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380608 Martin Opitz an Georg Rodolf Weckherlin
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Martin Opitz an Georg Rodolf Weckherlin


Infolge eines Hinweises von Bartholomäus Nigrinus und dank der allseits gelobten Freundlichkeit Georg Rodolf Weckherlins könne er, Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200), in Kontakt mit ihm treten und seine Liebe und Freundschaft erlangen. Möge
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Weckherlin, mit Gelehrsamkeit, Tugend und Klugheit geziert, doch weiterhin Gottes Gnade und die Gunst des Königs genießen und seine Einstellung zu Opitz bewahren. — Opitz verspricht Weckherlin Respekt und Verehrung und schickt als Unterpfand seine deutsche Dichtung auf den Psalter. Opitz habe sie dank der ihm vom polnischen König gewährten Muße 1637 herausbringen konnen. Weckherlin habe das Schreiben seiner einst so geglückten Verse Größerem geopfert. — Opitz sitzt an der Dacia antiqua, seinem durch eigene und fremde Umstände aufgehaltenen Werk. — Nigrinus könne über Politisches berichten, so daß Opitz Weckherlin jetzt nicht mit solchen Erörterungen stören müsse. Gern werde er in Zukunft ausführlicher schreiben, sobald er wisse, daß es Weckherlin wolle.

Beschreibung der Quelle


Q BL London: Ms. Add. 72439, Vol. 198, Bl. 55r; eigenh. Auf derselben Seite Konzept der Antwort Weckherlins vom 5. 7. 1638 (Opitz-Brieferepertorium, Nr. 244). Bl. 55v leer bis auf archivalische Notiz von unbek. H. „Misc. XX 6“. — Aus dem Familienarchiv Lord Downshire, England: Trumbull Papers, Miscellaneous Correspondence, vol. XX, No. 6.Veröffentlichtv. Leonard Forster: Dichterbriefe aus dem Barock. In: Euphorion 47 (1953), 390–411, hier S. 408. Bibliographisch erfaßtvon Szyrocki (1956), 207; Opitz-Brieferepertorium, Nr. 241; Bürger, S. 1123 Nr. 225.

Anschrift


A Fehlt.

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S. P. Nobilißime Vir,
  Quod optare vix poteram, amore tuo ac amicitia frui; id, indicio Nigrini1 nostri, vltro mihi contigit beneficio humanitatis tuae, quam ab omnibus paßim depraedicari semper audiui. Deus te sua Regisque2 maximi gratia florentem, tibi hanc erga me mentem seruet, eo magis expetendama , quo maioribus doctrinae, virtutum ac prudentiae dotibusb ornatus es. Ego tibi honorem ac cultum meritis tuis debitum vt fide polliceor optima: ita pignus illius Psalmorum3 sacrorum libellos nunc mitto, nostrae linguae versibus, quibus tam felix et olim fuisti, et non cesses nisi vacares maioribus,4 per hoc otium, Regis mei5 clementia mihi conceßum, anno superiori redditos. Deinceps Daciam Antiquam6 molior, promißum diu opus, sed quod temporum meusque status sufflaminauit. De publicis forte Nigrinus: et ego incommodac publica interpellatione longiori peccare nolo7 , libenter et accurate imposterum scripturus, vbi id te non nolle resciuero.8
Vale vir magne, et me ama. Gedani a. d. VIII m. Junii, An. M DC XXXVIII.
  Nobilissimi nominis tuid cultor

  Mart. Opitius Regis Pol.
  Sueciaeque a Secretis.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Forster expetendum
b
Von Forster ausgelassen.
c
Beim Zeilenwechsel ohne Bindestrich in commoda, von Forster nicht ergänzt.
d
Es folgt das Konzept v. 380705, unterteilt durch die Unterschrift v. 380608.

