K Im Januar 1635 hatte Hz. August d. J. v.
Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) begonnen, eigenhändig eine vollständige
Revision der Lutherbibel durchzuführen: Er trug seine zahlreichen sprachlichen
Verbesserungen nebst Randbemerkungen in sein gedrucktes Handexemplar der
Luther-Übersetzung von 1545 ein: BIBLIA. | Das ist: | Die gantze heilige Schrifft
| Deutsch/ | D. Mart. Luth. | Mit außgehenden Versiculn/ Marginalien vnd Vorreden
Lutheri/ | Concordantzien/ Chronologien/ vnd vnterschiedlichen Registern der
Historien vnd Hauptleren/ sampt | den Summarien D. Danielis Crameri/ auch den
vbrigen Büchern Esra vnd Maccabeorum/ Auff | solche Art noch nie gesehen. | Mit
Churfürstl. Sächs. Privilegio. | [...] | Lüneburg bey den Sternen/ | Jm tausend
hundert sechs/ vier vnd dreyssigstem Jahr/ | Da stoltzer Fried lieblich blüht/ ich
gedrucket war. (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1634). HAB: 519. 4. 1 Theol.
2°. Vgl. K I 4; fernerHerzog August d. J. und die Revision der Lutherübersetzung
im 17. Jahrhundert. In: Christian Heitzmann: Ganze Bücher von Geschichten. Bibeln
aus Niedersachsen. Wolfenbüttel 2003 (Ausstellungskataloge der Herzog August
Bibliothek, 81), S. 119–136, hier S. 127 (Nr. 44); Heimo Reinitzer: Biblia
deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre
Tradition. Wolfenbüttel 1983
(Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 40), S. 280–304, hier Nr. 176
u. Abb. 183;
Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 395. Am 1. 2.
1638 hatte der Herzog die gesamte Bibel durchgesehen und komplett überarbeitet.
„Mit der Biblischen Lection seyn wir nahe [
lies: beinahe]
Gott sey dank, hindurch“, schrieb August am 6. 2. 1638 an Georg Calixt (s. Anm.
2). Zwar sei er anfangs mit seinen Korrekturen noch nicht streng und systematisch
verfahren, doch werde er dies nachholen, damit am Ende „alles fein einträchtig
werde“. HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 64r–65v, hier 64r. Das Projekt einer
sprachlichen Revision der dt. Luther-Bibel beschäftigte Hz. August bereits von
etwa 1624 an bis zu seinem Tode 1666 und ist als der Mittelpunkt seines
literarisch-gelehrten Lebenswerks anzusehen. Sowohl sein
Biblischer Außzug Oder Gründliche Summaria, Vber die beeden heyligen
Testamenta (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1625; s. K I 5), wie auch
seine Passionsharmonie
Die Historie und Geschichte Des HErrn
Jesu des Gesalbten Leyden / Sterben und Begräbniß (Lüneburg: Johann u.
Heinrich Stern 1640 u. ö.; HAB: Th 2980; vgl. Heitzmann: Gantze Bücher [s. o.],
Nr. 45;
Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 401–408, vgl. dazu Hz.
Augusts ersten, am 12. 4. 1639 vollendeten hsl. Entwurf dazu: HAB: Cod. Guelf. 32
Noviss. 8°; s.
Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 400) und seine
Evangelische Kirchen-Harmonie in zwei Teilen
(Wolfenbüttel: Johann u. Heinrich Stern 1645 u. ö., HAB: 508.16 Theol. 4°; vgl.
Heitzmann: Gantze Bücher [s. o.], Nr. 46;
Sammler Fürst
Gelehrter, Nr. 409–414) legen Zeugnis von intensiven Bibelstudien und dem
Plan einer Revision der Lutherbibel, später sogar vom Vorhaben einer neuen
Bibelverdeutschung ab. Seine kritische Arbeit am Lutherdeutsch dokumentieren u. a.
auch verschiedene Korrekturlisten, die quer durch die Texte des Alten und Neuen
Testaments Ausdrücke Luthers durch solche Hz. Augusts ersetzen. HAB: Cod. Guelf.
31 Noviss. 8°, Bl. 110r–135v. Vgl. Die neueren Handschriften der Gruppe Novissimi.
Beschrieben von Renate Giermann. Frankfurt a. M. 1992, 93f. Anschwellende Kritik
bewegte den Herzog, sein großes Bibelprojekt zwischenzeitlich (seit etwa 1639/40)
auf die bescheideneren Arbeiten der Passions- und Kirchenharmonie zu beschränken.
Er griff es aber in seinen letzten Lebensjahren unter Mitarbeit des Helmstedter
Orientalisten und Alttestamentlers Johann Saubert d. J. (1638–1688) noch einmal
auf. Dabei wandelte sich das ursprüngliche Vorhaben einer in der Hauptsache
sprachlich-stilistischen Verbesserung des älteren Lutherdeutsch zugunsten einer
selbständigen neuen dt. Übersetzung der Bibel aus den Quellen. Zeugnis dieser
angestrengten und unter enormem Zeitdruck vorangetriebenen Arbeit sind die Akte
HAB: Cod. Guelf. 44.1 Extrav. (enthaltend Sauberts Übersetzung des Alten
Testaments. Fragment) und der Druck [Kupfertitel:] Der Heiligen Schrifft Alten
Testaments Erster Theil. | Auff Verordnung deß Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn
Herrn | Augustus Herzogen zu Brunswik und Lüneburg auß der Ebraischen | Grund
Sprache verteutschet. [Wolfenbüttel: Hans Stern 1665/66]. HAB: Bibel-S. 4° 202a;
vgl. Heitzmann: Gantze Bücher (s. o.), Nr. 49; Reinitzer: Biblia Deutsch (s. o.),
Nr. 180;
Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 415–419. Vgl. dazu
den Briefwechsel zwischen Hz. August und Johann Saubert d. J. in HAB: BA
(Bibliotheksarchiv) Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 745ff.; Cod. Guelf. 92.2
Extrav. u. Cod. Guelf. 102.1 Novi. Nach Augusts Tod ließ Saubert das schwierige
und von der lutherischen Orthodoxie angefeindete Projekt fallen. Die Drucke des
ersten Teils wurden zunächst weggeschlossen und später, bis auf ganz wenige
erhaltene Exemplare, anscheinend zu Makulatur. Vom zweiten Teil lag ohnehin nur
der Kupfertitel, gestochen von Jacob Sandrart (1630–1708), vor (HAB: Bibel-S. 4°
202a). — Der gesamte Komplex der Augusteischen Bibelrevision, der uns auch in den
Folgebänden dieser Edition begleiten wird, harrt bis heute einer eingehenden
sprach- und theologiegeschichtlichen Untersuchung. Augusts großes Vorhaben, das
aufgrund seiner Hartnäckigkeit häufig Verwunderung auslöste, wird nicht nur aus
einer protestantischen Glaubenshaltung verstehbar, wonach die möglichst reine,
unverfälschte Vermittlung des Wortes Gottes und die aktive Aneignung desselben
durch die Gemeinde im Zentrum der theologischen Lehre, des Gottesdienstes und
aller frommen Praxis stehen. Vielmehr gewinnt Augusts Projekt seine Konturen auch
vor dem Hintergrund der Bestrebungen der FG, die die anspruchsvolle Laienbildung
und wissenschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder ebenso förderte wie die
normierende und ästhetisch verfeinernde Arbeit an der Muttersprache. Nicht von
ungefähr tritt Augusts Projekt in den späten 30er Jahren deutlicher zu Tage, als
auch in der FG die intensive Sprachdiskussion begann (vgl. besonders 381028 u.
381105 K 5). Daß Justus Georg Schottelius (FG 397. 1642) Ostern 1638 als Präzeptor
Pz. Anton Ulrichs v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 716. 1659) in Braunschweig
angestellt und von Hz. August alsbald beauftragt wurde, die damals in Abschriften
zirkulierende
Sprachlehre des Christian Gueintz (FG 361.
1641) einer Kritik zu unterziehen, darf daher hier nicht übergangen werden.
Schottelius’ 1641 in Braunschweig erschienene eigene
Teutsche
Sprachkunst stellt seine unmittelbare Antwort auf
Gueintz: Sprachlehre dar. Vgl. K I 1 u. I 18. Ebenso dürfte es kein
Zufall sein, daß der seit 1639 am Wolfenbütteler Hof tätige Carl Gustav v. Hille
(FG 302) in seiner FG-Geschichte die Gründung der Gesellschaft (1617) erfolgen
ließ, „als eben vor hundert Jahren/ das seligmachende Liecht des Heiligen
Evangelii hervorgeleuchtet/ und die H. Schrift [...] in unsere Teutsche Sprache
[...] kunstgründig gedolmetschet worden“.
