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380417 Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel an Johann Saubert d.Ä.
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Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel an Johann Saubert d. Ä.


Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) bestätigt den Erhalt eines Schreibens von Johann Saubert d. Ä. vom 6. 4. 1638. Besonders gern habe er diesem die fürsorgliche Mahnung entnommen, der Fürst möge sich (mit seiner Bibelrevision) nicht dem Streit der Zanksüchtigen aussetzen. Er, August, werde über Sauberts Vorschlag zur Erleichterung des Bibelprojekts nachdenken. Indessen werde es mit einem kritischen Kommentar der Luther-Bibel nicht getan sein, da deren Text durchgehend von August verändert (sprachlich überarbeitet) worden sei. Könne sich jemand anmaßen, seine Bibelrevision zu (ver)hindern? Er lasse doch Luther seine Übersetzung, lege nur eine eigene auf, dabei sich der Lutherschen Verdeutschung nach Bedarf bedienend. Viele Privatleute haben eben dies doch ungehindert getan! Mißliebige Formulierungen oder gar sein, Augusts, ganzes Bibelwerk können die Unwilligen ja ignorieren. In diesen kriegerischen Zeiten werde er sich mit der Edition seines Bibelwerks jedenfalls nicht übereilen. Seine Korrekturen am Luther-Text können ohne Zweifel noch verbessert werden, wie er selbst täglich immer wieder bemerke, und zu diesem Werk können alle Willigen gern beitragen. — Die Stellungnahme, die Saubert an Johann Matthaeus Meyfart in Erfurt gesandt habe, wünscht Hz. August zu lesen. Wenn Saubert ihm, Meyfart, gestatte, diese ihm zukommen zu lassen, werde er sie nach der Lektüre Meyfart wieder zurückschicken. Zum Versand biete sich die Leipziger Post an, die August die Sendung über Magdeburg zustellen könnte. Er wünscht Meyfart eine baldige Genesung und daß er der Kirche noch lange vorstehen könne. — In einem Nachsatz teilt Hz. August mit, er habe begonnen, nach Sauberts und Helwigs Anleitung die harten Ausdrücke der Verhärtung und Verstockung zu ändern. Auch habe er in den Psalmen aus den Uhus Frösche gemacht.

Beschreibung der Quelle


Q HAB: Cod. Guelf. 92.2 Extrav., Bl. 10r–11v [A u. Eingangsvermerk: 11v], 10v u. 11r leer; eigenh.; Siegel. — S. Sammler Fürst Gelehrter, Nr. 397.

Anschrift


A H. Joanni Sauberto Theologo Norimbergensium primario. Nurenberg
Am Rand der Eingangsvermerk von Sauberts H.: præsent. den 25. Aprilis.

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August hzbul

Unsern genaigten willen stets zuvorn.
Ehrwurdiger wolgelarter lieber besonder, wir haben sein angenehmes schreiben vom 6. Aprilis1 , wol erhalten. Auch die wolgemeinte vorsorge und erinnerung, daß wir unter die Zancksuchtigen nicht fallen möchten; sonderna gerne darauß vernommen.2 Es wird uns sein vorschlag, wie etwa dieses vorhaben, darauf man
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sich albereit spitzen soll, evitieret werden möchte, zum weiteren nachdencken anleitung geben.3 Demnach aber fast kein §, jah keine Linea ist, darinnen nicht etwas zu endern vorgefallen:4 sob wird sichs schwerlich mit den Paralipomenis oder Observationibus thun lassen. Und solten wol leuthe gefunden werden? diec macht hetten, zu inhibieren dergleichen versionem: da man Luthero seine Interpretation lässet; und selbsten eine andere aufsetzet: ob man gleich zun Zeiten seiner worte und arth sich gebrauchet. Habens doch viele privati ungehindert gethan. Was ihnen nicht dienet, die versionem Lutheri zum fonte machen und das Hebr. und Gr. pparieren wollen, wo nicht gar præponieren, das können sie jah vorbey schlagen: oderd die gantze systema ungelesen verbleiben lassen: In hac martiali tempestate, werden wir mit der Edition nicht eylen: und können noch viele interim hinzutragen: und correcta besser corrigieren: wie uns dan täglich noch viele vorkommte . Wir möchten seine gedancken, die er dem Meyfarto5 nachf Erfurdt gesandt woll lesen. Wan etwa von ihm der Meyfartus erlaubnuß erlangete, uns dieselbe wolverwahrlich recta anhero zu schicken; so wolten wir sie nach dem verlesen ihm von hinnen wieder zuschicken: doch alles zu seinem belieben gestellet. Gedachter Meyfartus konte es durch die leipzieger Postg über Magdeburg an uns schicken, wolversieglet, und die aufschrifft an uns gerichtet. Gott verhelffe ihm bald zu voriger gesundtheit, daß er Ecclesia noch lange mit nutzen vorstehen möge. Wir verbleiben ihm mit guten gnaden, stets woll beygethan und gewogen. Brunschwieg, den 17. Aprilis 1638.
