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381028 Widmung Wilhelms von Kalcheim gen. Lohausen an Herzog Adolph Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin
[Inhaltsverzeichnis]
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381028

Widmung Wilhelm von Kalcheims gen. Lohausen an Herzog Adolph Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin


Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172. Der Feste) widmet Hz. Adolph Friedrich I. v. Mecklenburg-Schwerin (FG 175) handschriftlich seine Übersetzung von Virgilio Malvezzis Davide perseguitato.

Beschreibung der Quelle


Q Schreiberhand mit eigenh. Kurialien u. Unterschrift, 2. Vorsatzblatt recto bis 3. Vorsatzblatt recto in folgendem Exemplar des Druckes: Virgilio Malvezzi Marchese di Castel Guelfo: Davide perseguitato, dt. v. Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172):
[Holzschnittrahmen] Der | Verfolgte | David/ | Auß | Jtalianischem/ Herrn | Marggraffen Virgilio | Malvezzi, | Teutsch vbergesetzt | Durch | Wilhelm von Kalcheim/ ge- | nant Lohausen/ Obristen- Feld- | Wachtmeister/ vnd zur Zeit Ober- | gebietigern, in | Rostock. | Gedruckt daselbst/ Durch Michael | Meder/ Jn verlegung Johann | Hallervorts. | [Linie] | 1638.
UB Rostock: Fm 3090. Zit. als David 1638. — Vgl. E. v. Schaumburg: General Wilhelm von Calckum genannt Lohausen, ein Bergischer Kriegsmann. In: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 3 (1866), 1–223, hier S. 81. Dort heißt es, daß Kalcheim seinem damaligen Landesherrn Hz. Adolph Friedrich (FG 175) unter o. g. Datum („28. Octobris Ao 1638“) handschriftlich ein Exemplar seines Buches gewidmet habe. Schaumburg lag das gen. Exemplar der UB Rostock vor; das Druckmanuskript (s. Beilage IV Q) fand er „auf der Herzogl. Bibliothek zu Köthen“, ebd. S. 219f. Anm. 4.
Identische Kollation (8°, [12] Bl., 263 S., [19] Bl.) bei folgenden Drucken:
HAB: Theol. 1164.93 (s. Beilagen I Q u. II Q); HAB: C 77 Helmst. 8°; ULB Halle: AB 42 1/i, 13 (2). Vgl. auch UB Kiel: Ca 2985.
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Text


Dem Durchlauchtigen Hochwür-
digen Hochgebornen Fürsten
vnd Herrn Herrn Adolph Fri-
drichen, Hertzogen zu Mech-
lenburg, Fürsten zu wenden,
Administratorn deß Stiffts,
vnd Grafen zu Schwe-
rin, der Lande Rostoch
vnd Stargard Herren,
meinem gnadigen
Fürsten vnd
Herren


Durchlauchtiger, Hochwürdiger, Hochgeborner gnädiger Fürst vnd Herr, Ewer Fürstl. Gnaden dieß geringfügigß Büchlein1 in Vnterthänigkeit zuzueignen vnd zuüberreichen, veranlaßet mich Efgn. Gn. Nachfrage, So Sie, alß dero Jch lezteß mahl Persönlich auffwartete, gnädig darnach thäte.
  Eß hätte zwarden2 diese Vnterthänige Zueig-[2v]nungß Schrifft dem Büchlein, Wie Bräuchlich, vorgetrücket werden sollen, vnd wollen: Weilen es aber, ohne daßa es Viel Politische lehren begreifft, schlechtb , E fg. hochFürstlichem Nahmen zue gering, Jch auch mehrerß nicht, dann die Dolmetschung darbej gebracht, alß bin, wenigen ermeßenß, nicht vnbillich angestanden, vnd habs hiermit in Vnterthäniger gebühr Gehorsamblich verrichten wollen:
  Demüetigst bittend, Ewer Fürst. Gnd. es also Gnädig auff- vnnd annehmen wollen; Wie in Vnterthänig gehorsamer Neygung Ewer Fürst. Gnaden von Meiner wenigkeit eß zugeschrieben wirdt, [3r] Mein Gnädiger Fürst vnnd Herr, vnd hingegen in gnaden wieder versichert zu sein, daß Jch bin, vnnd vnueränderlich verbleibe

  c Ewer Furstlichen Gnaden vnterthanig Getrew vndt Gehorsamer
  Wilhelm von Lohausen mp.
  Auß Rostoch den 28. Octobris Ao. 1638.

I

Widmung Kalcheims an Herzog August d. J. von Braunschweig-
Wolfenbüttel

Beschreibung der Quelle


Q David 1638 (s. oben Q); hier benutztes Ex. HAB: Theol. 1164.93;1. Vorsatzblatt recto, eigenh.

Text


  Jhrer Furstlichen Gnaden

Jhrer Furstlichen Gnaden Augustus Hertzogen zu Braunschweig vnd Lü-
nenburg etc. Seinem Gnadigen furst vndt Herrn, vberschickt in vnterthe-
niger Demuht, dis geringfüegige Büchlein1 , Der Vber setzer, vndt
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  Jhrer Furstlichen Gnaden
  Vntherthäniger Knecht
  Wilhelm von Lohausenmp
Auß Rostock den 25 Brachmonats 1639

II

Wilhelm von Kalcheim gen. Lohausen an den Leser seines Buches

Beschreibung der Quelle


Q David 1638 (s. Beilage I Q), Bl. )( ij r – )( )( iij r. [Handschrift: [Bl. 00007]]

In der Bibliothek F. Ludwigs waren im Jahre 1650 erhalten (s. Conermann: Nachlaßinventar, 79)
IP, 311r: CCLXX Virgilio Malvezzi persecutio Davidis, d. i. Virgilii Malvezzi Marchionis
  Persecvtio Davidis Politice tractata: nunc Latinitate danata. – Lvgd. Batav. Apud
  Ivstvm Livivm, [o. J.; vor 1650]. — Ex. FB Gotha: Phil 8 º 00285a/02 (01); 8º (12º);
  Kupfertitel; [4] Bl., 136 S., [11] Bl.
IP, 327r: No. 165 Davide Perseguitato de Malvezzi in Venitia 1634, d. i. Davide Persegui-
  tato del Marchese Virgilio Malvezzi. Venezia: Sarzina 1634. Ex. LB Detmold (3. Tl.
  der -opere). Vgl. Beilage III Q (Neuedition der Ausgabe von 1634 mit Druckort Mi-
  lano).
IP, 329r: Zwei Exemplare Der verfolgte Davidt. Dabei handelt es sich aller Wahrschein-
  lichkeit nach um die Ausgabe von 1643, s. IP, 334r.
IP, 330r: Der verfolgete Daviedt verdeutzscht von Obr. Lohaußen Rostock 1638; wahr-
  scheinlich besaß F. Ludwig nur dieses Exemplar der Kalcheimschen Übertragung, s.
  Q bzw. Beilage I Q
IP, 334r: Der verfolgte David, wehren Hundert undt Sechzig Exemplaria anfangs gewesen
  davon Sechß und vierzieg außgeben, inhalts Rechnung
; die von F. Ludwig und Diede-
  rich v. dem Werder (FG 31) bearbeitete Ausgabe von 1643, s. Beilage III Q.

Vgl. zum Buchbesitz F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51):
 Catalogus secundus, Nr. „16. Der gecronte David Malwetzij“ [Verwechslung der Malvezzi-Übersetzung mit dem verdeutschten Auszug F. Ludwigs aus Pietro Martire Vermigli: In dvos libros Samvelis prophetae qvi vvlgo priores libri regvm appellantur .... Commentarii (Tiguri 1567), bzw. ders.: Melachim id est, regvm libri dvo posteriores cum Commentarijs (Tiguri 1571); s. IP, 342v]; Catalogus secundus, Nr. „50. Der Verfolgte David, Virgil. Malvezzi.“
Wenigstens die Köthener Neuauflage von Kalcheims Der Verfolgete David (1643) könnte in Christians Sammlung gewesen sein. Vgl. Kat. Dessau BB, Nr. 3382 u. 25290.

Text


V O R - R E D E.

GNädigst-Gnädig-Hoch-viel-geehrt vnd geliebter Leser/ zu Zeiten habe in vnterschiedlich- hochansehnlich- auch Fürstlichen Zusammenkunfften/ bey fürfallendem Gespräch/ vmb dessen Vermehrung/ Jch diesen Wiedermeynungssatz (Paradoxum)1 auff die Bahn gebracht/ daß ich wünschete/ daß keine mehrere Bücher ausser der H. Schrifft/ Seneca vnd Epictetus, vorhanden wehren. Wann dann/ nach mit verwunderung angehöretem Vorbringen gefraget wurde/ [Handschrift: [)( ij v]] warumb doch ich/ den man noch für ein Liebhaber der Bücher halte/ ein solch vngereimbts fürstellete. Gab ich zur Antwort/ die Vrsach sol-
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cher Vorstellung wehre/ weilen/ besag des Prediger Salomons/ in seines letzten Capitels. 12. vers. viel Bücher machens kein Ende: Dero menge auch grosse Vnruhe vnd Widerwertigkeit/ in Geist- vnd weltlichen Dingen anrichtete/ auch also/ daß gute Bücher sehr mißbrauchet/ vnd was zu nutzbahrem Ende/ von etlichen wolmeindlich hinterlassen/ von vielen zum Beyspiel vnd Politischen Lehrsätzen/ in ärgestem gezogen/ vnd gebrauchet werden wollen: [Handschrift: [)( iij r]] Wie solches die Erfahrung/ denē die etwas in weltlichen Händeln geübet/ Denē auch der von Weltweisen hochgehaltene/ Tacitus vnnd andere Politische Schrifften nicht vnbekandt/ genugsamb an die Hand gebe.
  Zu deme vnd vornemblich wehre die Bibel an allerhand Lehren so reich/ daß/ wenn sie als GOTTES Wort (Theologicè) gelesen wird/ sie vns nicht allein/ vnnd zuforderst in deme/ was zur seligmachenden Erkändtnis CHristi/ ewigen Lebens Erlangung/ auch zu Erwerbung zeitlichen Wolfahrth vnd Glückseligkeit nötig/ Vnterricht gnugsamb gebe; [Handschrift: [)( iij v]] Sondern sie könne darzu noch sehr wol/ Weißheit liebhaberisch2 (Philosophicè) Naturkündig3 : (Phisicè) Sittenlerisch4 : (Ethicè) Geschichtschrifftlich5 : (Historice) Weltwitzig6 / (Politicè) Höfflich7 / (Aulicè) Kriegsvnterrichtlich8 / (Polemicè) Rechtslerig9 / (Iuridicè) Artztisch10 / (Medicè) Haußhältisch11 / (Oeconomicè) Bawkünstlich12 / (Architectonicè) Redengebkünstig13 (Dialecticè) Reimdichterisch14 / (Poeticè.) anders vnnd dergleichen mehrers zu geschweigen/ gantz nützlich gelesen/ vnnd von allem gute Belehrung/ darauß geschöpffet werden. [Handschrift: [)( iiij r]] Daß man also der menge Bücher/ die offt nur jrre machen/ wol ohn seyn/ vnd diese zu embsiger darin Nachforsch- vnd Betrachtung/ desto fleissiger vnd andächtiger lesen möchte. Auff solche eingeführete Vrsachen kam gemeiniglich die andere Frage; Warumb ich denn den Seneca vnd Epictetus allein außsetzete/ vnnd anderen Vorzüge? Darauff wurde wieder-antwortlich eingewandt/ Solches geschehe nicht darumb/ daß man vermeint etwas grössern Nachtrucks15 (ἔμφασισ majoris) viel weniger etwas mehrerers darin/ denn in GOttes Wort zu finden/ sondern deßwe- [Handschrift: [)( iiij v]] gen/ daß in Gegenhaltung der Bibel vnnd dieser/ daraus erhellete/ wie auch die Leute/ die allein mit dem Liecht der Natur erleucht/ so wol/ vnd gleichsamb Gottselig/ von vielen/ rechten Christen hochnötigen Tugenden/ Eigen- vnd Wissenschafften geredet vn̄ geschrieben: dardurch den̄ sehr viel die sich Christen nennen/ das helle Liecht göttlichen Worts für sich haben/ vnd dennoch so wohl in der Wissenschafft solcher Dinge/ als in der Wirckligkeit/ jhnen bey weitem nicht gleich kommen/ beschämet/ vnnd wenn sie eine solche lieblich-lehrsamb-vnnd annehmliche Vbereinstimmung sehen/ zur Besse- [Handschrift: [)( v r]] rung angereitzt vnd angetrieben werden möchten.
  Die dritte Frage oder Einwurff die folgete/ ware: Wenn kein Geschichtschreiber vorhanden/ wie man denn/ was in der Welt seithero vorgelauffen/ vnd von den Vorfahren löblich- vnd schändlichs vns zum Beyspiel/ theils der Nachfolg- theils der Vermeydung were verrichtet worden/ wissen könne? Darauff wurde abermal gebürend geantwort/ solche Bücher rechter Art/ in Warheits Korn vn̄ Schrot/ (wie man im Müntzwesen spricht) möchten nebst der heiligen Schrifft gantz wol gewünschet werden: Weilen aber [Handschrift: [)( v v]] derselbē viel/ offt gegen einander lieffen/ auch wol Mehrlein vnd vngegründte Sachen
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in etlichen zu finden/ theils fast nachdencklich/ auch wol nachtheilige Politische Lehrsatze zugeben/ theils daraus zunehmen/ sich nit enthielten; Als were zu wünschen/ daß/ wo die Biblische Geschichte auffhören/ deroselben eine recht warhafftige eigendliche Zeit- vnd Geschichtbeschreibung angehänget/ vnd von Jahren zu Jahren verfolget worden wehre: Daraus man verwichenen Verlauff ersehen/ nach demselben/ vnd nicht eingeflicktena weltlichen Lehr-sätzen sich achten möchte. So weren auch dersel- [Handschrift: [()( vi) r]] ben aus der Bibel so viel zunehmen/ wie darob im gegenwertigen Büchlein/ ein nicht geringer Entwurff/ daß man sie anderswo nicht suchen dörffte.
  Dieses alles aber hoch-vielgeehrt- vnd geliebter Leser/ wird/ wie angedeut/ als ein Wiedermeinungssatz16 angeführet/ nicht darumb daß ich jhn gäntzlich (Jnmassen ein jedem seine Meynung darvon frey stehet) behäupten/ sondern nur deßwegen/ daß eine der vornembsten Veranlassung dieses Büchleins in Teutsche Sprache vber zu setzen/ darduch an Tag gegeben werde/ Nemblich. [Handschrift: [()( vi) v]] Daß/ da ich gesehen wie ein Jtalianischer Marggraff Politisch Nachsinnungē/ aus göttlichem Wort zu stellen/ den Eingang/ worauff ich längst geziehlet/ gemachet/ Jch nicht allein mich darüber ergetzet/ Jnmassen dadurch etliche obeingeführte Nutzbarkeiten der heiligen Schrifft Lesung bestetigt worden/ sondern auch das Wercklein also fort Teutsch zu vbersetzen beflissen.
  Was nun hierin wenigs vnter anderen vielfältigen meines Beruff- vnd tragenden Befehls-Last/ bey Mühewaltung dieses Orts KriegsSachen/ zu meiner in etwas wieder Ge- [Handschrift: [()( vii) r]] mütsberuhigung/ gethan/ wird des Lesers vernünfftigem Vrtheil anheim gegeben.

Jnmassen.

  Erstlichen/ nach obliegender Schüldigkeit/ eines Fruchtbringenden Gesellschafft Glieds/ mich beflissen es so rein vnd gut Teutsch/ ohne Einmischung frembder Worte/ als möglich zu geben.
  Weilen aber Zweytens/ solches aller Dings sich so nicht hat schicken wollen/ Sintemalen jede Sprach jhre Art- vnd Eigenschafften zu reden17 (Idiotismos) hat/ als hat nothwendig seyn müssen/ daß zu Zeiten ein [Handschrift: [()( vii) v]] kleine Vmbrede18 (Periphrasis) gebraucht worden.
  Drittens/ hätten zwar etliche Worte auch mehr deutlich vnnd nachtrücklich19 (ἐμφατικὢς ) wie billich gegeben werden sollen: Wenn aber solches sich nicht allemal schicken wollen/ als habe ich zu dem behüff/ etliche die von mir sonst nicht gelesen/ selbsten zugestalten20 / (formiren) vnd dero mich zu gebrauchen befreyet.
  Darmit aber Viertens/ der Leser auch deßwegen bessere Nachricht haben könne/ seyn zu dem Ende etliche Wortliebisch21 (Philologicæ) Anmerckungen hierbey gefügt. [Handschrift: [()( viij) r]]
  Bey den Worten des Herrn Marggraffen/ in seinem Werck/ bin ich/ Fünfftens/ so viel müglich geblieben: Weilen es aber auch nicht allemal sich so eben hat fügen wollen/ ist zu Zeiten etwas außgeschritten/ vnd der Teutschen Sprach vnd Feder etwas Freyheit gegeben/ welches denn in denenb Orthen/ da was aus heiliger Schrifft eingeführet/ vnnd man der Teutschen Bibel Wort ge-
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braucht/ insonderheit in acht genommen worden: zuvorderst aber darbey/ daß/ da der Biblische Text gar kurtz/ vnnd durch ein zusamb zieh- oder Zusamb-hängung22 / (σύνοψις oder Compendium) ge- [Handschrift: [()(viij) v]] fast/ man denselben gantz aus der Teutschen Herrn D. Lutheri Bibel/ mit Bezeigung Capitel vnd Verß/ beysetzen wollen.
  Zum sechsten wil ich auch hiermit erinnert vnd gebeten haben/ in Betrachtung zu ziehen/ daß/ weilen Herrn Marggraffen Art in Jtalianischer Sprach zuschreiben/ kurtz/ hoch/ nachsinnig23 / vnd dannenhero zu verstehen schwer: Gestalt/ Er des Tacitus SchreibensArt24 (Stylo) zu folgen/ vermütlich sich vorgenommen: Jchs auch nicht deutlicher ohne grosse langwirige Arbeit vnd Mühewaltung/ welche bey meinem jetzigen Zustand nicht hat abfallen wollen/ [Handschrift: [)()( r]] zu machen gewust; Dannenhero deme/ der es gründlich zuverstehen begierig/ so wol diß Teutsche als das Welsche nachsinnig zu lesen/ vnnd an vnterschiedenen Orten zu wiederholen nötig seyn wil.
  Siebendes/ bitte Jch vmb Entschüldigung/ da in dieser Vbersetzung nicht alles so schnur recht/ wie es billig sein solte/ gegeben; Jnsonderheit die Jtalianischen Arten zu reden vnnd zu schreiben/ nicht also deutlich vnd zierlich wie es sich gebühret/ vbergetragen vnd gesetzet worden seyn; Sintemalen vber vorig glimpffliche Ablegungen [Handschrift: [)()( v]] bey jedwedern Verständigen/ meiner Geringfügigkeit auch das zu stadten kommen/ vnnd der Schuld gnugsamb entnehmen wird/ daß ich als ein Teutscher/ der nie in Jtalien kommen/ vnnd dannenhero solcher Redensart25 (Idiotismorum) im Grunde vnkündig/ wol habe anstossen/ jrren vnnd solche hochgeführte Art zu schreiben/ jedesmahl nicht erreichen noch gebürlich ablangen mögen. Welches den meisten theils an Orthen/ wo von natürkündisch26 -Sternseherisch27 - vnnd dergleichen Sachen/ dero bedeut- [Handschrift: [)()( ij r]] same Wort/ ohne das nicht wol zu Teutsch gebracht werden mögen/ gehandelt/ geschehen ist: Vnterwerffe mich derwegen gerne in solch vorlauffenden Sachen/ beyder Sprachen kündigern.
  Achtens/ ersuche vnnd bitte ich/ man wolle die angezeichnete vnnd zu Ends angedrückte Fehler/ welcher aus denselben vorgesetzen Vrsachen/ zimlich viel eingeschlichen/ ehe vnnd zuvor/ zur Durchlesung geschritten/ verbessern/ Jnmassen solchs nebenst andern Bequemheiten/ auch zu Erleichterung [Handschrift: [)()( ij v]] der Verständligkeit/ nicht wenig dienlich sein wird.
  Schließlich/ wird der Leser gebührende massen/ bitt-ersuchlich/ angelangt durch vnnd durch/ Meiner Kriegsmännischen Feder etwas nachzugeben; Jn Vergewisserung/ daß nach Hochheit/ Würden/ vnd Standes erheisch/ sampt vnd sonders schuldiger Dienste/ angenehme Freundschafft vnnd behäglichen Willen eusserster Mügligkeit zu leisten vnnd zuerweisen/ erpietig vnd stets geflissen bin/ Nichts mehr wünschend/ als ferner Gelegenheit zu ergreiffen/ [Handschrift: [)()( iij r]] hochgeehrte Teutsche Muttersprachec / vom frembden vnd entlehnten Worten zu entnehmen.
  Gegeben in Rostock/ den 28. Herbst Monats/ 1638. Jahrs.
  Obrister-Feldwachtmeister zu Roß vnd Fuß/ Fürstlicher Mechlenburgischer Geheimbt- auch Kriegs-Rath/ Obrist/ vnd zur Zeit Obergebietiger in Rostock.
  Wilhelm von Kalcheim/ genandt Lohausen.28
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III

Sonett, Nachricht an den Leser und Vorrede in der von Fürst Ludwig herausgegebenen Fassung des Verfolgeten David (1643)

Beschreibung der Quelle


Q Virgilio Malvezzi Marchese di Castel Guelfo: Davide perseguitato, dt. v. Fürst Lud-
  wig, Diederich v. dem Werder u. a.:
  Der verfolgete David/ | Des | Jtalianischen Herren Marggraffen/ | VIRGILIO MAL-
  VEZZI. | Deütsch übergesetzet| Durch | Weiland | Wilhelm von Kalckheim genant
  Lohausen/ | Obristen Feld-Wachmeistern/ | und | Obristen Kriegsbefehlichten | zu
  Rostock. | Aufs neüe übersehen und verbessert/ | Mit angehefter erklerung etzlicher |
  gebraucheten neüen | Wörter/ | Auch mit vorwissen und einwilligung der Frucht- |
  bringenden Geselschaft an den Tag | gegeben. | [Holzschn.-Vignette] | Gedruckt zu
  Cöthen im Fürstentume Anhalt/ | [Linie] | Jm Jahre 1643. Bl. A 2r (Sonett); Bl. A 2v [Handschrift: A 2v]
  (Nachricht an den Leser); Bl. A 3r – B v bzw. S. 5–10 (Vorrede; foliiert u. paginiert).
  HAB: 23.3 Eth. (2); vgl. Microfilm (Faber du Faur, Nr. 178).
  Zit. als David 1643.
Vgl. die Handschrift im HM Köthen: V S 80.1:
  Der Verfolgete Davidt/ | Des | Jtalianischen Herren Marggraffen. | Virgilio Malvezzi.
  | Deütsch übergesetzet, | Durch | Weilanda | Wilhelm | von Kalchheim genant Lo- |
  hausen, Obristen Feld-| Wachmeistern, undb | Obristen Kriegs- | befehlichten | zu
  Rostock. | Aufs neüe übersehen und verbessert | Mit angehefter erklerung1 | etzlicher
  gebraucheten | neüen Wörter | Auch mit vorwissen und einwilligung | der fruchtbrin-
  genden gesel | schaft an den Tag gege- | ben. Gedruckt zuc Cöthen im Fürstentume
  Anhalt Jm Jhare 1643
   Zit. als David Hs.
  Titelbl., bis Bl. 5v Vorspann (Bl. 3v u. 5v vacant), Haupttext paginiert S. 1–109, [5]
  S. vacant. Schreiberh. mit eigenh. Verbesserungen F. Ludwigs; Druckvorlage. Vgl.
  Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 442 Anm. 93.

Vorlage F. Ludwigs war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die in seiner Bibliothek vorhandene italien. Ausgabe von 1634. Ob Kalcheim diese ebenso benutzt hat, läßt sich nicht bestimmen (s. K IV 0). Wir zitieren nach der Neuedition Virgilio Malvezzi: Davide Perseguitato. A cura di Denise Aricò. Roma 1997, die auf folgender Ausgabe beruht:
   Davide Perseguitato | Del Marchese Virgilio Maluezzi | dedicato | alla Cattolica Mae-
  stà | di Filippo IIII. | il Grande.
| [impresa] | In Milano | Per Filippo Ghisolfi. 1634 | Ad
  instanza di Carlo Ferrandi. Con licenza de’ Superiori. In 12°; frontespizio, 4 cc. n.n.;
  ded. Alla Cattolica Maestà del Re Filippo IIII il Grande (datata „di Bologna, li 20 fe-
  braro 1634“); Davide perseguitato (pp. 7-138); imprimatur denuo. — Zit. als Malvezzi
  1634.

Text


Uber den verdeütscheten
verfolgeten David.


WJe König David sich so notfest hat erwiesen/
    Als vom verworfnen Saul/ er sehr verfolget ward/
    Der ihm’ auch nahe kam mit seiner Heeresfart/
Jn diesem Büchelein zur gnüge wird gewiesen/
Doch gegen seinem Herrn der demut er befliessen
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    Sich hat in alle weg’/a und nie darvon gekart/
    Ob man zu rechen sich gereitzet ihn schon hart/
Drumb seine tugend uns stets werden sol gepriesen:
    Malvezzi auch der wol die Lehren hat gesetzt/
    Zusamt den Festen2 werd’ hierinnen hoch geschetzt/
Der erst’ hat die geschicht sehr weislich ausgeleget/
    Der ander’ hat sie Deütsch anher zu uns gebracht/
    Und ihme selbsten mit ein festes Lob gemacht/
Daß immerwehrend er den Ruhm darvon nun treget. [Handschrift: [A 2v]]


Für den verfolgeten
David
An den Leser.