Hille, 9. (1517
erschien mit den sieben Bußpsalmen Luthers erste Verdeutschung eines Bibeltextes;
1534 kam erstmals seine gesamte Bibelübersetzung heraus.) — Vgl. insgesamt zu Hz.
Augusts Bibelprojekt: Jacob Burckhardt: Historia Bibliothecae Avgvstae qvae
Wolffenbvtteli est, dvobvs libris comprehensa (Leipzig u. Wolfenbüttel 1744), I,
138ff. (HAB: Bb 2260); Richard van Dülmen: Orthodoxie und Kirchenreform. Der
Nürnberger Prediger Johannes Saubert (1592–1646). München 1970, 666ff.; Herzog
August d. J. und die Revision der Lutherübersetzung im 17. Jahrhundert. In:
Christian Heitzmann: Ganze Bücher (s. o.); Wolf-Dieter Otte: Religiöse Schriften.
In:
Sammler Fürst Gelehrter, 193–205; ders.: Herzog August
und die Revision der deutschen Lutherbibel. In: Wolfenbütteler Beiträge 5 (1982),
53–82; Heimo Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), 280–304; ders.: Auch in Psalmis
ex Bubonis ranas gemachet (s. I Q), 42–69. Alle hier genannten Studien haben
jeweils nur Teile des Quellenbestandes in der HAB herangezogen.
Johann Saubert d. Ä. (1592–1646), lutherischer Theologe, in
Nürnberg seit 1628 Prediger an St. Lorenz, seit 1637 Hauptpastor an St. Sebald und
damit Oberhaupt der reichsstädtischen Geistlichkeit. Vgl.
ADB XXX, 413–415;
DA Halle II.2., 35, 42, 47 u. ö.;
DBA I 1082/ 137–169;
DBA II 1122,
446f.;
NDB XXII, 447f.;
RGG V, 1375;
RGG4 VII, 849; Dietrich Blaufuß: Johann Saubert
(1592–1646). In: Fränkische Lebensbilder 14 (1991), 123–140, insbes. 127; Donald
R. Dickson: Johannes Saubert, Johann Valentin Andreae and the
Unio Christiana. In: German life and letters 49 (1996), 18–31;
Richard van Dülmen: Orthodoxie und Kirchenreform. Der
Nürnberger Prediger Johannes Saubert (1592–1646). München 1970, insbes. 664ff. —
Saubert war 1638 engster Berater Hz. Augusts bei dessen Bibelrevision. Davon
zeugen noch 13 Briefe des Nürnbergers an den Herzog (HAB: BA Hz. August Briefe,
Kasten II.8, Nr. 727–739) und 4 Schreiben Hz. Augusts an Saubert (Cod. Guelf. 92.2
Extrav., Bl. 6r–13v; s.
Sammler Fürst Gelehrter, S. 194).
Wohl Anfang Januar hatte sich Hz. August über seinen Nürnberger Agenten Georg
Forstenheuser (1584–1659) an Saubert gewandt. Es ging um eine textkritische Frage
zu Sauberts Bibeledition [Kupfertitel:] BIBLIA/ | das ist/ | Die gantze H. Schrift
| Deutsch. | D. Marth. Luther. | mit solchen Summarien/ | darinn ein jedes Capitel
| in die Haubtstuck abge- | theilt. Daß sie dem Leser der | Schrifft sehr dienlich
| sein können | sampt den gebetlein ha- | bermans vnd gesangbuch | Durch | M. JOH.
SAUBERTUM | Predigern in Nurmberg, | zu St. Laurentz. | mit Churf. Sächs.
Priuilegio | Gedruckt vnd verlegt zu | Nürmberg durch Wolff- | gang Endtern. Ao.
1629. HAB: Bibel-S. 54. (Die Bibel wurde mehrfach neu aufgelegt, seit 1651 hg.
Johann Michael Dilherr; vgl. Biblia deutsch [s. Anm. 0], Nr. 135). Hz. Augusts
Frage lautete, ob es ein Druckfehler („
sphalma Typographicum“) sei, wenn es in den
Klageliedern Jeremiae 3, 27 heiße
„hand, pro, jugendt“. (Klg 3, 27 nach
Biblia [Luther 1545]: „Es ist ein köstlich ding einem Man/
das er das Joch in seiner Jugent trage.“ Die Erstausgabe der Saubert-Bibel von
1629 hat an dieser Stelle (S. 766) noch richtig: „Es ist ein köstlich ding einem
mann/ daß er das joch in seiner jugendt trage.“ Die Ausgabe von 1636 bringt jedoch
(S. 792): „Es ist ein köstlich ding einem mann/ daß er das joch in seiner hand
trägt.“ HAB: Xb 941 (1). (Diesem Exemplar ermangelt das Titelblatt.) Saubert
räumte in seinem Brief an Hz. August vom 19. 1. 1638 (HAB: BA Hz. August Briefe,
Kasten II.8, Nr. 727) den Fehler ein. Er beklage seit langem „die
incuria, so in
etlichen
Typographijs vorläuft“ und versichert, „wie höchlich ich erfreuet worden,
do die H. Sternen [Gebrüder Stern, Lüneburger Verlags- u. Druckhaus, vgl. Anm. 4]
mich per literas berichtet, wie E. F. Durchl. Ihre recht fürstliche gedanck
en,
singularissimo exemplo, vff das hochheylige wort gottes
mitt allem fleiß vnd dergestalt gerichtet, daß Sie gnädigst gewillet seyn, der
Christenheit zum besten, den text der Teutschen Biblien von den
mendis
Typographicis oder
casographicis [
gebessert aus
orthographicis] zu reinig
en vndt also die
orthographiam
Biblicam zu restituirn“. Er lobt das Vorhaben als ein
„hohes
exemplum insignis Pietatis“. Damit tritt uns als ursprüngliches Motiv der
Augusteischen Bibelrevision der Verdruß über die fehlende typographische Sorgfalt
bei den Nachdrucken der Lutherbibel entgegen, ein Motiv, das auch in der
nachfolgenden Korrespondenz und anderen Dokumenten (vgl. Anm. 4) noch anklingt.
Saubert fährt fort, ihn habe auch der Jenaer Theologe Johann Gerhard (1582–1637;
vgl. 380417 K 5) seinerzeit oft wegen des nunmehr fast abgeschlossenen und zum
Druck anstehenden Weimarischen oder Jenaischen Bibelwerks (vgl. 380417 K 5) zu
Rate gezogen. Man sei sich über die Notwendigkeit einig gewesen, „vor all
en ding
en den
text selbst zu
purificirn, die
exemplaria zu conferirn, die längst eingeschlichne
Sphalmata
außzusetz
en etc.“ Luthers Bibelübersetzung weiche
gelegentlich vom Urtext ab, durch Auslassungen wie durch ungenaue Übersetzungen,
so daß „eine bescheidentliche
restitutio“ angemessen sei. „Jm fall nun E. F.