    MP

Wir haben noch heute, nach seiner und des Helvici anleitung, die harten terminos der verhartung und verstockung6 an unterschiedenen örtern, moderiert: auch in Psalmis ex bubonibus ranas7 gemachet.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Lies: besonders
b
Eingefügt.
c
Folgt <dergleichen>
d
Folgt <gar>
e
Lies: vorkommen
f
Folgt <Augs>
g
Folgt <auf>

Kommentar

K Seit sich das Gerücht von der neuen Bibelübersetzung, deren Druck unmittelbar bevorstehe, im protestantischen Lager verbreitet hatte, sah Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) sich und sein Werk zunehmender Kritik ausgesetzt. Ohne deswegen zunächst auf die Veröffentlichung seiner Arbeit verzichten zu wollen, war er jedoch bereit, die Verbesserungsvorschläge wohlmeinender Theologen zu berücksichtigen und sich mit der Edition nicht zu übereilen, wie der vorliegende Brief zeigt.
1
HAB: BA (Bibliotheksarchiv) Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 732. Vgl. Anm. 3 u. 380320 K 1.
2
Johann Saubert d. Ä. (s. 380320 K 1) hatte in seinem Brief vom 6. 4. (s. Anm. 1) berichtet, er habe gerade heute „von einem vornehmen ort“ Schreiben — es bleibt unklar im Text, ob eines oder mehrere Schreiben gemeint sind — mit Berichten erhalten, es sei schon früher „durch Meißen vndt Sachsen das Geschrei erschollen, daß E. F. D. vorhabens, der Teutschen version Lutheri, eine andere Teutsche dolmetschung an die seiten zu setzen; darauff schon albereit etzliche an hohen orten die feder gespitzt. etc. werde also das werck, ohne öffentlichen widerstand, nit am tag ligen können.“ In Sorge, daß katholischerseits der zu befürchtende Disput befeuert und für eigene Zwecke ausgenutzt werden würde, trug Saubert dem Herzog ein modifiziertes Vorgehen an. S. Anm. 3.
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3
In Voraussicht drohender theologischer und konfessioneller Streitereien hatte Saubert in seinem Brief vom 6. 4. gefragt, „Ob es vielleicht, vmb viler erheblichen vrsachen willen, nit rathsamer [...] wann PARALIPOMENA versionis Germanicæ Biblior. oder OBSERVATIONES ad versionem Germanicam, daraus gemacht würden: da man in vnterschidlichen capitis oder articulis köndte sehen, e. g.
1 Die Klage vber mannichfaltigem vnfleiß deß nachdrucks, qvoad orthographiam,
2 wie solche mengel köndten verbeßert werden.
3 von der ordnung der heyligen Bücher,
4 von etlichen außgelaßnen stellen in der Teutschen version.