Kommentar

K
1
Bartholomäus Nigrinus (Brieg 1595 – b. Frankfurt a. d. O. 1646), ehedem Feldprediger des Grafen Gerhard Dönhoff, dann Prediger an der Danziger reformierten St. Peter (und Pauls)-Kirche und kgl.-polnischer Agent. Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200) wohnte bei ihm in Danzig und arbeitete als kgl. Sekretär mit ihm im Auftrag Kg. Wladislaws IV. Sigismund eng zusammen, vor allem in dem der Nachrichtenbeschaffung dienenden Schriftwechsel mit ausländischen Politikern, Militärs und Gelehrten. Vgl. Szy-
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rocki: Opitz (1956),
118; Polskie Archiwum Biograficzne I (München 1997ff.); Polska Akademia Nauk: Polski slownik biograficzny. Kraków et al. 1935–91, T. 1–33/1. In Opitz’ Fall betrifft dies vor allem den schwedischen Kanzler und Kriegsdirektor in Deutschland, Friherre (Greve) Axel Oxenstierna (FG 232), den schwedischen Feldmarschall Johan Banér (FG 222), den Juristen, Theologen, Philologen, Dichter und schwedischen Residenten in Paris, Hugo Grotius, und schließlich auch Georg Rodolf Weckherlin (1584–1653), den Dichter und kgl.-englischen Sekretär. Der vorliegende Brief und Weckherlins Antwort vom 5. 7. 1638 (s. Q) umgehen allerdings die politische Thematik und überlassen sie einstweilen dem Agenten Nigrinus. Nicht so im zweiten und letzten erhaltenen Brief von Opitz an Weckherlin vom 4. 10. 1638 (Opitz-Brieferepertorium, Nr. 252). Aus der Korrespondenz zwischen Opitz und Weckherlin ist sonst nur noch erhalten der Brief Weckherlins an Opitz v. 5. 7. 1638 (s. Q). Zu Opitz’ Übersiedlung nach Danzig, zur Erlangung der Sekretärsstelle (und zur Ernennung zum kgl.-polnischen Historiographen) s. Bernhard Wilhelm Nüßlers Brief an Augustus Buchner (FG 362) v. 21. 6. 1636 in Buchner (1720), 731–734, und Opitz’ eigene Schreiben an Buchner v. 27. 4. 1636 und 24. 7. 1637 (Opitz-Brieferepertorium, Nr. 220 bzw. 229) und an Christian Cunrad v. 22. 8. 1636 (Opitz-Brieferepertorium, Nr. 223). Vordem Lutheraner, wurde Nigrinus reformiert, verließ 1641 Danzig, konvertierte 1644 zum römisch-katholischen Glauben und trat für die Versöhnung der drei christlichen Konfessionen ein. Er soll Kg. Wladislaw IV. Sigismund v. Polen als erster zum Thorner Collegium charitativum (1645; vgl. 330920 K 3) geraten haben. S. Christoph Hartknoch: Preussische Kirchen-Historia/ Darinnen Von Einführung der Christlichen Religion in diese Lande/ wie auch von der Conservation, Fortpflantzung/ Reformation und dem heutigen Zustande derselben ausführlich gehandelt wird (Franckfurt am Mayn und Leipzig/ Jn Verlegung Simon Beckenstein/ Buchhändler in Danzig 1686), 824. (HAB: Tp 185). Vgl. Eduard Schnaase: Geschichte der evangelischen Kirche Danzigs actenmäßig dargestellt. Danzig 1863, 580. Zu Opitz’ Verhältnis zu Nigrinus vgl. Opitz: Silvae, 116: AD BARTH. NIGRINVM, de primo hominis statu disputantem. (Inc. „NI pudor est nobis, proprium exprobare [exprobrare] reatum, [...]“).
2
Kg. Karl I. v. England (u. Kg. v. Schottland). Georg Rodolf Weckherlin war dessen Berater und Sekretär für die lateinische diplomatische Korrespondenz, im englischen Bürgerkrieg seit 1644 parlamentarischer Unterstaatssekretär und Vorläufer John Miltons in diesem Amt.
3
Die Psalmen Davids Nach den Frantzösischen Weisen gesetzt. Durch Martin Opitzen (Dantzigk: Andreas Hünefeldt 1637); 8°, mit Noten. S. 371030 K 4. Obgleich Opitz auf das Erscheinungsjahr dieser ersten Ausgabe hinweist, bleibt es denkbar, daß er Weckherlin die verbesserte zweite Ausgabe seiner Psalmlieder gesandt hat: Die Psalmen Davids Nach den Frantzösischen Weisen gesetzt. Durch Martin Opitzen. Jetzo auffs new übersehen vnd verbessert (Dantzigk: Andreas Hünefeldt 1638); 12°, mit Noten. Vgl. 380606 K 4.
4
Obwohl in englischen Diensten tätig, hat der gebürtige Schwabe Weckherlin, einer der wegbereitenden deutschen Dichter schon vor Opitz, seine poetischen Ambitionen im Deutschen später nicht aufgegeben. Weckherlin benutzte Opitz’ Dichtung in seinen eigenen, 1641 und 1648 in seinen Gedichtsammlungen veröffentlichten Psalmgedichten. S. 380828 K I 52. Vgl. schon Opitz-Brieferepertorium, Nr. 244 (Weckherlin an Opitz, 5. 7. 1638, s. o.).
5
Kg. Wladislaw IV. Sigismund v. Polen (1595–1648, reg. 1632–1648), dem Opitz als kgl. Historiograph, Sekretär und Diplomat diente.
6
Opitz‘ Dacia antiqua sollte nie erscheinen, das bereits erstellte Manuskript nach seinem Tode verloren gehen. Vgl. 250700 K 36, 260617 K 13 u. ö.
7
Hor. ep. 2, 1, 3f.: „in publica commoda peccem, Si longo sermone morer tua tempora Caesar.“
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Forster (s. Q), 411 glaubt, gestützt auf Opitz’ zweiten Brief an Weckherlin vom 4. 10. 1638 (s. Anm. 1), wohl zurecht: „Natürlich schreibt Opitz seine politischen Nachrichten an Stelle von Nigrinus, der nicht schreiben kann: doch kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß er von Anfang an vielmehr eine politische als eine literarische Korrespondenz ins Auge gefaßt hatte.“ Demnach müßten wir in dem Satz des vorliegenden Schreibens nicht Opitz’ Verzicht auf politische Korrespondenz, sondern sein Abtasten des Briefpartners auf die Möglichkeit eines Briefverkehrs in publicis hervorheben. Eine Spur von polnischen diplomatischen Bemühungen findet sich in einem Report Weckherlins vom 26. 11. 1638 (Georg Rudolf Weckherlins Gedichte. Hg. Hermann Fischer. 3 Bde. Tübingen 1894–1907. Bibliothek d. Literar. Ver. in Stuttgart 199, 200 u. 245; Ndr. Darmstadt 1968. III, 104f.): Der polnische Botschafter, nachdem er zwei Monate lang vergeblich Audienz beim englischen König gesucht hatte, segelte am 31. 10. 1638 a. St. nach Holland. „But how hee will bee received and used by the Queene of Bohemia and the Princesse her daughter we do not as yet know. I know that he hath letters to them both from his King. As for the States there is no doubt but he will be well received, and indeed he is a very brave, honest, and godly man (a good Protestant), this Ambassage beeing put upon him (as it seemeth) expressly by the Clergie who knew that his May had received wrong that King and them and good reason to resent it.“

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