Durchl. die vorhabende
correctur allein vff den
Dialectum der NiderSächsisch
en provincien, gnädigst gesonnen zu accom
modirn, wird Zweifelsohne denselben damitt höchlich gedienet sein: Ob es
aber ein durchgehend werck sein möchte, zumahln wann auch die weinmairische
[sic] Biblien zugleich ans Liecht kom
men“, möge der Fürst überdenken. Am 30. 1. 1638 schrieb August persönlich an
Saubert und legte zur Verdeutlichung seines Vorhabens einen Entwurf desselben bei:
„Was sonsten meine gedanken sayn, bey kunfftiger wolmeinentlich angefangenen
Biblischen
Correctur, und wohin ich mich eigentlich
collimiere, habe ich vor wenig
tagen in etwas entworffen: thu dieselben ihm zusend
en: und
möchte sein bedenk
en, bey dem einen und andern puncte woll
darüber, da es seine Kirchengeschäffte zugeb
en wolten,
vernehmen. Wan ich auch etlicher
discrepantium locorum halber erinnerung
quo ad
versionem von ihm gelegenlich zun zeiten erlangen möchte, würde mir ein grosser
gefalle, daranne gescheh
en. Dan
Oculi plus vident, quâm
oculus: Habe auch solche
monita vnd
additamenta gerne.“ Dem Brief fehlt heute die
angesprochene Beilage. (HAB: Cod. Guelf. 92.2 Etrav., Bl. 6r–7v). Am 17. 2.
antwortete Saubert, gratulierte dem Fürsten zu seinem „heylig
en Eiver“ und bemerkte zur beigelegten „
delineation“: 1. Das Werk möge auf
die Stadt Lüneburg „angesehen“ sein. 2. Es solle einem jeden freistehen, diese
neue oder die alte dt. Bibel zu lesen. Die neue Version könne aber den Liebhabern
der Hl. Schrift „instar alicujus commentarij“ sein oder dienen. 3. In den
„hauptarticuln“ dürfe nichts verändert werden, was schon in einem Vorwort deutlich
angezeigt werden solle „zu verhüttung vngleiches vrtheils“. 4. Er billigt die
Voranstellung des Johannes-Evangeliums vor die drei synoptischen Evangelien. HAB:
BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 728. Mit Nr. 729 u. 730 folgen zwei
Saubert-Briefe vom 24. 2. („in feriis Matthiae“) und 28. 2. („Prid. Kal. Mart.“)
1638, die von uns in Anm. 2 behandelt werden. Auf den vorliegenden Brief 380320
antwortete Saubert sodann am 31. 3. mit dem von August erbetenen Urteil zu dessen
Vorrede (s. Beil. I). Zunächst rät Saubert von der „
allegatio nominum Cornelij
Jansenij, J. Roberts S. J. vndt
Sylvestri Leovallæ“ ab, da ihre Nennung „allerley
gedanck
en bey etlich
en erwecken
möchte“. Auch ohne Berufung auf diese könne Augusts Ordnung der Evangelien „sein
bewendt
en“ haben. Ansonsten werden in 10 „Quaestiones“
verschiedene Überlegungen zu Mängeln der bisherigen dt. Bibel entwickelt. Bis
dahin also scheint Saubert Hz. Augusts Plänen zustimmend gefolgt zu sein. Am 6. 4.
aber, alarmiert durch Anzeichen drohender theologischer Streitigkeiten innerhalb
des Luthertums, schlug er ein modifiziertes Vorgehen vor: Statt einer revidierten
dt. Bibelausgabe wäre eine eigene Abhandlung zu den ermittelten korrupten Stellen
eine weniger anfechtbare Alternative. A. a. O., Nr. 732. Vgl. zum weiteren
Meinungsaustausch in der Korrespondenz zwischen Saubert und Hz. August 380417 K 2
u. 3. Ungeachtet aber der vorauszusehenden Schwierigkeiten hat Saubert dem Fürsten
auch weiterhin in jedem Brief konkrete Bibelstellen angezeigt, deren Übersetzung
verbessert werden könnte. — Vgl. zu den zeitgleichen Bemühungen Hz. Ernsts I. v.
Sachsen-Gotha (FG 19) um eine auf der Grundlage der Luther-Bibel edierte und
allgemeinverständlich erklärte Heilige Schrift, an der seit 1636 — seit 1638 auch
intensiv von Saubert — gearbeitet wurde und die 1640 erstmals komplett im Druck
erschien 340604 K 2; ferner Andreas Klinger: Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft,
Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen. Husum 2002, 214f. mit der
dort angegebenen weiterführenden Literatur.
Georg Calixt(us) (1586–1656), seit 1614 Professor der
Theologie an der U. Helmstedt, Vertreter einer philippistisch geprägten irenischen
Ausgleichstheologie. Vgl. 330920 K 3. In der HAB haben sich in den
Handschriftengruppen Extravagantes und Novissimi zahlreiche zwischen Hz. August
und Calixt gewechselte Briefe erhalten. Ein Teil wurde von Ernst Ludwig Theodor
Henke veröffentlicht: Georg Calixtus’ Briefwechsel. In einer Auswahl aus
Wolfenbüttelschen Handschriften hg. E. L. Th. Henke. Halle 1833; Georgii Calixti
Ad Augustum Ducem Brunsvicensem Epistolae XII. Ex Autographis primum edit E. L.
Th. Henke. Jena 1835. Unter den hier publizierten Briefen findet sich jedoch
keiner aus dem Jahre 1638. Unter den 19 Briefen von Calixt an Hz. August aus den
Jahren 1638–1655 in Cod. Guelf. 55.1 Extrav., Bl. 1r–28v u. 31r–42v, den 32
Briefen von Hz. August an Calixt aus den Jahren 1631–52 in Cod. Guelf. 84.9
Extrav., Bl. 57r–135v sowie den 11 Wechselschreiben (Extrakte) von 1631–1641 in
Cod. Guelf. 149.6 Extrav., Bl. 189r–193v, haben sich kein Brief von 1637 und nur
wenige von 1638 erhalten. Sie zeigen immerhin, daß der Helmstedter Theologe
bereits in Hz. Augusts Bibelpläne eingeweiht war. So teilte der Fürst Calixt in
seinem Brief vom 6. 2. 1638 nicht nur mit, daß seine kritische Bibellektüre
unmittelbar vor dem Abschluß stehe (s. Anm. 0), sondern übersandte ihm auch
beiliegend „des M. Sauberti zu Nürnberg gedanken über die
Historien des
Näemans:
Seynd
á theologis Jenensibus, wie wir v
ernehmen,
approbieret.“ (HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 64r–65v;
Abschrift in 149.6 Extrav., 190r), welche Saubert August am 19. 1. 1638 erläutert
hatte. In einem beigelegten Traktat war es Saubert insbesondere um die Frage
gegangen, ob sich aus 2 Kg 5 (v. 18f.) ableiten ließ, daß Protestanten etwa bei
Aufenthalten in Italien den „päpstischen“ Gottesdienst besuchen dürften, sofern
sie nur ihren wahren Glauben im Herzen behielten. Saubert hatte diese Frage
energisch verneint und seine Position durch Hinweis auf die fehlerhafte
Übersetzung des hebräischen Urtextes durch Luther untermauert. Nachdem Hz. August
im soeben zitierten Brief vom 6. 2. Calixt um sein Urteil dazu ersucht hatte, fiel
dieses konträr aus. Am 24. 2. — „in feriis Matthiae“, d. h. am Feiertag des
„Nachrücker“-Apostels Matthias, der in allen Konfessionen des abendländischen
Christentums am 24. 2. begangen wurde (
Grotefend I, 120 u.
II.2, 140) — bestätigte Saubert, „das bedencken H. D. Calixti“ erhalten zu haben.
Seine Gegenantwort liege diesem Brief ebenso bei wie in Kopie das Gutachten eines
Professors der hebräischen Sprache „vff einer vornehmen Vniversitet“. HAB: BA Hz.
August Briefe, Kasten II.8, Nr. 729. Schon am 13. 2. hatte Hz. August erneut an
Calixt geschrieben und ihm mitgeteilt: „Seine gedancken
circâ discessum Näemanni
vom Elisar hab
en wir empfangen. Schicken ihm noch eines
andern gedanken,
qui Sauberto adstipulatus.“ HAB: Cod.
Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 66r–67v; Ab-
schrift in 149.6 Extrav., Bl. 190v. Dieser
Hinweis läßt die Ermittlung der Datierung des zuletzt genannten Saubert-Briefes
auf den 24. 2. als möglicherweise falsch, weil zu spät erscheinen. Die Debatte,
die wir hier im Einzelnen nicht zu rekapitulieren brauchen, setzte sich auch in
Calixts Brief an Hz. August vom 15. 2. 1638 (HAB: Cod. Guelf. 55.1 Extra., Bl.
1rv) und in Sauberts Schreiben an den Herzog vom 28. 2. („Prid. Kal. Mart.“) 1638
fort, in welchem der Nürnberger Calixts Stellungnahme zurücksandte und sie als
„suspicion“ und „böse provocation“ zurückwies (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten
II.8, Nr. 730). Danach schweigen die uns bekannten Quellen zu diesem Streitpunkt,
um sich 1640 im intensiven Gedankenaustausch über Hz. Augusts Passionsharmonie
fortzusetzen (vgl. HAB: Cod. Guelf. 55.1 Extrav., Bl. 2r ff.; 84.9 Extrav., 81r
ff.; 149.6 Extrav., 191r ff.; 32 u. 33 Noviss. 8°). In den soeben zitierten
Briefen aber hatte die textphilologische Frage, wie der hebräische Urtext der
Naeman-Episode in 2 Kg 5 richtig ins Deutsche zu übersetzen sei, zu einem
hermeneutischen und schließlich zu einem dogmatischen Problem geführt, das die
friedliche Koexistenz der Konfessionen berührte. Schon dies allein zeigte, daß
inmitten der Purifikationsbemühungen das Ziel einer untrüglichen, ganz und gar
eindeutigen und endgültigen Sistierung des einzigen und wahren Sinns der Hl.
