers Einwände waren: 1. Die hohe Sorgfalt und Güte der Luther-Übersetzung, die einer Verbesserung nicht bedürfe. 2. Die konfessionellen Gegner — Calvinisten wie Katholiken — könnten ihre Einwände gegen die ihnen als fehler- und mangelhaft geltende Übersetzung Luthers bestätigt sehen. 3. Die von Hz. August reklamierte strenge Anlehnung an Lexik und Grammatik der Urtexte stoße dort an ihre Grenze, wo die adäquate Wiedergabe von Bedeutung und Sinn des Originaltextes nach Maßgabe der Möglichkeiten der Übersetzungssprache Freiheiten in der Übertragung erfordere. 4. Die neue, revidierte Bibelübersetzung weise selbst allerhand sprachliche Mängel und Fehler auf. 5. Sektierer dürften sich der neuen Übersetzung zu schädlichstem Mißbrauch bedienen. 6. Aus der neuen dt. Bibelübersetzung würden all jene Kritiker Nahrung saugen, die selbst die hebräischen, griechischen und lateinischen Texte der Bibel für sprachlich ungenau oder regelwidrig ausgeben. 7. Streit innerhalb der lutherischen Kirche, insbesondere ihren theologischen Fakultäten bliebe nicht aus. Insbesondere die U. Wittenberg wache energisch über die Lutherbibel und dürfte auf die Textrevision äußerst ablehnend reagieren. 8. Der Anspruch der revidierten Bibelübersetzung, hier und da den Quellen näher zu kommen und Tautologien zu vermeiden, wecke den Argwohn, Luther habe die Quellen vernachlässigt, wogegen sich sein Ruhm doch gerade auf seine einzigartige Sprachenkenntnis und Originaltreue gründe. Vermeintlicher Tautologien aber habe sich der Hl. Geist bedient, um die Ein- und Nachdrücklichkeit des göttlichen Wortes zu erhöhen. 9. Eine rasche und allgemeine Einführung der neuen Bibel in Gottesdienst und Unterricht sei nicht zu erwarten. Unterschiedliche Bibeltexte in der lutherischen Kirche zu verwenden, sei aber problematisch. Der gemeine Mann verstehe das ältere Lutherdeutsch; der Schaden überwiege allemal den Nutzen. Hunnius kritisierte, daß die im wesentlichen sprachliche Überarbeitung („revisio Grammatica“) der Luther-Übersetzung durch August ihrem Ziel einer „puritas lingvæ“ nicht gerecht werde wegen mancherlei Verstöße gegen Sprachnormen oder den Sprachgebrauch (vgl. K I 1). Weiterhin sekundierte er den Vorbehalten, die Müller ins Feld führte.
  Aus Lüneburg gelangten die beiden Gutachten in die Hände Hz. Augusts. Der weitere Verlauf zeigt, daß sich August vorerst nicht in seinem Vorhaben beirren ließ. Am 19. 1. 1638 schrieb Hunnius an Müller, dieser habe „hier beyliegend zu vernehmen, was die H. Sterne, wegen des Bibeldrucks, den Jhr Fürstl. Gn. Hertzog Augustus, Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg etc. zum Druck eingerichtet, an den herrn [Müller], neben mir, gelangen lassen.“ Die Gebrüder Stern hätten nur vorsichtig angedeutet, daß Hz. August ihre, Müllers und Hunnius’, Kritik zwar gnädig auf-, aber nicht angenommen habe. Hunnius blieb bei seiner „vorigen erinnerung“, „daß aus der newen Bibel viel difficulteten erwachsen werden, damit hernach allerley wiedersacher vnd Schwermer, mehr den Theologis vnd Predigern, als dem H. Autori oder den Verlegern, werden auf dem halß liegen; davor ich, weil ich meine gedancken von mir geschrieben, Zuantworten nicht gedencke, wie ichs dann zuerleben nicht hoffe; Gott kehre aber alles zum besten; der vns durch seeligen D. Luthern sein heiliges wort, vnd eine gutte deutsche Bibel gegeben, der wolle vns vnd vnsern Nachkommen beydes in gnaden erhalten“. Auf Wunsch der Gebrüder Stern sende er Müller deren Schreiben und das Konzept von Hz. Augusts Vorrede. (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.7, Beilage 1 zu Nr. 669). Der im vor-
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liegenden Brief formulierte und auf den 1. 1. 1639 datierte Entwurf Hz. Augusts zu einer Vorrede auf sein Bibelwerk dürfte jener Vorrede entsprechen oder nahekommen, die Hz. August bereits im Januar 1638 an die Gebrüder Stern schickte. Müller selbst antwortete den Gebrüdern Stern am 22. 1. 1638 (HAB: BA Herzog August Briefe, Kasten II.7, Nr. 671). Sie erhielten diesen Brief, dem das soeben zitierte Schreiben von Hunnius beilag, am 27. 1. 1638. Er habe ihrem Schreiben, so Müller, „seer vngerne mit fast einer betrubnis“ entnommen, daß „die Newe deutsche Bibell nochmals zum Druck befördert werden solle“. Es sei zu befürchten, das es „nuhr zur großen vneinigkeit vndt ärgernis in vnseren Kirchen vnd dan zu frolocken vndt verleumbden vnser wiedersacher gereichen möge, dafur mir seer leidt ist.“ Er bleibe bei seinen früheren Einwänden.