Günstiger lieber Leser/ dieses aus dem Jtalianischen verdeütschete/ und im Jahre 1638. zu Rostock ausgegangene Büchlein/ ist auf gut befinden seines Verdolmetschers/ inmassen aus nachfolgender Vorrede erhellet/ nach seiner Haubtsprache übersehen/ und in etwas eigentlicher eingerichtet worden/ wie er es auch im folgenden 1639. Jahre also überkommen/ und sonder zweifel dessen ortes von neüem würde haben auflegen lassen/ wan er nicht in demselben Jahre von dieser Welt geschieden. Von der zeit an haben ihrer viel darauf gewartet/ und diese verbesserte übersetzung zu lesen begeret/ sie hat aber wegen anderer eingefallenen verhinderungen nicht eher als ietzunder können gedrucket werden/ da man/ unter andern ursachen des verzugs/ dem ersten Aufleger3 bis hieher nicht vorgreiffen wollen/ nunmehr aber es auch nicht länger anstehen lassen können. Wird sie dir nun/ lieber Leser/ gefallen/ so sol es denen die da hand mit angeleget auch angenehm seyn/ wo nicht kan man wol leiden/ und geschehen lassen/ daß ein anderer dieselbe noch besser und eigentlicher verfertige. Gehabe dich wol.


Vorrede.

HOch und vielgeehrte auch geliebte günstige Leser: Jch habe zu zeiten in unterschiedlichen hochansehnlichen auch Fürstlichen Zusammenkunften/ bey fürgefallenem gespreche/ dasselbe zu erhalten und zu vermehren/ diese fast ungereimete meinung (Paradoxum) auf die bane gebracht/ daß ich wol wüntschen möchte/ es weren keine mehrere bücher in der welt nach der heiligen Schrift verhanden als Seneca und Epictetus. Wan man dan/ nach angehörten diesem vorbringen mit verwunderung fragete/ Warumb ich/ den man doch für einen Liebhaber der Bücher hielte/ so ein ungereimtes ding vorbrechte/ gab ich zur antwort/ Es were dieses die ursache/ die der Prediger Salomon in seinem letzten Capitel am zwölften Sprüchlein setzet/ das viel bücher machens kein ende ist; Ja das ihre menge grosse unruhe und widerwertigkeit in geist: und weltlichen sachen anrichtet/ auch also/ das gute bücher sehr gemisbrauchet/ und was von etzlichen zu einem guten nutzbaren ende wolmeinentlich hinterlassen/
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von vielen und dem grössesten theile zum beyspiele und sonderbaren Weltregeln und Lehren aufs ärgeste angezogen und gebrauchet werden wolte. Jnmassen solches die erfahrung bey denen die etwas in den welthändeln geübet/ und denen der hochgehaltene Tacitus und andere politische Schriften nicht unbekant genugsam an die hand gebe.
  Zuföderst aber were die Bibel an allerhand guten Lehren so reich/ daß wan sie als Gottes Wort und Lehre (Theologicè) gelesen würde/ sie uns nicht alleine und vornemlich in deme/ was zur seligmachenden erkentnüs Christi/ erlangung des ewigen le- [Handschrift: [A 3v; S. 6]] bens/ und erwerbung aller zeitlichen wolfart und glückseligkeit nötig/ genugsamen unterricht gebe. Sondern sie könte auch noch darzu sehr wol/ nach art der liebwürdigen weisheit (Philosophicè) der naturkündigung (Phisicè) der Sittenlehre (Ethicè) nach anweisung der geschichte (Historicè) nach dem verschmitzeten weltlauffe (Politicè) nach der Höfe art (Aulicè) nach der krieges und streitkunst (Polemicè) nach der rechtslehre (Juridicè) nach der artzneylehre (Medicè) nach guter haushaltung (Oeconomicè) nach der baukunst (Architectonicè) nach der verstandlehre (Dialecticè) nach der redener lehre (Rhetoricè) nach der Poeterey (Poeticè) ein mehrers zu geschweigen/ mit grossem nutzen gelesen/ und von allen dingen eine gute unterweisung daraus geschöpfet werden. Daß man also der grossen menge bücher/ die ofte nur irre machen/ wol zu entberen/ und die heilige Schrift so viel emsiger lesen/ darinnen nachforschen/ und sie mit allem fleisse in steter andacht betrachten möchte.
  Nach eingefüreten diesen ursachen kam ferner die andere frage herfür/ Warumb ich dan den Senecam und Epictetum alleine aussetzete/ und andern vorzöge/ darauf wurde von mir wieder antwortlich eingewendet: Es geschehe nicht darumb/ daß ich vermeinete etwas nachtrucklichers/ Emphasis majoris, oder ein mehrers darinnen/ als in Gottes Wort zu finden/ sondern darumb/ daß in gegeneinanderhaltung der Bibel und dieser vornemen Männer Schriften/ erhellete/ wie auch die Leüte/ die mit dem liechte der natur alleine erleüchtet gewesen/ von vielen den rechten Christen hochnötigen Tugenden/ ihren eigen- und wissenschaftē wol und gleichsam gotselig geredet und geschriebē: [Handschrift: [(A 4)r; S. 7]] und daß ihrer viel/ die sich Christen nennen/ ob sie schon das helle gnadenliecht götlichen wortes für sich haben/ dennoch ihnen/ beydes in der wissenschaft als der übung bey weiten nicht gleich kommen/ und beschämet bleiben müssen/ wan sie eine solche lehrreiche und annemliche übereinstimmung sehen/ die sie zu besserung ihres wandels anreitzen und antreiben kan.
  Hierauf folgete die dritte frage und dieser einwurf: Wan dan kein Geschichtschreiber verhanden/ wie man wissen könte/ was in der welt hier und dar vorgelauffen/ und von unsern vorfaren entweder löbliches oder schändliches uns zum beyspiele dem guten zu folgen/ und das böse zu meiden/ verrichtet worden? Meine gebürende antwort war abermals/ es möchten zwar dergleichen bücher/ wan sie der rechten art/ und in der warheit grunde bestünden/ nach der heiligen Schrift gar wol zu haben gewüntschet werden. Weil ihrer aber sehr viel/ auch wol in etzlichen Mehrlein/ und ungegründete sachen mit unter lieffen/ und die Scribenten sich nicht enthielten/ zuweilen fast nachdenckliche
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auch wol nachtheilige weltlehren daraus zu nehmen/ als were zugleich höchlich zu wüntschen/ daß wo die Biblische Geschichte aufhören/ deroselben eine rechte warhaftige zeit und Geschichtbeschreibung angehenget/ und von Jahren zu Jahren verfolget worden were/ daraus man allen verlauf ersehen/ und nach demselben/ nicht aber nach den mit eingeflickten schädlichen weltlehren sich achten möchte. So weren auch die nützlichsten und besten lehren/ wie man sich in der welt zu verhalten/ und deren so viel aus der Bibel zu nennen/ daß man sich damit wol vergnügen könte; Wie dan in gegenwertigem Büchlein deren nicht [Handschrift: [(A 4)v; S. 8]] eine geringe anzal heraus gezogen/ daß man sie anderswo nicht suchen darf.
  Dieses alles aber wird/ hoch und vielgeehrte und geliebte Leser/ darumb nicht angefüret/ daß ich diese meine meinung gäntzlich behaubten wolte/ inmassen auch einem ieden seine gedancken darbey frey stehen/ sondern daß ich dadurch alleine eine der vornemesten veranlassung dieses Büchleins in die Deütsche Sprache zubringen an den tag gebe/ die dan ist.
  Als ich gesehen wie ein Jtalianischer Marggraf von Bononien bürtig/ etzliche politische erwegungen und betrachtungen aus Gottes Wort zu stellen einen eingang/ wohin ich zwar längesten auch gezielet/ gemacht/ ich mich nicht alleine darüber erfreüet/ und wie nützlich die lesung der heiligen Schrift/ in allen dingen sey/ bestetiget worden/ sondern auch dieses Wercklein mit sonderbarer ergetzung also fort ins Deütsche zu übersetzen mir vorgenommen.
  Was nun hierinnen weniges/ unter andern vielfältigen meines Kriegesberuffes und hohen befehlichs obliegenden geschäften/ zu meiner Gemütsberuhigung/ gethan/ das wird der Leser vernünftigem urtheile anheim gegeben. Inmassen ich dan/
  Erstlichen nach obliegender schuldigkeit eines Gliedes der Fruchtbringenden Geselschaft beflissen gewesen/ es so rein und gut Deütsch/ ohne einmischung frembder wörter/ als müglich/ zu geben.
  Weil aber zweitens/ ein solches sich nicht allerdings und blos schicken wollen/ sintemal eine iede Landsprache ihre art/ eigenschaft/ und sonderbare aussprache oder art zu reden (Idiotismum) hat/ als hat notwendig zu zeiten eine erfoderte umbschreibung/ Periphrasis, gebrauchet werden müssen. [Handschrift: [B r; S. 9]] Fürs dritte/ hetten zwar etzliche wörter deütlicher und nachdrucklicher/ emphaticos, wie billich gegeben werden sollen. Wan aber solches sich nicht allemal wol fügen wollen/ als habe ich zu dem behufe/ etzliche/ die ich sonsten nie gelesen/ von neüem zu gestalten/ formare, und sie zu gebrauchen/ mich unternommen.
  Fürs vierte/ seynd deswegen am rande mit einem sternlein zu besserer nachricht etzliche erklerungen für die Sprach- und Wortliebenden/ Philologicis, angehencket.
  Fürs fünfte/ bin ich bey den worten des Herren Marggraffen in seinem wercke/ so viel müglich/ geblieben/ weil es aber nicht allemal recht lauten wollen/ ist zu zeiten etwas heraus geschritten/ der verstand doch behalten/ der Deütschen sprache und feder hierinnen nach ihrer eigenschaft und art die freyheit gelassen/ und solches insonderheit an denen orten/ da aus der heiligen
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Schrift etwas eingefüret/ und man der Deütschen Bibel wort gebrauchet, in acht genommen worden: Es ist auch darumb die verdeütschung Herren D. Lutheri Bibel mit bezeichnung der Capitel und Sprüchlein/ iedes ortes hinzu gesetzet/ und für der auslegung der kurtze inhalt ieder geschichte nach dem Jtaliänischen behalten worden.
  Fürs sechste/ wil ich erinnert und gebeten haben dieses wol zu betrachten/ daß des Herren Marggraffen art in Jtaliänischer sprache zu schreiben sehr kurtz/ hoch/ nachsinnig/ und zu verstehen fast schwer ist. Jnmassen er vermutlich ihme vorgenommen der stellung/ Stili, oder schreibens art des Taciti zu folgen. Daher ich es dan auch nicht deütlicher ohne grössere arbeit und mühewaltung bey meinem ietzigen zustande der überhäuften Kriegesgeschäfte zu machen gewust: Wer es demnach gründlich zu verstehen begierig/ der wolle so wol das Deütsche als das Jtaliänische/ wan er es beyhanden/ mit gutem nachdencken lesen/ und das lesen zuzeiten mit gehörigem nachsinnen wiederholen/ so wird er darinnen ein grösseres vergnügen haben.
  Zum siebenden bitte ich ümb entschuldigung/ wan in dieser übersetzung nicht alles so schnur recht/ wie es billich seyn solte/ gegeben: [Handschrift: [B v; S. 10]] Jnsonderheit die Jtaliänische arten zu reden und zu schreiben nicht so deütlich und zierlich/ als sich wol gebüret/ übergetragen und gesetzet worden seynd. Sintemal über vorige glimpfliche ablenung/ meine geringfügigkeit mir bey iedwederen verständigen zustatten kommen/ und der schuld genugsam entnemen wird/ daß ich als ein Deütscher/ der nie in Jtalien gekom̄en/ und daher solcher redens art und aussprache/ Idiotismorum, im grunde unkündig/ wol habe anstossen/ irrē/ und solche hochgefürete art zu schreibē iedesmals nicht erreichen/ noch der gebür nach ablangen mögen: Und wird solches meistentheils geschehen seyn an ortē/ wo von der Naturkündigung/ gestirnkundigung oder gestirnkunst und dergleichen dingen/ deren bedeütsame worte ohne das nit gar wol ins Deütsche gebracht werden mögen/ gehandelt worden. Jch verhoffe aber es werde bey dieser anderweit erfolgeten übersehung von etzlichen bey der Sprachen wolkundigen/ dieser mangel zur gnüge ersetzet seyn.
  Fürs achte/ ersuche und bitte ich/ man wolte die angezeichnete und zu ende angedruckete Druckfehler/ wie sie eingeschlichen/ ehe und bevor zur durchlesung geschritten/ verbessern/ inmassen solches beneben andern bequemligkeiten/ auch zu erleichterung der verständligkeit nicht wenig dienen wird.
  Schlieslichen werden alle hochgeehrte günstige Leser gebürender massen bitlichē ersuchet und angelanget/ meiner Kriegesmän̄ischen feder etwas nachzugeben/ in vergewisserung/ das nach hoheit/ würden und standes erfoderung/ ich ihnen samt und sonders schuldige dienste/ angeneme freündschaft und behäglichen willen/ eüsserster mügligkeit nach/ zu leisten und zu erweisen erbötig und stets geflissen bin/ nichts mehr wüntschende/ als fernere gelegenheit zu ergreiffen/ unserer hochgeehrten Hochdeutschen Mutter und Landsprache der frembden und entleneten wörter zu befreyen/ und ihr dieselben zu benemen. Geben in Rostock den zweiten Weinmonats 1639.
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IV

Anmerkungen mit Worterklärungen Kalcheims

Beschreibung der Quelle


Q David1638 (s. Beilage I Q),[Handschrift: [R v r]] Bl. R v r – [T v]r.

Text


Nachrichtliche Anmerck-
ungen wegen etlicher ins Teutsch
vbersetzung/ gebrauchter
Worte.