Schrift ein Traum war, daß die Auslegungsanstrengungen niemals in einem von allen
subjektiven und historischen Irrtümern gereinigten Bibeltext ihre endgültige Form
finden würden. In Hz. Augusts unbeirrtem Festhalten an einer revidierten
Lutherübersetzung bzw. an einer ganz neuen dt. Bibel zeigt sich aber nicht nur
eine fromme Illusion, sondern das genuin fruchtbringerische Motiv, durch eine
gereinigte, verfeinerte Sprache auf der Höhe der Zeit Wahrheit besser abzubilden
und daher, auch ganz im Sinne Wolfgang Ratkes, zur Einheit der Religion und zum
Frieden beizutragen. Was die Bibel betrifft, sind F. Ludwig und andere
Fruchtbringer wie Tobias Hübner (FG 25) und Burggf. und Herr Christoph zu Dohna
(FG 20) einen vernünftigeren oder klügeren Weg gegangen: sie verlegten sich auf
Nachdichtungen oder literarische Paraphrasierungen der Bibel, jenseits der „rixae
theologorum“. Zum umfangreichen Komplex der Bibeldichtung inner- und außerhalb der
FG s. Sachregister „Bibeldichtung“, ferner „Bibelübersetzung als Aufgabe oder
Kunst“.
Frz. deviner, d. i. weissagen, vermuten, sich vorstellen
oder einfallen lassen; mettre à deviner, zu raten geben, im unklaren lassen;
Huguet III, 150. Das Fremdwort ,devinieren’ scheint im 17.
Jh. ein Hapaxlegomenon zu sein. Der Herzog will wohl scherzhaft sagen, Saubert
werde ihm durch seine biblischen Lesefrüchte weissagen oder zu raten geben.
Der in Anm. 2 beschriebene und in 380320 u. 380417
dokumentierte Briefwechsel zwischen Hz. August und Johann Saubert d. Ä. sowie eine
Reihe weiterer Quellen lassen die Jahre 1637 und 1638 als entscheidende Wegmarke
des Augusteischen Bibelprojekts hervortreten. Saubert blieb nicht die einzige
gutachterliche Stimme unter „vielen“, der Hz. August bei seiner Bibelrevision
Gehör schenkte. Im Dezember 1637, also noch bevor der Fürst seine Bibelrevision
(am 1. 2. 1638) abschloß (vgl. Anm. 0), erhielt der Hamburger Hauptpastor von St.
Petri, Johannes Müller (1598–1672), von den welfischen Hausdruckern in Lüneburg,
Johann (Hans) (1582–1656) und Heinrich Stern (1592–1665), ein (heute
verschollenes) Schreiben mit der Bitte zu einem Gutachten über den beiliegenden
Druckbogen mit einem Probestück der von Hz. August revidierten Luther-Übersetzung.
Auch die Beilage des Probedrucks (1 Mo 1, wie wir aus einem Gutachten des Nicolaus
Hunnius, s. u., und aus Burckhardt [s. Anm. 0] I, 138 wissen) hat sich anscheinend
nicht erhalten. Augusts Art der textlichen Eingriffe kann daher nur aus seinen
Eintragungen in dem genannten Exemplar der Lüneburger Bibel von 1634 erschlossen
werden, das er als seine Hand- und Arbeitsbibel benutzte. S. Anm. 0 u. K I 4. Der
ganze Schriftverkehr mit Müller lief über das Lüneburger Verlagshaus, weil sich
August offenbar im Hintergrund halten wollte. (Auch der Austausch mit Johann
Saubert d. Ä. war anfangs durch die Gebrüder Stern vermittelt worden, s. Anm. 1).
Müller nahm Kontakt zu dem Lübecker Superintendenten Nicolaus Hunnius (1585–1643)
auf, der ebenfalls um eine Stellungnahme
gebeten worden war, und man beschloß, die
Begutachtung gegenseitig abzustimmen. Am 2. 1. 1638 stellte Müller sein Gutachten
fertig und sandte es, gemeinsam mit dem von Hunnius d. d. Lübeck 26. 12. 1637, an
die Gebrüder Stern ab. HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.7, Nr. 670 (Müllers
Gutachten auf 5 unfol. Bl., Schreiberh. mit Unterstreichungen und Marginalnoten am
Rand von Hz. August; veröffentlicht in Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas
gemachet, s. I Q, 54–59); ebd., Beilage zu Nr. 670 (Stellungnahme von Hunnius in
seinem Brief an Müller vom 26. 12. 1637, 4 unfol. Bll.; veröffentlicht a. a. O.,
60–63).
Beide Gutachter gingen aus sprachlichen, theologischen und kirchenpolitischen
Gründen zu dem Vorhaben auf Distanz. Müllers Einwände waren: 1. Die hohe Sorgfalt
und Güte der Luther-Übersetzung, die einer Verbesserung nicht bedürfe. 2. Die
konfessionellen Gegner — Calvinisten wie Katholiken — könnten ihre Einwände gegen
die ihnen als fehler- und mangelhaft geltende Übersetzung Luthers bestätigt sehen.
3. Die von Hz. August reklamierte strenge Anlehnung an Lexik und Grammatik der
Urtexte stoße dort an ihre Grenze, wo die adäquate Wiedergabe von Bedeutung und
Sinn des Originaltextes nach Maßgabe der Möglichkeiten der Übersetzungssprache
Freiheiten in der Übertragung erfordere. 4. Die neue, revidierte Bibelübersetzung
weise selbst allerhand sprachliche Mängel und Fehler auf. 5. Sektierer dürften
sich der neuen Übersetzung zu schädlichstem Mißbrauch bedienen. 6. Aus der neuen
dt. Bibelübersetzung würden all jene Kritiker Nahrung saugen, die selbst die
hebräischen, griechischen und lateinischen Texte der Bibel für sprachlich ungenau
oder regelwidrig ausgeben. 7. Streit innerhalb der lutherischen Kirche,
insbesondere ihren theologischen Fakultäten bliebe nicht aus. Insbesondere die U.
Wittenberg wache energisch über die Lutherbibel und dürfte auf die Textrevision
äußerst ablehnend reagieren. 8. Der Anspruch der revidierten Bibelübersetzung,
hier und da den Quellen näher zu kommen und Tautologien zu vermeiden, wecke den
Argwohn, Luther habe die Quellen vernachlässigt, wogegen sich sein Ruhm doch
gerade auf seine einzigartige Sprachenkenntnis und Originaltreue gründe.
Vermeintlicher Tautologien aber habe sich der Hl. Geist bedient, um die Ein- und
Nachdrücklichkeit des göttlichen Wortes zu erhöhen. 9. Eine rasche und allgemeine
Einführung der neuen Bibel in Gottesdienst und Unterricht sei nicht zu erwarten.
Unterschiedliche Bibeltexte in der lutherischen Kirche zu verwenden, sei aber
problematisch. Der gemeine Mann verstehe das ältere Lutherdeutsch; der Schaden
überwiege allemal den Nutzen. Hunnius kritisierte, daß die im wesentlichen
sprachliche Überarbeitung (
„revisio Grammatica“) der Luther-Übersetzung durch
August ihrem Ziel einer
„puritas lingvæ“ nicht gerecht werde wegen mancherlei
Verstöße gegen Sprachnormen oder den Sprachgebrauch (vgl. K I 1). Weiterhin
sekundierte er den Vorbehalten, die Müller ins Feld führte.