  Über das Lüneburger Verlagshaus der Sterne lief im Frühjahr 1638 auch eine weitere Kommunikation in dieser Sache, nachdem Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg (FG 231) die Angelegenheit zugetragen worden war. Mit Schreiben aus Hildesheim vom 12. 2. 1638 teilte er den Sternen mit, er habe „eußerlich“, also von Dritten, erfahren, „das Jhr anitzo eine newe edition der Bibel, so in zimblich groß folio mit gewißen notis vnndt enderungen deß textes gefertiget werde, vnter der Preße vnd vor der Handt haben, auch das dauon albereits ein guter theill gedrucket sein sollen, begehren darauff an euch hiemit gnediglich, Jhr wollet Vnß ehistes tages ein exemplar von dem ienigen was ihr davon verfertiget, vberschicken“. (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.4, Nr. 294). Die beiden Verleger antworteten am 25. 2., es habe in der Tat Pläne gegeben, ein neues Bibelwerk in großem Format aufzulegen, das die vielen (durch nachlässiges „corrigirn, vnd revidirn“) eingeschlichenen Unzulänglichkeiten und Druckfehler der Bibeldrucke tilgen und in der deutschen Bibel eine Art „Concordantz“ herstellen sollte. Diesem verlegerischen Gedanken seien die Vorarbeiten einer „hohen Person“ gerade recht gekommen, welche „in ihrer hantbibell, dessen viel observirt“ habe und gesonnen sei, „in etwaß dem teutschen verstande an wenig ortern, neher zu treten“, d. h. die deutsche Sprachlogik hier und da besser zu treffen. Es „hatt sich aber ein vnd das ander eingemischett, daß ein solch newe revision, noch zur Zeitt waß den Druck anlangtt, nicht vorgenommen, nur bloß daß anderhalb Columnen [d. h. Seiten], wie in gehorsamb wier inliegend vbersenden, ohn langst nur zur prob (waß deß hern Autorn Jntention, anzudeuten, vnd vber daß nicht das aller geringste) biß dato gedrucktt ist.“ (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.9, Nr. 860). — Zu Hz. Augusts damals zurückgestellter Verbesserung der Bibelübersetzung vgl. auch die in 391217 geäußerte Skepsis F. Ludwigs.


K I Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) ließ sich durch die Kritik, die an seinem Vorhaben einer Revision der Lutherbibel geübt wurde, vorerst nicht beirren, und trieb das Projekt weiter voran. Sein hier veröffentlichter Entwurf für das Titelblatt und die Vorrede gibt Auskunft über die von ihm angestrebte Anordnung und den Umfang der biblischen Bücher, über Daniel Cramers miteingearbeitete Summarien, die fortfallenden Vorreden Luthers und über Augusts Textrevision. Er beteuert, nicht die evangelische Lehre ändern, sondern die Bibel in reinem Deutsch geben zu wollen.