WEilen in dies/r [sic] Vbersetzung vornemblichst dahin gezielet/ daß alle frembde/ vngebräuchliche Worte vermitten/ vnd an dero stat Teutsche/ gesetzet würden: Solche aber/ theils nicht also recht/ nachtrücklich/ vnnd wie das Griech-lateinische Wort Emphaticè, lautet/ haben gegeben werden können; theils auch vngebräuchlich/ als habe diese geringe Anmerckungen hiebey fügen wollen.
NB. Erste Zahl bedeut die Seit/ zweyte die Zeil.
Wortnenner/ 1. 9. [recte 15.]) Jst im Jtalianischen Vocabulario gesetzet/ habe es teutsch füglicher zu geben nicht gewust.1
Gottes WortLehrer/ 3. 11.) Teologi, Jtalianisch. Wannenhero diß Wort seinen Vrsprung/ in Griechisch vnd Lateinischer Sprach/ habe/ was es auch bedeute/ hier außzuführen/ acht man ohn nötig; weilen es fast je- [Handschrift: [R v v]] derman wissend/ auch vmb beliebten Teutsches willen also gegeben worden.2
Politische-Lehr-Sätze/ 3. 21.) Stehet im Jtalianischen Politici Aphorismi, beyde Wort seynd auß dem Griechischen genommen/ vnd kompt das erste von dem Wort πόλις, welches eine Stadt oder Gemeine/ heist. Dannen fleust das Wort πολιτικὸς, oder πολιτικώς, so bürgerlich/ höflich/ oder auch einen der mit dergleichen Geschäfften beladen/ bedeutet. Weilen aber diß Wort Teutsches StadtRecht (wie die der hochlöblich fruchtbringenden Gesellschafft zu reden pflegen) erlanget/ auch jederman im Munde vnnd verstandlich; so ists doch/ obs wol Regierungs- oder Regiments- welche auch jhren Abfluß vom Lateinischen haben/ Lehr-Sätze/ hette gegeben werden können/ allhier darbey gelassen worden/ wird auch hinfüro so gebrauchet werden. Das ander Wort: Aphorismi, ist gleichmässig von dem Griechischen entsprungen/ denn αϕορισμὸς ein Vnterscheidung/ Voneinandersetzung/ Beschreibung/ Schluß/ ein gefaste Meynung/ ein Beliebtes/ vnd dergleichen bedeutet. Zu vnserem Vorhaben scheinet doch kein beque- [Handschrift: [(R vi) r]] meres/ als/ Politische Sätze/ oder Lehr-Sätze/ zu seyn.3
Gott seine Macht nehmen: 4. 4.) Diß stehet Disdeificare, vnd hette wol verungöttern gegeben werden können; weilen es aber/ ein/ in Teutscher Sprach/ vngebräuchlichs Wort/ auch mit der allerhöchst-Göttlichen Mayestädt sich nicht wol reimbd/ als ists darvnd vmb mehrer Verständligkeit willen/ wie oben/ gesetzet worden.4
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Regensärcken: 5. 14.) Jst ein teutsch/ dieser ort aber vngebräuchliches Wort/ sagt so viel/ als Cisternen, vnd ist darumb/ weil es rein teutsch/ also gegeben.5
Prophet. 6. 8.) Dieses/ obwohlen es ein von grund Griechisches Wort/ weilen es aber jederman bekant/ läst man es darbey/ wie auch mit anderen dergleichen/ also bewenden.
Reden von Staat: 8. 14. [recte 15.]) Ragione di stato. Wie ich dieses Wort/ Ragione, oder Ratio, dahero jenes den Abfluß nimbt/ recht Teutsch geben sollen/ oder können/ habe ich lang nach gesunnen/ vnd fast keins; sintemahlen solches in Teutscher Sprach/ Ver- [Handschrift: [(R vi) v]] nunfft / Vrsach/ Recht/ Fueg/ Gebühr/ Billigkeit/ vnd dergleichen/ nach anleitung vorhergehend- oder nachfolgendes/ gegeben wird/ finden können: Vnd/ obwolen vnter diesen allen/ meinem geringen Verstand nach/ die Wörter: Fueg/ vnnd Gebühr/ darzu gebraucht hetten werden können/ so hat doch/ weilen meines wenigen bedünckens/ solche nicht genugsamen nachtruck/ (Emphasin) haben/ mich veranlast/ zu der Niederteutschen Sprach zuschreiten/ vnd das Wort Reden6 darfür zugeben: worzu mich dann verursacht: Erstlich/ daß solches gesuchten nachdruck hat; inmassen in selbiger Sprach/ wann gefragt/ Warumb? gesprochen wird/ uht wat reden? welches eygentlich/ qua ratione, heist. Zweytens/ ist diese art zusprechen/ Reden von Staet/ der orte fast gemein/ daß also fueglicher/ von vnsern Niederteutschen Nachbarn etwas zuborgen/ als von Frembden zuentlehnen. Drittens: befind sich/ daß das Wort Redlich/ wann es recht in seinem nachtrücklichen Verstand/ (emphatico intellectu) genommen wird/ eben das/ was in Griechisch λσγίκός, Lateinisch rationabilis, oder rationabile, Jtalianisch Ragionevuole: Span- [Handschrift: [(Rvii)r]] nisch Razonable: Frantzösisch Raisonable, welche letzte drey/ nach dero Sprachen art/ vom Lateinischen ihren abfluß nehmen/ bedeuten thu. Bekenne auch für meine wenigkeit/ daß ich nit wol weiß/ noch absehe/ wie dieselbe Wörter in teutscher Sprach/ anders/ oder deutlicher/ doch besserm vnd reifferm Vrtheil/ mich/ vnterwerffend/ gegeben werden können. Worzu dann auch dieses mit mehrerm mich veranlast/ daß dasselbe Wort Redlich/ wie es von H. D. Luther/ auch in der Schweitzerischen Dollmetschung/ ins 2 Buch Mosis 18. Capit. 21. v. gegeben/ im Hebraischen Text/ wie von deren Sprachkündigen mich berichtē lassen/ Ansche Cchail7 , sich findet: welchs Feste/ Ehrn- vnd Nothfeste/ Mannhaffte/ tüchtige Leuthe/ die nemblich zu einem dinge taugen/ vnd solches mit Vernunfft vnd Dapfferkeit zuverwalten tüchtig/ bequem/ vnd fähig seyn/ bedeutet. Jm Griechischen ists ανδρας δυνατούς, Männer von Macht/ Düchtigkeit/ Vermögen/ Kräfften. Jm Lateinischen/ Hyeronimi: Viros Sapientes: Tremelij Viros strenuos, vel Roboris, Jm Spannischen Varones de virtud; Jm Frantzösichen hommes Vertueux: Jn [Handschrift: [(R vii) v]] der alt Niedersächsichen zu Lübeck/ Anno 1494 gedruckten Bibel/ Menne mächtig/ (Lira Gloß setzt hinzu/ in Wißheit) Jn Piscators Außlegung/ dapffere Männer/ welches als es Moses selbsten in 5. Buchs/ 1. Capitels/ 13. Verß erkläret/ da in obgesetzten Biblischen Außlegungen die Worte; Weise/ Verständig/ Erfahrne: Wyse menne/ wetende in Tytlicken Wercken/ der er verkeringhe benöemt sy. Item Viros Sapientes, gnaros, prudentes, quorum conservatio sit probata in tribubus, vel cognita per tribus. Item: Varones Sabios entendidos. Item: des gents
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Sages, entendus, & Cognus, &c
. Dannenhero erhellet/ daß weilen in diesem Wort/ Redlich/ solches fast alles begriffen/ daß dasselbe/ ein gut- vnd stattlicher Beysatz (Epitheton, prædicatum) seye/ vnd einen mit allerhand Tugendt begabten Mann/ der auch solche mit Reden (Ratione) vernünfftig zu brauchen tüchtig/ bedeuten thue: Jnmassen dann auch/ annoch/ wann in vnser teutschen Sprach von einem/ daß er ein Redlich Mann/ gesagt/ gleichsamb alles das/ so tugendthafft in jhme/ darmit angeführet wird.
Staet/ ist ein Teutsches/ vnnd je- [Handschrift: [(R viij) r]] derman verständliches Wort; Dannenhero/ welches durch ein zwischensatz (Parenthesin) beygebracht wird/ mich nicht wenig wundert/ daß etlich vnserer jetzigen Kriegs- vnd Befehls-Leuthe den Hohen- oder Regiments-Staet/ den Staab nennen. Welches etwas vngereimbt.
Tyrann/ 14. 9.) Jst vrsprünglich ein Griechisch/ vnd nun durch alle Sprachen/ fast durchgehendes Wort. Hätte sonst wol ein Wütterich gegeben werden können. Anfänglich hat es bedeutung eines guten Königs gehabt: wie aber der Könige vnbillige Regierung vnd Wüterey sich von tag zu tag gemehret/ als ist nicht allein dieselbe/ sondern auch dero Nam gantz verhasset worden. Wie dann auch vnser Marggraff sich bedinglich vorbehelt/ daß/ wann in bösen Thaten eins Früsten [sic] oder grossen Herren gedacht/ er ein Tyrannen meine.8
Die Dünste/ 14. 17.) Stehet im Jtalianischen gli spiriti habs füglicher nicht zu geben gewust.
Beseelet/ 15. 1.) Stehet Animati: wie dieses Wort teutsch- vnd besser hette gegeben werden mögen/ habe ich/ meiner wenigkeit [Handschrift: [(R 8) v]] nach/ nicht ersehen können: erwarte darob Verständigern Meynung.9
Haar/ 15. 17.) Jm welschen steht il mantello, der Mantel. Jst zwar ein zierlich-schöne art zureden; weilen es aber bey vns im Teutschen nicht bräuchlich/ hat mans fahren/ vnd beym gebräuchlichen bewenden lassen.10
Vorstellung/ 16. 13.) Jst ein Jtalianisches auß dem Lateinisch genommenes Wort/ Propositione, kan weniges ermessens/ besser in Teutsch nicht angedeutet werden.11
Religion/ 16. 22.) Was diß für ein Wort/ vnd was seine Bedeutung/ ist einem jeden/ der kein Vnchrist/ sattsamb bekant; drrowegen [sic] man es darbey/ obwohlen es GOttes Dienst/ Ernst/ Andacht Gott zu dienen/ vnd dergleichen/ hette gegeben werden können/ hat bewenden lassen.12
Fluß der Vergessenheit/ 23. 10) Diese art zu reden ist auß der Reimdichter Erfindung genommen/ welche/ zwischen diß- vnd jener Welt/ einen Fluß Lethe, welches in Griechischer Sprach/ Vergessenheit/ andeut/ gedichtet haben/ der wirckligkeit/ daß dem der dar- [Handschrift: [S r ]] auß getruncken/ aller in dieser Welt vergangenen Dinge Vergessenheit zufalle.13
Christlicher Liebe/ 23. 18.) [recte 19.] Stehet in Jtalienischen/ Attione Morale, hat erachtens allhier anders vnd besser nit/ als so/ können gegeben werden: Jnmassen die gantze Satzmeynung aus gewissen bedencken/ etwas anders als in jhre Sprachen sie sich befunden/ hat gefasset werden müssen.14
SchoßKinder/24. 5.) Jst in der Jtalienischen Sprach Favoriti gegeben: Wie es hier vnd anders wo in der teutschen Vbersetzung mit mehrerer Deutligkeit
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(Enargia) hätte gegeben werden können/ wird anderer verständigem Vrtheil anheim gestellet. Dißmal hat man sich dieser Vbertragung (Metaphora) ob wol es begnädigt/ begünstigt/ vnd dergleichen hätte gesetzet werden mögen/ gebrauchet.15
Geheimbte Diener/ 27[recte 24]. 8. Jn der Welschen Sprache find sich Privato, was dieses Wort für ein sondere nachtrückliche Bedeutung (Emphasin) in Jtalienisch vnd Spannischen Sprache habe/ wissen die [Handschrift: [S v]] deren Sprachkündige. Jch gestehe meines Orths/ daß ich angestanden vnd noch anstehe/ wie es in vnser MutterSprache/ in rechter Deutligkeit/ ohne vmbschrifft (Circumscriptio) gegeben werden könne. Dieses mahl habe ichs/ wie vorstehet/ gesetzt; Halte selbsten dafür/ das vertrawte oder vertrawt-geheimde Diener etwa besser seyn möchte. Weilen es aber stehet/ habe ichs darbey gelassen; Vnterwerffe hierin wie im vorigen anderm verständigerem Vrtheil mich willig.16
Außtrit/ 26. 19.) Stehet im Jtalianischen/ Digressione, Jst ein Lateinisch Wort/ vnd verblumbte Weise zu reden/ (Tropus) bedeut so viel als ein außtrit oder Ausschweiffung von deme so man Häuptsächlig handelt.17
Vernünfftiger Einbildung/ 27. 2.) Imaginativa. Diß Wort welches Lateinisch imaginatio heist/ hätte wol schlecht Einbildung gegeben werden können: Weilen es aber in etwas Mißbrauch gerathen/ gestalt/ wenn von einem/ daß er von grosser Einbildung gesagt/ solches vbel genommen wird/ als ist das Wörtlein Vernünfftiger hinzu gesetzt worden. [Handschrift: [Sij r]]18
MittelVrsachen/ 28. 19.) Jm Welschen find man sich Cose seconde, Jst ein Naturkündisch (Physica) art zu reden. Da Gott für die Häuptwirckende Vrsach/ andere Dinge für mittel-dienende/ vnd mithelffende Vrsachen gestelt werden.19
Reedligkeit/ 29. 20.) Stehet im Jtalienischen rationalita, Worumb dieses Wort also gegeben/ ist bey den Worte/ reden vom Staat außgeführet/ vnd also hierzu widerholen vberflüssig.20
StirnBetrachtung/ 34. 20.) Findet sich im Welschen Metoscopia, ist ein Griechisch Wort/ kompt vom τὸ μέτωπον, welches die Stirn; vnd σκοπεῒν das betrachten/ beschawen bedeut.21
AngesichtsDeuteley/ 34. 21.) Stehet im Welschen Fisionomia, ist auch ein Griech Lateinisch Wort/ wird Phisiognomia geschrieben; Bedeut eine vermeinte Wissenschafft aus des Menschen Gesicht vnd Leibes Gestalt/ von seiner Natur vnd Beschaffenheit Glück vnd Vnglück [Handschrift: [Sij v]] zu Vrtheilen. Vnd weil ersts/ wie zweyts/ eitel/ als ist es eine Deuteley gegeben worden.
Ebenmässigkeit, 35. 1.) Simmetria ist auch ein Griech-Lateinisch Wort/ heist der theile vnter sich/ wie auch zu dem gantzen/ in gewisser Maaß/ liebliche Vbereinstimmung.
Proportz, 35. 2.) Jst ein Lateinisch Wort/ hätte wol EbenRedenheit/ von dem Wort Reden gegeben werden können: Weilen aber von vielen Jahren hero es teutsch Stadtrecht erlangt/ hat mans dieses Orths darbey bewenden lassen. Wie wolen es anderweits auch Ebenredenheit gegeben worden.22
VerstandtsRöhrlein/ 37. 19.) Jm Welschen ists gegeben: Organi del intelletto. organum, ist ein Griech-Lateinisch Wort bedeut ein Werckzeug/ ist vnterschiedlicher Deutung/ nach der Sachen Beschaffenheit darinnen es gebraucht wird:
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Wie denn besonders in Musickischen Sachen geschicht/ welches aus den gebräuchlichen Worten/ Orgel vnd Jnstrument/ die Lateinisch ein Organum andeut/ erhellet. Also hat mans [Handschrift: [S iij r]] doch verständigerm Vrtheil vnterworffen/ diß Orths fügsamer nit zugeben gewust.23
Gleichförmigkeit/ 38. 9.) Analogia stehet im Welschen/ was das vorgehende Wort/ Proportio in Lateinischer/ das bedeut dieses in Griechischer Sprache. Bekenne dz es/ Krafft obangezogenen vnd offt gebrauchten Wort reden/ besser ein Gleichredenheit were gegeben gewest. Letztere Gedancken aber sein offtmals besser als vorher lauffende.24
Beziehet mit Furchen/ 38. 21.) ferisce findet sich allhier im Text; Dannenhero nothwendig/ besag in der Vorrede den Leser eingeführter fünfften Erinnerung/ diese Vmbrede gebrauchet werden müssen.25
Schwermütigkeit/ 40. 19.) [recte 18.] Findet sich im Welschen Malinconia, ist ein Griechisch Wort/ wird auch im Lateinischen gebraucht/ vnd Melancholia geschrieben/ heist so viel als ein schwartze Gall/ welche Schwermütigkeit verursachet/ vnnd wenn sie erhitzet wird/ aus einen Grim̄ in Vnsinnigkeit/ vnd andere dergleichen Neygungen außschläget. Weilen aber dieses Wort in teutscher Spra- [Handschrift: [S iij v]] che also bekandt/ daß es fast ein jeder im Munde führet/ also ists auch hier darbey gelassen/ doch kurtz zuvor/ l’humor Malinconico, Melancholische Feuchtigkeit gegeben worden.26
Erstaunung/ 41. 7. [recte 6.) Estasi, stehet im Jtalianischen/ ist ein Griechisch Wort/ ἔκσ[τ]ᾶσις, welches im Lateinischen Ecstasis geschrieben wird/ vnd eine Erstaunung oder Gemüths Entzückung heist.27
Wolgefast Zusambstimmung 45. 10.) Find sich im Text Melodia, ist auch ein Griech-Lateinisch Wort/ ein wol Zusamb-gestimbt-lieblich- oder süsser Gesang. Bald hernach wirds Armonia im Text gegeben/ ist auch ein Griech-Lateinisch vnd beyde gleichsdeutend Wort/ (Synonima) auch also verdeutscht worden.28
Vbelstimmung/ Mißstimmung/ 45. 19/ 46. 1.) Jtalianisch/ Discordi, dissonanze, seyn der obigen gegenstehendes/ wie vnschwer aus den Namen erhället.29
Music, 46. 6.) Jst auch ein Griech-Lateinisch Wort/ heist ein Kunst wol zu singen/ [Handschrift: [S 4 r]] weilen es aber im Gebrauch/ vnd jederman verständlich/ als ists darbey gelassen worden.30
Zuhören angenehmer Gesang/ 46.12.) Musica Acromatica. Dieses ersten Worts Bedeutung ist hiervor erkläret; das ander ist ein Griechisch- auch in Latein bräuchliches Wort/ heist so viel als anhörlich. Wenn es ein anhörlicher Klang oder Music gegeben worden/ wehre es besser gewesen.31
Tarantola, 47. 5.) Was dieses Thiers Nahmen in teutscher Sprache/ was es auch für Eigenschafften habe, Jst in vieler Naturkündiger Bücher nachgeschlagen/ vnd nicht funden worden. Jn Jtalianisch/ Spanisch vnd Frantzösischen Wort nennern (Dictionarijs) aber finde ich so viel Nachricht/ daß es ein kleines gifftiges/ dem Eydechs nicht vngleiches/ vnd in Jtalien fast gemeines Thierlein sey. Vnd weilen kein teutscher Nam gefunden/ hat man es bey diesem/ so es in obenstehenden mit wenigem Vnterschied enthalten/ durchlauffen lassen.
Gegenhalt/ 48. 15.) Stehet im Text Correlativo, ist ein Redgebigkunsts (Diale-
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[Handschrift: [S 4 v]]ctices) Wort/ welches man dißmal biß zu ferner Nachsinnung besser nicht hat geben könen̄.32
Fenster des Himmel/ 48. 22. [recte 23.] Hier find sich im Welschen Cataratte, ist abermal ein Griech-Lateinisch Wort/ vnd heist einmahl ein Strudel, andermahl ein Schußgatter oder Fallthor/ drittens ein Schleusse. Hierbey ist des 5. Gliedes der Vorrede an den Leser Erinnerung in acht genommen/ vnd Biblische Wort gebrauchet worden/ wie dieselbe in des 1. Buch Mosis 7. Capitel 11. vers. zu finden.33
Die gröste solcher Art/ 49. 5.) Jst im Jtalienischen Magiori Individui gesetzt/ ein Lateinisch (Dialecticum) Redgebigkunsts Wort: was es auff sich habe/ wissen derselben Kunst erfahrne: Köndte zwar ein vntheilbahres/ oder vnferner Theilbarheit/ als solches an 88 seiten 6. zeilen/ vnd anderswo geschicht gegeben/ auch also gebraucht werden/ wen̄ man in teutscher Sprache/ wie in andern/ solche Kunst zu haben sich befliesse. Weilen es aber für dißmahl sich hier nicht fügen wollen/ hat mans dabey bewenden lassen: Achtet auch des- [Handschrift: [S v r]] sen Redgebigkunsts Bedeutung hierein zu führen ohn nötig.34
Hochmütige Teuffel/ 49. 6.) Der Text hat Luciferi, weil nun Lucifer durch seinen Hochmuth gefället worden/ ist diß teutsch so gegeben.
Zweykampff/ 51. 2.) Das Wort Duello, welches so wol in Lateinisch als Jtalianischer Sprache bräuchlich/ hat meines wenigen ermessens/ besser nicht als dieser Gestalt verteutscht werden können.35
Vorspiel/ 51. 18.) Gleicher massen sichs mit dem Wort Preludio.36
Tieff in Noth stecken: Nothfest machen/56. 14. 15.) Hier finden sich im Jtalianischen die Worte/ Cimentar, Cimentato, Jch gestehe gerne/ daß meines wenigen Orths ich kein recht Teutsch Wort/ so dieses nachdrücklich bedeute/ habe absehen können; Denn das Namwort Cæmentum, darauß diese den Abfluß/ (derivationem) nehmen/ heist allerley vngewirckte Stein zum Mawren. Sonsten habe ich diß Wort in keinem Jtalianischen Wortnenner gefunden. [Handschrift: [S v v]] Jm Frantzösich- vnd Spannischen finde ich dz Cimenter, Cementar, Cimentar, so viel heisse als den grund eines Dinges fäst legen oder giessen. Gleich wie man sonsten zu reden pflege/ ein ästrich giessen. Jn Holl- vnd Niederlanden befestigt man (cimentirt, wie sies reden) die Keller mit einem/ vom Kalckh/ Sandt/ zuvorderst Tueffstein zugerichtetem Mörtel gegen das Wasser. So wird auch nach obiger Arth/ das Cimentar für fäst machen gebraucht/ dahero ich mich dieser Vberdragung (Metaphora) Noth fäst/ gegen Noth befästiget vnd dergleichen gebrauchet? Jch bekenne daß ich in Zweiffel gestanden/ ob diß Cimentar, ein wörtlichs/ (verbale) von dem Jtalianischen Cima, welches den Gipffel/ das obriste/ die Zinnen oder die Spitze eines Dinges bedeutet/ seye/ vnd dannenhero erhöhet/ erhoben/ empor gestellet/ vnd dergleichen hätte verteutschet werden können: Gebe aber hiemit mein Vnwissenheit an Tag/ vnd vntergebe es besserm Vrtheil.37
Außzuführen/ 61. 2.) Wird im Jtalianischen Cavar gefunden/ hat in derselben Sprach vielerley/ als außhölen/ außnehmen/ [Handschrift: [(S 6) r]] abziehen/ außschlagen/ außreissen/ vnd dergleichen Bedeutung/ wird in diesem Werck auch vnterschiedlich gebraucht/ dannenhero es/ nach jedes Orths Beschaffenheit gegeben wird. Als heraus ziehen/ 52. 17 Hier Cavar un atto/ ein Werck außführen.38
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Gernriesen/ 62. 20.) Stehet im Welschen giganteggi, hette ach wol ein Riesentzender gegeben werden können: Weilen mir aber diß erst in die Feder kommen/ ists also gesetzet worden.39
Vorgestelte Frage/ 65. 20.) Weilen diß im Welschen Problema stehet/ hätte es billich FragsVorstellung/ können vnd sollen gegeben werden: Jnmassen obstehendes ein Griechisch Wort; welches in seiner Sprache so viel/ als eine Auffgebungs-frag/ welche mehr durch Verstand/ als wircklich ergrieffen werden kan/ andeutet.40
Glück/ 72. 2.) [recte 72. 7] Hier findet sich im Jtalianischen das aus dem Lateinischen genommenes Wort Fato: Was dieses Worts eigene vnnd nachdrückliche Bedeutung/ kan hier nicht sathsamb/ insonderheit/ wie [Handschrift: [(S 6) v]] es Christlich/ vnd Weißheit/ liebhaberisch gebrauchet vnd verstanden außgeführet werden: Wenn mans nach Wortsrechtdeutung (Etymologia) wol betrachten wil/ heists eine Rede/ ein Außspruch/ dannenhero es von den Stoischen Weißheit liebhabern für ein Außspruch/ oder Stimme göttlichen Gemüths/ genommen wird/ Sihe Lipsij ins ersten Buchs Politischer Lehren/ 4 cap[.] Hier ists Glück gegeben worden/ weilen es in teutscher Sprach also läuffig/ vnd zu Hoff insonderheit gebraucht wird. Darzu denn auch kompt/ daß vnser Marggraff im eingang seiner Schrifften außdinget/ wo Glücksmeldung geschehe/ er dadurch eine vns Menschen zwar vn- Gott aber allein be-kandte Vrsach meine; Sintemalen Gott die Haupt-Vrsach aller Vrsachen ist.41
Gegenwurff/ 74. 19.) Jst Welsch Oggetto, von den Lateinischen Wort objectum gesetzt. Welches ein Gegenwurff der Sinligkeiten/ als Farben des Gesichts/ klang des Gehörs/ vnd wie hier Schönheit ein Gegenwurff der Liebe bedeutet.42
Ebenredenheit/ 76. 1.) Sihe oben bey dem Wort Proportz.43 [Handschrift: [(S 7) r]]
Himmels Zeichen/ 78. 10.) Stehet zwar im Welschen Zodiaco, vnd ist ein Griechisch Wort/ bedeut den Himmels Creyß/ darin mit den Sternen die zwölff Zeichen/ mehrerentheil mit lebendigen Thieren/ als Stier/ Wieder/ Zwilling/ Löwen bezeichnet werden: Hätte also des Himlisch-Thier Creyßzeichen/ wenn es recht Wort-liebhabig (Philologicè) betracht gegeben werden sollen: Es wird aber gehofft/ dieses gesetze bringe auch den erforderten Verstand mit sich.44
Pfund/ 80. 11.) Talenti, darvon siehe 215. 23.45
Vnterwurff/ 85. 16.) Stehet Welsch Soggetto, ist von dem Lateinischen Subjectum genommen: Welches an sich ein Vnterwurff oder Vnterlage heist: hier ist es Redengebungskünstig (Dialecticè) genom̄en. Was solchs in diesem Paß bedeute/ wird an seinem orth gestellet/ weil es allhier außzuführen nicht vorhabens.46
Neygungen/ 86. 14.) Findet sich in der vns Hauptsprachen affecti, kompt von dem Lateinischen affectus her: Meines Orths [Handschrift: [(S 7) v]] gestehe ich gerne daß diesem Worte kein recht Nachtrückliche Bedeutung in teutscher Sprache geben können. Es hat zwar sein Abfluß (derivationem) von afficere, welches an sich selbsten Anthun heist/ sonsten aber bewegen/ Anfechtung-machen/ erregen/ auch neigen gebraucht wird. Sie wollen aber allzumahlen mir die rechte nachdrückligkeit/ die das Wort an sich selbsten in Lateinisch- vnd dero bastardsprachen hat/ nicht außtrückē/ gestalt solches sich fast offt befindet/ daß ein
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Wort in der ein als in der andern Sprachen mehr deut- vnd nachtrücklicher gegeben werden kan/ vnd derwegen solcher Wort/ nach Gestalt der Materie sich gebrauchen muß/ wie hier auch etlicher massen/ doch wol besser/ wenns Erregungen gegeben worden/ geschehen.47
Vnferner theilbarheit/ 88. 6.) Findet sich aus dem Lateinischen genommen/ im Welschen Individuatione, darvon sihe oben bey den Worten: Die grösten solcher Art/ 4915. [recte 49. 5.]48
Comet, 89. 22.) Jst zwar ein Griechisch/ doch fast in allen Sprachen gebräuchli- [Handschrift: [(S 8) r]] ches Wort/ entspringt vom Griechischen Κόμη welches das HäuptHaar heist/ eben als wenn ein solcher Sterne Haar hätte/ davon weiter beym Amm: Marcell: im 25. Buch mit 328 seyten zu lesen. Köndte derwegen/ wie im Lateinischen Stella Crinita, auch im Teutschen geharter-Stern gegeben werden; weilen aber das Wort/ wie obangedeutet im verständlichen Brauch/ ists auch allhier darbey geblieben.49
Regel/ 92. 11.) Mit diesem Wort hat es sich fast wie mit dem vorigen/ denn es schier in allen anderen dieser Orthe gewöhnlichen Sprachen verständlich/ dardurch/ auch teutsch StadtRecht erlanget hat. Heist an sich selbsten ein Richtscheid/ ein Richtschnur/ auch wol Lineal; wird aber durch ein Vbertragung (Metaphoram) an statt eines gemeinen Satzes/ darnach alles so dem anhängt sich gleich wie die Rieß oder Linien/ nach dem Richtscheid richten muß.50
Eysenhüttlein/ 92. 15.) Wird im Jtalianischen Napello, aus dem Lateinischen Napellus genandt: Was dieses Krautes vnd [Handschrift: [(S 8) v]] dessen Blumen für gifftige Krafft/ ließ man in den Kräuter Büchern.51
Fantaseyen/ 99. 20.) Daß diß Wort so wol in Teutsch als Jtalianisch vnd andern dergleichen Sprachen/ vom Griech- Lateinischen Phantasia herrührt/ ist kein Zweiffel was seine gemeine Bedeutung/ ist fast jederman wissent: Eigentlich aber bedeut es ein vom eusserlichem Gegenwurff/ steiff gefaste innerliche Einbildung.52
GewohnheitsGestalt/ 100. 2 [recte 3.] Stehet im Italianischen Habito, vnd ist aus dem Lateinischen Habitus genommen; was dasselbe Wort in der Lateinischen Sprach für ein nachtrücklichen Verstand/ wissen deroselben kündige. Meines wenigen Ermessens/ doch auff Verbesserung/ hat es sich auff dißmahl wol fügen wollen/ hätte auch wenn man der kürtze sich nicht befliesse/ mehrer Außführung nötig.53
Eigennutz/ 108. 20.) Findet sich in dem Jtalianischen Interesse. Jn wie vielerley Verstand dieses Worts/ nach dem es/ Politisch/ Hauß oder Kauff-männisch/ gebrauchet wird/ ist kundtbar/ Jch gestehe zwar/ daß es ein gemeinere Nachtrückligkeit (Generaliorem[Handschrift: [T r]]Emphasin) habe/ wie es aber anders als so/ oder eigen Vortheil/ eigen Anliegen oder Anliegenheit gegeben werden möge/ habe ich biß anhero noch nicht absehen können: Erwarte derwegen von Verständigern bessern Nachricht/ insonderheit ob die Arth zu reden/ Mitvnterseyn/ wie solches/ 231.6. eingeführet/ Teutsch StadtRecht erlangen möge.54
Nachsinnung/ 100. 2.) [recte 112. 5] Wird im Welschen discorsi gegeben; was dieses Wort/ so aus dem Lateinischen discursus genommen/ vnd eigentlich/ hin- vnd wieder lauffen heist/ für eine Bedeutung habe/ ist fast kundbar/ wird
|| [690]
in vnterschiedlichen Arten Teutsch gebraucht/ diese Meynung aber schickts sich vermütlich dieses Orths am besten; andern Orths habe ichs auch nachsinnige Vmbscheiff [sic] gegeben.55
Chor/ 110. 15.) Jst zwar durch den Gebrauch ein verständlichs Wort/ kompt von dem Griech-Lateinischen Chorus, welches wol vnterschiedliche Bedeutung/ zuforderst aber ein Versamlung oder Menge/ deren die singen oder tantzen heist. 56 [Handschrift: [T v]]
Kurtztägig Fieber/ 112. 9.) Stehet in vorhabender Sprach Effimera, kompt vom Griechisch auch in Lateinischer Sprachen gebräuchlichem Wort Ephimera, welches ein täglichs Fieber heist.57
Newmonds Tage/ 120. 7.) Dieses Wort wird im Biblischen Text gefunden/ darumb auch hier gebraucht: Jm Jtalianischen stehet Calende, welches den ersten Tag jeden Monats bedeut/ wird auch/ wenn dieses Worts Vhrsprung/ beym Macrobio in Saturnalibns[sic], in Betrachtung genommen wird/ nit weit von einander seyn.58
Schawspiel 1/35. 18.) [recte 135. 18.] Stehet im Welschen Comedia, vnnd ist ein Wort/ so vom Griechischen den Vhrsprung nimpt/ vnd fast durch alle Sprachen durchgehend ist vnd bedeut ein Schawspiel/ so ein trawrigen Anfang vnd ein fröhliches Ende hat; handelt mehreren Theils von geringen Personen. Da hingegen die Tragedien ein lustigen Anfang/ vnd trawriges Ende nehmen; darinnen auch nur von grossen Königen/ Fürsten/ Herrn/ Helden/ [Handschrift: [T ij r]] Ja zun Zeiten von den Göttern selbsten gehandelt wird.59
Vor-bewahrungs artzney/ 152. 13.) Allhier wird eben so wol ein Griechisch/ auch in Lateinischer Sprach gewohnlichs Wort/ als Alexipharmaca gebraucht/ vnd im Jtalianischen Alesifarmaco gesetzet/ vnnd heist so viel als ein Vorbewahrungs Artzney (Præservatif) für Gifft/ Bezauberungen vnd dergleichen.60
Anliegen/ 143. [recte 153] 7.) Findet sich im Welschen Passione, kompt vom Lateinischen Passio, vnd heist ein Leyden/ Anliegen/ Bekümmernis/ Gemüths Bewegung zur Liebe/ Haß/ Zorn/ Mißgunst/ Furcht/ Frewde/ Hoffnung vnd dergleichen.61
Höhern Grad/ 166. 1.) Stehet altera Sfera. Hätte wol auff [recte: auch] ein andere Kugel gegeben werden können: Weilen aber das Wort σϕάιρα [sic], ein weiter nachtrücklich Bedeutung hat/ so hier außzuführen nicht vnsers Vorhabens/ als hat mans insonderheit/ [Handschrift: [T ij v]] weilen in dieser Meynung es sich füglich reimbt/ dabey bewenden lassen.62
Kurtzgefaste Schlußreden/ 188. 12.) Wird im Jtalianischen Entimemi gegeben/ von dem Griech-Lateinischen Wort/ Enthymema, daß von dem Wort ενϑυμέομαι, so etwas zu Sinn fassen/ in acht nehmen/ oder betrachten heist/ seinen Abfluß (Derivationem) nimpt. Es wird zwar in Redner Kunst (Rethorica, deren auch auff dieser seyte 20. Zeil gedacht wird) gebraucht/ vnd bedeut daselbst so viel/ als wenn ein Beredungssatz durch wiedrige Dinge geschlossen wird. Jn Redengebkunst/ (Dialectica) aber bedeut es so viel/ als eine vnvollkommene Schlußrede/ bey welcher einer der dreyen Sätzen mangelt/ vnd kürtze halben, aus zweyen der Schluß gemachet wird. Als/ ein vollkommene Schlußrede wird nach obstehender Kunst also gefast/ Allen Tugenden sol man nachstreben:
|| [691]
Mässigkeit ist ein Tugend: Darumb sol man jhr nachstreben. Diese kurtze Schlußrede aber wird so gefast; Mässigkeit ist ein Tugend: dar- [Handschrift: [T iij r]] umb sol man jhr nachstreben. Jst also deßwegen wie obstehet/ verdeutschet worden.63
Bezoar, 195. 11.)Was diß für ein Stein/ wannenhero sein Vhrsprung/ darab sein vnterschiedliche Meynungen; was seine Tugenden/ insonderheit wieder die Gifft/ allhier außzuführen/ ist vnsers Vorsatzes nicht: Jnmassen solches zur Artzney-handlung gehört/ derowegen es daselbsten vnter andern auch bey Garzia de la Huerta, königl. Stadthalters in Jndien/ LeibArtztes/ ersten Buchs 45. Cap. zu finden. Der Name ist Persisch/ vnd wie oberwehnter Artzt schreibt/ Pazar, vom Wort Pazan, welches ein Bock in Persisch- vnd Arabischen Sprache heissen sol/ hergenommen. Jetzo wirds gemeiniglich Bezoar genandt/ derowegen mans auch darbey bewenden läst.64
Vnruhe/ 213. 6.) Stehet im Welschen Gnomone, so ein Griech-Lateinisch Wort/ vnd nebenst mehrern Bedeutungen ein Sonnenzeiger heist. Weilen aber die Vhrwercke nit durch den Zeiger/ sondern die Vnruhe regiert werden/ ists allhier vmb klarern Verstandes willen also gegeben worden.65 [Handschrift: [T iij v]]
Vngläubigen/ 213. 22.)[recte 23.)] Wird im Jtalianischen Pagano gegeben/ heist auff Spannisch eben also/ auff Frantzösisch Payen, welche in allen drey Sprachen Vngläubige oder Heyden bedeuten. Sie nehmen zwar alle drey jhren Abfluß von den Lateinischen Paganus, welches an sich ein Dorffmann heist/ darneben aber noch ein vnnd andere Bedeutungen hat. Jn dieser Sprachen aber wird es mißbräuchlich in obenstehendem Verstand genommen.66
Probierstein/ 215. 16.) Stehet im Welschen Paragon, vnd hat in den drey oberwehnten Sprachen einerley Namen. Bedeut auch wol ein Vergleichung oder Gegenhaltung. Hier aber hats ermessen nach/ besser nicht als mit diesem Wort/ welches es auch bedeut/ verdeutschet werden können.67
Capel/ 215. 21.) Findet im Welschen sich Copella, heist wol auff teutsch ein Schmeltzofen/ Kolbe oder Tiegel/ weilen aber dieser Nam Capel bey den Goldschmeltzern/ oder Gern-goldmachern/ welche man Alchimisten nennet/ vnnd das folgend erwehnt falsch Gold/ so im Welschen Oro de Alchimia[Handschrift: [(T iv) r]] genandt wird/ zu machen sich vnterstehen/ Teutsch Stadtrecht erlanget/ als ists vmb mehrerer Deutligkeit willen hierbey gesetzt worden.68
Gaben/ 215. 23.) Stehet im Welschen Talenti, vnnd ist vom Griech-Lateinischen Wort Talentum geflossen/ welches in seiner Sprach ein Gewicht heist/ das zehen Minas, vnd dieser jeder 100. Atheniensisch; oder 96. Römische Drachmas hielte. Auch wars ein Zehlens-arth der Müntze/ denn ein Talentum wahr/ nach etlicher Gelarten Außdeutung/ 600. Kronen/ auch wol dicke-Königs- oder Philipsthaler: Hier aber wirds durch ein verblümbte Rede/ für Gemüths vnd Leibes Gaben gesetzt vnd gebrauchet: Auch zu mercken/ daß dies Wort oben an 80. seyten auch gebraucht/ vnd daselbst nach Befindung/ Pfund in Biblischer Art gegeben worden.69
Gleichwortig-reden/ 217. 9.) Hier ist das Wort equivocare, so vom Lateinischen Æquivocum entspringt/ dergestalt verteutschet worden. Jnmassen das Lateinische Æquivocum, ein solches Wort/ welches viel Bedeutung hat/ anzeigen wil/
|| [692]
als zum Beyspiel/ [Handschrift: [(T iv) v]] das Wort Büchs/ heist erstlich ein gedrehet rund Schächtelein/ darinnen etwas verwahret. Es heist ein Büchs oder Rohr/ oder auch grosses Geschütz. Auch heist das hole in der Nabe darin die Achse läufft. Jn Niedersächscher Sprach/ des Manns Niederkleid vnd dergleichen. Wie aber jetziger: Zeit das Wort Æquivocare, oder die Æquivocationes, nicht allein außgelegt/ sondern auch gebraucht werden/ ist leider allzu gemein/ außzuführen verdrießlich/ auch bey diesen Wortliebischen (Philologicis) Anmerckungen/ vnsers Thuns nicht.70
Künstler/ 222. 18.)Steht zwar im Text Professori, so von dem Lateinischen abfliest/ daß einen Gelährten/ der seine Wissenschafft vmb gebührende Besoldung andere lehret/ bedeutet. Weilen aber solch Stand vnd Namen allzu ehrlich/ vnd billich hoch gehalten/ als hat man/ ob wollen es in Teutscher Sprach fast jedermänniglich wissend/ dennoch zu Andeutung solcher Losen/ vngegründeten Künst/ hierin nicht setzenwollen.71
Gesicht-ender/ 252. 9.) Jst im Welschen Orizonte, kompt vom Griech-Lateini-[Handschrift: [(T v) r]] schen Horizon, welches vom ὁρίζειν, so etwas beschrencken oder enden heist/ seinen Vrsprung hat; Gestalt es vom Cicero Finiens, oder Finitor gegeben wird. Dieser Horizon oder Gesichtender wird von dem Gelahrten auff zweyerley Art genommen. Horizon naturalis, natürlicher; oder artificalis, künstlicher/ Gesichtender. Der Künstliche wird gesetzet für einen Circkel: welcher so wol die Himmels als Erdreichs-Kugel in zwey gleiche Theil theilet: Er machet mit dem MittagsCirckel (Circulo Meridiano) durch welcher bey der gleichsamb in einander Schränckung die höhe des Achspuncts (Altitudo Poli,) gemercket wird/ rechte Winckel. Der natürlich Gesichtender ist der/ welches des auff einem erhabenen Orth/ oder blachen [sic] Felde stehenden Menschens Gesichtsstralen (radios opticos) wohin er sich wendet/ abschneidet oder endiget; Dannenhero dies Wort in Teutscher Sprach also gegeben: Auch hiermit diese Wort-Anmerckung/ so vmb bessern Vornehmens willen/ kürtzlich vnd wolmeinlich beygefügt/ geendiget wird.72
E N D E.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a
Lies: ohnedaß im Sinne von ausgenommen, nur dasz (abgesehen davon, daß) aus dem mhd. âne daz findet man im 16. und 17. Jahrhundert als on, ohne das (dasz), vgl. DW VII, 1217.
b
Lies: schlicht, einfach, schlechthin
c
Text bis zum Ende eigenh.