5 von etlichen locis, so den grundtsprachen nach, deutlicher können erklehret v. gegeben
werden; vndt so fort an.“
Saubert rückt damit zum ersten Mal in seinen (überlieferten) Briefen an Hz. August von der geplanten Veröffentlichung einer neuen revidierten dt. Bibel ab. Im vorliegenden Brief geht Hz. August wiederum auf Distanz zu diesem Vorschlag. In Sorge um die vorauszusehenden Streitigkeiten wiederholte Saubert später seine Einwände. In seinem Schreiben vom 21. 4. (a. a. O., Nr. 733) erinnerte er an den Fall des Franciscus Lucas, dem es seitens der Kurie verboten worden war, seine verbesserte lateinische Bibelversion im Druck herauszubringen. Er sei daher den weniger anfechtbaren Weg gegangen, einen besonderen Traktat mit seiner „revisio vndt relectio“ der Vulgata zu veröffentlichen, in dem die Korrekturen Stelle für Stelle angegeben werden. Ob das nicht ein Vorbild für Hz. August sein könnte? S. Franciscus Lucas: Romanae correctionis in latinis bibliis editionis vulgatae, iussu Sixti V. Pont. Max. recognitis, loca insigniora observatá (zuerst Antverpiae: Ioannes Moretus 1603: Officina Plantiniana). HAB: 1222. 20 Theol. In seinem Brief vom 29. 4. (a. a. O., Nr. 734) führte Saubert weitere Beispiele von Gottesgelehrten an, denen ihr Plan, eine gereinigte dt. Bibelversion vorzulegen, allerhand Mißhelligkeiten eingetragen habe — Paul Tarnow (1562–1633), dessen Neffe Johann Tarnow (1586–1629), Samuel Bohl (1611–1639), alle drei Professoren der Theologie an der U. Rostock, sowie der Wittenberger Theologie-Professor Wolfgang Franz (1564–1628) — oder die, wie der Leipziger (später Helmstedter) Professor für oriental. Sprachen, Johannes Baldovius (1602–1662), aus denselben Gründen ihre Ergebnisse zurückhielten. Umgehend bekundete Hz. August sein Interesse an den Tarnovii und Franz (s. Sauberts Brief vom 10. 5., a. a. O., Nr. 735). Baldovius wiederum wurde von Saubert nach Wolfenbüttel/ Helmstedt empfohlen. Er werde sich demnächst „per literas [bei Hz. August] anmelden“. (Saubert an Hz. August, 18. 5. 1638, a. a. O., Nr. 736; vgl. auch Hz. August an Georg Calixt, 17. 5. 1639, HAB: Cod. Guelf. 84.9 Extrav., Bl. 77r–78v, da er um Förderung des Baldovius in Helmstedt bittet). Über Saubert erklärte Baldovius seine Bereitschaft, das Alte Testament Wort für Wort durchzusehen und die Lutherbibel kritisch damit zu vergleichen, nachdem er von der negativen Aufnahme der Augusteischen Bibel-„observationes“ bei etlichen Leipziger Professoren erfahren habe und von Saubert nochmals über „den löblichen scopum derselben“ unterrichtet worden sei (Saubert an Hz. August, 1. 6. 1638, a. a. O., Nr. 737). Am 19. 6. zeigt sich Saubert alarmiert, daß „in bewuster vffrichtiger handlung“ mit „Krieg“ auch von Glaubensgenossen zu rechnen sei (a. a. O., Nr. 738). In einem Brief des gleichen Datums rechtfertigte Hz. August noch einmal sein Vorhaben, mit dem er keineswegs den Luthertext manipulieren, sondern eine neue Übersetzung vorlegen werde: „Soll es Gott zugeben, daß dieses unser vorhabendes werck seine perfection erreichet, so wirdt es verhoffentlich noch vielen nutzen. Lutheri versio kan doch bleiben, und gelesen werden von dehnen, die ihrer gewohnet. Dan unsere versio, nicht mutata vel innovata Lutheri, sed planè nova seyn wirdt: Wiewoll wir seine worth da sie sich schicken wollen, behalten: und nicht des Piscatoris, Dietenbergers, Emsers oder der alten teutschen Interpretum worten gefolget haben.“ Er kündigt sogar an, Saubert demnächst erneut eine (überarbeitete) Vorrede zu seinem Bibelwerk (vgl. 380320 I) zuzusenden. (Hz. August an Saubert, 19. 6. 1638; HAB: Cod. Guelf. 92.2 Ex-