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Nicht nur durch fleißige biblische Exegese und durch umfangreiche Heranziehung anderer Bibelübersetzungen, wie der Biblia (Piscator) oder der lat. Bibelübersetzung des niederländischen Hebraisten und konvertierten Juden Immanuel Tremellius (†1580) (Testamenti Veteris Biblia Sacra, Frankfurt a. M. 1575–89 u. ö.; HAB: A 78.2° Helmst.), sondern auch und gerade durch das Streben nach grammatischer Regelhaftigkeit und zugleich sprachlich-stilistischer Flüssigkeit, nach reklamierter Nähe zu den Grundsprachen wie nach umfassender geschickter Anordnung des bibelphilologischen Werks ist Augusts Bibelrevision über bloße Sprachkosmetik oder –willkür weit hinaus gedrungen. S. Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet (s. I Q), 44ff. Selbst kurios wirkende Formen wie die „Flut der Endungsvokale“ (a. a. O., 50) gehen auf Sprachräsonnement
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und –normierung zurück. Sie gehorchen zwar nicht der gesprochenen Alltagssprache, wohl aber der Regelauffassung J. G. Schottelius’, der in seiner Sprachkunst (s. K 0) auch Wörter wie Bürger und Himmel im Nom. und Akk. pl. auf –e enden und den Gen. pl. entsprechend Bürgerer etc. lauten ließ. Vgl. Reinitzer, a. a. O., 50. Wir zitieren im folgenden die sprachliche Kritik von Nicolaus Hunnius in seinem Gutachten (s. K 4). Die Unterstreichungen stammen wohl von Hz. August:
„Soviel aber in vberschickter Prob des einigen ersten Cap. Geneseos zuersehen, haben Jhr Fürstl. Gn. fast allein eine revisionem Grammaticam des seeligen Lutheri translation angestellet, were nicht zu improbiren, daß dieselbe auf die puritatem lingvæ gesehen, vnd daß man in rechter deutscher Sprach eine reine Bibel habe: was aber in der Prob befindlich: als daß nach der orthographiâ, die nomina substantiva mit kleinen initialibus, die worte vnd, vnser, etc. vnd allenthalben U Vocalis nicht mit zugeschlossen, sondern mit offenem U: Jtem Saamen, pro Samen etc. gesetzet: nach der Etymologiâ, der erster, dritter etc. tag, pro der erste, dritte etc. tag: flieget, pro fleuget, kriechet, pro kreucht, etc. gebrauchet wird, vnd fast allen substantivis die articuli, oder particulæ, ein, der, die, das beygesetzet wird: Zum Exempel: Die Erde bringe herfür die lebendige thier, das Vieh, das gewürm, vnd die thier, etc. Jtem: Es werden die liechter, an der feste des himmels, die da scheiden den tag, vnd die nacht, vnd geben die Zeichen etc. Jtem: Es ward aus dem abend, vnd dem morgen etc. in welchem ich, nach meiner wenigkeit, nicht befinde, daß solches deutsch mit dem vblichen gebrauch dieser Sprach (woraus gleichwol von jeder Sprach muß judiciret werden) vbereintreffe: wie es dann, meines wissens, weder in fürstl. vnd hoher Potentaten Cantzleyen, noch in Reichs Abschieden, noch einigen andren Schrifften oder Reden, daraus die reine deutsche Sprache zulernen oder zu vrtheilen, gebrauchet wirdt: inmassen dann niemand, meines wissens, also redet: der erster, dritter, vierdter etc. tag, Mann, wagen, etc. sondern durchaus der erste, dritte, vierdte, etc. tag, Mann, wagen, etc. auch setzet niemand bey fast jede substantiva den articul: wolte einer sprechen: auf dem Marckt hab ich gesehen die Männer, vnd die Weiber, die Knechte, die Mägde die Bürger, die Bauern, die käuffer, vnd die verkäuffer, so würde ein deutscher sagen: wer redet also deutsch? du must schlecht [d. h. schlicht] dahin sagen: auf dem Marckte hab ich gesehen Männer vnd weiber, knechte Magde, Bürger, bawer, käuffer vnd verkäuffer: welche art zu reden Lutherus recht gebrauchet. Wolte man aber einwenden: das laute gar zu lateinisch, so were zu antworten: wo die articuli so heuffig den substantivis beygesetzt werden, das lautet gar zu Griechisch, vnd were dergestalt eben so frembd in der deutschen Sprach, als das lateinische. Jedoch hatt ein jede Sprach ihre besondere art, nach deren muß von ihr gevrtheilet werden, vngeachtet, sie treffe mit andern Sprachen (als offt geschicht) vberein, oder sey fern von denselben [...] Wie dann D. Luther, bey seinen Lebzeiten, vnd hernach, biß auf diese Zeit, den bestendigen ruhm gehabt, daß er nicht allein gutes reines deutsch schreibe, sondern auch ein rechter Meister dieser Sprache gewesen, seine Schrifften in gemein von Theologen vnd Juristen dafür commendiret worden, daß, vor andern Schrifften, ein rechtes, gutes, vnd reines deutsch darauß zulernen, fürnemblich aber seine verdeutschte Bibel in grossem ruhm gestanden, daß sie gut, zierliches, vnd reines deutsch habe, auch dermassen gestellet, daß sie die Hebraische Bibel, gleich einem commentario, erklere [...].