T II
a
eingeflickeen Druckfehler.
b
danen Druckfehler.
c
Sic.

T III
a
Eingefügt von F. Ludwigs H.
b
Folgt von F. Ludwigs H. <weiland |> u. von Schreiberhand <zur Zeit. |>
c
Bis einschließlich 1643 von F. Ludwigs H.
a
Fehlt in ,David Hs'. In der Handschrift allgemein Kommata statt Virgeln.

Kommentar

K
1
Zu dem Bologneser Moralisten und Tacitisten Virgilio Malvezzi Marchese di Castel Guelfo (1595–1654) vgl. bes. Rodolfo Brändli: Virgilio Malvezzi politico e moralista. Tesi di laurea (Università di Basilea). Basilea 1964; August Buck: Zeitkritik und Lebensregeln italienischer Moralisten in der Epoche des Barock (Traiano Boccalini, Virgilio
|| [693]
Malvezzi, Torquato Acceto). In: Italienisch-europäische Kulturbeziehungen im Zeitalter des Barock. Hg. B. Winklehner. Tübingen 1991, 69–92; Markus Völkel: Der Privato politico christiano von Virgilio Malvezzi (1635) — ein „Porträt“ spanischer Politik aus italienischer Sicht. In: Spaniens Beitrag zum politischen Denken in Europa um 1600. Hg. Reyes Mate u. F. Niewöhner. Wiesbaden 1994, 171–180 (Wolfenbütteler Forschungen, 57). Die in III Q beschriebene Widmung des Davide perseguitato von 1634 an Kg. Philipp IV. v. Spanien übernahm Kalcheim nicht. Zu Kalcheims Übersetzung der politischen biblischen Biographie vgl. Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 440–449. Vgl. auch besonders 390807, 390921, 391000, 400102 u. 430505.
2
Zwar, adv. Vgl. 371027 K I 1.


K I
1
Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) widmet Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) handschriftlich seine Übersetzung des Davide perseguitato von Virgilio Malvezzi Marchese di Castel Guelfo.


K II In seiner Übersetzung gehorchte Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) als Mitglied der FG seiner Pflicht, „es so rein vnd gut Teutsch/ ohne Einmischung frembder Worte/ als möglich zu geben.“ Diese Formulierung folgt der des Kurtzen Berichts im GB 1622 (u. später), s. DA Köthen II.1, [10]. Seine Beiträge zu einer deutschen wissenschaftlichen Terminologie stellen oft Neologismen, Hapaxlegomena oder zum mindesten frühe, in der Schriftsprache seiner Zeit ungebräuchliche Ableitungen oder Zusammensetzungen dar. Zum Nachweis führen wir die Sätze oder Phrasen der Vorlage und Übersetzung an und prüfen die Seltenheit, Neubildung oder spätere Verwendung der Wörter in einer großen Zahl von älteren und etwas jüngeren Wörterbüchern. Die im David 1638 versammelten Belege stellen in der FG den ersten kritischen und zahlenmäßig erheblichen Versuch einer Verdeutschung der Wissenschaftsterminologie dar. Bei diesen Bereicherungen der deutschen Wortgeschichte handelt sich zwangsläufig häufig um Abstraktionen und Zusammensetzungen, die wegen der Vorherrschaft des Lateinischen und wegen dessen Verwandschaft mit dem Italienischen der Vorlage im Deutschen meistens nur auf dem Wege lateinischer Erklärungen verdeutlicht oder bestimmt werden können. Kalcheim knüpfte in seinen Verdeutschungsvorschlägen wiederholt an das nl. Wort ,reden’ oder dessen deutsche Verwandte an (vgl. Anm. 13; K IV 6, 7, 20, 22, 24, 43, 46 u. 63). Da Kalcheims Lehnprägungen bei der Bearbeitung des Buchs durch die FG häufig und zurecht auch als ungeschickt empfunden wurden, wurden sie im Verfolgeten David von 1643 einer formalen Änderung unterzogen oder inhaltlich angepaßt, wobei oft auf die in einem Wort ausgedrückten Begriffe verzichtet bzw. die definitorischen Termini durch mehrwortige Erklärungen umgangen wurden [z. B. „meinung“ oder „ungereimete meinung“ statt „Wiedermeinungssatz“ (paradoxum)]. S. Beil. III und K IV. F. Ludwig und sein Mitarbeiter Diederich v. dem Werder (FG 31) haben in ihrer verbesserten Übersetzung die Prägungen Kalcheims allerdings noch um viele eigene Verdeutschungen und Anmerkungen vermehrt, welche wir hier jedoch aus Raumgründen nicht gezielt wiedergeben können. Wie häufig Kalcheims, F. Ludwigs und Werders Neuerungen übernommen wurden, können die eher sporadischen Belege aus zeitgenössischen und jüngeren Quellen meistens nicht schlüssig erweisen. Hierzu bedürfte es viel ausgedehnterer Studien zur Geschichte des deutschen Wortschatzes im 17. Jahrhundert. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, daß viele der Anregungen Kalcheims und seiner Revisoren unbemerkt blieben. Auffällig ist allerdings die schnelle Übernahme von Verdeutschungen Kalcheims in der ersten Auflage der Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel, die ihr Verfasser, Georg Philipp Harsdörffer (FG 368. 1641), nach dem Erscheinen des David 1643 (s. Beil. III Q) in der zweiten Auflage seines Werks jedoch wieder verbesserte. Vgl. Anm. 2, K IV 70 u. ö. Zu einer weniger ambitiösen, frühen gesellschaftlichen Anregung
|| [694]
terminologischer Spracharbeit in der FG vgl. schon 240109 K 5. — Zur richtigen historischen Einschätzung der Verdeutschungen Kalcheims ist hervorzuheben, daß dessen Versuche nicht als Ausdruck eines unbeschränkten Purismus zu werten sind. Kalcheim behält bewährte und allgemein verständliche Lehnwörter wie Religion (s. K IV 12) und überschreitet damit im allgemeinen nicht die auch später in der FG meistens respektierte Grenze: „[...] ob man wol diese und derogleichen Wörter Teutsch zu geben vermöchte/ so wil es dennoch deshalber nicht nötig seyn/ weil sie überall bekant/ meistentheils Teutsche Art an sich genommen/ auch wol deütlich und zierlich/ ohn Beschimpfung der Sprachen/ zugebrauchen seyn.“ Da im Deutschen „das sonderliche Recht/ so man das herkom̄en“ nenne, gelte, solle man — wie es die lateinische Sprache mit griechischen und anderen fremden Vokabeln gehalten habe — „durch das herkom̄en fest eingezweigte Wörter/ Teutschem nachruhm ohn schaden/ numehr fein behalten und sothane Teutsch genaturalisirte Wörter mehr bekant und beliebt/ und die Sprache selbst dadurch Wortreicher werden lassen“ (Justus Georg Schottelius [FG 397]; Schottelius, 1273, vgl. 1248). Ähnlich sollten nach [Harsdörffer]: FRAUENZJMMER GESPRECHSPJELE II (1647), 182f. Wörter wie Autor, Proviant oder Potentat „Nicht passiren/ sondern gelten können [...] weil sie teutsch geendet/ von jederman verstanden/ und Teutsch geschrieben werden. Jm Fall aber ich solte teutschen Chapperon garçettes, galouches &c. müste ich entweder diese Wort noch zur Zeit behalten oder so beschreiben und umbschreiben/ daß mich die/ mit welchen ich darvon rede/ verstehen.“ Die letztgenannten fremden Ausdrücke sollten allerdings ersetzt werden. Entsprechend gilt für neue, nichtentlehnte Termini: „Sonsten aber die termini artium und Kunstwörter/ wan in Teutscher Sprache Künste und Wissenschaften neu sollen beschrieben werden/ künnen gar wol/ wo sie annoch nicht verhanden/ nach den principiis compenendi & derivandi schicklich und deutlich aufgebracht werden/ deuten auch offtmals jhr Ding genauer und vernemlicher an/ als das Lateinische oder Grichische jmmer thun kan.“ (Schottelius, 1248). Vgl. Harsdörffer: Poetischer Trichter III (Nürnberg 1653), 11f. über David 1643: „Damit nun solche Neurung keine Jrrung und Hinderung beursachen möchte/ pfleget man die neulich geteutschte und der Zeit von dem gemeinen Gebrauch noch unbeliebte Wörter an den Rand Lateinisch/ Griechisch oder in seiner Sprache beyzuschreiben [...]. Wie zu sehen in dem verfolgten David/ von dem Festen (H. Obr. Lohausen) übersetzet [...].“
1
Vgl. Beil. II: „ein solch vngereimbts“ und Beil. III: „ungereimete meinung“, „ungereimtes ding“; Roth Fremdwb., 335: „Paradoxan, Ein vngemeints/ ein seltzamer spruch wider den gemeinen wohn/ Ein wunder red/ der im ansehen falsch/ vnd doch im grundt nichts dann lauter warheit ist. Exempel.“; Calepinus 1605, 1021 s. v. Paradoxa „Seltzame wunderbare ding so wider den gemeinen wohn der Leuten sind“; Faber/ Buchner (1664), 681 s. v. Parradoxus [sic], Paradoxa: „Wundersame Ding/ so wider gemeine Gedancken Vrtheil und Meinung sein [...].“ — Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) II, 330ff. (1524 Eberlin v. Günzburg: ,paradoxon’). — S. Anm. 16.
2
Vgl. Beil. III: „nach art der liebwürdigen weisheit“; Diefenbach: Glossarium, 235 s. v. Philosophya „lieb der Weißhait“; Calepinus 1605, 1087 s. v. Philosophicus, a, um „ Das zu den Liebhaberen der weißheit gehört“; DW XIV.1.1, 1139 (,weisheitsliebe’, 1657 Georg Neumark [FG 605]; Stieler, 1157 „Weysheitliebe“ [Caspar (v.) Stieler, FG 813. 1668]). Vgl. „bey den Verstand-Lehrern/ oder Weißheit-Liebhabern“ in Georg Philipp Harsdörffer: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641), Bl. [E VIII]v (HAB: Lo 2621 [1]). Vgl. 84 nur „bey den Vernunftlehrern“. ,Liebhaberisch’ lt. Campe Wb. III, 124 (noch) in niedriger Schreibart und in der Umgangssprache brauchbar. Die Ableitungen auf –isch, welche im vorliegenden Text neben den Suffixen –ig und –lich auffällig häufig vorkommen, sind bei Kalcheim noch nicht, wie zunehmend im 18. Jahrhundert, abschätzig gemeint. Vgl. Walther Henzen: Deutsche Wortbildung. Tübingen 19653, 200f.
3
DW VII, 452f., naturforschend. Vgl. Beil. III: „nach art [...] der natürkündigung“;
|| [695]
Frisius, 1003: „Physicè, pen. corr. Aduerbium. Cic. Natürlichen“; Roth Fremdwb., 339: „Physicus, Naturkündiger [...]“; Calepinus 1605, 1089 s. v. Physicus, Naturkündiger. — Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) II, 518f. (1548 Rivius: ,physisch’). — Vgl. Anm. 26.
4
Vgl. Beil. III:„nach art [...] der Sittenlehre“.Vgl. Dt. Fremdwb. (1995) V, 286 (1616 Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel [FG 227]: „hat sie [Schachkunst] ihr fundament auß der ethic der sitten-politic“; 1658 Comenius „Ethica: Die Sittenlehre“; DW X.1, 1251 1659 Butschky; Stieler, 1128: „Sittenlehre, ethica“ bzw. „disciplina moralis“; Wachter, 1529).
5
Vgl. Beil. III: „nach anweisung der geschichte“ und „Geschichtschreiber“. Vgl. auch unten in Beil. II „Geschichtschreiber“; dazu Gueintz: Sprachlehre (1641), 6f.: „Geschicht- und weltbeschreiber“ u. „Geschichtschreiber“ [Christian Gueintz (FG 361. 1641)]; Philipp v. Zesen (FG 521. 1648): Hooch-Deutsche Spraach-übung (Hamburg 1643), xjjj: „Geschicht-schreiber“. Vgl. Hugo Harbrecht: Philipp von Zesen als Sprachreiniger. Phil. Diss. Freiburg i. Br. Karlsruhe 1912, 14; ders.: Verzeichnis der von Zesen verdeutschten Lehn- oder Fremdwörter. In: Zs. f. deutsche Wortforschung XIV (1912), 71–​81, hier 75. Vgl. schon Frisius, 630 s. v. Historicus: „Ein gschichtschreyber“; Roth Fremdwb., 316: „Historiographus oder Historicus, Ein Geschicht schreiber.“; Calepinus 1605, 652: „Historicus, Historiarum scriptor [...] Ein Geschichtschreiber.“ S. Stieler, 1747: „Geschichter/ der/ historicus [...] aliàs Geschichtschreiber/ à commentariis“, „Geschichtlich/ adj. & adv. historicus, & historicè“.
6
Götze, 227. Vgl. Weltwitz, veraltet für Weltklugheit, lt. Campe Wb. V, 676 (1675 Basler Wörterbuch). Vgl. Beil. III: „nach dem verschmitzeten weltlauffe“.
7
Diefenbach: Glossarium, 61; Calepinus 1605, 145; DW IV.2, 1689. Vgl. Beil. III: „nach der Höfe art“.
8
Vgl. Beil. III: „nach der krieges und streitkunst“; Dt. Fremdwb. (1913) II, 574 (1627 Joseph Furttenbach „Polemica vnd Kriegskunst“); DW V, 2279: ,kriegskundig’ (1716 Ludwig). — Vgl. Stieler, 1563 „Underrichtlich/ juxta institutum, præconceptionem, formulam“ zu „Underricht/ der & die Underrichtung/ instructio, institutio, informatio, prælectio, præscriptio.“; Aler, 2070; im Sinne von belehrend, aufklärend auch DW XI.3, 1735 (1525 Schwarzenberg).
9
Vgl. Beil. III: „nach der rechtslere“; Dasypodius, 104v: „Iuridicus, a, um, Das nach dem rechten/ oder gesatz ist“; Diefenbach: Glossarium, 312 s. v. Iurista: „jurist. recht-lerer“; Stieler, 1128: „Rechtslehre/ jurisprudentia“; Campe Wb. IV, 778: „Rechtslehrig“.
10
Fnhd. Wb. I, 220: ,ärztisch’. Vgl. Beil. III: „nach der artzneylehre“.
11
Zu oeconomia, Haushaltung, vgl. Dt. Fremdwb. (1913) II, 241 u. DW VII, 1269 s. v. ,ökonomisch’ (Johann Balthasar Schupp). Vgl. Beil. III: „nach guter haushaltung“; Frisius, 910: „oeconomia. Haußhalt/ Hofmeisteramt/ Schaffnerey/ Anschlag/ Haußuerwaltung“; Maaler, 214v: „Haußhaltung (die) Administratio rei familiaris“; Faber/ Buchner (1664), 653; DW IV.2, 673, vgl. 672: ,haushälterisch’, ,haushältig’ u. ,haushältisch’ nur in der Bedeutung: wirtschaftlich, sparsam. So auch Campe Wb. II, 578: ,haushältig’ mit Hinweis auf Goethes ,haushältisch’. Vgl. Campe Fremdwb., 445 s. v. ,Oeconomisch’: „wirthlich, wirthschaftlich, landwirthschaftlich, haushälterisch, sparsam“.
12
Vgl. Beil. III: „nach der baukunst“. Zu architectonice, f., „Die kunst des bawens“, Calepinus 1605, 114; vgl. Dt. Fremdwb. (1913) I, 49 (1636 Schwenter „Architectonische Fragen“); Dt. Fremdwb. (1995) II, 178f. s. v. architektonisch (1532 Brunfels „Architectonischen Grundstucken“). Zu Baukunst, architectura, s. Henisch, 201 u. Faber/ Buchner (1664), 86 (,architectonice’ u. ,architectura’); Stieler, 1010; Steinbach I, 909. Vgl. „baukünstig“ in Campe Wb. I, 393 u. Campe Fremdwb., 124.
13
S. redgebe, adj., gern u. leicht redend (DW VIII, 475f., Keisersberg, Fischart u. a.); Diefenbach: Glossarium, 15 „rede geb“ und künstig (DW V, 2703, angeblich im 16. Jh. in Wörterbüchern ausgestorbenes Adj.); Dasypodius, 365r vnKünstig; Jones: Purismus, 368 (1644 Johann Heinrich Schill „Logica Redgebkunst“); Aler, 1594 „Red-künstig.
|| [696]
Rhetoricus, a, um. Et Adv. Rhetoricè.“ Vgl. 371014 K 2 („gewißkünstig“ für mathematisch), außerdem Dt. Fremdwb. (1913) I, 141 (1534 Fuchsberger „Dialectisch erfindung“); Dt. Fremdwb. (1995) III, 497ff. (1190 Herbort v. Fritzlar ,dialectica’); Diefenbach: Glossarium, 179 s. v. Dialecticus: „ein lerer des redlichen krieges in kunsten“; Dasypodius, 50v. Gegenüber dieser humanistischen Verschiebung der Logik zur Rhetorik vgl. die in David 1643, 6 eingefügte Unterscheidung von „verstandlehre (Dialecticè)“ und „redener lehre (Rhetoricè)“. Vgl. Beil. III: „nach der verstandlehre“.
14
Vgl. Beil. III: „nach der Poeterey“; Dt. Fremdwb. (1913) II, 570 u. DW VII, 1967ff. s. v. ,poetisch’ (seit Ende 16. Jh.). Zu ,Reim(en)dichter’ s. Frisius, 1015 s. v. Poeta: „Ein poet/ Ein reymendichter/ oder sprüchmacher“; Maaler, 331v: „Reymendichter. Poeta, Vates“; DW VIII, 668 (Rollenhagen u. Schupp); vgl. ebd. Reimdichterei (Friedrich v. Logau, FG 510); Henisch, 687: „Sprüch oder Reimen dichter“; Stieler, 297: „Reim- oder Verschdichter, poëta, vates“. Vgl. ,dichterisch’, DW II, 1067 („scheint erst im 18ten jahrh. aufgekommen zu sein“).
15
Zu emphasis vgl. Dt. Fremdwb. (1995) V, 123f. (1531 Luther „eine emphasim“). Zu ,Nachdruck’ vgl. Stieler, 343: „Der Nachdruck der Wort/ emphasis“; Aler, 1428; Steinbach I, 297; Hans Wolff: Der Purismus in der deutschen Litteratur des siebzehnten Jahrhunderts. Phil. Diss. Straßburg. Straßburg 1888, 131 (Christian Gueintz); DW VII, 40f. S. Anm. 19, vgl. K IV 15.
16
Vgl. Anm. 1. Kalcheim bezeichnet nicht „Paradoxum“ in einem engeren Sinne, sondern nur die Gegenmeinung. Vgl. Stieler, 1263: „Wieder- sive wiedrigmeinen/ [...] dissentire ab opinione alicujus, discrepare, diversum statuere.“
17
Dasypodius, 97v: „Eigenschafft der sprach. Idiotismus“. Vgl. Beil. III: „ihre art/ eigenschaft/ und sonderbare aussprache oder art zu reden“.
18
Vgl. Beil. III: „eine erfoderte umbschreibung“. Diefenbach: Glossarium, 427: „vmb rede“; Frisius, 983 s. v. Periphrasis: „Ein vmbred/ oder beschreybung eins dings mit vil worten“; Calepinus 1605, 1063: „Ein vmred/ oder Beschreibung eines dings mit viel worten. Latinè circumlocutio, vel circuitio“; Faber/ Buchner (1664), 707: „Vmbrede/ circumlocutio“; Stieler, 1547: „umredung/ die/ periphrasis/ circumlocutio“; Götze, 216 umreden, umschreiben. Vgl. schon Lexer: Handwb. III, 1736. — Dt. Fremdwb. (1913) II, 463 ,Periphrase’ (1586 Fuglinus „die periphrasin oder umbschreibunge“). — S. K IV 25.
19
Vgl. Beil. III: „etwas nachtrucklichers“, „deütlicher und nachdrucklicher“ u. Beil. IV „nachtrückliche Bedeutung (Emphasin)“. Vgl. Friedrich v. Logau: Sämmtliche Sinngedichte. Hg. Gustav Eitner. Hildesheim 1974, 452 (III.1, 39): „Nachdrückliche Worte“; Stieler, 343: „Nachdrücklich/ nervosè, significanter, cohærenter, continuè, vulgò effectivè, cum effectu, realiter“; Frisch dt.-lat. II (lat.), 35 „emphaticus, a, um, nachdrücklich“; Aler, 1429; DW VII, 42. Vgl. Dt. Fremdwb. (1995) V, 124 (1656 Evang. Schulordnung „zu feiner emphatischer pronunciation“). — Vgl. Anm. 15.
20
Vgl. Beil. III: „von neüem zu gestalten/ formare“. Dasypodius, 76v: „Formo, as, Jch mach/ ich gestalte/ oder gib ein gestalt“; Maaler, 176r: „Gestalten/ Ein gestalt vnd form geben. Figurare, Fingere, Confingere, Affingere, Formare“; Roth Fremdwb., 313: „Formirn, Gestalten [...]“; DW IV.1.2, 4190; Dt. Fremdwb. (1913) I, 224 (lat. Vorbild formare, 13. Jh., frz. Vorbild former, 1614); Findebuch mhd., 440 ,formieren’.
21
Vgl. Beil. III: „erklerungen für die Sprach- und Wortliebenden/ Philologicis“. Diefenbach: Glossarium, 235 s. v. Filologus: „ein liebhaber der rede“; Dasypodius, 176v: „Ein lieber der übung in künsten/ oder zierligkeyt in worten.“ Vgl. dagegen s. v. Wortliebe, „liebe, die nur in worten besteht“; Stieler, 1157: „amor verbalis“; DW XIV.2, 1604 (1657 Dannhauer). — Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) I, 502ff. (1665 Prätorius „philologische Kurtzweil“).
22
Vgl. Beil. III: „der kurtze inhalt ieder geschichte“. Vgl. Dasypodius, 171v s. v. Compendium: „kurtze anzeygung eines dings.“ Faber/ Buchner (1664), 253: „Plaut. in Rud. compendium facere narrationis, dixit kurtz zusammenziehen/ zurücken“; Stieler, 2645:
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„Zusammenziehung/ colligatio, compendium.“ Vgl. aber Stieler, 761: „zusammenhängen/ conjungere, adunare, affigere, alligare“; z. B. DW XVI, 780 (Martin Opitz [FG 200], „zusammenziehung der silben“) u. Schottelius, 845 „zusammenhengung der Glieder/ oder Reimglieder“. — Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) I, 368 (1529 M. Luther „ein Enchiridion oder Compendium, einen kurzen auszug und summarien“) bzw. a. a. O. IV, 675f. (1583 Neander „Synopsis“).
23
Ebenso in Beil. III. DW VII, 127: nachdenkend, besonnen.
24
Ebenso in Beil. III. Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) IV, 458ff. s. v. ,Stil’, 1425. Vgl. Dasypodius, 228 s. v. stylus: „weise zu reden“; Roth Fremdwb., 353 s. v. Stylus: „ein weiß oder art zu Reden vnd schreyben.“; Faber/ Buchner (1664), 957 s. v. Stylus: „Art zu schreiben [...] Art im schreiben“; Gueintz: Sprachlehre (1641), 6: „eine gemeine/ oder eine zierliche art zu schreiben“; Schottelius, 1157: „Schreibart oder Stylus“; Aler, 1730: „Schreibart, Scriptura, æ. f.; stylus, i, m.“; DW IX, 1687f. (,Schreibart’) u. 1698 (,Schreibensart’). — Vgl. Anm. 25.
25
Vgl. Beil. III: „redensart und aussprache“. Vgl. Johann Rist (FG 467. 1647): Neüer Teütscher Parnass (Lüneburg 1652), Vorbericht, Bl. [b xj]r: „in der Latinischen Sprache eine gute Redensahrt“; Stieler, 59: „Redart/ phrasis, ratio dicendi“; DW VIII, 473f. Im Sinne v. ,Mundart’ Zesen: Hooch-Deutsche Spraach-übung (1643), lxvj: „Redens-art“, vgl. Harbrecht: Zesen als Sprachreiniger [Anm. 5], 15. Vgl. Anm. 24.
26
Campe Fremdwb., 478 gebraucht stattdessen ‚naturlehrig’. S. Anm. 3 u. K IV 19. Vgl. Beil. III: „von der Naturkündigung“. Vgl. zu ,Naturkündiger’: Faber/ Buchner (1664), 129: „Bardus“; 554: „Magus“. Als Substantiv zu kündigen in DW IV, 2631: Verkündigung, Ankündigung; Aufkündigung. Vgl. Campe Wb. II, 1085. Stieler, 951 behandelt Kunde und Kundung als Synonyma; Campe Wb. I, 987 im Sinne von Erforschung „Erkundung“ und „Erkundigung“.
27
DW X.2.2, 2521 (1678 Brandis). Vgl. Beil. III: „von der [...] gestirnkundigung oder gestirnkunst“. Astronomie, Gestirnkündigung, vgl. DW IV.1.2, 4239 (1579 Sebiz, 1586 Fischart); Fnhd. Wb. II, 269 (1465 Joh. v. Saaz); ,Gestirnkunst’ (1561 Maaler). Vgl. Fnhd. Wb. I, 268 „astrologiam, der kunst di ist von dem gestirne“; Henisch, 1577: „Gestirn kunst/ (die) oder rechnung vnd erfahrung von deß Himmels lauff/ vnd von dem gestirn/ astrologia“; Aler, 928: „Gestirn-kunst. Astronomia“. Vgl. Wolff (s. Anm. 15), 70 (Harsdörffer ,Sternkündigung’).
28
Auf die Vorrede folgen vor dem eigentlichen Haupttext Psalm 2, 10, einige Verse aus dem 6. Buch der Weisheit (v. 2–5) und ein Zitat aus Senecas 36. Brief (Bl. [)()( iij] rv). Auf den Abdruck dieses Abschnitts — es handelt sich im Oktavdruck von 1638 um zwei Seiten — verzichtet David 1643 (vgl. Beil. III).