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trav., Bl. 12r–13v). Gemeint sind 1. die Herborner Bibel des reformierten Theologen Johann Piscator (1546–1625) [s. Biblia (Piscator), vgl. Heimo Reinitzer: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Wolfenbüttel 1983 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 40), Nr. 163]; 2. die erstmals 1534 in Mainz erschienene Bibelübersetzung des Dominikaners Johannes Dietenberger (1475–1537) [s. Reinitzer: Biblia deutsch, Nr. 117]; 3. die erstmals 1527 erschienene Übersetzung des Neuen Testaments durch den katholischen Kontroverstheologen Hieronymus Emser (1478–1527) [Reinitzer: Biblia deutsch, Nr. 111 u. Christian Heitzmann: Ganze Bücher von Geschichten. Bibeln aus Niedersachsen. Wolfenbüttel 2003 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 81), Nr. 36]. Vgl. die Art. „Bibelübersetzungen“ in REThK (1896) III, 1–179, hier 79f.; RGG4 I, 1500; TRE VI, 242; Uwe Köster: Studien zu den katholischen deutschen Bibelübersetzungen im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Münster 1995 (ausführlich zu Emser und Dietenberger). Zu den älteren, vorlutherischen dt. Bibelübersetzungen vgl. REThK (1896) III, 59ff.; TRE VI, 228ff.; Reinitzer: Biblia deutsch, 64ff. In seinem Antwortbrief an Hz. August vom 5. 7. 1638 wünscht Saubert Gottes Beistand, „damitt vorhabendes heyliges werck [...] endlich seine perfection erreiche.“ In der Verfolgung des gleichen Zieles treibe ihn, Saubert, seit Jahren der Plan um, eine in den Grundsprachen Hebräisch, Griechisch, Lateinisch und Deutsch interlinear eingerichtete Bibel zu veröffentlichen, die es sogar dem in den Ursprachen Unkundigen gestatte, auf das biblische „fundament selbst“ zurückzugehen. Indirekt scheint Saubert erneut eine vorsichtige Warnung an den „Laien“ Hz. August auszusprechen, indem er theologischen Sachverstand und enge philologische Kooperation mehrerer Bibelkundler bei einem solchen Vorhaben für nötig hält, in welch letzterem „biß dato die Jesuiten einen großen vortheil gehabt“. A. a. O., Nr. 739. Damit bricht, soweit ersichtlich, der Briefwechsel zw. Saubert und Hz. August bzw. dessen Überlieferung in der HAB ab, um sich erst in den 40er Jahren fortzusetzen. Vgl. a. a. O., Nr. 740–744 (5 Briefe Sauberts an Hz. August, 1643–1646); Cod. Guelf. 102.1 Novi, Bl. 1r–2v (Brief Sauberts an Hz. August, 1641) u. Cod. Guelf. 6 Noviss. 2°, Bl. 64r–72v (7 Briefe Sauberts an Hz. August, 1642–46).
4
Vgl. Hz. Augusts Bibel-Handexemplar, in das er seine zahllosen Änderungen und Bemerkungen vom 1. 1. 1635 bis zum 1. 2. 1638 eintrug: BIBLIA. Das ist: Die gantze heilige Schrifft Deutsch/ D. Mart. Luth. (Lüneburg: Johann u. Heinrich Stern 1634). HAB: 519. 4. 1 Theol. 2°. Zit. in 380320 K 0.