“ A. a. O., Bl. 1v f. Im oben angeführten Gutachten Johannes Müllers (s. K 4) heißt es u. a.: „Vndt erstlich zwar ist die deutsche Bibel des H. Lutheri bißhero für der größesten wolthaten eine gehalten worden, welche Gott seiner Kirchen im Reformation-wercke erzeiget, dieweil Lutherus nicht allein gutt deutsch vndt fein deutlich geredet, sondern auch den sensum der hauptsprachen recht ausgedrucket, vnd die schweren tunckelen sprüche in einem klaren verstande gegeben. [...] Dazu kommet furs dritte, das die dolmetschungk nicht darinne bestehet, das man die wörtter gebe also Grammaticè wie sie in den Hauptsprachen lautten, eodem numero, casu vndt der gleichen: sondern das man es also gebe, wie es vnserer sprache eigenschafft erfodert, doch das der rechte sensus der hauptsprache eigentlich exprimiret
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werde. [...] Ob wol zwar in solchem newen Bibel werck die dolmetschungk möchte beßer gegeben sein Grammaticè, dan man mehr auff die Numeros, Casus vndt tempora in den hauptsprachen gesehen; stehet doch zubesorgen, das es nicht eben darvmb recht oder beßer deutsch sein werde, dieweil eine Jede sprache ihre besondere eigenschafften hatt, die mitt den eigenschafften der andern sprachen nicht eben v̈bereinstimmen. [...] v. 1. ist nicht deutsch, himmele, sondern himmel, auch in plurali, laß mich sehen die himmel deiner fingerwerck Ps 8 v. 9 Sol aber himmele im plurali gedolmetschet werden, so muß man auch die waßere in plurali dolmetschen, dieweils im hebraischen text allso stehet, gleichwohl ist v. 2 das Singulare gelaßen, auff dem wasser. [...] Solche vndt dergleichen fragen wurden sich anspinnen v̈ber dieser newen Version. [...] solte aber auß vnsern Kirchen eine solche newe Teutsche Bibel kommen, würde in allen 4 Hauptsprachen des streits kein ende sein, dieweil man nach etlicher meinung kein recht Hebraisch, kein recht griechisch, kein recht lateinisch, vndt nun kein recht deutsch bißhero gehabt hette.“ A. a. O., Bl. 1v, 2v, 3r, 3v u. 4r.
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Unter dem Pseudonym Gustavus Selenus waren 1616 in Leipzig Hz. Augusts Schach- oder König-Spiel und 1624 in Lüneburg seine Cryptomenytices et Cryptographiae Libri IX erschienen. Vgl. 231210, 240106, 240116 u. I, 240125, 240319 u. I u. 240907; Sammler Fürst Gelehrter, 173ff. u. 181ff.
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Die erste Ausgabe der Lutherbibel von 1534 war noch das persönliche Werk Martin Luthers. Mit der Zeit schien ihm aber eine gründliche Korrekturdurchsicht vonnöten, zu welchem Zweck er sich die Mitarbeit des Collegium Biblicum sicherte: Philipp Melanchthon (1497–1560), Johannes Pomeranus Bugenhagen (1485–1558), Justus Jonas (1493–1555), Caspar Cruciger d. Ä. (1504–1548), Matthäus Aurogallus (Goldhahn) (um 1490–1543) und Georg Rörer (1492–1557). Aus dieser Zusammenarbeit ging die zweite Hauptausgabe der Lutherbibel von 1541 hervor. Bis zur Ausgabe letzter Hand von 1545 wurde die dt. Übersetzung weiter nachgebessert. Johannes Müller hatte in seinem Gutachten vom 2. 1. 