K III Die Oktavausgabe von 1638 unterscheidet sich von dem aus dem Jahre 1643 stammenden Quartdruck hinsichtlich der einzelnen Textteile durch die in der Beilage III abgedruckten beiden Texte: Sonett und die Nachricht an den Leser. Die 1638 angehängten „Anmerckungen“ zur Übersetzung (einschließlich der korrigierten Druckfehler) wurde in der späteren Ausgabe in die Marginalien aufgenommen und dort modifiziert, an manchen Stellen verkürzt, an anderen ergänzt. Damit endet der Druck von 1643 nach dem eigentlichen Text mit dem neuen Druckfehlerverzeichnis. Wie an der Vorrede bereits ablesbar, wurde der Text sprachlich und auch inhaltlich überarbeitet. Deutlich werden verschiedene Textstufen: 1) der Kalcheimsche Druck von 1638, 2) eine vollständige Abschrift der von der FG überarbeiteten Fassung von Schreiberhand, die als Druckmanuskript diente, 3) von F. Ludwigs Hand im Manuskript vorgenommene Korrekturen, die sämtlich in den Druck von 1643 Eingang fanden und 4) der Druck von 1643, in dessen Rechtschreibung vor und während des Druckvorgangs noch korrigierend eingegriffen wurde. Die letztgenannten Verbesserungen im Druck von 1643 weisen die für die frucht-
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bringerische Spracharbeit typischen orthographischen Regulierungen aus, wie sie schon bei dem Vergleich der handschriftlichen Überlieferung mit der Druckfassung des Weisen Alten (ebenso 1643) festgestellt werden konnten (310411 K 0):
a) die regelmäßige, aber nicht durchgängige Streichung des Dehnungs-h im Manuskript (sonderbahren > sonderbaren, gebehten > gebeten, nehmen nicht immer > nemen). Diese Korrektur entspricht denn auch nicht der orthographischen Entwicklung (bis heute), die das Dehnungs-h vor m (und l, n, r) erhält. Der Drucker verdirbt „nemen“ zu „nennen“ (nicht im Druckfehlerverzeichnis). Im Manuskript heißt es nach Streichung des Dehnungs-h: „So weren auch die nützlichsten und besten lehren, wie man sich in der welt zu verhalten, und deren so viel aus der Bibel zu nemen“,
b) die konsequente Getrenntschreibung von Infinitivverbindungen (zubefreyen > zu befreyen, zureden > zu reden, zuhaben > zu haben) und
c) das Verschwinden des Buchstabens ß in allen Wortartenmit Ausnahme der Konjunktion daß („beßerung“ u. „fleiße“ > „besserung“ resp. „fleisse“ und „wißen“ u. „müßen“ > „wissen“ resp. „müssen“).
Die in Handschrift und Druck sehr stark differierende Groß- und Kleinschreibung läßt noch keine Regelhaftigkeit erkennen. So wird z. B. die „Arzeneylehre“ im Manuskript zur „artzneylehre“ im Druck, wogegen „geschichtschreiber“ im Manuskript als „Geschichtschreiber“ im Druck wiederkehrt.
Der im Manuskript hinzugefügte Text auf dem Titelblatt zu Cöthen im Fürstentume Anhalt Jm Jhare 1643 und die Einfügung weiland auf dem Titelblatt (s. Q IV) ​— Kalcheim starb am 30. 1. 1640 —, stammen von F. Ludwigs H. und erlauben eine Datierung des Manuskripts auf das Jahr 1639. Auch ein Brief F. Ludwigs an F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) vom 2. 1. 1640, also vor Kalcheims Tod, bestätigt diese Datierung: „Meiner vertröstung zufolge übersende ich E. L. den verfolgeten David, so wol den zu Rostock gedruckten, als den alhier geschriebenen übersehenen: So liegen auch die wechselschriften des Festen und Nehrenden darbey, die der Unverenderliche bis zu gantzer durchlesung bey sich behalten kan.“ (LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 10 Nr. 26b, Bl. 43r). Dagegen kennt Martin Opitz (FG 200) die von F. Ludwig u. a. überarbeitete Fassung noch nicht, wenn er in 380110 an F. Ludwig, der eineinhalb Jahre vorher Christian II. gegenüber Kalcheims Stil im Falle der Sallust-Übersetzung als „grob“ beschrieb, bemerkt: „Vom Sallust des H. Lohausens hatt ich iederzeit eben dergleichen vrtheil gehabt: hoffe der Nährende werde sein neweres buch, Den verfolgten David, so er außm Welschen deutsch gegeben, ingleichen gesehen haben, darbey er gar feine auffmerckungen gefuget vndt sich in gebung vieler schwerer wörter gar wol gebeßert hatt.“ F. Ludwig dagegen schien anderer Meinung gewesen zu sein und nahm Enno Wilhelm v. Innhausen u. Knyphausen (FG 238) gegenüber kein Blatt vor den Mund, als er Ende 1639 den Verfolgeten David als in Kürze erscheinendes Werk anpries und die Übersetzung von 1638 wie folgt beschrieb: „Monsieur, Peut estre que le David poursuivi, traduict du Stable apparoistra en brief en meilleurs termes, qui ne s'extoit fait voir la première fois, entendu de peu de gens“ (LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 87b, Bl. 26r).
1
Die Bemerkung „Mit angehefter erklerung etzlicher gebraucheten neüen Wörter“ bezieht sich noch auf den älteren Druck von 1638, da die angefügten Anmerkungen dort als Anhang publiziert wurden. Die Integration dieses Anhangs in den Text (als Marginalien) ist auf der auf das Jahr 1639 datierbaren Abschrift nicht vermerkt.
2
Kalcheim hieß in der FG ,Der Feste’, frz. ,Le Stable’. S. K II 0.
3
Verleger. Steinbach I, 1017: „editor libri“; Diefenbach, 105: „editor libri“ (1781 Nierenberger).