5
Johann Matthäus Meyfart (1590–1642), profilierter Vertreter der lutherischen Reformorthodoxie, hatte 1616 gemeinsam mit Johann Saubert d. Ä. (1592–1646, vgl. 380320 K 1) in Jena, u. a. bei Johann Gerhard (1582–1637), studiert, bevor er noch im selben Jahr als Lehrer der Theologie an das junge Reforminstitut des Gymnasium Casimirianum zu Coburg wechselte. Die Freundschaft zwischen Meyfart und Saubert hatte bis zum Tode Meyfarts Bestand. Seit Juli 1633 wirkte Meyfart als Professor und Dekan an der 1632 unter Kg. Gustav II. Adolf v. Schweden neu gegründeten evang.-lutherischen theologischen Fakultät, seit Herbst 1634 als Rektor der U. Erfurt. Als die Schweden die Stadt verließen und diese im September 1635 zwischenzeitlich wieder kurmainzisch wurde (vgl. 380125A K 8), wechselte er als Gemeindepfarrer an die Predigerkirche, da die Universität dem evangelischen Theologen kein Auskommen mehr bot. Zugleich wurde er zum Senior des evangelischen Ministeriums (alle evangel. Geistlichen) der Stadt gewählt, welches Amt er bis zu seinem Tode ausfüllte. Befreundet mit Reformpädagogen wie Wolfgang Ratke und Andreas Reyher, verfaßte Meyfart die erste deutschsprachige Rhetorik (Teutsche Rhetorica oder Redekunst, Coburg 1634, Ndr. hg. Erich Trunz Tübingen 1977), die die Kunstfähigkeit der dt. Sprache nicht nur propagierte, sondern lehrte und anschaulich demonstrierte, die zudem die Sprache Luthers immer wieder in ihrer rhetorischen Prägekraft herbeizog und — bei allen anderen Funktionen einer gelungenen Rede (efficacia, persuasio, occupatio usw.) — dem Stilideal der Klarheit (claritas) anhing.
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Belobigung hatte Meyfart auch bereits von Hz. August d. J. erfahren im Hinblick auf seine Christliche Erinnerung von der auß den Evangelischen Hohen Schulen in Teutschland ... entwichenen Ordnungen und Erbaren Sitten (Erfurt/ Schleusingen: 1636), ein Werk, das sich zu einer scharfzüngigen allgemeinen Sozial- und Kulturkritik auswuchs. Desgleichen hatte Hz. Ernst I. („der Fromme“) v. Sachsen-Gotha (FG 19) bei Meyfart um Mitarbeit in seinem großangelegten Projekt einer umfassend und verständlich kommentierten lutherischen Volksbibel nachgesucht. Wegen Überarbeitung und Krankheit hatte Meyfart aber im Dezember 1636 seine Kooperation an diesem sog. Weimarer oder Jenaer Bibelwerk absagen müssen, das erstmals 1641 in Nürnberg erscheinen sollte. Vgl. dazu 380320 K 1. Erschöpfung, Auszehrung und Melancholie hatten Meyfart schon lange, besonders heftig seit 1635 zugesetzt, als eine starke, sich bis 1640 hinziehende Pestepidemie Erfurt heimsuchte und ihm auch seine erste Frau (†1635) und alle Kinder bis auf eine Tochter entriß. Sein eigener Gesundheitszustand verschlimmerte sich seit 1640 und ließ keine Erholung mehr zu. Er starb am 26. 1. 1642. — Im vorliegenden Brief scheint Hz. August einer Fehlinformation zu folgen: Saubert weiß in seinem Antwortbrief vom 29. 4. (s. Anm. 3) von keiner Sendung an Meyfart; er habe ihm seit einiger Zeit nicht geschrieben, abgesehen von einer Empfehlung für Exulanten, die Meyfart neulich zugegangen sei. Vgl. zu Meyfart 340421 K 3; REThK (1896) XIII, 44ff.; Richard Bärwinkel: Joh. Matth. Meyfart, Rektor der Universität und Senior des evangel. Ministeriums zu Erfurt, Dichter des Liedes „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“. Erfurt 1896; ders.: Johann Matthäus Meyfart, Rector magnificus und Senior ministerii zu Erfurt, ein Vorläufer Speners und ein Freund der Union. In: R. B.: Solemnia, Memoriae beati Joannis Henrici de Gerstenberg dicata, quae feriis tertiis Jesu Christi nati anno MDCCCIC die XXVII. Decembris hora 11½ antemeridiana in Seminarii Regii aedibus ... invitat (Erfurt 1899), 5–15; Dieter Breuer: Endzeitliche Ausblicke ins Himmlische Jerusalem bei J. M. Meyfart, Angelus Silesius und Martin von Cochem. In: Morgen-Glantz 10 (2000), 67–94; Christian Hallier: Johann Matthaeus Meyfart. Ein Schriftsteller, Pädagoge und Theologe des 17. Jahrhunderts. [1928–30]. Mit einem Vorwort hg. Erich Trunz. Neumünster 1982, insbes. 