1638 (s. K 4 u. Anm. 1) die Luthersche Bibelübersetzung auch mit dem Hinweis verteidigt, daß viele Gottes- und Sprachgelehrte an ihr mitgewirkt hätten, möglicherweise der Grund, daß auch Hz. August dieses Kooperationswerk anführt. Müller: „Es hatt auch Lutherus nicht alleine solches werckes sich vnterfangen, sondern die fürtrefflichsten leutte zu sich genommen, die Er damahls bekommen können, deren ein Jeder sein guttdüncken nach seinem gewißen darüber eröffnen müssen. Man ist täglich etliche stunden zusammen kommen. Lutherus hatt bey sich gehabt den Hebreischen, alten lateinischen vndt newen deutschen text: Philippus Melanchton den Griechischen, D. Cruciger den Hebraischen vndt Chaldeischen, die andern professores ihre Rabbinen. D. Pomeranus den lateinischen text, D. Ziegler D. Forstemius vndt andere frembde Doctores sindt auch offtmahls zu diesem großen wercke kommen. [...] Wann dann die deutsche Bibel Lutheri mit solcher v̈beraus grossen mühe vndt arbeit herauß kommen, so viel treffliche leutte darüber gesessen, vnd ich in warheit zusagen, noch von keinen einigen Lutherischen Theologo gehöret, das solche Dolmetschungk Lutheri einer verbeßerung oder Einrichtungk bedürffe; kan ich nicht sehen, wie man füglich vndt nützlich solch werck führnemen, vndt die deutsche Bibel verbeßern solle, zumahl weil solcher Conventur vieler gelehrter vndt in sprachen Erfahrner leute zu diesen zeiten noch nicht darüber gehalten worden.“ A. a. O., Bl. 1v f. — Von einer Mitarbeit Jakob Zieglers (um 1471–1549) an Luthers eigener Bibelrevision ist uns nichts bekannt. Ziegler war katholisch, stand aber der protestantischen Sache relativ aufgeschlossen gegenüber und mit Luther in brieflichem Kontakt. Vgl. DBA I 14411/ 347f.; REThK (1896) III, 71; RGG VI, 1907f.; Zedler LXII, 590f. Über Forstemius war in den gängigen Nachschlagewerken nichts zu ermitteln, jedoch ist seine Person in Luthers Tischreden bezeugt: „Am Abend S. Lorenzen, im Garten, da M. Forstemius viel sagte vom Nutz und Herrlichkeit der ebräischen Sprache“. Luther: Werke, Abt. 3: Tischreden, Bd. 1, 525. Zum Collegium Biblicum vgl. auch TRE VI, 241.
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Nach einem festgelegten Lektüreplan, den er schon in seiner Tübinger Studienzeit aufgestellt hatte, arbeiteteHz. August die Bibel durch und trug seine zahllosen Änderungen und Bemerkungen (mitsamt Kalendervermerken der Durchsicht) zwischen dem 1. 1. 1635 und dem 1. 2. 1638 in sein Handexemplar ein: BIBLIA. Das ist: Die gantze heilige Schrifft Deutsch/ D. Mart. Luth. (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1634). HAB: 519. 4. 1 Theol. 2°. S. K 0. Vgl. zu Hz. Augusts Lektüreplan Otte: Herzog August und die Revision der deutschen Lutherbibel (s. K 0), 55; Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet (s. I Q), S. 66 Anm. 10.
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Der Stettiner Pfarrer Daniel Cramer (1568–1637). Cramer hatte seine Summarien und Kommentare, d. h. kurze, erklärende Inhaltsangaben zu den einzelnen Kapiteln der Bibel, seiner 1619/20 erschienenen Ausgabe der Lutherbibel beigefügt, die er im Auftrag der theologischen Fakultät der U. Tübingen als Antwort auf Piscators Bibelübersetzung (vgl. Anm. 1) vorgelegt hatte. HAB: Bibel-S. 4° 45; s. Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), Nr. 164. August ergänzte diese um die von ihm selbst verfaßten Stücke zu drei apokryphen Büchern (3. u. 4. Buch Esra, 3. Makkabäer-Buch) und gab alles heraus als: Biblischer | Außzug/ | Oder | Gründliche | SUMMARIA, | Vber die beeden heyli- | gen Testamenta; Eines | vornehmen Teutschen | Theologi. | Durch | A. B. L. der H. Bibeln | Liebhabern/ mit besondern | fleiß übersehen/ und in dies- | ses Hand-Büchlein zu- | samen geordnet. | Gedruckt zu Lüneburg (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1625). HAB: 1291.31 Theol. 12°. Die Vorrede ist datiert Hitzacker, 21. 10. 1624. S. Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 394; Heitzmann: Ganze Bücher (s. K 0), Nr. 43; Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), Nr. 184 u. Abb. 189.
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D. h.: Falls der überkommenen Luther-Übersetzung der Vorzug gegeben wird, möge dem Leser Hz. Augusts revidierte Version immerhin als ein, wenn auch geringfügiger, Kommentar nützlich sein. Diese Relativierung spielt in Augusts argumentativer Strategie bei der Verteidigung seines Vorhabens eine große Rolle, vgl. 380417 und Hz. Augusts Brief an Saubert vom 19. 6. 1638, zit. in 380417 K 3.