K IV Im folgenden werden zum Vergleich die italienische Ausgabe Malvezzi 1634 und alle inhaltlichen und orthographischen Abweichungen in David Hs und David 1643 her-
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angezogen. Wenn David Hs und David 1643 nicht von Kalcheims Übersetzung abweichen, ist dies nicht eigens vermerkt. Welche italienische Ausgabe Kalcheim für seine Übersetzung benutzte, läßt sich nicht mit Gewißheit feststellen. Zum einen gibt die Korrespondenz keine Hinweise auf Kalcheims Vorlage, zum anderen weichen die italienischen Wörter, die in den „Nachrichtlichen Anmerckungen wegen etlicher ins Teutsch vbersetzung/ gebrauchter Worte“ zitiert werden, orthographisch manchmal von der Erstausgabe ab. In dieser Hinsicht gibt es auch mit der ebenso in Frage kommenden Ausgabe von 1636 [HAB: 145. 5 Pol. (4); Lk Sammelbd 23 (1)] keine völlige Übereinstimmung.
1
Malvezzi 1634, 29: „sacratissima Storia. Ella è un vocabolario che ci ha lasciato lo Spirito di Dio per dichiarare gli altissimi suoi linguaggi“; David 1638, 1: „zu der heiligsten Schrifft/ dieselbe ist ein Wortnenner/ welchen vns der H. Geist hinterlassen/ seine Allerhöchste Sprach zuerläutern.“ David 1643, 11:„Wortverzeichnüs*Vocabolario ist nach dem Lateinischen bekant“. — Dt. Fremdwb.(1913) VI, 261f. (1524 Luther „vocabulario“). Die Vermutung in DW XIV.2, 1609, die Wiedergabe von vocabularium oder dictionarium durch ,wortnenner’ (1641 Georg Philipp Harsdörffer) sei „wohl nur singulär“, trifft also nicht zu. Vgl. Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel I (1641) [s. K II 2], H v r: „eines Wort-nenners (Vocabularij oder Dictionarij)“. Harsdörffer wurde zur Aufnahme des Neologismus durch Kalcheims David 1638 angeregt, den er zitiert in: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Anderer Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1642), Bl. Dd4 r. Nachdem er wohl den Ersatz des Terminus in F. Ludwigs und Werders Neubearbeitung des Buchs gelesen hatte, ersetzte er Kalcheims Ausdruck in der Benennung „eines gewissen Wort-Buches“. FRAVENZJMMER GESPRECHSPJELE ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1644), 144, vgl. „Wortbuch“ auch S. 19 der „Schutzschrift“. Vgl. Anm. 15 u. Kalcheims Erklärung zur Stelle 47.5.
2
Malvezzi 1634, 29: „quello che disse il maggiore de’ teologi“; David 1638, 3: „was der fürnembste GOtteswortlehrer geschrieben“; David 1643, 12: „was der fürnemeste *Lehrer Gottes worts sagete *Teologo der heilige Apostel Paulus 1. Cor. 10. 11.“ — Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) V, 255ff. „theologus“.
3
Malvezzi 1634, 30: „politici aforismi, lo scriverne regole tratte da’ libri de’ profani“; David 1638, 3f.: „Politische Lehrsätze zu fassen vnd auß vngeistlichen Büchern vnterweisungen schreiben“; David 1643, 12: „politische Lehren *Aforismi Politici seynd sonderbare Regeln aus der welthändel und geschickte erfarung zusammen gezogen“. Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 928 s. v. Lehr-satz: „Precetto, Aforismo“; Dt. Fremdwb. (1995) II, 53ff. (1530 Paracelsus „aphorismos Hippocratis“). Vgl. Anm. 4, Beil. II („zum Beyspiel vnd Politischen Lehrsätzen“, „nachtheilige Politische Lehrsatze“, „weltlichen Lehr-sätzen“) u. Beil. III („sonderbaren Weltregeln und Lehren“; „fast nachdenckliche auch wol nachtheilige weltlehren“; „mit eingeflickten schädlichen weltlehren“).
4
Malvezzi 1634, 30: „Il formare politici aforismi [...] è un disdeificare Iddio e deificare le cagioni seconde“; David 1638, 3f.: Politische Lehrsätze zu fassen [...] es sey GOtt seine Macht nehmen/ vnd die mittel Vrsach zu Göttern machen“; David 1643, 12: „Gott seine macht und ansehen entziehen“. Vgl. Anm. 3.
5
Malvezzi 1634, 31:cisterni de’ Gentili“; David 1638, 5: „Regensärcken der Heyden“; David 1643, 13: „Regengruben *Cisterne: die müssen entweder in die tieffe der erden gegraben/ und mit sonderbaren sternen und kalcke oder kitte wolgemauret/ beworfen und verwaret/ daß sie das Regenwasser samlen und halten können/ oder in einen felsen gehauen seyn/ und oben luft haben. Jns wasser aber auf den grund schüttet man kleine fischlein/ die das wasser allezeit regen/ und die würmlein so sich drinnen samlen/ auffressen“. — Regensarg, m.; s. Rheinisches Wörterbuch, bearb. Josef Müller u. a. VII (Berlin 1948–58), 247: „gemauerte Grube, zum Auffangen des Regenwassers“.
6
Malvezzi 1634, 31: „Non sa che cosa si sia ragione di Stato chi la perde verso Dio“; David 1638, 8: „Der den Gehorsamb gegen GOtt verleurt/ weiß nicht/ was Reden von
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Staet seyn“; David 1643, 14:Der weis nicht was eines Statsrecht[!] (ist/ der den gehorsam gegen Gott verleüret) *Des Statsrecht [sic]/ Ragione di stato, ist eigentlich das Recht/ wie ein Reich/ Herschaft/ Land und Leüte zu regieren/ zu vertheidigen und zu erhalten: Zu Latein jus status, und wird darumb allezeit des Statsrecht geschrieben gefunden werden/ zum unterscheide des Rechts einer Stadt/ das man pfleget zu nennen der Stadt Freyheit oder Wilkühr.“ — Schon David Hs., 3r weist zweimal Zusammenschreibung in „Statsrecht” auf, wo ,eines/ des Staats Recht’, Staaträson gemeint ist. S. unten Kalcheims Anmerkung zu „religioso“ bzw. „Religion/ 16. 22.“ Kramer dt.-it. II (1702), „Stats-recht/ n. Ragione di stato.“ Vgl. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. 2 Bde. München 1988, I, 198: „Giovanni Boteros (1540–1617) Della Ragion di Stato libri dieci [...] wurde alsbald in Französisch, Lateinisch und Deutsch (1596) übertragen, ohne daß es bezeichnenderweise im Deutschen zu einer adäquaten Formel kam.“ Das trifft auch für Kalcheims bzw. F. Ludwigs und Werders Verdeutschungen zu, die den antimachiavellistischen Sinn des Begriffs bei Malvezzi nicht treffen. Vgl. Johann Michael Moscherosch (FG 436. 1645): VISIONES DE DON QUEVEDO Wunderliche vnd Warhafftige Gesichte Philanders von Sittewalt [...] Zum andern mahl (Straßburg 1642), 460: „Die jhr ewere privat Affecten mit Amptsschuldigkeit beschönet! die jhr allen Gewalt vnd Vnbillichkeit mit Reichs- vnd Lands-Notdurfft/ mit Raison d’Estat gefärbet“; vgl. I, 205: „par raison d’Estat“ u. II (1643), 125: „Raison d’Estat“; Herfried Münkler: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsräson in der Fühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1987, 165 zit. Dietrich Reinkingk: Biblische Policey 1653, 232f: „Die Italiener nennen sie ragion del Stato, die Frantzosen Raison de Estat, auff teutsch kan man es nicht eigentlich geben [...]“. Vgl. Jones, 550; Jones: Purismus, 275; Dt. Fremdwb.(1913) III, 144ff. ,Räson’ u. III, 160 ,ratio status’. Nach Paul-Ludwig Weinacht: Staat. Berlin 1968, 140ff. verhinderte der einflußreiche Arnoldus Clapmarius: De Arcanis Rerumpublicarum Libri Sex (Bremae 1605), I, cap. 4, S. 9 mit seinen Termini „arcana Imperii“, „gehäime Reichssachen“ bzw. „Fürstliche reservaten vnd Hoheit“, die er ausdrücklich im Sinne eines italienischen „ragione di dominio“ verstand, zunächst die Entwicklung eines der italienischen Formel adäquaten deutschen Ausdrucks. — S. außerdem WNT XII, 891 ,Reden van Staat’ (J. van den Vondel, C. Huygens) u. XV, 247 (P. Cz. Hooft u. N. van Reigersberch), s. auch XII, 899 ,uit reden(en)’, ,Met wat reden’ u. ,Om wat (of welke) reden’. Vgl. unten Anm. 12. Zu ,redlich’ vgl. Stieler, 1538 s. v. Red: „Rede est antiqvissima vox Teutonica, olim Rec/ & Reht scripta, atque non solùm orationem, sed & rationem notavit. Unde Belgæ hodieque dicunt: Uith wat vor Rede? ex qvâ ratione? Qvare etiam redlich dicitur: integer, honestus, æqvus; non, qvod sermone & verbis talis judicetur, sed, qvod secundum rectam rationem agat & vivat.“ Übereinstimmend Wachter, 1258: „composita redlich & redhaft rationalis.“ Zu ahd. reda, mhd. rede, Rechenschaft, Vernunft, Sprache, Gespräch, Erzählung, mnd. mnl., nl. rede, Verstand, Bewußtsein, Rechenschaft, Argument, Rede s. Etymolog. Wb. (Pfeifer), 1097. — Zu ,redlich’ im Sinne von rationalis, ragionevolo usw. vgl. auch die Stelle zu Anm. 20. Zu „EbenRedenheit“ s. Anm. 22 u. 43.
7
Obgleich Kalcheim sonst neben dem paraphrasierten italienischen Text Malvezzis nur die Lutherbibel heranzieht, entfaltet er hier seine exegetische Gelehrsamkeit. Er muß alle konsultierten Bibeln nicht selbst besessen, aber doch (in Rostock) Zugang zu Exemplaren der von ihm erwähnten Übersetzungen gehabt haben. Vgl. Ex 18, 21 אַ נְ שִֵ י ֿ חַ יִ ל; BIBLIA HEBRAICA. EORVNDEM LATINA INTERPRETATIO XANTIS PAGNINI LVCENSIS, Recenter BENEDICTI ARIÆ MONTANI Hisp. & quorundam aliorum collato studio, ad Hebraicam dictionem diligentissimè expensa. ... (Antverpiae 1584: Christophorus Plantinus), 62f. (HAB: Bibel-S. 2° 4), interlineare Übersetzung: „leges & ,statuta .facient quod opus & ,ea in ibunt || viam ,virtutis† [†fortes,] viros populo omni ex videbis† [†considera] tu Et :auaritiam odientes, veritatis† [†veridicos,] viros ,Deum timentes principes, centenorum principes eos super pones & populum iudicabunt
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[am Rande:] tribunos, centuriones, quinquagenarios, decanos“. Vgl. Deut 1, 13 (S. 151): „Quomodo ,sapientes viros vobis† [†ex] Date ?vestram contentionem || & eos ponam & vestris tribubus† [†è] notos ,intelligentes & Bonum :dixistis atque ,mihi respondistis Et .vestra capita in† [†principes vestros] .faciendum ad* es locutus quod verbum† [†vt faceres] ,sapientos viros ,vestrarum virgarum capita cepi || [tuli principes tribuum] Et principes† [†tribunos & centuriones, & quinquagenarios, & decuriones;] ;vos super capita† [†principes] eos dedi|[†vt faceres] &; notos & ,quinquaginta principes & ,centenorum principes & ,millium .vestris tribubus* [*de] ,præfectos & ,decem principes & :dicendo ,illo tempore in vestris iudicibus præcepi Et inter iustitiam iudicabitis†[†iudicate] [...].“ S. Biblia (Luther 1545), 2 Mo 18, 21: „SJhe dich aber vmb vnter allem Volck nach redlichen Leuten/ die Gott fürchten/ warhafftig/ vnd dem Geitz feind sind“; 5 Mo 1, 13: „Schaffet her/ weise/ verstendige vnd erfarene Leutte/ vnter ewren Stemmen/ die wil ich vber euch zu Heubter setzen.“ Die gantze Bibel/ das ist alle bücher allts vnnd neüws Testaments/ den vrsprünglichen spraachen nach/ auffs aller treüwlichest verteütschet. ... (Zürich 1545: Christoffel Froschauer), 2 Mo 18, 21: „Sich dich aber vmb vnder allem volck nach redlichen leüten/ die Gottsförchtig/ warhafftig/ vñ dem geyt feynd sygind [...]“; 5 Mo 1, 13: „Schaffend här weise/ verstendige leüt/ die vnder euweren stämmen bekannt sind/ die wil ich euch zu Höupteren setzen.“ Biblia (Piscator), AT I (1617), 2 Mo 18, 21: „Du aber sihe dich vmb vnder dem gantzen volck/ nach dapferen/ gotsförchtigen/ waarhaftigen/ geitzhässigen männern“; 5 Mo 1, 13: „Schaffet her weise vñ verständige/ vnd erfahrne männer von eweren stämmen: die wil ich über euch zu häuptern setzen“. Die Erklärung dazu S. 460 Ziffer 13: „Erfahrne Oder/ bekante/ bewährte Häuptern] Obersten/ fürsten (c)]“. Kalcheim kennt auch die hervorragend illustrierte niederdeutsche Bibel: De Biblie mit vlitigher achtinghe: recht na deme latine in dudesck auerghesettet Mit vorluchtinghe unde glose: des hochghelerden Postillatoers Nicolai de lyra Unde anderer velen hillighen doctoren (Steffen Andres: Lübeck 19. 11. 1494), HAB: Bibel-Sammlung 2° 105. Vgl. 2 Mo 18, 21: „Menne mächtig/ (Lira Gloß setzt hinzu/ in Wißheit)“; 5 Mo 1, 13: „Hyrūme gheuet vth iuw wyse menne/ voruarē in godliken schriften/ vnte wetende in tytliken werken der ere vorkeringhe benömet sy“. Vgl. Vulg. Ex 18, 21: „viros potentes, et timentes Deum, in quibus sit veritas, et qui oderint avaritiam“; das unten zit. „Viros Sapientes“ des Hieronymus entstammt Vulg. Deut 1, 33: „Date ex vobis viros Sapientes et gnaros, prudentes, quorum conversatio sit probata in tribubus, vel cognita per tribus.“ Vgl. TESTAMENTI VETERIS BIBLIA SACRA, ... LATINI RECENS EX HEBRAEO facti, brevibúsq[ue] Scholiis illustrati, ab Immanuele Tremellio & Francisco Junio (Francofurti ad Moenum: Andreas Wechelis 1576–1579), Ex 18, 21 (S. 145f.): «Tu autem provideto ex toto hoc populo de viris “strenuis, timentibus Dei, virisk “veracibus, osoribus turpis lucri, quos constituas super eos“», dazu Marginalnoten: «i Heb. roboris, ut ver. 25 k Heb. veritatis; Annotationes: Strenuis] fortibus & constantia animi præditis, qui solo Dei timore non variis affectibus ferantur; Veracibus] rationem tantùm veritatis habentibus, ideóque a turpi lucro abhorrentibus, infrà 23, 8. Deut 16.19.»; vgl. Deut 1, 13, (S. 326): „Exhibete homines sapientes & prudentes & cognitos per tribus vestras“. S. noch LA BIBLIA. Que es, LOS SACROS LIBROS DEL VIEIO Y NVEVO TESTAMENTO. Segunda Edicion. Revista y conferida con los textos Hebreos y Griegos con diversas translaciones. Por CYPRIANO de VALERA (Amsterdam: Lorenço Iacobi 1602), HAB: Bibel-S. 4° 179a; Ex 18, 21: „Y tu h considera de todo el pueblo varones de virtud, temerosos de Dios, varones de verdad, que aborrezcan el avaricia“, dazu Marginalnote: „h Heb. verás. pinta quales devan ser los juezes.“; 1 Deut 1, 13: „Dad de vosotros varones sabios y entendidos, y expertos, de vuestros tribus, paraque yo los ponga por vuestras cabeças.“ Ebenso weisen die frz. Zitate auf eine einzige Bibel (oder auf eine ihrer Neuauflagen) hin: LA BIBLE QVI EST TOVTE LA SAINCTE Escriture du Vieil & du Nouueau Testament: ... Le tout reuue & conferé sur les textes Hebrieux & Grecs par les Pasteurs & Professeurs de l’Eglise de Geneue (Geneve 1586),
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HAB: Bibel-S. 2° 125. Ex 18, 21: „Et que tu te pouruoyes d’entre tout le peuple, od’hommes vertueux, craignans Dieu, d’hommes veritables, haissans le gain deshonneste:“ [Marginalnote: „o Obseruez ici les marques d’vn bon iuge:“]; Deut 1, 13: „Prenez-vous de vos tribus des gens sages & entendus, & kcognus, & kie les vous ordonnerai pour chefs.“ [(Marginalnote) „k ou, experimentés: & ainsi au verset 15. voyez Exode 18, 21.“]
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Malvezzi 1634, 33: „Colui che spoglia i soggetti, non è principe, è tiranno“; David 1638, 14: „Wer seyne Vnderthanen beraubet/ ist kein Fürst mehr/ sondern ein Tyrann“; David 1643, 17: „kein Fürst nicht/ sondern ein Tyran“. — Eine Quelle Kalcheims bildet vielleicht Ein Teutscher Dictionarius (Augspurg 15711), das Fremdwörterbuch des Neuöttinger Dramatikers Simon Roth (Vorrede 1567). D. i. Roth Fremdwb., 357: „Tyrann, War vor zeyten ein ehrlicher nam/ heyst ein König/ Fürst/ Regent/ zu vnsern zeyten wirdt ein wütterich/ vnbillicher vnnd beschwerlicher herscher damit verstanden/ Ein vnbarmhertziger/ wilder/ rocher mensch.“ Das Fremdwort ist alt, vgl. Dt. Fremdwb. (1913) V, 565ff. (pejorativ 1350 Heinrich v. Mügeln). Vgl. die stärker abweichende Formulierung in Frisius, 1340 s. v. Tyrannus: „Ein künig od’ gwaltiger herr bey den alten/ aber yetz zu diser zeyt ein wüterich/ tyrañ/ halßherr“; Dasypodius, 246v: „Ein Künig. [...] Ein wüterich“; Calepinus 1605, 1505: „Vor zeiten hieß es ein König/ jetzt ein Wüterich/ tyrañ“; Frisch dt.-lat. II (lat.), 110 s. v. ,tyrannus’: „Wüterich, Tyrann, Gewaltsamer, eingedrungener Herr.“ Dieselbe Unterscheidung trifft noch Campe Fremdwb., 597, wo die pejorative Bedeutung s. v. Tyrann lautet: „Ein Wüthrig oder Herrschwüthrig. Statt Wüthrig hat Klopstock auch Wüther gesagt.“ Zu den seit dem 14. Jh. ggf. gleichbedeutenden Wörtern ,Tyrann’ und,Wüterich’ s. DW XI.1.2, 1967–1974 bzw. XIV.2, 2522–2530.
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Zu den Stellen 14.7 bzw. 15.1: Malvezzi 1634, 33: „Gli spiriti che continuamente esalano da’ nostri corpi“; David 1638, 14: „der Athem oder dünst/ so vnauffhörlich von vnsern Leibern außgehen“; David 1643, 17: „Die *Geister und dünste *Gli Spiriti. Spiritus“. Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) IV, 379 ,Spiritus’ (1552 Mithobius). — Zur Stelle 15.1 Malvezzi 1634, 33: „coloro che gli [spiriti; Hg.] credettero animati bisogna che credessero anche i vestimenti, se non animati, almeno ripieni dell’anima dell’uomo“; David 1638, 14f.: „Die so gläubten/ daß solche dünste eine Seele hätten/ müssen nothwendig auch gläuben/ daß die Kleider/ wo [15] nicht gäntzlich beseelet/ doch auffs wenigst mit des Menschen Seel erfüllet seyn“; David 1643, 17: „die/ so da glaubeten/ es hätten dergleichen dünste eine seele/ hetten auch glauben müssen/ daß wan die kleider keine seele hetten/ sie doch zum wenigsten mit der seele des menschen erfüllet weren“. — Kramer dt.-it. II (1702), 732: „Beseelen/ [Verb. assai poet.] Animare, Dare, Infondere l’anima.“ DW I, 1609 (G. R. Weckherlin); Fnhd. Wb. III, 1814, jn. beseelen, erfassen, durchdringen. Vgl. Georg Rudolf Weckherlins Gedichte. Hg. Hermann Fischer. 3 Bde. Stuttgart 1894–1907, I, 307: „Weil haß und neyd den feind besehlet“ (1641), vgl. II, 111; Stieler, 1992: „Beseelen/ animare, animam infundere; & metaph. afflictum excitare, consolationem adhibere, & afferre. [...] Ein beseeltes Gemüt/ vegetum ingenium, pectus vividum“; Frisch dt.-lat. II, (lat.) 7: „animo, are, beselen, beleben.“ Dt. Fremdwb. (1995) I, 556: 1598 „animiren, vnd bewegen“; 1612 Aegidius Albertinus „animiren und lebendig machen“.
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Malvezzi 1634, 34: „Il mantello nel cavallo mostra dove inclina il suo amore e nell’uomo il suo amore“; David 1638, 15: „Die Haar des Rosses weisen wohin seine Neigung sich lencke/ das Kleid am Menschen/ was er beliebt“; David 1643, 18: „Die haare eines Rosses weisen aus wohin sein sinn sich neiget/ und das kleid eines menschen/ worzu er beliebung träget.“ — Vgl. das noch bekannte Sprichwort: ,se il cavallo è buono e bello, non guardar razza o mantello’. Salvatore Battaglia: Grande dizionario della lingua italiana. 21 Bde. u. Suppl. Torino 1961–2004, IX, 742.
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Malvezzi 1634, 34: „Cagione di tanta empietà è quella essecranda proposizione, [...] che sia l’istesso l’esser buono e ’l parer buono“; David 1638, 16: „Die veranlassung
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vnnd Vrsach zu solcher grossen Gottlosigkeit/ ist die verfluchte/ [...] vorstellung: Daß es eben so viel sey/ from seyn/ oder from scheinen“; David 1643, 18:„Die ursache dieser gotlosigkeit und verfluchten meinung/ [...] ist/ daß man glaubet es sey einerley/ from in der that zu seyn/ und from von aussen scheinen.“ Vgl. Kalcheim in 371014 „(Mathematische) Vorstellungen (propositiones)“. — Kramer dt.-it. II (1702), 962 s. v. Vorstellung: „propositione, proposta, presentatione, producimento“; Frisius, 1079 s. v. propositio: „Ein fürgenomner spruch zebewären/ erleüteren/ erdauren/ außlegen oder in einem gespräch zeentscheiden/ Ein fürhaltung wor von einer wölle disputieren oder reden“; vgl. Maaler, 150v: „Fürstellen/ Gegenwirtig stellen. Sistere, Proponere, Præsentare“; Roth Fremdwb., 342; Stieler, 2145 s. v. Vorstellung: „demonstratio, editio, significatio, ostentus, vulgò installatio“; Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 79 (Zesen: Proposition „Fürstellung“); DW XII.2, 1688. Vgl. Fnhd. Wb. IV, 1192 s. v. proposition: „Vorschlag, Darlegung, Antrag, Anerbieten“; Dt. Fremdwb. (1913) II, 695.
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Malvezzi 1634, 34: „A pena lascia d’esser religioso, che doventa politico, come se la ragione di Stato, che non è bastevole a difendirci da Iddio.“ David 1638, 16f.: „Er verlest kaum so geschwinde die Religion als er bald anfängt ein weltweiser zu werden Gleichsamb als wann Redē von Stat/ welche vor Menschen sich nicht verantworten lassen/ für GOtt zu verantworten seyn.“ David 1643, 18: „Er hat kaum die andacht und den wahren Gottesdienst verlassen/ so wird er zum weltkinde/ gleichsam were des Stats recht/ das doch nicht gnugsam ist/ uns für den menschen zuvertheidigen/ starck genug/ uns gegen Gott zu schützen. [Marginalnote:] Das also genante Statsrecht ist nicht genug uns gegen Gott zu schützen.“ — Vgl. schon vorher Malvezzi 1634, 34 religione; David1638, 16: „waren GOttesdienst“; David 1643, 18: „wahrem Gottesdienste *Relligione, ist bey dem wahren Gottesdienste der rechte glaube“. — Zur Übersetzung von ,la ragione di Stato’ vgl. David 1638, 8 u. 14. — Schon mhd. gotesdienst, Lexer: Handwb. I, 1055; Findebuch mhd., 149. Schottelius, 284f. zählt neben Religion auch die von Kalcheim kommentierten Wörter Fantasey, Melodey und Prophet zu denjenigen Appellativen, die keiner Übersetzung bedürfen. Vgl. K II 0.
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Malvezzi 1634, 37: „in Paradiso il fiume dell’oblivione“; David 1638, 23: „in dem Paradiß der Fluß der Vergessenheit der Sünden“; David 1643, 21: „im Paradise der flus/ unserer begangenen Sünden vergessenheit“.
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Malvezzi 1634, 37: „Le lagrime che si spargono, le orazioni che si dicono, e le preghiere che si mandano a Dio per altri, sodisfanno anche per se stessi egualmente, e forse maggiormente che se fossero fatte per se istessi. Elle hanno piú di merito, almeno in riguardo d’azione morale.“ Malvezzi 1636, 23 „attione morale“; David 1638, 23: „Die Thränen/ so in den Gebeten/ die gesprochen/ vnnd in den Vorbieten/ so vor andere geschehen/ zu Gott geschicket/ vergossen werden/ kommen auch deme/ der sie vergeust/ ja vielmehr als wanns für jhm selbsten geschehen were zu guten. Sie haben auch mehrern Nachtruck/ wañs Christlicher Liebe nach betrachtet wird.“ David 1643, 21: „Christliche Sittenthat *Azione morale, das wort Christlich ist darumb hin zu gesetzet/ weil eines Christen schuldigkeit ist/ für seinen nechsten zu bitten/ zu deme daß es sich geziemet/ und einem menschen wol anstehet“. — Kalcheim deutet als reformierter Christ „aus gewissen bedencken” gegen das bei dem Katholiken Malvezzi anklingende rechtfertigende Verdienst der „azione morale“ diese allein in einen Ausfluß christlicher Liebe um. F. Ludwig folgt ihm hierin.
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Malvezzi 1634, 37: „Anzi dirò meglio, se dirò: perché molti favoriti si danno ad intendere questa empietà ne’ principi?“ David 1638, 24: „der grossen Herren beliebte-Schoßkinder“; David 1643, 21f.:*die von den Fürsten beliebte *Gli favoriti de’ Principi, können auch an sonderlichen orten/ hoch- und wolbegnadigte/ oder begünstigte heissen“. — Vgl. Kramer dt.-it. II (1702), 643: „Schos-kindlein/ n. ... Mignone“. Part. Perf. Pass. favorito zu ital. favorire, begünstigen; Dt. Fremdwb. (1995) V, 755ff. (1533 Scheurl). Vgl. Albert Gombert: Beiträge zur Altersbestimmung neuhochdeutscher Wort-
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formen. In: Progr. Kgl. Gymn. zu Gross-Strehlitz. Gross-Strehlitz 1897, 1–30, hier 27 (1598 Albertinus u. ö.); Dagmar Carmesin: Das Fremdwort bei Johann Beer. München 1992, 164: ‚favori(te)’ seit 1601; Frisch dt.-lat. I, 383: „Günstling, Liebling, gratia singulari florens vel valens apud aliquem [...]“; Campe Fremdwb., 315 Günstling; Klara Hechtenberg: Fremdwörterbuch des 17. Jahrhunderts. Berlin 1904, 61 s. v. Favoriten (Grimmelshausen u. a.). Vgl. Jones, 435 (,Mignon’) u. Jones: Purismus, 354 (1651 M. Zeiller „Mignon, Schoßkind/ Gnadensohn“). — Mit Enargia/Deutlichkeit ist hier die ausmalende rhetorische Leistung der Evidenz gemeint, nicht deren oft davon wenig unterschiedene verlebendigende Vorstellung (Energia). Faber/ Buchner (1664), 1096 zitiert s. v. Evidentia Quint. 6, 2, 32 „ἐνάργεια quæ a Cicerone illustratio et evidentia nominatur, quæ non tam dicere videtur, quam ostendere“; vgl. ebd. „Evidenter, perspicuè, klar, deutlich/“ u. 338 s. v. Enargia: „Commemoratur inter figuras, sententiarum, qvæ amplificandi, ornandi vel delectandi gratia rem, ceu coloribus expressam, in tabula spectandam proponit, ut depicta, non narrata, spectata, non lecta videtur [...] eine augenscheinliche Beschreibung oder Fürbildung.“ Vgl. s. v. Evidentia, Evidenz in HWRh III, 33–47. — Zu ,Übertragung’ für Metaphora nach Kalcheims Beispiel vgl. Anm. 37, außerdem Georg Philipp Harsdörffer: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641), Bl. [E VIII]v [HAB: Lo 2621 (1)], C iv v: „Vbertragung (metaphora).“ Vgl. aber FRAVENZJMMER GESPRECHSPJELE I (1644), 31: „Vernennung* Metaphora.“ Vgl. Textstelle zu Anm. 37 u. 50, Campe Wb. V, 53 u. Andreas Herz: Der Hase des Zeuxis: Von Sandrart über Birken zu Harsdörffer. In: Daphnis 25 (1996), 387–422, hier 405ff.
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Der nächste Satz folgt auf den in Anm. 15 zitierten, setzt also ,favorito’ und ,privato’ gleich. Vgl. Emiglio Broglio: Novo vocabolario della lingua italiana secondo l’uso di Firenze. Vol. 3. Firenze 1897, 496: „Privato. Favorito d’un principo.“ Malvezzi 1634, 37: „Si ricordino che l’offizio del privato è offizio di angelo: Deve portare le suppliche de’ sudditi al signore, e riportar le grazie del signore a’ sudditi.“ David 1638, 24: „der geheimden Diener Ampt“; David 1643, 22: „der *vertraueten diener Ambt*De privati, die einen Fürsten geheim und vertrauet seynd“. — Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 656: „ein geheimer [geheimder] Raht[geber] eines Fürsten &. un consigliere segreto (privato) d’un prencipe“; vgl. auch lat. privatus „heymelich, heymelic“ lt. Diefenbach: Glossarium, 460. Span. consejero privado Geheimrat; privado Günstling, Favorit. Vgl. Diccionario de la lengua castellana ... compuesto par la Real Academia Española. T. 5. Madrid 1737, 386: „sugeto que tiene el valimiento, favor y familiaridad de algun Principe ò Superior“. — Zu Umschrift: Wohl nicht in der seltenen Bedeutung Beschreibung oder Schilderung wie in DW XI.2, 1117 (um 1466 Mentel-Bibel) oder als „Circumscription“ in Roth Fremdwb., 295 („vmschreibung/ außlegung“), sondern Umschreibung mit dem aus dem Rechtswesen stammenden Beigeschmack der Irreführung. S. Dasypodius, 212v: „Circumscribo, Jch vmschreibe. metaph. Jch betrüg.“ Frisius, 226: „Circunscriptio. Paul. Betrug/ beschissz.“