74ff.; Oliver Pfefferkorn: Imagination der ewigen Herrlichkeit. J. M. Meyfart und sein Buch Vom himmlischen Jerusalem. In: Euphorion 97 (2003), 379–403; Johann Anselm Steiger: Rhetorica sacra seu biblica. J. M. Meyfart (1590–1642) und die Defizite der heutigen rhetorischen Homiletik. In: Zs. f. Theologie u. Kirche 92 (1995), 517–558, insbes. 540f. u. 555; Erich Trunz: Johann Matthäus Meyfart. Theologe und Schriftsteller in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. München 1987, 23f, 49ff., 60ff., 70f. u. 245ff., insbes. 252; Dieter Wölfel: Die Krankheit von Johann Matthäus Meyfart. In: Zs. f. bayerische Kirchengeschichte 52 (1983), 53–59.
6
Am 31. 3. 1638 hatte Johann Saubert d. Ä. (s. Anm. 2 u. 3) Hz. August nicht nur einen Rat hinsichtlich seines Entwurfs einer Vorrede zu geplanten Ausgabe einer revidierten dt. Bibel erteilt, sondern in 10 „Quaestiones“ allerhand eigene Überlegungen und kritische Korrekturen zum deutschen Bibeltext vorgestellt. Auch in der Quaestio secunda plädierte er für eine getreue Wiedergabe des hebräischen Urtextes. In 2 Mo 4, 21 habe Luther übersetzt: „ich will sein hertz verstocken.“ S. Biblia (Luther 1545), S. 129. Stattdessen aber wäre „Rectius: ich will sein hertz verstocken laßen, oder verstockt werden laßen.“ In 2 Mo 8, 32 habe Luther selbst besser übersetzt: „Pharao verhärtet sein hertz auch daßelbe mahl.“ S. Biblia (Luther 1545), S. 136. Saubert führt etliche weitere Stellen an, wir nennen hier nur seinen Übersetzungsvorschlag zu 2 Mo 7, 13 u. 22 u. a.: „Das hertz pharao machte sich hart: oder verstockte sich: COR ROBORAVIT SE. Es solte heißen Ex. 8 v. 15: Er hatt sein hertz verstockt: INGRAVAVIT COR SUUM. Es solte heißen, Deut. 2. v. 30. Der herr dein Gott ließ seinen muth erharten vndt sein hertz verstockt werden.“ HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 731, hier Bl. 2r ff. Vgl. dazu Biblia (Luther 1545): „Also ward das hertz pharao verstockt“ (S. 133: 2 Mo 7, 13); „Also ward das hertz Pharao verstockt“ (S. 134: 2 Mo 7, 22); „ward sein hertz verhertet“ (S. 135: 2 Mo
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8, 15); „Denn der HERR dein Gott verhertet seinen mut vnd verstockt jm sein hertz“ (S. 339: 5. Mo 2, 30). — Wenn unter des „Helvici anleitung“ nicht die grammatischen Arbeiten des Hebraisten und einstigen Ratke-Mitarbeiters Christoph Helwig (1581–1617; vgl. 321201 K 9 u. 350312 K 3) zu verstehen sind (vgl. etwa den Sammelbd. in der HAB: 28. Gram.), dann dürfte hier gemeint sein: Chr. H.: Vindicatio locorum potissimorum u. t. à corruptelis pontificiorum, et in his praecipuè Bellarmini, Calvinianorum, Photinianorum, Judaeorum etc. (Gissae 1620: Caspar Chemlin). HAB: 751.29 Theol. (1) oder ders.: Tractatvs Historicvus et Theologicus, De Chaldaicis Bibliorum Paraphrasibus, Earum Origine, Numero, Autoribus, Antiqvitate, Differentiis, Autoritate, & insigni Usu in controversiis Theologicis, ac Scripturae interpretationibus/ Conscriptus (Giessae: 1612: Chemlinus). HAB: 321. 100 Theol. (10).