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Die Sorge, die konfessionellen Widersacher könnten sich der Augusteischen Bibelrevision zu ihren Zwecken gegen Luther, seine Bibelübersetzung und die lutherische Theologie überhaupt bedienen, wurde schon von Johannes Müller und Nicolaus Hunnius stark ins Feld geführt, um den Herzog von seinem Vorhaben abzubringen. Müller (s. K 4): „Fürs ander ist bekandt, wie die wiedersacher Calvinisten vndt Bäpstler die deutsche version Lutheri bißhero verachtet, vndt selbige corrigiren wollen. [...] Solchem führgeben der widersacher aber, haben vnsere Theologi bißhero widersprochen, vndt aus den Hauptsprachen, Lutheri verdolmetschungk wider sie vertheidiget. Dafern nun auß vnser eigenen Kirche eine verbeßerungk der deutschen Bibel Lutheri kommen solte, würde nicht allein den widersachern zum frolocken vndt verleumbden große vhrsache gegeben werden, dieweil wir nun es selbsten bekennen müsten, was man bißhero nicht gestehen wollen; sondern es würde auch alle angewendete arbeit vndt fleiß vnserer Theologorum zu nichte werden, das ich besorge es ohne grewliche ärgerniß vndt vnseren eigenen Kirchen großem vnglimpff nicht abgehen würde“. A. a. O., Bl. 2r f.
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Schon der kurze Brief 380320 und der in ihm enthaltene Entwurf Hz. Augusts für Titelblatt und Vorrede seines Bibelwerks zeigen Augusts Verdeutschungsbemühungen. Bereits im Titelentwurf werden die Bezeichnungen Altes und Neues Testament ersetzt durch „Alten [...] vnndt [...] Newen [...] beschriebenen willen Gottes“. Vgl. Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonibus ranas gemachet (s. I Q), 46. Zu den zeitgleichen Bestrebungen eines anderen Fruchtbringers zur Verdeutschung der zumeist griechischen und lateinischen Terminologie s. 381028.
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Neues Testament, ebenfalls verdeutscht, vgl. Anm. 8.
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Tatsächlich hat August nicht nur hier und da in die Sprache Luthers eingegriffen, sondern etwa auch die lutherische Anordnung der Bibeltexte geändert. Die Rabbiner Bibel und die Zürcher Bibel lassen sich als Vorbild dieses Umbaus identifizieren. S. Reinit-
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zer: Auch in Psalmis ex Bubonibus ranas gemachet (s. I Q), 43–45. Das Evangelium des Johannes folgte in der Vulgata und in der Lutherbibel von 1545 den drei synoptischen Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas. Zur Sammlung, Kanonisierung und Anordnung der NT-Texte vgl. REThK (1896) II, 728ff.; RGG I, 1131ff.; RGG4 I, 1418ff.; TRE VI, 22ff. Die Einordnung des Johannes-Evangeliums nach den drei synoptischen Evangelien geht demnach auf Irenäus zurück und ist seit dem 2./3. Jh. die bis heute übliche geblieben.
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Cornelius Jansens/ Jansenius d. Ä. (1510–1576; vgl. LThK [1993] V, 744), seit 1568 Bf. v. Gent, dessen Hauptwerk — eine Evangelienharmonie — sich in einem Exemplar der Ausgabe Löwen/ Antwerpen 1549 in der HAB befindet: CONCORDIA EVANGELICA, In QVA PRAETERQVAM QVOD SVO LOCO PONVNTVR QVAE EVANGELISTAE non seruato recensent ordine, etiam nullius verbum aliquod omittitur, literis autem omnia sic distinguuntur ... deprehēdatur, per CORNELIVM IANSENIVM Hulstensem (Lovanii: typis Bartholomei Grauii, An. 1549. Vænundantorq; ibidem, & Antuerpiæ in pingui Gallina). HAB: 582.4 Theol. (2). Jansens läßt sein Werk mit Jh 1ff. beginnen (S. 1ff.) und erklärt in seinen Anmerkungen dazu: „PRimo capite principium Euāgelij secundum Iohannem positum est, tum quòd Euangelica historia non aliud potest videri conuenientibus habere exordiū quàm eam partem ,In principio’ vnde suam cœpit Moyses historiam, tum q; sui Euangelij principio Iohannes de æterna Christi natura, & apud patrem subsistentia disserat, nisi quòd misi à Deo Iohanis Baptistæ, & incarnati p. nobis Christi summatim mētionem ingerat: quæ quomodo gesta sint, sequēs ex Luca & Matthæo narratio distinctè explicat.“ (Bl. X [i] v). — John Roberts (1576–1610), aus Wales gebürtig, trat 1598 in Paris zum Katholizismus über und noch im selben Jahr in das Jesuitenkolleg von St. Alban in Valladolid ein. 1599 wurde er Bruder des Benediktinerordens. 1602 zum Priester geweiht, wurde er nach England entsandt, dort mehrfach inhaftiert und verbannt, 1610 schließlich wegen Hochverrats in Tyburn hingerichtet. Es liegen uns keinerlei Hinweise auf eine Veröffentlichung von Roberts vor. Vgl. BBA I 935/ 29f.; DNB XLVIII, 383; LThK (1993) VIII, 1225f.; New Catholic Encyclopedia. Vol. XII (Washington D. C. 1981), 536f.; Warhaffter Bericht welcher gestalt ... J. von Mervinia ... zu Londern in Engelland, wegen des Catholischen Glaubens gemartert worden ... Auss dem Frantzösischen ... in das Teutsch gebracht. An jetzo aber ... in Truck verfertiget durch A. Schädlin. Augsburg 1611. BL London: 4903 ccc. 5.