Aus Lüneburg gelangten die beiden Gutachten in die Hände Hz. Augusts. Der weitere
Verlauf zeigt, daß sich August vorerst nicht in seinem Vorhaben beirren ließ. Am
19. 1. 1638 schrieb Hunnius an Müller, dieser habe „hier beyliegend zu vernehmen,
was die H. Sterne, wegen des Bibeldrucks, den Jhr Fürstl. Gn. Hertzog Augustus,
Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg
etc. zum Druck
eingerichtet, an den herrn [Müller], neben mir, gelangen lassen.“ Die Gebrüder
Stern hätten nur vorsichtig angedeutet, daß Hz. August ihre, Müllers und Hunnius’,
Kritik zwar gnädig auf-, aber nicht angenommen habe. Hunnius blieb bei seiner
„vorigen erinnerung“, „daß aus der newen Bibel viel difficulteten erwachsen
werden, damit hernach allerley wiedersacher vnd Schwermer, mehr den Theologis vnd
Predigern, als dem H. Autori oder den Verlegern, werden auf dem halß liegen; davor
ich, weil ich meine gedancken von mir geschrieben, Zuantworten nicht gedencke, wie
ichs dann zuerleben nicht hoffe; Gott kehre aber alles zum besten; der vns durch
seeligen D. Luthern sein heiliges wort, vnd eine gutte deutsche Bibel gegeben, der
wolle vns vnd vnsern Nachkommen beydes in gnaden erhalten“. Auf Wunsch der
Gebrüder Stern sende er Müller deren Schreiben und das Konzept von Hz. Augusts
Vorrede. (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.7, Beilage 1 zu Nr. 669). Der im
vor-
liegenden Brief formulierte und auf den 1. 1. 1639 datierte Entwurf Hz. Augusts
zu einer Vorrede auf sein Bibelwerk dürfte jener Vorrede entsprechen oder
nahekommen, die Hz. August bereits im Januar 1638 an die Gebrüder Stern schickte.
Müller selbst antwortete den Gebrüdern Stern am 22. 1. 1638 (HAB: BA Herzog August
Briefe, Kasten II.7, Nr. 671). Sie erhielten diesen Brief, dem das soeben zitierte
Schreiben von Hunnius beilag, am 27. 1. 1638. Er habe ihrem Schreiben, so Müller,
„seer vngerne mit fast einer betrubnis“ entnommen, daß „die Newe deutsche Bibell
nochmals zum Druck befördert werden solle“. Es sei zu befürchten, das es „nuhr zur
großen vneinigkeit vndt ärgernis in vnseren Kirchen vnd dan zu frolocken vndt
verleumbden vnser wiedersacher gereichen möge, dafur mir seer leidt ist.“ Er
bleibe bei seinen früheren Einwänden.
Über das Lüneburger Verlagshaus der Sterne lief im Frühjahr 1638 auch eine
weitere Kommunikation in dieser Sache, nachdem Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg
(FG 231) die Angelegenheit zugetragen worden war. Mit Schreiben aus Hildesheim vom
12. 2. 1638 teilte er den Sternen mit, er habe „eußerlich“, also von Dritten,
erfahren, „das Jhr anitzo eine newe
edition der Bibel, so in zimblich groß
folio
mit gewißen
notis vnndt enderungen deß textes gefertiget werde, vnter der Preße
vnd vor der Handt haben, auch das dauon albereits ein guter theill gedrucket sein
sollen, begehren darauff an euch hiemit gnediglich, Jhr wollet Vnß ehistes tages
ein exemplar von dem ienig
en was ihr davon verfertiget,
vberschicken“. (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.4, Nr. 294). Die beiden
Verleger antworteten am 25. 2., es habe in der Tat Pläne gegeben, ein neues
Bibelwerk in großem Format aufzulegen, das die vielen (durch nachlässiges
„corrigirn, vnd revidirn“) eingeschlichenen Unzulänglichkeiten und Druckfehler der
Bibeldrucke tilgen und in der deutschen Bibel eine Art „Concordantz“ herstellen
sollte. Diesem verlegerischen Gedanken seien die Vorarbeiten einer „hohen Person“
gerade recht gekommen, welche „in ihrer hantbibell, dessen viel observirt“ habe
und gesonnen sei, „in etwaß dem teutschen v
erstande an
wenig ortern, neher zu treten“, d. h. die deutsche Sprachlogik hier und da besser
zu treffen. Es „hatt sich aber ein vnd das ander eingemischett, daß ein solch newe
revision, noch zur Zeitt waß den Druck anlangtt, nicht vorgenommen, nur bloß daß
anderhalb Columnen [d. h. Seiten], wie in gehorsamb wier inliegend vbersenden, ohn
langst nur zur prob (waß deß hern Autorn Jntention, anzudeuten, vnd vber daß nicht
das aller geringste) biß dato gedrucktt ist.“ (HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten
II.9, Nr. 860). — Zu Hz. Augusts damals zurückgestellter Verbesserung der
Bibelübersetzung vgl. auch die in 391217 geäußerte Skepsis F. Ludwigs.
K I Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227)
ließ sich durch die Kritik, die an seinem Vorhaben einer Revision der Lutherbibel
geübt wurde, vorerst nicht beirren, und trieb das Projekt weiter voran. Sein hier
veröffentlichter Entwurf für das Titelblatt und die Vorrede gibt Auskunft über die
von ihm angestrebte Anordnung und den Umfang der biblischen Bücher, über Daniel
Cramers miteingearbeitete Summarien, die fortfallenden Vorreden Luthers und über
Augusts Textrevision. Er beteuert, nicht die evangelische Lehre ändern, sondern
die Bibel in reinem Deutsch geben zu wollen.
1 Nicht nur durch fleißige biblische Exegese und durch
umfangreiche Heranziehung anderer Bibelübersetzungen, wie der
Biblia (Piscator) oder der lat. Bibelübersetzung des niederländischen
Hebraisten und konvertierten Juden Immanuel Tremellius (†1580) (
Testamenti Veteris Biblia Sacra, Frankfurt a. M. 1575–89 u. ö.; HAB: A
78.2° Helmst.), sondern auch und gerade durch das Streben nach grammatischer
Regelhaftigkeit und zugleich sprachlich-stilistischer Flüssigkeit, nach
reklamierter Nähe zu den Grundsprachen wie nach umfassender geschickter Anordnung
des bibelphilologischen Werks ist Augusts Bibelrevision über bloße Sprachkosmetik
oder –willkür weit hinaus gedrungen. S. Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis
ranas gemachet (s. I Q), 44ff. Selbst kurios wirkende Formen wie die „Flut der
Endungsvokale“ (a. a. O., 50) gehen auf Sprachräsonnement
und –normierung zurück.
Sie gehorchen zwar nicht der gesprochenen Alltagssprache, wohl aber der
Regelauffassung J. G. Schottelius’, der in seiner
Sprachkunst
(s. K 0) auch Wörter wie
Bürger und
Himmel im Nom. und Akk. pl. auf
–e enden und den
Gen. pl. entsprechend
Bürgerer etc. lauten ließ. Vgl.
Reinitzer, a. a. O., 50. Wir zitieren im folgenden die sprachliche Kritik von
Nicolaus Hunnius in seinem Gutachten (s. K 4). Die Unterstreichungen stammen wohl
von Hz. August:
„Soviel aber in vberschickter Prob des einig
en ersten
Cap.