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Malvezzi 1634, 38: „siami conceduta questa digressione“; David 1638, 26: „man halte mir diesen Außtritt zu gut“; David 1643, 23: „man halte mir doch diesen austrit zu gute“. — Gemeint ist die rhetorische Figur Abschweifung, Exkurs, παρέκβασις, lat. digressio, egressio, excursus, aberratio, usw. Vgl. HWRh III, 126–135; Dt. Fremdwb. (1913) I, 188. Zu Austritt vgl. Faber/ Buchner (1664), 432: „Digredi [...] von einem abtreten [...] Oratio eò, unde digressa est, rivertitur, Cicero.“ Vgl. Kramer dt.-it. II (1702), 707: „Ausschweiff/ m. Digressione &c. [...] V. Vmschweiff“, „grosse Umschweiffe machen ò brauchen [im reden oder schreiben] fare, usare ambaggi, raggiri, girandole &c.“ Zu Digressio bzw. Ausschweifung, Abtretung u. a. im Sinne von Abschweifung s. Frisius, 418: „Digressio à proposito. Cic. Abschweiffung vom fürnemmen/ oder abträttung/ absteung/ da man weytlöuffiger hinauß fart mit worten von dem fürgenommen handel.“ Maaler, 40v: „Sich selbs im reden Außfüren/ Ab der matery kommen.
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Deerrare ab eo quod cœpimus exponere.“ Ders., 46r: „Außschweyffen vnd von der ban seiner red kommen. Deerrare ab eo quod cœpimus exponere.“ Ders., 46r: „Außschweyffung/ da einer von seinem fürnemmen abtritt. Excursus, Euagatio, Digressio.“ Ders., 6r: „Abschweiffung von fürnemmen/ oder abtrettung. Digressio à proposito.“ (Zit. in Fnhd. Wb. I, 365). Ders., 7v: „Abtrettung vom fürnemmen. Digressio à proposito.“ Roth Fremdwb., 305: „Digression, Abweichung/ außschweiff von eim fürgenommen ding/ Abschyd.“ Aler I, 234: „Außschweiff in der rede gebrauchen“ zu „Außschweiff/ ausschweifung. Excursio, procursio, digressio, evagatio [...]“; Frisch dt.-lat. II, 245 „ausschweif [...] im Reden“; DW I, 966 (Belege des 18. Jh.s); Campe Wb. I, 334 s. v. Ausschweif u. Ausschweifung. Vgl. Deutsche Wortgeschichte. Hg. Friedrich Maurer u. Friedrich Stroh. 2., neubearb. Aufl. 3 Bde. Berlin 1959–1960, II, 301: ,Abschweifung’ ist eine Schöpfung der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vgl. die unterschiedliche Bedeutung von Abschweif u. Abschweifung in Campe Wb. I, 54, außerdem Campe Fremdwb., 263: „Digression, die Abschweifung, der Abstecher“.
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Malvezzi 1634, 39: „Il saper comandar bene in guerra è parte dell’ imaginativa. L’imaginativa per operar bene, ricerca gran caldo [...]“; David 1638, 27: „ein stück vernünfftiger Einbildung; solche Einbildung“; David 1643, 23: „(ein stück) vernünftiger einbildung *Dell’ imaginativa, hiervon kan man weitläuftiger bey den jenigen lesen/ die von der naturkündigung (de Phisica) geschrieben.“ — Vgl. Vocabolario della Crusca1623, 406 s. v. Immaginativa: „Potenzia dell’anima [...] Lat. phantasia.“ Vgl. Anm. 52. Kramer dt.-it. I (1702), 110 nennt s. v. Einbildung nur „Imaginatione, Idea, Fantasia, Impressione, it. Opinione, Persuasione, it. Boria, Arroganza &c.“ und gebraucht das it. Wort nur adjektivisch, s. v. Einbildungskrafft „Facoltà imaginativa; Imaginatione.“ Kalcheim hätte Doppeldeutigkeit auch nicht vermieden, wenn er z. B. Einbildungen (Anm. 52), Fürbildung (Faber/ Buchner [1664], 338 s. v. enargia „eine augenscheinliche Beschreibung oder Fürbildung“; Henisch, 378 „Fürbildung/ einbildung, imaginatio“) oder Vorbildung(en) (Dasypodius, 175v Phantasiæ, Vorbildunge des gemüts/ einbildunge“ u. 296v „vorBildung des gemüts phantasiæ“; Kramer, a. a. O., 111 „Vor-bildung/ s. Prefiguratione, Rappresentatione, it. Imaginatione“) gesagt hätte. Christian Wolffs Begriff ,Einbildungskraft’ stand Kalcheim oder (z. B.) Stieler noch nicht zur Verfügung. Vgl. aber Aler I, 582 „Einbildungs-krafft. Phantasía, æ; vis, vel potentia imaginativa, æ, f.“
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Malvezzi 1634, 39 [über die Vorsehung Gottes]: „Se egli ponesse sempre mano a’ miracoli, si crederebbe che avesse avuta poca providenza nella creazione delle cause seconde.“ David 1638, 28: „Wann seine Allmacht jederzeit zu den Wunderwercken greiffen thäte/ würde man (wie wol abscheulich) sich einbilden daß bey der Schöpfung wenig Absehens auff die Mittelursachen genommen were.“ David 1643, 24: „Wan er allezeit hand an die Wunderwercke legete/ so möchte man glauben/ er hette eine schlechte versehung in erschaffung der mittelursachen gehabt [...].“ Vgl. lat. causae secundae, die in der scholastischen Philosophie gegenüber Gott, der causa prima [vgl. unten Kalcheim zur Stelle 72.2 „Haupt-Vrsach“], meistens die Geschöpfe bezeichnen. Vgl. Campe Wb. III, 323 s. v. Mittelursache: „eine Ursache, welche nur mittelbar, als einer höhern Ursache untergeordnet wirkt.“ Kramer dt.-it. II (1702), 1221: „die Neben-Ursachen/ le cause seconde“; Battaglia [Anm. 10] II, 895. — Zu ,naturkündisch’ vgl. K II 26.
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Malvezzi 1634, 40: „Sono bene i principi sciolti da quegli ordini e da quelle leggi che hanno costituite, ma non da quella razionalità che gli ha costituiti.“ David 1638, 29: „Die Fürsten sind zwar von den Ordnung- vnd Gesetzen/ die sie selbst vorgestellet/ entbunden/ doch nicht von der Vernunfftigen Redligkeit/ welche dieselbe geordnet?“ David 1643, 24: „der rechten Vernunft *Die Fürsten seynd nie von der rechten vernunft frey und los/ dero sie zu folgen haben. — Redlichkeit, mhd. redelîcheit, Vermögen zu reden, Beredsamkeit, Vernunft, Vernünftigkeit; Gesetzmäßigkeit; sittliche Eigenschaft. Lexer: Handwb. II, 367; DW VIII, 482–484. Vgl. Anm. 6, 7, 22 u. 24.
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Zu den Stellen 34. 20 u. 21. — Malvezzi 1634, 42: „Eccovi additata la vanità della
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metoscopia e della fisonomia.“ David 1638, 34f.: „Sehet hier ist die Eitelkeit der Stirn-Betrachtung/ vnd Angesichts Deuteley mit Fingern gezeigt.“ David 1643, 26: „Hier wird der *stirn- und *gesichtskündigung eitelkeit angedeütet. *Fisionomia, Phisionomia. Der stirn- und gesichtskündigung eitelkeit.“ — Vgl. Anm. 22 u. 43. — It. metoscopia, lat. metoposcopia bezeichnet eine Form der Erkenntnis oder Wahrsagung durch Gesichtsbeschauung oder „Gesichtsdeutung“ (Campe Wb. II, 342), vgl. Plin. nat. 35, 88 u. Suet. Tit. 2. Physiognomik erstreckte sich ursprünglich auch auf den menschlichen Körper, die Kleidung und die Lebensweise. Malvezzi praktizierte die Kunst selbst und entdeckte 1640 als spanischer Gesandter in London in der Physiognomie Kg. Karls I. v. England Anzeichen von dessen bevorstehendem gewaltsamen Tod. S. Denise Aricò, in Malvezzi 1634, 13 Anm. 16. — Vgl. Stieler, 309 „Gesichtsdeuter/ metoposcopus“ bzw. 951 „Gesichtkunde/ Physiognomia“ (im Register „Gesichtskunde“). Vgl. DW IV.1.2, 4101f. s. v. Gesichtsdeutung, -forscher (-forschung), - kunde, -lehre. Vgl. Diefenbach: Glossarium, 360 s. v. metoscopus (statt metoposcopus): „warsager [...]. wicheler“ (zu Wieherer, equus hinniens, Stieler, 2534); Frisius, 819 s. v. Metoposcopus: „Ein waarsager auß angeschauwter stirnen oder angesicht deß menschens.“ Dasypodius, 132v: „Metoposcopos, penul. cor. Der weyssager auß anschauwng des angesichts des menschens.“ Ähnlich Faber/ Buchner (1664), 583; Junius: Nomenclator, 520 s. v. Metoposcopus: „Ein waarsagher auss dem angesicht des menschen“ bzw. ebd. allgemein s. v. Physiognomon, physiognomus: „Ein natur erkenner/ ein kunstreicher meister/ der am ghestalt des leibs vrthailet/ was eines natur vnd complexion ist.“ Diefenbach: Glossarium, 236 s. v. Phisionomia etc.: „kunst der vsserlichen zeichen jm libe“ bzw. „ant-litze“; Frisius, 1003 s. v. Physiognomia: „Die kunst vvnd das wüssen das einer hat die art oder natur eines yeden zebesähen/ oder / Das erradten einsi art vnd natur auß anschauwung deß angesichts.“ — Vocabolario della Crusca 1623, 344 s. v. Fisionomia: „Arte, per la quale dalle fattezze del corpo, e da’ lineamenti, e aria del volto, si conosce la natura degli huomini.“ Kramer dt.-it. II (1702), 741: „Gesichtkündiger/ Gesichtdeuter/ m. Fisonomo, Fisonomista“, desgl. 979 s. v. Stirndeuter.
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Zu den Stellen 35.1 u. 2. — Malvezzi 1634, 42: „La bellezza è una perfettissima consonanza che esce dalla simmetria e dalla proporzione delle prime qualità“; David 1638, 34f.: „Schönheit ist eine vollkommenste Vbereinstimmung der Ebenmässigkeit vnd Proportz/ der vornehmsten Beschaffenheiten“; David 1643, 26: „Es ist die schönheit die allervolkommeneste *übereinstimmung/ so aus der *gleichmässigen eintheilung der ersten und vornemesten beschaffenheiten entstehet; *Arnonia [sic], Harmonia, zusammenstimmung. *Simmetria.“ — Vgl. Anm. 21. Zu „Ebenmässigkeit“ vgl. Findebuch mhd., 77 mhd. ebenmæzecheit; Diefenbach: Glossarium, 466 s. v. Proportio „eben-messigkeit“. Zu ,ebenmäßig’ vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 262: „Fatto con proportione ò simmetria“; DW III, 15. — Zu „Proportz“ als ,Ebenredenheit’ vgl. die Etymologie von ,Rede’ in Anm. 6. Vgl. Dasypodius, 184v: „Proportio, ein vergleychung/ gleychmässigkeyt“; Frisius, 1283 s. v. symmetria: „Gleychmässigkeit/ Gleychförmigkeit/ Wäsenliche abmässung oder proportion“; Maaler, 185r: „Gleychmässigkeit (die) Gleychförmigkeit/ Wäsenliche abmässung oder proportion. Symmetria“; Faber/ Buchner (1664), 1068: „Convenientia, proportio Gleichförmigkeit/ Gleichmessigkeit“. Vgl. Roth Fremdwb., 342 (Proportion); Fnhd. Wb. IV, 642ff. (1540 Herold. „solche proportion und symmetri menschlicher cörper vom ... maler Albrecht Dürer“). Vgl. [Harsdörffer]: GESPRAECHSPJELE ... Dritter Theil (Nürnberg 1643), 342: „Symmetria [...] Ebenmässigkeit“ u. 343: „Die Niderländer heissen es Evenredenheit/ wir mögen es nennen Ebenmässigkeit/ oder auch die Maßrichtige Verfassung eines Gebeues.“ Vgl. Wolff [s. K II 15], 70 (Harsdörffer ,Ebenmass’ für proportio und symmetria); Jones: Purismus, 354 (1651 M. Zeiller „Symmetria, Ebenmaß“) u. 368 (Johann Heinrich Schill „proportion ebenmaß“); Harbrecht: Verzeichnis [s. K II 5], 78 u. 80 (Zesen: Proportion „Fügemäßigkeit“/ „Geschickmäßigkeit“ bzw. Symmetrie „ebenmäßiger Begriff“). — Vgl. K II 0 u. Anm. 24 u. 43.
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Malvezzi 1634, 43: „Quella delicatezza che rende fievoli le complessioni de’ figliuoli della vecchiezza, rende anche delicati gli organi dell’intelletto.“ David 1638, 37: „Machet auch die Verstandtröhrlein desto zärter“; David 1643, 28: „die werkzeüge ihres verstandes“. — Frisius, 929 s. v. organum: „Jnstrument/ Werckzeug/ oder gerüst etwas zemachen was es ioch seye“; Calepinus 1605, 1002.
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Malvezzi 1634, 43: „Hanno una certa analogia insieme tutti i comandi.“ David 1638, 38: „haben eine gewisse Gleichförmigkeit miteinander“; David 1643, 28: „eine gewisse ähnligkeit zu einander *Analogia, Anomalia, unähnligkeit.“ — DW IV.1.4, 8074–8077; Dt. Fremdwb. (1995) I, 498ff. (1481 ,Analogia’). Vgl. Findebuch mhd., 119, mhd. (Seuse) gelîchformecheit; Dasypodius, Bl. 8vf.: „Analogia, proportio lat. Anlicheyt/ gleychformigkeyt“ u. Bl. 184v: „Proportio, ein vergleychung/ gleychmässigkeyt.“ Calepinus 1605, 86 s. v. analogia „Gleichförmigkeit/ änligkeit“; Henisch, 27 „Aenlickeit/ similitudo“ u. 1642 „Gleichförmigkeit/ gleichheit/ analogia, proportio conformis, symetria, similtudo“; Jones: Purismus, 353 (1651 M. Zeiller „Analogia, Ebenmaß“); Faber/ Buchner (1664), 59 s. v. Analogia „Eine Vergleichung/ Gleichförmigkeit/ eine Ehnligkeit“ u. 1068 „Convenientia, proportio Gleichförmigkeit/ Gleichmessigkeit“. Vgl. Fnhd. Wb. I, 1317 s. v. ,änlichkeit’. — Zu ,Gleichredenheit’ s. die Etymologie von ,Rede’ in Anm. 6. Vgl. Anm. 21, 22 u. 43.
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Malvezzi 1634, 44: „L’agricoltore vuole che la terra produca quello che non è sua natura di produrre, e perché lo produca la ferisce.“ David 1638, 38: „beziehet er sie mit Furchen vnd zermalmet sie.“ David 1643, 28: „wird sie von ihme geöfnet und zerarbeitet“. — Zu ,Umrede’ s. K II 18.
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Malvezzi 1634, 45: „che la malinconia sia prodotta dal demonio“; Davide 1638, 40: „das die Schwermüthigkeit vom bösen Geist beygebracht werde“; Davide 1643, 29: „der teüfel habe die *schwermütigkeit herfür gebracht *Melancolia“. — Schwermut wird in der galenischen Viersäftelehre durch einen Überfluß schwarzer Galle gegenüber den anderen Körpersäften verursacht. Vgl. Malvezzi 1634, 44 „L’umore malinconico“; Davide 1638, 40: „Melancholische Feuchtigkeit“; Davide 1643, 29: „*schwermütige feüchtigkeit *Humor melancolicus“. Vgl. Malincolia, s. Vocabolario della Crusca 1623, 492; Kramer dt.-it. II (1702), 717: „Schwermütigkeit/ f. Schwermut/ m. Affanno, Malinconia, Tristitia, Mestitia, Accigliatezza, Torbidezza d’animo, Humor malinconico.“ Vgl. Findebuch mhd., 340; Frisius, 809 s. v. Melancholia „atra bilis. Cic. Schwartz geblüt“; Maaler, 365v „Schwärmütigkeit (die) Languor, Tristitia, Fastidium“; Ph. v. Zesen: Adriatische Rosemund 1645. Hg. M. H. Jellinek. Halle a. d. S. 1899, 11 „schwährmühtigkeit“. Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) II, 76f. Zum dt. Wort s. DW IX, 2074.
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Malvezzi 1634, 45: „come ella [malinconia] tal volta elevando colla sua fissazione gli uomini quasi in una estasi“; David 1638, 41: „wie sie [Schwermüthigkeit] die Leute durch stetige Zerrüttungen/ zun Zeiten auch zur erstaunung [statt Verstaunung, korrigiert Bl. S 3v] aufftriebe“; David 1643, 29: „wie sie zuzeiten mit den stetigen gedancken die menschen gleichsam zur *entzückung gebracht/ *Ecstase Ecstasis, in Schlesien nennet man dergleichen entzückungen hinbreiten: Weil die leüte damit behaftet/ hin und ausgebreitet/ starr liegen und reden“. — Kramer dt.-it. I (1724), 307: „Erstaunung/ f. Stupore“; DW III, 1000; Dt. Fremdwb. (1995) V, 45ff. (1517 Gersdorff „felt in extasim ... in verzuckung“); Dasypodius, Bl. 58v s. v. lat. Ecstasis: „Stupor, Ein erstunung [sic]/ oder entsetzung des gemüts“; Maaler, 107r: „Entzuckung, (die) Raptio, Raptus“; Faber/ Buchner (1664), 332 s. v. lat. Ecstasis: „die Hinentzückung. stupor [...]“; Stieler, 2127 s. v. Erstaunung: „pavor, rigor, stupor, consternatio [...]“. ,Hinbreiten’ meint eigentlich Epilepsie, die Fallsucht, vgl. a. a. O., 204. Vgl. Diefenbach: Glossarium, 219 s. v. Extasis: „en-zukkung [...] entbreitten“; DW II, 378 s. v. brett, entzückung, bzw. bretten, stringere, rapere, terrere, mit Hinweis auf [Gottfried Wilhelm Sacer]: Reime dich/ oder ich fresse dich. (Nordhausen: Barthold Fuhrmann 1673), 52: „Wenn man dich rufft so fahre auff als wenn du mit Mutter Käthen in Hünnebrüden gelegen“, d. i. hinbretten, Entzüc-
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kungen. Vgl. Lexer: Handwb. I, 1292 mhd. hinbrit, stn. extasis, zu brëtten, stv. ziehen, zücken (auch als stn.) bzw. bretten, swv. ziehen, spannen. Vgl. a. a. O., 351 u. III, 102; Findebuch mhd., 56. ,Hinbrüten’ (DW IV.2, 1404) und „hinbreiten“ (David 1643) bezeugen, daß das alte Verb nicht mehr verstanden wurde.
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Malvezzi 1634, 47: „la forza della melodia. [...] Piglio chi ne scrisse per segno morale di predistinazione il diletto dell’armonia.“ David 1638, 45: „die Krafft der wolgefasten Zusammenstimmung [...]. Jch nehme an das jener geschrieben/ daß die Liebe zu seiner Zusamstimmung/ eine Anzeigung der Gnadenwahl sey.“ David 1643, 31: „die gewalt des süssen thones oder melodey [...]. Der so davon geschrieben/ fürete zum Liebeszeichen der gnadenwahl/ die beliebung zu der lieblichen zusammenstimmung ein“. — DW XVI, 722; Dasypodius, 90r s. v. Harmonia: „zusammenstimmung/ wollautung/ einhelligkeyt. Latinè Concentus“ u. 431r: „zamenStimmung [...] Harmonia“; Maaler, 531v: „Zusamen stimmung. Harmonia, Consensus, Consonantia, Symphonia, Concordatio“; [Harsdörffer]: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel Anderer Theil (Wolffgang Endter: Nürnberg 1642), 116 [HAB: Lo 2621 (2)]: „die lieblichste Zusammenstimmung der Musicalischen Jnstrumenten.“ Ebenso FRAUENZJMMER GESPRECHSPJELE II (1647), 138. Vgl. schon [Harsdörffer]: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel I (1644), 16 u. Zesen: Hooch-Deutsche Spraach-übung 1643, 1. Vgl. Harbrecht: Zesen als Sprachreiniger [K II 5], 70 u. Verzeichnis, 75. Vgl. Lexer: Handwb. I, 95 „armonîe“; I, 2096 „mêlodîe“. Zu ,melodia’ s. Anm. 12 (,Melodey’) u. Harbrecht: Verzeichnis (1641 Zesen ,Gesangsweise’ [nach 1566 Aventinus] u. ,Sington’).
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Malvezzi 1634, 47f.: „Il peccato scompose tutte le consonanze dell’uomo, discordò le parti inferiori dalle superiori, introdusse i mali e finalmente la maggiore ed ultima delle dissonanze, che è la morte.“ David 1638, 45: „Die Sunde zerrüttet solche schöne Zusamfassungen im Menschen/ vervneiniget die vntern Theile gegen die obere/ führet alles Vbel ein/ endlich auch die gröste vnd letzte Vbelstimmung/ welche ist der Todt.“ David 1643, 31f.: „Die sünde setzete alle übereinstimmung des menschen von einander/ sie verstimmete oder veruneinigete das unterste von den obersten/ fürete alles übel ein/ und endlichen die grösseste und letzte *verstimmung oder uneinigkeit/ den tod. *Dissonanza, misstimmung und mishelligkeit.“ — Vgl. Dasypodius, Bl. 222r: „Dissonantia, Vbellautung“; Roth Fremdwb., 306: „Dissonantz, Mißhellung/ vbellautung/ böse zamstimmung [...] nachmals für alle andre mißhelligkeit“; Frisch dt.-lat. II (lat.) 32 s. v. dissonantia: „Mißhelligkeit, Uneinigkeit, Mißlaut, Verstimmung, Übel-Klang.“ Zu ,Mißstimmung’ vgl. [Harsdörffer]: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel II (1642), 251: „von gleich-stimmung und Mißstimmung der Music“; Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel II (1647), 292f.: „von gleichstimmung und Mißstimmung der Music“; Campe Wb. III, 299 s. v. Mißstimmen: „eine verschiedene, wie auch eine falsche üble Stimmung“; vgl. ,übelstimmig’ DW XI.2, 47. Vgl. Kramer dt.-it. II (1702), 977 s. v. Verstimmung „Discordamento, Disconcertamento &c.“; Dt. Fremdwb. (1913) I, 150 (Oswald v. Wolkenstein „dissonantz“); Lexer Handwb. III, 123; Dt. Fremdwb. (1995) IV, 734f. (vor 1564 Staphylus „die grosse dissonantz vnnd vnainigkeit“; 1676 Francisci „dissonantz oder verstimmung“).
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Malvezzi 1634, 48: „La musica sarebbe la vera medicina di tutti i mali“; David 1638, 46: „Die Music würde die rechte Artzney für alles Vbel seyn“; David 1643, 32: „Music oder thonkündigung“. — Zum Neologismus ,thonkündigung’ vgl. erst späteres ,Thonkundig’: Campe Fremdwb., 430; DW XI.1.1, 777. Vgl. Dt. Fremdwb. (1913) II, 162f. (ahd., mhd.). Vgl. 371124 K 2 (Klangtichter, Thondichter).
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Zu den Stellen 46.12 u. 47.5. — Malvezzi 1634, 48: „Se una musica acromatica è stata buona a perturbare la bile atra e a muoverla in furore, perché la sua contraria non ha da essere bastevole a raffrenarla?“ David 1638, 46: „Wann ein zu hören angenehmer Gesang gewest/ die schwartze Zorns-Gall zu erregen/ vnd in ein Vnsinnigkeit zu verkehren; warumb soll im Gegensatz eine dero wiedrige/ auch nicht gnugsam seyn/ solche im Zaum zuhalten.“ David 1643, 32: „Wann eine *[*Musica Acromatica, was die Music
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verursachen kan] wol zu hören/ in stimmen gesetzete genaue Musicke gedienet hat/ die schwartze galle zu verunreinigen/ und sie in eine unsinnigkeit zu verkeren/ warumb solte jhr wiedriges nicht genug seyn/ dieselbe in zaum zu halten.“ — Kalcheim hat an dieser Stelle Malvezzis Adjektiv ,acromatica’, d. i. achromatisch, dissonant, mißverstanden im Sinne von griech. άκροαματικὀς, zum Anhören, hier: wohllautend. Ausgehend von Davids Saitenspiel, welches das Gemüt Sauls von der Heimsuchung des Teufels befreite, will Malvezzi von der Heilung seelischer Verstimmungen wie der Melancholie durch die richtig abgestimmte Musik berichten. Vgl. Athanasius Kircher: „Dann Saul so wohl durch den lieblichen Harpffen-Klang/ so Er von seinem schönen/ lieblichen und künstlichen jungen Waffen-Träger [d. i. David; Hg.] hörete/ sehr belustiget/ als auch seine Lebens-Geister ermuntert worden [...] wordurch auch die dicke Hertz-quälende Dämpff und Dünste zerstreuet [...] worden“; s. Neue Hall- und Thon-Kunst ... übersetzet von AGATHO-CARIONE (Nördlingen: Arnold Heyl 1684), 140. In dieser unter einem Pseudonym (für Tobias Nißlen) erschienenen Übersetzung aus Kirchers Phonurgia Nova sive Coniugium mechanico-physicum (1673) ist ein ganzes Kapitel der Frage gewidmet, „Welcher Gestalten die von den Tarantulen gebissen und verletzte durch die Music wunderbarer Weise curiret werden“ (S. 144ff.). Nißlen umschreibt den Tiernamen als „eine Apulische Gifft-Spinne“; vgl. Kramer dt.-it. II (1702), 871: „Sicilianische Spinne/ tarantola.“ Vgl. Malvezzi 1634, 48: „La natura ne’ mali, se sentisse quella consonanza che le besogna, si ecciterebbe forse [...] Ella ci dimostra questa verità in coloro che sono tocchi dal morso della tarantola, mentre che vediamo che non prima risorge a discacciare cotal veleno, che venga eccitata da quella consonanza che con la sua proporzione la corregge.“ David 1638, 47: „welche von des gifftigen Thierleins Tarantola Biß gerühret seyn/ in deme wir sehen/ daß sie nicht auffstehen/ solches Gifft zu vertreiben/ ehe vnd zuvor sie von einer solchen schönen Zusam̄klingung auffgewecket werden/ welche durch ihre Ebenstimmung sie zur Besserung bringe.“ David 1643, 32: „von dem bisse des giftigen thierleins (so Tarantola genennet/ und im Königreiche Napoli in Welschland/ einer grauen Heidexen fast gleich/ gefunden wird)“.
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Malvezzi 1634, 49 [über Goliath]: „Il gigante ha per correlativo il temerario, maggiore de gli uomini, si stima eguale a Dio“; David 1638, 48: „Eines Riesen Gegenhalt ist ein Verwegener: ein grösser als die Menschen, helt sich Gott gleich“; David 1643, 33: „eines riesen *gegenblick ist ein vermessener. *Correlativo, Correlativum“. — Vgl. Fnhd. Wb. VI, 504 (1650 Cunitia) s. v. Gegenhalt: „das Dagegenhalten; der Gegensatz, Vergleich“; Stieler, 744: „Gegenhaltung/ die/ & Gegenhalt/ der/ comparatio, collatio, æqviparatio, relatio.“ DW IV.1.2, 2241 s. v. ,Gegenhalt’ (Adam Olearius FG 543). Vgl. Maaler, 162v: „Gegeneinanderen. Mutuò. Gegeneinanderen haben oder stellen. Componere [...] Conferre inter se [...].“ Kramer dt.-it. I (1702), 608 s. v. Entgegenhalten, gegenhalten, gegeneinanderhalten „Scontrare, Riscontrare, Confrontare, Conferire, Collationare, Paragonare.“ Zu ,gegenblick’ in abweichender Bedeutung s. DW IV.1.2, 2226; Stieler, 197: „Gegenblick/ mutuus obtutus.“ Campe Fremdwb., 230 s. v. Correlation: „der Wechselbezug“. — Zu ,Redgebigkunst’ als Bezeichnung der Logik vgl. Textstelle zu Anm. 34 u. K II 13.
33
Malvezzi 1634, 49: „Questa generazione è quella che aprí le cataratte del cielo, e fece inondar l’oceano sopra la terra.“ David 1638, 48f.: „Dieses Geschlecht ist eben das jenige/ so verursachet hat/ das alle Brunnen der grossen Tieffen auffbrachen/ die Fenster des Himmels sich aufftheten/ vnd die Sündfluth vber daß Erdreich kame.“ David 1643, 33: „Dieses ruchlose geschlecht ist eben das jenige/ so *die schleüssen des himmels zu öfnen verursachte *le Cataratte del cielo, Cataracta cœli“. — Kalcheim folgt, wie er in seiner Vorrede angekündigt hatte, dem Wortlaut der Lutherbibel, während Malvezzi keine italienische Bibel zitierte, nur die Vulgata-Stelle Gen 1, 7, 11 verkürzte (et cataractae caeli apertae sunt et facta est pluvia super terram) und auf die gegen Gott rebellierenden Geschöpfe bezog. Auch F. Ludwig und seine Helfer schließen sich gemein-
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hin der Lutherbibel an, wenn deren Wortlaut in der Paraphrase der Stelle auch nur noch undeutlich durchschimmert. Vgl. 1. Mo 7, 10f. nach Biblia (Luther 1545): „Vnd da die sieben tage vergangen waren/ kam das gewesser der Sindflut auff Erden. [...] das ist der tag/ da auffbrachen alle Brünne der grossen Tieffen/ vnd theten sich auff die Fenster des Himmels/ vnd kam ein Regen auff Erden vierzig tag vnd vierzig nacht.“; Zürcher Bibel 1545 [s. Anm. 7]: „Vñ do die siben tag vergangen warend/ kam der wasserguß auff erden. [...] dz ist der tag da aufbrachend alle bruñen der grossen tieffe/ vñ thettend sich auf die fänster des himmels/ vñ kam ein rägen auff erden viertzig tag vnd viertzig nächt.“ Biblia (Piscator) AT I (1617) „VNd es geschah nach den siben tagen/ daß das gewässer der flut über die erde kam. [...] eben auf disen tag brachen auff/ alle brunquellen des groosen abgrunds/ vnd die fenster des himmels thaten sich auff. Also daß derselbig platzregen über der erden war viertzig tag vnd viertzig nacht.“ — Kramer dt.-it. I (1702), 684: „Himmelsfenster / Finestra, Cateratta del cielo.“ Vgl. Frisius, 197 s. v. Cataracta: „Ein schutzgatter an einer porten [...] Jtem ein wulchenbruch/ vnd ein gächfallend wasser das hoch oben abhin schüßt [...].“ Maaler, 507r: „Wulckenbruch (der) Nubes allisa, Nimbus, Cataracta.“
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Malvezzi 1634, 49 [über das in der Sündflut ertränkte Menschengeschlecht]: „I maggiori individui d’una spezie sono il piú delle volte Luciferi“; David 1638, 49: „Die Gröste solcher Art/ seyn gemeinlich hochmüthige Teuffels.“ David 1643, 33: „Die grössesten dieser art seynd mehrentheils hochmütige Teüfel/ wie der Lucifer war“. — Zu frühen deutschen Bezeichnungen von ,Individuum’ s. Diefenbach: Glossarium, 295, u. a. „eynig-genant, ein selbs vnzerteilts wesen. eyn gantzlich art. vnteylich.“ Dt. Fremdwb. (1913) I, 288 [1574 Bütner „von einer besonderen Person Namen (den man individuum nennet)“]. Campe Fremdwb., 373 schlug für ,Individuum’ ,Einzelwesen’ u. ,Einzelding’ vor. Vgl. auch Anm. 48 zur Stelle 88.6. ,Individuo’ wird etwas später ohne philosophische Problematik verdeutscht: David 1638, 55: „die mängel die gemein seyn/ scheinē vielmehr des Geschlechtsart/ als eins absonderlichen sein“; David 1643, 37: „Die mängel einer gantzen *art des geschlechtes/ als einer *eintzelen person zu seyn. *Specie, Species, bzw. *Individuo, Individuum“. — Zu ,Redgebigkeit’ s. Textstelle zu Anm. 32.