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Silvester Steier, aufgrund seines Beinamens „Leovallae“ vielleicht aus Liebenthal in Niederschlesien; weitgehend unbekannter Gelehrter und Dichter dt. Lieder und lat. Hymnen in der 2. Hälfte des 16. Jhs. mit Verbindungen zum kurpfälzischen Hof um 1570. Vgl. ADB XXXV, 576f.; DBA  I 1216/ 231–233; Zedler IXL, 1481. Er verfaßte auch eine SACRORVM BIBLIORVM SYNOPSIS. SIVE ISAGOGES IN LIBROS ET LECTIONEM VETERIS ET NOVI TEstamenti PARTES DVAE. EDITAE STUDIO ET OPERA Sylvestri Steier Leovallæ (Heidelbergae, Typis Iacobi Mylii o. J. [1586 oder früher]). HAB: 1003.9 Theol. (2). Zur Voranstellung des Johannes-Evangeliums und zu der von der Vulgata wie Luther abweichenden Ordnung der apostolischen Briefe (vgl. Anm. 19) s. S. 40: „[...] Curriculum Christi Legatorumque recensent, | Iohannes, & Matthæus quos denique Marcus, | Et duplici Lucas libro cum laude sequuntur. | Quæque Iovæ caulas cogunt cœtusque tabellæ, | Quas Paulus Romam misit, geminasque Corinthum, | Ad Galathas, Ephesumque, Philippos atque Colossam, | (Et quas Laodicæa olim munita relegit) | Thessalonicensi duplices vrbi, totidemque | TIMOtheo, Cretamque TIto cum laude docenti, | Adque PHIlemona, & Hæbræos sibisanguine junctos. | Quasque Iacobus arat, binas Petrus, atque Iohannes | Literulas ternas, unus laudatus Iudas. [...] Den Beschluß des NT bildet hier die Offenbarung des Johannes. Vgl. zu Steiers Reihenfolge der neutestamentarischen Texte auch S. 41 u. 90ff. Der bei Steier genannte Laodicenerbrief wurde in der frühen Kirche zwar nicht verboten, jedoch für den Kanon des
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NT abgelehnt. Vgl. TRE VI, 33. Vgl. zur Kanonisierung und Anordnung der Bücher des NT Anm. 10 u. 19.
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Luther hatte in seiner Vorrede auf die drei Briefe des Johannes die enge Bindung von 1 Joh an das Johannes-Evangelium betont: „DJese Erste Epistel S. Johannis/ ist eine rechtschaffene Apostolische Epistel/ vnd solt billich bald nach seinem Euangelio folgen.“ Biblia (Luther 1545), 2423.
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Jh 1, 1 nach Biblia (Luther 1545): „JM Anffang war das Wort/ Vnd das wort war bey Gott/ vnd Gott war das Wort.“
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1 Mo 1, 1 nach Biblia (Luther 1545): „AM anfang schuff Gott Himel vnd Erden.“
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Wie Moses beginne Johannes sein Evangelium mit „Im Anfang“, um die menschliche Person Jesu zu entdecken, der als Gott ohne Anfang und Ende und nur in seiner irdischen Existenz begrenzt war.