7
Johann Saubert d. Ä. (s. Anm. 2 u. 3) hatte in seinem Brief vom 31. 3. 1638 in der siebten „Quaestio“ (s. Anm. 6) ein weiteres Mal auf Unstimmigkeiten in der Übersetzung der Bibel ins Deutsche durch Luther hingewiesen: „Woher der vnterscheid in der Teutschen dolmetschung komme, daß das einige wörtlein עִ י ם צְ פַ רְ דְּ cap. 8 Exodi, durch und durch bedeuten solle die frösche, vndt doch in erzehlung ejusdem historiæ psal. 78. v. 45 vnd psal. 105 v. 30. das wort krötten, gesetzt werde? Da er Krötten vnter sie schickte, die sie verderbten etc. Jhr land wimmelte Krötten heraus etc. villeicht were es beßer, eandem eorundem interpretationem retinere. Im Buch der Weißheit wirdts auch gegeben, Frösche; cap. 19 v. 11.“ HAB: BA Hz. August Briefe, Kasten II.8, Nr. 731, hier Bl. 4r. Vgl. Biblia (Luther 1545): „so wil ich alle deine Grentze mit Fröschen plagen“ usw. (S. 134ff.: 2 Mo 8, hier V. 2); „Da er Vnzifer vnter sie schickt/ die sie frassen/ Vnd Kröten die sie verderbeten.“ (S. 1034: Ps 78, 45); „Jr Land wimmelte Kröten er aus“ (S. 1057: Ps 105, 30); „Wie [...] das Wasser an stat der Fische/ Frösche die menge gab.“ (S. 1730: Wh 19, 10. Apokryph). Reinitzer verwies zu dieser Stelle in Unkenntnis des zitierten Saubert-Briefes auf Ps 48, 44ff. in Hz. Augusts Lüneburger Handbibel (s. Anm. 4), wo der Fürst in der Tat das Wort Kröten durch das Wort Frösche ersetzt hatte. S. Heimo Reinitzer: Auch in Psalmis ex Bubonis ranas gemachet. Herzog August d. J. von Braunschweig und Lüneburg und seine Revision der Lutherbibel. In: Was Dolmetschen fur Kunst und Erbeit sey. Beiträge zur Geschichte der deutschen Bibelübersetzung. Hg. H. R. Hamburg 1982 (Vestigia Bibliae, 4), 42–69, hier S. 67 Anm. 17. Daß Hz. August aus den Kröten „Uhus“ (latein. Bubones) machte, mag ein Scherz oder eine literarische Anspielung gewesen sein. Allerdings scheint der Ausdruck aus keiner antiken oder biblischen Quelle zu stammen. Vielleicht wollte der Herzog nur mit leiser Ironie andeuten, daß es Saubert an diesem Punkt ein wenig zu genau nehme.

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