Geneseos zuersehen, haben Jhr Fürstl. Gn. fast allein eine
revisionem Grammaticam
des seelig
en Lutheri
translation angestellet, were nicht zu
improbiren, daß dieselbe auf die
puritatem lingvæ geseh
en,
vnd daß man in rechter deutscher Sprach eine reine Bibel habe: was aber in der
Prob befindlich: als daß nach der
orthographiâ, die
nomina substantiva mit kleinen
initialibus, die worte
vnd,
vnser, etc. vnd allenthalben U
Vocalis nicht mit
zugeschlossen, sondern mit offenem U: Jtem Saamen, pro Samen etc. gesetzet: nach
der
Etymologiâ, der
erster,
dritter etc. tag, pro der
erste, dritte etc. tag:
flieget, pro fleuget,
kriechet, pro kreucht, etc. gebrauchet wird, vnd fast allen
substantivis die
articuli, oder
particulæ,
ein, der, die, das beygesetzet wird:
Zum Exempel: Die Erde bringe herfür
die lebendige thier,
das Vieh,
das gewürm, vnd
die thier, etc. Jtem: Es werden
die liechter, an
der feste
des himmels,
die da
scheiden
den tag, vnd
die nacht, vnd geben
die Zeichen etc. Jtem: Es ward aus
dem
abend, vnd
dem morgen etc. in welchem ich, nach meiner wenigkeit, nicht befinde,
daß solches deutsch mit dem vblichen gebrauch dieser Sprach (woraus gleichwol von
jeder Sprach muß judiciret werden) vbereintreffe: wie es dann, meines wissens,
weder in fürstl. vnd hoher Potentaten Cantzleyen, noch in Reichs Abschieden, noch
einigen andren Schrifften oder Reden, daraus die reine deutsche Sprache zulernen
oder zu vrtheilen, gebrauchet wirdt: inmassen dann niemand, meines wissens, also
redet: der
erster, dritter, vierdter etc. tag, Mann, wagen, etc. sondern durchaus
der erste, dritte, vierdte, etc. tag, Mann, wagen, etc. auch setzet niemand bey
fast jede substantiva den articul: wolte einer sprechen: auf dem Marckt hab ich
gesehen
die Männer, vnd
die Weiber,
die Knechte,
die Mägde
die Bürger,
die Bauern,
die käuffer, vnd
die verkäuffer, so würde ein deutscher sagen: wer redet also
deutsch? du must schlecht [d. h. schlicht] dahin sagen: auf dem Marckte hab ich
gesehen Männer vnd weiber, knechte Magde, Bürger, bawer, käuffer vnd verkäuffer:
welche art zu reden Lutherus recht gebrauchet. Wolte man aber einwenden:
das laute
gar zu lateinisch, so were zu antworten: wo die
articuli so heuffig den
substantivis beygesetzt werden, das
lautet gar zu Griechisch, vnd were dergestalt
eben so frembd in der deutschen Sprach, als das lateinische. Jedoch hatt ein jede
Sprach ihre besondere art, nach deren muß von ihr gevrtheilet werden, vngeachtet,
sie treffe mit andern Sprachen (als offt geschicht) vberein, oder sey fern von
denselben [...] Wie dann D. Luther, bey seinen Lebzeiten, vnd hernach, biß auf
diese Zeit, den bestendigen ruhm gehabt, daß er nicht allein gutes reines deutsch
schreibe, sondern auch ein rechter Meister dieser Sprache gewesen, seine
Schrifften in gemein von Theologen vnd Juristen dafür commendiret worden, daß, vor
andern Schrifften, ein rechtes, gutes, vnd reines deutsch darauß zulernen,
fürnemblich aber seine verdeutschte Bibel in grossem ruhm gestanden, daß sie gut,
zierliches, vnd reines deutsch habe, auch dermassen gestellet, daß sie die
Hebraische Bibel, gleich einem
commentario, erklere [...].“ A. a. O., Bl. 1v f. Im
oben angeführten Gutachten Johannes Müllers (s. K 4) heißt es u. a.: „Vndt
erstlich zwar ist die deutsche Bibel des H. Lutheri bißhero
für der größesten
wolthaten eine gehalten worden, welche Gott seiner Kirchen im
Reformation-wercke
erzeiget, dieweil
Lutherus nicht allein gutt deutsch vndt fein deutlich geredet,
sondern auch den
sensum der hauptsprachen recht ausgedrucket, vnd die schweren
tunckelen sprüche in einem klaren verstande gegeben. [...] Dazu kommet furs
dritte, das die dolmetschungk nicht darinne bestehet, das man die wörtter gebe
also
Grammaticè wie sie in den Hauptsprachen lautten,
eodem numero, casu vndt der
gleichen: sondern das man es also gebe,
wie es vnserer sprache eigenschafft
erfodert, doch
das der rechte sensus der hauptsprache eigentlich exprimiret werde.
[...] Ob wol zwar in solchem newen Bibel werck die dolmetschungk möchte beßer
gegeben sein
Grammaticè, dan man mehr auff die
Numeros, Casus vndt tempora in den
hauptsprachen gesehen; stehet doch zubesorgen, das es
nicht eben darvmb recht oder
beßer deutsch sein werde, dieweil eine Jede sprache
ihre besondere eigenschafften
hatt, die mitt den eigenschafften der andern sprachen nicht eben
v̈bereinstimmen. [...] v. 1. ist nicht deutsch,
himmele,
sondern
himmel, auch in
plurali,
laß mich sehen die himmel deiner fingerwerck Ps 8
v. 9 Sol aber
himmele im
plurali gedolmetschet werden, so
muß man auch
die waßere in plurali dolmetschen, dieweils im hebraischen text allso
stehet, gleichwohl ist v. 2 das
Singulare gelaßen,
auff dem wasser. [...] Solche
vndt dergleichen fragen wurden sich anspinnen v̈ber dieser
newen
Version. [...] solte aber auß vnsern Kirchen eine solche newe Teutsche Bibel
kommen, würde in allen 4 Hauptsprachen des streits kein ende sein, dieweil man
nach etlicher meinung
kein recht Hebraisch, kein recht griechisch, kein recht
lateinisch, vndt nun
kein recht deutsch bißhero gehabt hette.“ A. a. O., Bl. 1v,
2v, 3r, 3v u. 4r.
2 Unter dem Pseudonym Gustavus Selenus waren 1616 in Leipzig
Hz. Augusts
Schach- oder König-Spiel und 1624 in Lüneburg
seine
Cryptomenytices et Cryptographiae Libri IX
erschienen. Vgl. 231210, 240106, 240116 u. I, 240125, 240319 u. I u. 240907;
Sammler Fürst Gelehrter, 173ff. u. 181ff.
3 Die erste Ausgabe der Lutherbibel von 1534 war noch das
persönliche Werk Martin Luthers. Mit der Zeit schien ihm aber eine gründliche
Korrekturdurchsicht vonnöten, zu welchem Zweck er sich die Mitarbeit des
Collegium Biblicum sicherte: Philipp Melanchthon
(1497–1560), Johannes Pomeranus Bugenhagen (1485–1558), Justus Jonas (1493–1555),
Caspar Cruciger d. Ä. (1504–1548), Matthäus Aurogallus (Goldhahn) (um 1490–1543)
und Georg Rörer (1492–1557). Aus dieser Zusammenarbeit ging die zweite
Hauptausgabe der Lutherbibel von 1541 hervor. Bis zur Ausgabe letzter Hand von
1545 wurde die dt. Übersetzung weiter nachgebessert. Johannes Müller hatte in
seinem Gutachten vom 2. 1. 1638 (s. K 4 u. Anm. 1) die Luthersche Bibelübersetzung
auch mit dem Hinweis verteidigt, daß viele Gottes- und Sprachgelehrte an ihr
mitgewirkt hätten, möglicherweise der Grund, daß auch Hz. August dieses
Kooperationswerk anführt. Müller: „Es hatt auch
Lutherus nicht
alleine solches
werckes sich vnterfangen, sondern die fürtrefflichsten leutte zu sich genommen,
die Er damahls bekommen können, deren ein Jeder sein guttdüncken nach seinem
gewißen darüber eröffnen müssen. Man ist täglich etliche stunden zusammen kommen.
Lutherus hatt bey sich gehabt den Hebreischen, alten lateinischen vndt newen
deutschen text:
Philippus Melanchton den Griechischen,
D. Cruciger den Hebraischen
vndt Chaldeischen, die andern
professores ihre
Rabbinen. D. Pomeranus den
lateinischen text,
D. Ziegler D. Forstemius vndt andere frembde
Doctores sindt
auch offtmahls zu diesem großen wercke kommen. [...] Wann dann die deutsche Bibel
Lutheri mit solcher v̈beraus grossen mühe vndt arbeit herauß
kommen, so viel treffliche leutte darüber gesessen, vnd ich in warheit zusagen,
noch von keinen einigen Lutherischen
Theologo gehöret, das solche Dolmetschungk
Lutheri einer verbeßerung oder Einrichtungk bedürffe; kan ich nicht sehen, wie man
füglich vndt nützlich solch werck führnemen, vndt die deutsche Bibel verbeßern
solle, zumahl weil solcher
Conventur vieler gelehrter vndt in sprachen Erfahrner
leute zu diesen zeiten noch nicht darüber gehalten worden.“ A. a. O., Bl. 1v f. —
Von einer Mitarbeit Jakob Zieglers (um 1471–1549) an Luthers eigener Bibelrevision
ist uns nichts bekannt. Ziegler war katholisch, stand aber der protestantischen
Sache relativ aufgeschlossen gegenüber und mit Luther in brieflichem Kontakt. Vgl.
DBA I 14411/ 347f.;
REThK (1896)
III, 71;
RGG VI, 1907f.;
Zedler
LXII, 590f. Über Forstemius war in den gängigen Nachschlagewerken nichts zu
ermitteln, jedoch ist seine Person in Luthers Tischreden bezeugt: „Am Abend S.