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August habe das Johannes-Evangelium an den Anfang des Neuen Testaments gestellt, obwohl er wisse, daß Johannes seine Verkündigung — wie Luther das griech. Evangelion übersetzte — von Christus hat und diese erst nach den drei synoptischen Evangelien niedergeschrieben habe. Vgl. Anm. 11. Darauf beschließe Johannes mit seiner Offenbarung das Neue Testament.
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Die Kritik an dieser Form, die Justus Georg Schottelius in seiner Teutschen Sprachkunst verteidigte (vgl. auch das Schottelius-Zitat in 371110 K 11), schon in den Gutachten von Müller und Hunnius. S. Anm. 1, vgl. K 4. Derselbe „Fehler“ begegnet etwa auch bei Johann Rist (FG 467. 1647), s. 370517 K I. Zur hier überdeterminierenden Genus- und Numerusmarkierung des Flexivs -er statt des indifferenten –e im pronominalen Adjektiv vgl. Reichmann/ Wegera: Frühnhd. Grammatik, 187ff.
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Nach den Briefen des Paulus wollte Hz. August den Jakobus-Brief vor die Petrus-Briefe rücken. Danach folge die Apostelgeschichte, wie auch in den alten Bibeldrucken. In der Vulgata aber folgt den vier Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes der Apostolos mit der Apostelgeschichte, den Paulus-Briefen und dem Paulus zugeschriebenen Hebräerbrief, sodann den katholischen Briefen des Jakobus (1), Petrus (2), Johannes (3) und Judas (1); den Schluß des Kanons bildet die Offenbarung des Johannes. Die Biblia (Luther 1545): behielt diese Ordnung i. W. bei, stellte aber die Briefe um: Paulus-Briefe, die zwei Petrus-Briefe, die drei Johannes-Briefe, der Brief an die Hebräer, der Brief des Jakobus und der des Judas. Vgl. auch Anm. 12. Im Gegensatz zu den vier Evangelien schwankten die Apostelschriften, und dabei v. a. die katholischen Briefe, bei der Aufnahme in den neutestamentarischen Kanon in Anzahl und Reihenfolge erheblich. Erst im 4./5. Jh. hatte sich der heute gewöhnliche Apostolos weitgehend durchgesetzt, sodaß das NT die 27 Schriften aufwies, die wir auch heute kennen. Allerdings treten noch bei Luther Vorbehalte gegen den Hebräerbrief, die Briefe des Jakobus und Judas und gegen die Apokalypse zutage. Auch führen etwa die griech. Handschriften und Textausgaben des NT die 7 katholischen Briefe vor den Paulus-Briefen an, zu denen auch der Hebräerbrief gerechnet wird. Vgl. RGG4 I, 1418ff.; TRE VI, 30ff., 75.
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Vordatiert. Die Datierung des Entwurfs zeigt, daß Hz. August das Erscheinen seiner revidierten dt. Bibel tatsächlich für 1639 vorsah. Dazu ist es nicht gekommen, vgl. K 0.
21
Verschlüsselte lat. Unterschrift des Verfassers. Die Ziffern geben die Reihenfolge der lat. Wörter an, deren erste Buchstaben als Anagramm Augusts Titel bezeichnen: Angularem Domino gratum Dari Biblia en Lapidem, d. i. Augustus Dei gratia Dux Brunsvicensium et Lunaeburgensium. Vgl. 1 Pet 2, 6: „Propter quod continet Scriptura: Ecce in Sion lapidem summum angularem, electum, pretiosum: et qui crediderit in eum, non confundetur.“ Vgl. ebd., 2, 4ff. Zum Bild des Ecksteins vgl. auch Hiob 38, 6; Ps 118, 22; Jes 28, 16; Jer 51, 26; Mt 21, 42; Apg 4, 11; Röm 9, 33; Eph 2, 20. In einem Brief an Georg Calixt (s. K 2) vom 15. 8. 1639 dankte Hz. August für dessen Glückwünsche zur Geburt seines (bald verstorbenen) jüngsten Sohnes Christoph Franz: „Der Allmechtige der auß der Triangel [die Prinzen Rudolf August (FG 754), Anton Ulrich (FG 716) u. Ferdinand
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/Albrecht (FG 842)] ein quadratum vätterlich vermehrend machen wollen, wolle die 4 ecksteine unserer Linien ferner feste und beständig erhalten.“ HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 79r–80v, hier 79r; Abschrift in HAB: Cod. Guelf. 149.6 Extrav., Bl. 191r.

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