Lorenzen, im Garten, da M. Forstemius viel sagte vom Nutz und Herrlichkeit der
ebräischen Sprache“.
Luther: Werke, Abt. 3: Tischreden, Bd.
1, 525. Zum
Collegium Biblicum vgl. auch
TRE VI, 241.
4 Nach einem festgelegten Lektüreplan, den er schon in seiner
Tübinger Studienzeit aufgestellt hatte, arbeitete
Hz. August
die Bibel durch und trug seine zahllosen Änderungen und Bemerkungen (mitsamt
Kalendervermerken der Durchsicht) zwischen dem 1. 1. 1635 und dem 1. 2. 1638 in
sein Handexemplar ein: BIBLIA. Das ist: Die gantze heilige Schrifft Deutsch/ D.
Mart. Luth. (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1634). HAB: 519. 4. 1 Theol. 2°.
S. K 0. Vgl. zu Hz. Augusts Lektüreplan Otte: Herzog August und die Revision der
deutschen Lutherbibel (s. K 0), 55; Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas
gemachet (s. I Q), S. 66 Anm. 10.
5 Der Stettiner Pfarrer Daniel Cramer (1568–1637). Cramer
hatte seine Summarien und Kommentare, d. h. kurze, erklärende Inhaltsangaben zu
den einzelnen Kapiteln der Bibel, seiner 1619/20 erschienenen Ausgabe der
Lutherbibel beigefügt, die er im Auftrag der theologischen Fakultät der U.
Tübingen als Antwort auf Piscators Bibelübersetzung (vgl. Anm. 1) vorgelegt hatte.
HAB: Bibel-S. 4° 45; s. Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), Nr. 164. August
ergänzte diese um die von ihm selbst verfaßten Stücke zu drei apokryphen Büchern
(3. u. 4. Buch Esra, 3. Makkabäer-Buch) und gab alles heraus als: Biblischer |
Außzug/ | Oder | Gründliche |
SUMMARIA, | Vber die beeden heyli- | gen Testamenta;
Eines | vornehmen Teutschen |
Theologi. | Durch | A. B. L.
der H. Bibeln | Liebhabern/ mit besondern | fleiß übersehen/ und in dies- | ses
Hand-Büchlein zu- | samen geordnet. | Gedruckt zu Lüneburg (Lüneburg: Johann u.
Heinrich Stern 1625). HAB: 1291.31 Theol. 12°. Die Vorrede ist datiert Hitzacker,
21. 10. 1624. S.
Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 394;
Heitzmann: Ganze Bücher (s. K 0), Nr. 43; Reinitzer: Biblia deutsch (s. I Q), Nr.
184 u. Abb. 189.
6 D. h.: Falls der überkommenen Luther-Übersetzung der Vorzug
gegeben wird, möge dem Leser Hz. Augusts revidierte Version immerhin als ein, wenn
auch geringfügiger, Kommentar nützlich sein. Diese Relativierung spielt in Augusts
argumentativer Strategie bei der Verteidigung seines Vorhabens eine große Rolle,
vgl. 380417 und Hz. Augusts Brief an Saubert vom 19. 6. 1638, zit. in 380417 K 3.
7 Die Sorge, die konfessionellen Widersacher könnten sich der
Augusteischen Bibelrevision zu ihren Zwecken gegen Luther, seine Bibelübersetzung
und die lutherische Theologie überhaupt bedienen, wurde schon von Johannes Müller
und Nicolaus Hunnius stark ins Feld geführt, um den Herzog von seinem Vorhaben
abzubringen. Müller (s. K 4): „Fürs ander ist bekandt, wie
die wiedersacher
Calvinisten vndt Bäpstler die deutsche
version Lutheri bißhero
verachtet, vndt
selbige
corrigiren wollen. [...] Solchem führgeben der widersacher aber, haben
vnsere
Theologi bißhero widersprochen, vndt aus den Hauptsprachen,
Lutheri
verdolmetschungk wider sie vertheidiget. Dafern nun auß vnser eigenen Kirche eine
verbeßerungk der deutschen Bibel
Lutheri kommen solte, würde nicht allein den
widersachern zum frolocken vndt verleumbden große vhrsache gegeben werden, dieweil
wir nun es selbsten bekennen müsten, was man bißhero nicht gestehen wollen;
sondern es würde auch alle angewendete arbeit vndt fleiß vnserer
Theologorum zu
nichte werden, das ich besorge es ohne grewliche ärgerniß vndt vnseren eigenen
Kirchen großem vnglimpff nicht abgehen würde“. A. a. O., Bl. 2r f.
8 Schon der kurze Brief 380320 und der in ihm enthaltene
Entwurf Hz. Augusts für Titelblatt und Vorrede seines Bibelwerks zeigen Augusts
Verdeutschungsbemühungen. Bereits im Titelentwurf werden die Bezeichnungen Altes
und Neues Testament ersetzt durch „Alten [...] vnndt [...] Newen [...]
beschriebenen willen Gottes“. Vgl. Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonibus ranas
gemachet (s. I Q), 46. Zu den zeitgleichen Bestrebungen eines anderen
Fruchtbringers zur Verdeutschung der zumeist griechischen und lateinischen
Terminologie s. 381028.
9 Neues Testament, ebenfalls verdeutscht, vgl. Anm. 8.
10 Tatsächlich hat August nicht nur hier und da in die
Sprache Luthers eingegriffen, sondern etwa auch die lutherische Anordnung der
Bibeltexte geändert. Die Rabbiner Bibel und die Zürcher Bibel lassen sich als
Vorbild dieses Umbaus identifizieren. S. Reinit-
zer: Auch in Psalmis ex Bubonibus
ranas gemachet (s. I Q), 43–45. Das Evangelium des Johannes folgte in der Vulgata
und in der Lutherbibel von 1545 den drei synoptischen Evangelien von Matthäus,
Markus und Lukas. Zur Sammlung, Kanonisierung und Anordnung der NT-Texte vgl.
REThK (1896) II, 728ff.;
RGG I,
1131ff.;
RGG4 I, 1418ff.;
TRE VI,
22ff. Die Einordnung des Johannes-Evangeliums nach den drei synoptischen
Evangelien geht demnach auf Irenäus zurück und ist seit dem 2./3. Jh. die bis
heute übliche geblieben.
11 Cornelius Jansens/ Jansenius d. Ä. (1510–1576; vgl.
LThK [1993] V, 744), seit 1568 Bf. v. Gent, dessen Hauptwerk
— eine Evangelienharmonie — sich in einem Exemplar der Ausgabe Löwen/ Antwerpen
1549 in der HAB befindet: CONCORDIA EVANGELICA, In QVA PRAETERQVAM QVOD SVO LOCO
PONVNTVR QVAE EVANGELISTAE non seruato recensent ordine, etiam nullius verbum
aliquod omittitur, literis autem omnia sic distinguuntur ...
deprehēdatur, per CORNELIVM IANSENIVM Hulstensem (Lovanii:
typis Bartholomei Grauii, An. 1549. Vænundantorq; ibidem, &
Antuerpiæ in pingui Gallina). HAB: 582.4 Theol. (2). Jansens läßt sein
Werk mit Jh 1ff. beginnen (S. 1ff.) und erklärt in seinen Anmerkungen dazu: „PRimo
capite principium Euāgelij secundum Iohannem positum est, tum
quòd Euangelica historia non aliud potest videri conuenientibus habere
exordiū quàm eam partem ,In principio’ vnde suam
cœpit Moyses historiam, tum q; sui Euangelij principio Iohannes de
æterna Christi natura, & apud patrem subsistentia disserat,
nisi quòd misi à Deo Iohanis Baptistæ,
& incarnati p. nobis Christi summatim mētionem
ingerat: quæ quomodo gesta sint, sequēs ex Luca
& Matthæo narratio distinctè explicat.“ (Bl. X [i] v). —
John Roberts (1576–1610), aus Wales gebürtig, trat 1598 in Paris zum Katholizismus
über und noch im selben Jahr in das Jesuitenkolleg von St. Alban in Valladolid
ein. 1599 wurde er Bruder des Benediktinerordens. 1602 zum Priester geweiht, wurde
er nach England entsandt, dort mehrfach inhaftiert und verbannt, 1610 schließlich
wegen Hochverrats in Tyburn hingerichtet. Es liegen uns keinerlei Hinweise auf
eine Veröffentlichung von Roberts vor. Vgl.
BBA I 935/
29f.;
DNB XLVIII, 383;
LThK (1993)
VIII, 1225f.; New Catholic Encyclopedia. Vol. XII (Washington D. C. 1981), 536f.;
Warhaffter Bericht welcher gestalt ... J. von Mervinia ... zu Londern in
Engelland, wegen des Catholischen Glaubens gemartert worden ... Auss dem
Frantzösischen ... in das Teutsch gebracht. An jetzo aber ... in Truck verfertiget
durch A. Schädlin. Augsburg 1611. BL London: 4903 ccc. 5.
12 Silvester Steier, aufgrund seines Beinamens „Leovallae“
vielleicht aus Liebenthal in Niederschlesien; weitgehend unbekannter Gelehrter und
Dichter dt. Lieder und lat. Hymnen in der 2. Hälfte des 16. Jhs. mit Verbindungen
zum kurpfälzischen Hof um 1570. Vgl.
ADB XXXV, 576f.;
DBA
I 1216/ 231–233;
Zedler IXL, 1481.
Er verfaßte auch eine SACRORVM BIBLIORVM SYNOPSIS. SIVE ISAGOGES IN LIBROS ET
LECTIONEM VETERIS ET NOVI TEstamenti PARTES DVAE. EDITAE STUDIO ET OPERA Sylvestri
Steier Leovallæ (Heidelbergae, Typis Iacobi Mylii o. J. [1586 oder
früher]). HAB: 1003.9 Theol. (2). Zur Voranstellung des Johannes-Evangeliums und
zu der von der Vulgata wie Luther abweichenden Ordnung der apostolischen Briefe
(vgl. Anm. 19) s. S. 40: „[...] Curriculum Christi Legatorumque recensent, |
Iohannes, & Matthæus quos denique Marcus, | Et duplici
Lucas libro cum laude sequuntur. | Quæque Iovæ caulas
cogunt cœtusque tabellæ, | Quas Paulus Romam misit,
geminasque Corinthum, | Ad Galathas, Ephesumque, Philippos atque Colossam, | (Et
quas Laodicæa olim munita relegit) | Thessalonicensi duplices vrbi,
totidemque | TIMOtheo, Cretamque TIto cum laude docenti, | Adque PHIlemona,
& Hæbræos sibisanguine junctos. | Quasque Iacobus arat,
binas Petrus, atque Iohannes | Literulas ternas, unus laudatus Iudas. [...] Den
Beschluß des NT bildet hier die Offenbarung des Johannes. Vgl. zu Steiers
Reihenfolge der neutestamentarischen Texte auch S. 41 u. 90ff. Der bei Steier
genannte Laodicenerbrief wurde in der frühen Kirche zwar nicht verboten, jedoch
für den Kanon des
NT abgelehnt. Vgl.
TRE VI, 33. Vgl. zur
Kanonisierung und Anordnung der Bücher des NT Anm. 10 u. 19.
13 Luther hatte in seiner Vorrede auf die drei Briefe des
Johannes die enge Bindung von 1 Joh an das Johannes-Evangelium betont: „DJese
Erste Epistel S. Johannis/ ist eine rechtschaffene Apostolische Epistel/ vnd solt
billich bald nach seinem Euangelio folgen.“
Biblia (Luther
1545), 2423.
14 Jh 1, 1 nach
Biblia (Luther 1545):
„JM Anffang war das Wort/ Vnd das wort war bey Gott/ vnd Gott war das Wort.“
15 1 Mo 1, 1 nach
Biblia (Luther
1545): „AM anfang schuff Gott Himel vnd Erden.“
16 Wie Moses beginne Johannes sein Evangelium mit „Im
Anfang“, um die menschliche Person Jesu zu entdecken, der als Gott ohne Anfang und
Ende und nur in seiner irdischen Existenz begrenzt war.
17 August habe das Johannes-Evangelium an den Anfang des
Neuen Testaments gestellt, obwohl er wisse, daß Johannes seine Verkündigung — wie
Luther das griech. Evangelion übersetzte — von Christus hat und diese erst nach
den drei synoptischen Evangelien niedergeschrieben habe. Vgl. Anm. 11. Darauf
beschließe Johannes mit seiner Offenbarung das Neue Testament.
18 Die Kritik an dieser Form, die Justus Georg Schottelius in
seiner
Teutschen Sprachkunst verteidigte (vgl. auch das
Schottelius-Zitat in 371110 K 11), schon in den Gutachten von Müller und Hunnius.
S. Anm. 1, vgl. K 4. Derselbe „Fehler“ begegnet etwa auch bei Johann Rist (FG 467.
1647), s. 370517 K I. Zur hier überdeterminierenden Genus- und Numerusmarkierung
des Flexivs -er statt des indifferenten –e im pronominalen Adjektiv vgl.
Reichmann/ Wegera: Frühnhd. Grammatik, 187ff.
19 Nach den Briefen des Paulus wollte Hz. August den
Jakobus-Brief vor die Petrus-Briefe rücken. Danach folge die Apostelgeschichte,
wie auch in den alten Bibeldrucken. In der Vulgata aber folgt den vier Evangelien
des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes der Apostolos mit der Apostelgeschichte,
den Paulus-Briefen und dem Paulus zugeschriebenen Hebräerbrief, sodann den
katholischen Briefen des Jakobus (1), Petrus (2), Johannes (3) und Judas (1); den
Schluß des Kanons bildet die Offenbarung des Johannes. Die
Biblia (Luther 1545): behielt diese Ordnung i. W. bei, stellte aber die
Briefe um: Paulus-Briefe, die zwei Petrus-Briefe, die drei Johannes-Briefe, der
Brief an die Hebräer, der Brief des Jakobus und der des Judas. Vgl. auch Anm. 12.
Im Gegensatz zu den vier Evangelien schwankten die Apostelschriften, und dabei v.
a. die katholischen Briefe, bei der Aufnahme in den neutestamentarischen Kanon in
Anzahl und Reihenfolge erheblich. Erst im 4./5. Jh. hatte sich der heute
gewöhnliche Apostolos weitgehend durchgesetzt, sodaß das NT die 27 Schriften
aufwies, die wir auch heute kennen. Allerdings treten noch bei Luther Vorbehalte
gegen den Hebräerbrief, die Briefe des Jakobus und Judas und gegen die Apokalypse
zutage. Auch führen etwa die griech. Handschriften und Textausgaben des NT die 7
katholischen Briefe vor den Paulus-Briefen an, zu denen auch der Hebräerbrief
gerechnet wird. Vgl.
RGG4 I, 1418ff.;
TRE VI, 30ff., 75.
20 Vordatiert. Die Datierung des Entwurfs zeigt, daß Hz.
August das Erscheinen seiner revidierten dt. Bibel tatsächlich für 1639 vorsah.
Dazu ist es nicht gekommen, vgl. K 0.
21 Verschlüsselte lat. Unterschrift des Verfassers. Die
Ziffern geben die Reihenfolge der lat. Wörter an, deren erste Buchstaben als
Anagramm Augusts Titel bezeichnen: Angularem Domino gratu
m
Dari Biblia en Lapidem, d. i. Augustus Dei gratia Dux Brunsvicensium et
Lunaeburgensium. Vgl. 1 Pet 2, 6: „Propter quod continet Scriptura: Ecce in Sion
lapidem summum angularem, electum, pretiosum: et qui crediderit in eum, non
confundetur.“ Vgl. ebd., 2, 4ff. Zum Bild des Ecksteins vgl. auch Hiob 38, 6; Ps
118, 22; Jes 28, 16; Jer 51, 26; Mt 21, 42; Apg 4, 11; Röm 9, 33; Eph 2, 20. In
einem Brief an Georg Calixt (s. K 2) vom 15. 8. 1639 dankte Hz. August für dessen
Glückwünsche zur Geburt seines (bald verstorbenen) jüngsten Sohnes Christoph
Franz: „Der Allmechtige der auß der Triangel [die Prinzen Rudolf August (FG 754),
Anton Ulrich (FG 716) u. Ferdinand
/Albrecht (FG 842)] ein quadratum vätterlich
vermehrend machen wollen, wolle die 4 ecksteine unserer Linien ferner feste und
beständig erhalt
en.“ HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl.
79r–80v, hier 79r; Abschrift in HAB: Cod. Guelf. 149.6 Extrav., Bl. 191r.