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Malvezzi 1634, 50: „Questo Golia sfida a singolar certame gl’Israeliti. Vuole che la fortuna di tutta la battaglia si restringa nella fortuna d’un picciolo duello“; David 1638, 51: „Dieser Goliath fordert die Jsraeliten zum zwey-Kampff/ wil daß das gantze Glück der Schlacht/ auff ein zwey-schlechten Kampff gezogen werden soll.“ David 1643, 34: „fodert die Jsraeliten zu einem sonderbaren streite heraus: Er wil daß das glück der gantzen Schlacht in der enge eines kleinen kampfes zwischen zweyen Kämpfern bestehe.“ — Aus altlat. duellum, Krieg. Etymolog. Wb. (Pfeifer), 250; vgl. Frisius, 452 s. v. Duellum: „Ein krieg oder streyt von zweyen partheyen oder personen.“ Faber/ Buchner (1664), 327: „Duellum, hodiè nonnisi duorum concertatio seu dimicatio appellatur, cum revera nihil aliud, quam bellum in genere significet.“ Vocabolario della Crusca 1623, 302 s. v. duello: „Lat. singulare certamen“; Kramer dt.-it. II (1702), 1494: „Zweykampf/ m. Duello.“ Vgl. Dt. Fremdwb. (1995) IV, 931ff. [1597 Kronn aller Wegweiser „in einem Duello (da zween mit einander kempffen)“, Albertinus 1599; 1695 Stieler „Duell, ein Zweikampf/ Balgerey“]; DW XVI, 1058 schreibt (nach Wolff [K II 15], 71) Harsdörffer die Einführung von ,Zweikampf’ im Deutschen zu; vgl. Hechtenberg (Anm. 15), 52 (Harsdörffer: Zweikampf) u. Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 74 (Zesen: 1645 Zweistreit). — Kalcheim betreibt in „zweyschlechten“ wohl nur ein Wortspiel mit „Schlacht“ und „Zweykampff“, da das seltene Adjektiv eigentlich zu bedeuten scheint: beiden Geschlechtern zugehörig, (wie ein Bastard) von zwei Geschlechtern abstammend. DW, a. a. O., 1066. — Vgl. Anm. 36.
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Malvezzi 1634, 50: „Così fatti duelli sono preludii alle battaglie“; David 1638, 51: „Sothane Zwey-Kämpff seyn der rechten Schlacht Vorspiel“; David 1643, 34: „Die also beschaffene kämpfe zwischen zweyen personen seynd der Schlachten vorspiel“. — Kra-
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mer dt.-it.
II (1702), 1216 s. v. Vorspiel „Preludio, anti-giuoco.“ Vgl. mhd. vorspil stn., Lexer: Handwb. III, 479; Findebuch mhd., 440; Diefenbach: Glossarium, 454 s. v. Preludium „vor- hd. –spiel, -ganck“; Calepinus 1605, 1133: „propriè est Præcentio [...] quamquam etiam generaliùs accipitur pro quovis initio [...] Ger. Ein vorläufflin vor dem rechten anfang eines Lieds/ ein vorspiel.“ Faber/ Buchner (1664), 542 s. v. præludium „ein Eingang oder Vorspiel“; DW XII.2, 1610–1613.
37
Malvezzi 1634, 51: „Non deono i principi mettere a cimento grande veruno che non si sia prima cimentato a cose grandi“; David 1638, 56: „Die Fürsten sollen niemand zu tieff in Noth stecken/ er hab sich dann zuvor in grossen sachen nothfest erzeigt“; David 1643, 37: „Es sollen die Fürsten niemand fest zu halten/ und sich zu probiren zu tief in not stecken/ er habe sich dan zuvor selbst in grossen sachen notfest und geschickt erzeiget.“ David 1643 bezieht sich mit seiner Erklärung auf eine vorhergehende Stelle: Malvezzi 1634, 51: „Non vorebbe egli che veruno si cimentasse dove ei non vale a cimentarsi.“ David 1638, 55: „Er wolte nit gern daß jemand sich benotfestete/ da ers selbsten nicht vermögt.“ David 1643, 37: „Er hette nicht gerne gewolt/ daß sich einer durch die erfarung *notfest gemacht/ wan er nicht düchtig sich zu *benotfesten gewesen *Cimentasse bzw. *a Cimentarsi, Cimentare, heisset eigentlich mit einem sonderbaren kalcke oder kitte Cimento genant/ eine mauer aus- oder inwendig hart/ fest/ bündig oder festhaltend machen/ und dan durch die erfarung etwas anfahen und ausstehen können“. — Zum Ausdruck ,notfest’ vgl. Beil. III (Widmungsgedicht, V. 1). — It. mettere a cimento grande qd., jm. in einer großen Sache auf die Probe stellen, ihn darin einsetzen. Kalcheim und seine Bearbeiter bemühen sich um eine sprachliche Herleitung der Redensart von cemento (Zement, Kitt), wogegen sie schon in Vocabolario della Crusca 1623, 181 dem Verweis von ,cimentare’ und ,cimento’ auf ,esperimentare’ bzw. ,esperimento’ hätten folgen können: „Conoscer per mezzo dell’vso, far pruova. Lat. experiri“ bzw. „Esperienza. Latin. experimentum.“ A. a. O., 315. F. Ludwig besaß dieses Wörterbuch. S. 230802 K 8. Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 321f.: „Erfahren/ Esperimentare (Sperimentare) per lunga pratica“ bzw. „Erfahrung/ Erfahrenheit/ Erfahrnüs/ f. Cognitione, Notitia, Esperienza (Sperienza) Prouva. it. Espertezza, Peritezza, Peritia Pratica, Uso.“ — Zu „Vbertragung“ s. Anm. 15.
38
Malvezzi 1634, 53 [über Davids Gottvertrauen]: „Cavare un atto vero di confidenza è difficilissimo.“ David 1638, 61: „Ein Werck recht-wahren Vertrawens außzuführen ist überaus schwer.“ David 1643, 39: „zuwege zu bringen“. — Vgl. Hiob 41, 27 nach Biblia (Luther 1545): „das ein streit sey/ den du nicht ausfüren wirst“; Ps 21, 12: „anschlege/ die sie nicht kundten ausfüren“; dass. nach Biblia (Piscator) AT I (1617): „einen anschlag/ den sie nicht konten außführen.“ Das Verb fehlt in der Zürcher Bibel 1545 [Anm. 7] an beiden Stellen und in Piscators Übersetzung von Jjob 40, 27. Maaler, 40v: „Glücklich Außfüren/ zu einem glücklichen end bringen. Successus prosperos dare.“ Vgl. Fnhd. Wb. II, 1018.
39
Malvezzi 1634, 54 [über Goliath]: „un uomo che giganteggi“; David 1638, 62: „einem Gern riesen“; David 1643, 40: „einem grossen Manne/ der* einem Riesen gleich ist *Giganteggi, giganteggiare, heisset eigentlich etwas von einem Riesen/ oder so zu reden/ Rieshaftiges an sich haben.“ — It. giganteggiare, riesenhaftig sein, werden oder wirken; Battaglia [Anm. 10] VI, 774 (O. Rucellai „Qual Golia in Terebinto, giganteggia minaccevole sopre l’altrui teste“).
40
Malvezzi 1634, 55: „I teologi [...] scioglierebbero il problema“; David 1638, 65: „Die Gottes Wort-Lehrer [...] würden vorgestellete Frage also aufflösen“; David 1643, 41: „lösen die vorgestellete frage wol auf“. — Vgl. Dasypodius, 188v: „Problema, Problematum, latinè Propositio, Ein fürgehaltne frag/ Ein frag stuck“; Faber/ Buchner (1664), 719 s. v. problema: „propositio cum interrogatione, ein Fragstück.“ Vgl. DW VII, 2154 s. v. Problem: „im 18. jh. aufgenommen aus engl. problem, vom griech.-lat. problema, eine zum lösen vorgelegte, unentschiedene, zweifelhafte aufgabe, eine streitfrage“. Dt. Fremdwb. (1913) II, 669ff.
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Malvezzi 1634, 57f. [zu Tac. ann. 6, 22]: „mostrò di dubitare se delle inchinazioni de’ principi si poteva dar ragione, o se pure avvenivano dalla sorte del nascere. Anzi [...] non parlò mai di cosí fatta materia che non ricorresse di primo colpo al fato, il quale, avendo congiunto una volta colla sorte del nascere, non è dubbio che intese per le operazioni delle stelle.“ Davide 1638, 72 Z. 2 übersetzt sorte del nascere Geburts-glück; Z. 7 fato Glück. Vgl. die interpretatorische Entschärfung der Aussagen Malvezzis und Kalcheims in David 1643, 44: „von dem *geburtsglücke *Sorte del nascere, Sors nascendi.; er name zuförderst seine zuflucht auf die *versehung und den ausspruch Gottes/ dan weil er solchen einmal mit der glücklichen geburtsstunde vereiniget/ ist gar nicht zu zweifeln/ daß er dadurch die *wirckungen des gestirns verstanden. *Fato, Fatum bzw. *le Operazioni delle stelle; operationes stellarum“. — Vgl. Vocabolario della Crusca 1623, 810 s. v. sorte: „Ventura, fortuna, destino. Lat. sors, fortuna“; a. a. O., 327 s. v. fato: „Determinazione d’iddio, intorno all’huomo, secondo la verità Cristiana, dice Boezio, essere vna dispozion nelle cose mobili, per la quale, la prouidenza d’Iddio da ordine, e norma ciascuna cosa.“ Kramer dt.-it. I (1724), 539: „Glück/ n. Fortuna, Ventura, Auventura, Sorte, Felicità, Prosperità“; a. a. O. II (1702), 510 s. v. Schickung, Geschicke, Schicksal „Providenza, Dispositione, Dispensatione, Ordinatione, it. Fato, Fatalità, Destino &c.“ — Vgl. Diefenbach: Glossarium, 227 s. v. Fatum „gluck“, 543 „Sors hd. gluck“; Dt. Fremdwb. (1995) V, 743ff. (1531 Hedius „welches etlich des glücks spil die andern Fatum genennet“); Roth Fremdwb., 311: „Fatum, Beschaffens glück/ vnd was eim von Gott beschaffen ist. Jtem ein noth zwang vnnd volg der ordnung Gottes. Jtem der Todt [...]. Jtem ein weissagung“. Vgl. Stieler, 675: „Geburtsglück/ successus genethliacus.“
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Malvezzi 1634, 59 [über unterschiedliche Einflüsse des Himmels]: „Io credo che si trovino alcune costellazioni riguardanti all’amicizia e alcune altre all’amore [...] e che colui sia più amato che ne ha più, e chi ne ha meno non possa esser oggetto d’amore, ma sí bene di benevolenza. La ragione di quanto ho detto è perché il bello è oggetto d’amore“; David 1638, 74: „kein gegenwurff der Liebe/ wiewol der Freundligkeit seyn mag Vrsach dessen/ was ich gesaget/ ist/ daß das schöne ein gegenwurff der Liebe“; David 1643, 46: „*gegenlage der liebe *Oggetto, Objectum. Eine grössere und höhere schönheit/ als die unsere ist der liebe gegenlage.“ Vgl. David Hs, 32: „obbietto, Objectum“ und Vocabulario della Crusca 1623, 555 s. v. oggetto: „Obbietto“. — ,Gegenwurf’ war schon mhd. für lat. obiectum (u. subiectum) gebräuchlich: DW IV.1.2, 2302–2304; Lexer Handwb. I, 782; Diefenbach: Glossarium, 387; Götze, 99; Schottelius, 636; Roth Fremdwb. 332: „Obiect. Das so man fürwirfft/ entgegen helt/ der gegenwurff“ bzw. 353: „Subject, Gegenwurff/ einwurff.“ Frisch dt.-lat. II, 460. ,Gegenlage’ ist wohl keine Neubildung bzw. Lehnübersetzung (zu ,obiectum’), sondern vertieft Malvezzis Aussage durch eine der beiden von Stieler, 1119 verzeichneten Bedeutungen von ,Gegenlage’: „æqvivalens, it. donatio propter nuptias, dotalitium“. Vgl. Stieler, 1117 s. v. Wiederlage: „nonnumqvam augmentum donationem propter nuptias, & alia antipherna & victalitia, qvæ maritus uxori constituit, denotat, aliàs Gegenlage.“ Vgl. Schottelius, 636: „Gegengab/ Gegenvermachtung [...] Gegenvermechtniß [...] Leibgeding/ Leibzucht/ Leibbedingung/ Wiederkehrung“; Wachter, 910; Frisch dt.-lat. II (lat.), 33 s. v. dotalitium: „Leib-Geding, Leib-Zucht“; noch Campe Wb. II, 261. ,Gegenstand’ für ,Objekt’ lt. DW IV.1.2, 2263ff. erst im 18. Jh. Vgl. auch Anm. 46 zu ,Gegenwurf’ und zu soggetto, Unterwurf, Unterlage.
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Vgl. [(S 7) r]. S. Malvezzi 1634, 59f. [über die himmlische Schönheit]: „grazia divisata, la quale non consiste nella simmetria degli umori, o nella proporzione delle fattezze, benché con l’una e con l’altra s’accordi sovente, quando non è impedita da’ difetti della materia“; David 1638, 75f.: „dieselbe bestehet nicht in der ebenmessigkeit der Sinne/ noch in der ebenredenheit der gestalt“; David 1643, 46: „diese bestehet nicht in dergleichen austheilung der sinne/ oder ebenmässigkeit der geberden oder sitten“. Vgl. die Stelle 35.1 („Ebenmässigkeit“/ „simmetria“), auch Anm. 6, 20, 22 u. 24. Kramer dt.-
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it.
II (1702), 54: „Gleichmässigkeit/ Ebenmässigkeit simmetria, proportione.“ Zum Hapaxlegomenon ,austheilung’ für ,proportione’ vgl. Fnhd. Wb. II, 1460 s. v. austeilen: „abgegrenzte Teile eines Ganzen, Anteile [...] ausgeben, vergeben, zuweisen [...]“; Dasypodius, 416v: „vßTeilung so etwz in stuck geteilt wirt. Distributio.“ Frisch dt.-lat. II, 368: „die Austheilung, distributio, divisio.“
44
Malvezzi 1634, 60f. [Nach dem Philosophen (Aristoteles, pol. I 5 1254 a 20–24) werden einige Menschen zum Herrschen, andere zum Gehorchen geboren]: „Vi acconsentí chi divise i segni del zodiaco in imperanti e obbedienti“; David 1638, 78: „Der jenige so die Himmelszeichen in gebietend vnd gehorchende/ getheilet/ scheust nicht weit vom ziel“; David 1643, 47: „die Himmelszeichen des gestirneten *Thierkreises *Del Zodiaco, Zodiaci.“ — Lexer Handwb. I, 1291; Findebuch mhd., 171 himelzeichen; Stieler, 2610 s. v. Himmelszeichen: „astra, & imagines cœli“; DW IV.2, 1367 s. v. Himmelszeichen. Vgl. Kramer dt.-it. (1724) I, 685 s. v. Himmelzeichen: „Segno celeste“ u. II (1702), 1071 „Thierkreis/m. Zodiaco. Thierkreiszeichen/n. Segno del Zodiaco.“ — Findebuch mhd., 345 tierkreiz. Stieler, 946 s. v. Tierkreis „Zodiacus“.
45
Malvezzi 1634, 61: „i talenti che gli ha dato Iddio“; David 1638, 80: „das von Gott jhme anvertrawete Pfund“; David 1643, 48: „sein *pfund/ nemlich die tugenden/ die ihme Gott gegeben *Talento, Talentum.“ — Vocabolario della Crusca 1623, 862 s. v. talento: „Per grazia, e dono“; Kramer dt.-it. II (1702), 211: „sein Pfund vergraben/ und mit demselben nicht wuchern/ sotterrare il suo talente, e non negotiare (trafficare, profittare) con esso. Luc. 19.“ Lat. talentum (vgl. z. B. Dasypodius, 232r: „Ein gewicht/ halt sechtzig minas“) wurde — nach dem Vorbild des Gleichnisses Jesu von den von einem Herrn seinen Knechten zur Vermehrung anvertrauten Pfunden (Biblia [Luther 1545], Lk. 19, 13ff.; danach Redensart ,mit seinem Pfunde wuchern’) — im 16. Jh. auf ,Talentum’ (Geistesanlage; 1537 Paracelsus) und ,Pfund’ (Luther: Tischreden) im Sinne von Anlage, Begabung oder Mittel übertragen. DW VII, 1810f. s. v. Pfund; XI.1.1, 97 s. v. Talent; XIV.2, 1710 s. v. wuchern; Etymolog. Wb. (Pfeifer), 1409; Dt. Fremdwb. (1913) V, 36ff. — Vgl. Anm. 69 u. 371123 K 10.
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Malvezzi1634, 63f.: „Non ha l’uomo prudenza, [...] è [...] sorte, perché opera sopra un soggetto che può essere e non essere.“ David 1638, 85: „der Mensch hat keine Vorsichtigkeit/ [...]sie [...] ist [...] ein Glück weil sie an einem Vnterwurff wircket/ der so wol seyn/ als nicht seyn kan.“ David 1643, 51: „weil sie in einer unterlage wircket/ die da seyn und nicht seyn kan“. Vgl. Anm. 42 ,gegenwurf’ bzw. ,gegenlage’. — Vgl. s. v. ,Unterwurf’ Kramer dt.-it. II (1702), 1334 in rhetor. Bedeutung „soggetto, testo d’una predica.“ In philosophischer Terminologie bezeichnet soggetto, lat. subiectum, griech. ὑποκείμνον das den Formen Zugrundeliegende, das in scholast. und myst. Sprache, bei weiterer semantischer Differenzierung, schon mhd. underwurf heißen konnte. Lexer: Handwb. II, 1813; Findebuch mhd., 376; DW X.4, 811-813; spätere Belege, s. auch DW XI.3, 1913 (1498 F. Riedrer; 1510 J. Geiler v. Kaisersberg). Vgl. Diefenbach: Glossarium, 560 s. v. Subiectum: „vnderligunge, -legunge [...] –wurff [...] gegen wurff“; s. v. Unterlage DW XI.3, 1650 (1676 Erasmus Franciscus, 1691 Christian Thomasius). Vgl. Christian Weise: Der Grünen Jugend Nothwendige Gedancken (Leipzig 1675), 308: „Uber dieß hat man in Philosophischen/ Mathematischen/ und Politischen Wissenschaften so viel Terminos Artis oder Kunst-Wörter/ welche so wenig in unsere Sprache zu bringen sind/ als die Römer der Griechen Philosophie gantz konten Lateinisch machen. Da sol bey etlichen Objectum ein Gegenwurff/ Subjectum eine Unterlage [...] heißen. Doch was richten wir damit aus/ als daß wir von wenigen verstanden/ und von den meisten außgelachet werden: Gleich als wäre dieß nicht das beste Wort/ welches von allen Deutschen verstanden wird.“ S. Jones: Purismus, 499.
47
Malvezzi 1634, 64: „gli affetti dell’animo difficilmente si possono contrapesare, perché non hanno né fermezza, né misura.“ David 1638, 86: „Die Neygungen des Gemüthes aber wollen sich schwerlich gegenwiegen lassen“; David 1643, 51: „Die zunei-
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gungen des gemütes aber kan man schwerlich in gleicher gegenwage oder gewichte halten“. — Vgl. Malvezzi 1634, 57: „affetto del principe verso un cortegiano“, „il fondamento dell’affetto“ und „degli amori affettuosissimi de’ principi.“ David 1638, 70: „Gnadenneygung eines Fürsten/ gegen einem Hoffmann“, 71: „der grund der Wolgeneygtheit“ und „von der grösten Herren allergrössesten Gnad vnd Liebe“; David 1643, 44: „ein Fürst seinem Höflinge geneiget“, „grund aller *zuneigung *Affetto, Affectus“ bzw. „wegen der sonderbaren überaus grossen libe der Fürsten“. Kramer dt.-it. II (1702), 128: „Neigung/ Zuneigung/f. Inclinatione, Affettione, Affetto &c.“ Vgl. bes. in myst. Sprache schon mhd. neigunge, stf. und zuoneigen, stn., Lexer: Handwb. II, 51 u. III, 1194; Findebuch mhd., 258; DW VII, 579ff. s. v. Neigung bzw. XVI, 571ff. s. v. Zuneigung; Dt. Fremdwb. (1995) I, 164ff. (1481 Melber „Affectus, begird, liebe, begirlichkeit“; 1558 Spangenberg „Affect, begird vnd zuneigung“; 1582 Fischart „von fleischlichen Affecten vnd neigungen“; 1637 Abraham a S. Clara „Affect oder Lieb“); Fnhd. Wb. I, 666. S. Roth Fremdwb., 288: „Affect, anmuttung/ leiden/ kranckhait anligen/ anfechtung/ betrübung“. [Harsdörffer]: GESPRAECHSPJELE ... Dritter Theil (Nürnberg 1643), 342: „es nennet einer die affecten zu Teutsch/ Sinnerregungen/ der ander Hertzenbewegungen/ der dritte Gemütsneigungen; [...] Das Wort affectus hat in Lateinischer Sprache unterschiedlichen Verstand/ [...] daß es Anfangs eine Neigung/ nachmals eine Erregung/ und dann eine brünstige Bewegung heissen kan.“ Vgl. Faber/ Buchner (1664), 364 s. v. affectus: „Gemüths Bewegung/ Neigung“; Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 72 (1671 Zesen „Affecte: Gemütsbewegungen“). Vgl. Anm. 61.
48
Malvezzi 1634, 65 [über die Einzigkeit (scholast. haecceitas) eines guten Fürsten]: „La bontà del principato [...] non manca della ultima individuazione“; David 1638, 88: „Die Gutheit der Herrschafft [...]. Jhn [den Fürsten; Hg.] mangelts nicht an der letzten vn-ferner-theilbarheit/ welche ihr das seyn/ dasselbe seyn/ vnd nicht anders seyn/ gibt.“ David 1643, 52: „Eines Fürsten frömmigkeit und gütigkeit [...]. Es mangelt ihme nicht an der letzten *untheilbarheit/ die ihr das wesen und nichts anders giebet. *Individuazione, Individuatio. Vgl. Diefenbach: Glossarium, 295: „Individuitas [...] vnteylich- [...], vndeilsam- [...] keit.“ Vgl. Anm. 34.
49
Malvezzi 1634, 65: „Una stella, benché cometa, perché è luce nuova che nasce, tira a sé gli occhi di tutti“; David 1638, 89f.: „Ein Stern/ ob wohl es ein Comet/ zeucht doch/ weil es ein newer schein aller Augen nach sich“; David 1643, 53: „ein Comet (oder vō alters her auf Deütsch also genenneter Pfauenschwantz)“. — Diefenbach: Glossarium, 134 s. v. cometa: „pfawenschwantz“; Maaler, 316: „Sydereæ Iunonis aues“; DW VII, 1631.
50
Malvezzi 1634, 66: „perché si trovano molti politici che adoprano l’esempio non per confirmare le ragioni, ma per formarle“; David 1638, 92: „dieweil viel politische Lehrer sich finden/ welche die beyspiel nicht zur bestettigung/ sondern zugebung/ einer Regeln brauchen“; David 1643, 54: „Dan es werden viel Weltleüte gefunden/ die sich der Exempel gebrauchen/ nicht ein recht und gute sache dadurch zu bestettigen/ sondern das recht und die gute sache aus dem ausgange zu urtheilen und zu nemen.“ — Roth Fremdwb., 346: „Regl, Ein richtscheyt/ Linial/ Linir/ ein richtschnur“; Calepinus 1605, 1241 s. v. Regula: „Ein Richtscheit/ Regel/ Linial/ Winckelmeß.“ Vgl. auch 340912 K 1.
51
Malvezzi 1634, 66 über die Giftigkeit des Krauts napello; David 1638, 92: „Eysenhütlein“; David 1643, 54: „das giftige kraut der *Eisenhütlein *Napello, in Latein Napelles, wird in Deutsch von seiner blüte/ die wie Eisenhütlein schön blau gestaltet/ also genennet“. — Kramer dt.-it. I (1724), 290: „Eisenhüttlein/n. Napello, Aconito [herba velenosa]“. D. i. Aconitum napellus L., Blauer Eisenhut, Sturmhut, enthält ein giftiges Alkaloid (Aconitin). Vgl. Hieronymus Bock: Kreütterbuch (Josias Rihel: Straßburg 1577), Bl. 91v über Eisenhütlein und Wolfswurz: „Eusserlich vnd gar nit in den leib zubrauchen/ dz hat man wol zu Antorff befunden/ an denen/ so diese wurtzel für ein Sallat gessen/ vñ darüber gestorben.“
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52
Malvezzi 1634, 69: „La somiglianza ha gran forza per movere e ravvivare nella imaginativa anche que’ fantasmi che eran quasi morti.“ David 1638, 99: „Die Gleichheit hat eine grosse Krafft zubewegen/ auch die Einbildungen/ da es auch/ nur verstorbene Fantaseyen wieder lebendig zu machen.“ David 1643, 57: „in der einbildung auch dergleichen fantaseyen zu erwecken“. — Vgl. Anm. 18. Dasypodius, 317r: „Fantasey. Phantasiæ, arum“ u. 175v: „Phantasiæ, Vorbildunge des gemüths/ einbildunge“; Roth Fremdwb., 338: „Phantasei, Einbildung/ won geduncken [...]“.
53
Malvezzi 1634, 69: „Il tempo è inimico di tutte le cose. Dove non arriva a distruggere la grandezza, distrugge la maraviglia, perché forma l’abito. L’abito facilita gli atti“; David 1638, 99f.: „Die Zeit/ so allen dingen Feind/ [...] weilen sie den dingen gewonheits-gestalt gibt. Diese verringert die Thaten“; David 1643, 57f.: „Die Zeit ist eine feindin aller dinge [...]/ dan sie die fertigkeit zuwege bringet. Die *fertigkeit oder gewonheit *Habitus machet alles thun leichte“. — Vgl. Malvezzi 1634, 57: „un abito dal quale nasce la sazietà“; David 1638, 71: „ein lang anzugige Gewonheit/ darauß entspringet ein sättigkeitsekel“; David 1643, 44: „eine solche *fertigkeit/ daraus eine ersättigung entstehet *Abito, Habitus“. — Vgl. Vocabolario della Crusca 1623, 7 s. v. abito: „Per qualità acquistata, per frequente vso d’operazioni, che difficilmente si può rimuovere dal suo suggetto. Lat. habitus.“ Kramer dt.-it., 361 s. v. Fertigkeit: „prontezza, Destrezza, Attitudine, Lestezza, Habito fatto, Prestezza, Prattica &c.“; Stieler, 406 s. v. Fertigkeit: „habilitas, habitus, promtitudo, solertia, vivacitas“; Aler I, 643 s. v. Gewonheit: „Assuetudo, consuetudo [...]; mos [...]; habitus, usus, ritus [...]; institutum [...]; institutio [...]; disciplina [...]; via pervulgata.“ DW III, 1553f.; als lat. habitus übersetzt. Vgl. Frisius, 621 s. v. Habitus: „Weyß vnnd bärd/ anmutung/ gestalt/ glidmaß// Leibs gestalt eines menschen“; Roth Fremdwb., 315 s. v. Habit: „Kleydung/ weiß vnd geberdt/ gstalt/ zucht/ glidmaß“; Fnhd. Wb. VII, 826 s. v. Habit 1: „Haltung, Habitus; Gewohnheit; Art des Auftretens“; Dt. Fremdwb. (1913) I, 261 (Veit Ludwig v. Seckendorff [FG 615] „in eine Gewohnheit oder habitum der Sünden fallen“).
54
Malvezzi 1634, 73: „Gli uomini ne’ loro desiderii si vestono in cosí fatto modo del propio interesse, che si danno a credere che ogn’uno che gli conosce vi abbia a cooperare“; David 1638, 108: „Die Menschen in jhren eigenen Begierden/ bemänteln sich mit eigenem Nutzen“; David 1643, 62: „Es bekleiden sich die Menschen [...] mit ihrem *eigenen nutzen oder gewin *Del proprio interesse, Interesse, ist eigennutz/ angelegenheit/ gewin/ vortheil/ zuzeiten bedeütet es auch nachtheil und schaden“. — Kramer dt.-it. I (1724), 277 s. v. Eigennutz: „Proprio utile, Proprio interesse“; Stieler, 1355 s. v. Eigennutz u. Sondernutz „commodum domesticum, utilitas sua, vulgo proprium interesse, privata utilitas.“ Dt. Interesse (vgl. DW IV.2, 2147f.) im früheren Sinne von Zins, (Gewinn-, Verlust-)Chance aus Ersatzpflicht (Götze, 128; Diefenbach: Glossarium, 304 „schaden“) oder Nutzen, Vorteil [Dt. Fremdwb. (1913) I, 302], bei Aler I, 1166 auch umfassender als „Compendium, commodum, lucrum [...]; utilitas“. Vgl. Etymolog. Wb. (Pfeifer), 587; Fnhd. Wb. VIII, 171. Kalcheim meint Eigennutz u. ä.; vgl. Roth Fremdwb., 319f.: „Interesse/ Vnterschleipff. Ein vortheyl [...] man spricht: Er hat jms zu einem Interesse vorbehalten/ das ist/ zu einem eignen besondern genieß.“ Vgl. Malvezzi 1634, 114f.: „Ha tanta forza l’interesse nelle operazioni degli uomini, che è stimata debolezza il fidarsi di uno, l’interesse del quale porti il tradire.“ David 1638, 231: „Eigen Anliegenheit hat so viel Kräffte in Menschlichem thun/ daß es für eine Schwachsinnigkeit gehaltē wird/ einem zutrawen/ dessen mit vnter seyn etwa ein Verrätherey mit sich bringen möchte.“ David 1643, 121f.: „Es hat der eigene vortheil/ oder eigen nutz in der menschen thun eine solche macht/ daß es für eine grosse schwachsinnigkeit gehalten wird/ sich auf einen zu verlassen/ dessen vortheil eine verrähterey mit sich treget.“
55
Malvezzi 1634, 74: „Colui che è in collera [...] lo crederei impazzito, se non fosse che gli è rimasto solamente tanto discorso quanto è bastante a rendere l’opere sue degne di gastigo“; David 1638, 112: „Ja ich glaube auch wol/ daß er gantz närrisch worden/
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wann nicht were/ daß jhme noch so viel nachsinnung vberblieben“; David 1643, 63: „würde ihn für gantz töricht schätzen/ wan es nicht an deme were/ das ihme noch so viel zu erwegen überblieben“. Vgl. auch Malvezzi 1634, 43 resp. David 1638, 37f. dieselbe Übersetzung wie oben (nachsinnungen für discorso resp. discorsi). David 1643, 28 gibt ,discorso’ mit ,erwegung’ und ,nachsinnen’ wieder. — Vocabolario della Crusca 1623, 276 s. v. discorso: „ragionamento, o scrittura, doue s’esamini qualche cosa. Lat. tractatus.“ Zum Begriff discorso im Verständnis des italien. Humanismus und der weiteren Begriffsgeschichte s. D. Böhler u. H. Gronke s. v. Diskurs in HWRh II, bes. 779ff. — Vgl. Maaler, 299v: „Nachsinnung vnnd betrachtung. Reputatio“; Schottelius, 640: „Nachsinnung/ Theoria“; Jones: Purismus, 353 (1651 M. Zeiller „Discursus, Vernunfftgespräch/ Vnterredung“); Stieler, 2034 s. v. Nachsinnung: „speculatus, indagatio“; DW VII, 128; Dt. Fremdwb. (1995) IV, 669ff.
56
Malvezzi 1634, 73: „Manda Saulle a seguitare Davide. Chi lo seguita lo trova in un coro di profeti e quivi si ferma con loro a profetare.“ David 1638, 110: „Saul schicket dem David nachzujagen: der jhme folget/ trifft ein Chor Propheten an/ bleibet bey jhnen/ vnd weissaget“; David 1643, 63: „Saul schicket gewisse Leüte hin/ den David zu verfolgen/ die/ so ihn verfolgen/ finden eine schaar der Propheten/ bleiben bey denen/ vnd weissagen mit ihnen“. — Malvezzi begnügt sich wie üblich damit, die Bibelstelle (1 Sam 19, 20) zu kürzen und zu paraphrasieren. Kalcheim und seine Revisoren folgen ihm darin, setzten jedoch — wie gewöhnlich— die Bibelstelle nach Luther hinzu: David 1638, 109f.: „Da sandte Saul Botten/ daß sie David holeten. Vnd sie sahen zwen Chor Propheten weissagen/ vnd Samuel war jhr Auffseher[.] Da kam der Geist Gottes auff die Botten Saul [Sauls, Luther]/ daß sie auch weissageten“; fast ebenso David 1643, 62. Vgl. Zürcher Bibel 1545 (s. Anm. 7): „Vnd sy sahend einen hauffen propheten weissagen“; Biblia (Piscator) AT I (1617) „Vnd sie sahen ein hauffen Propheten/ die da weissageten“. — Dt. Fremdwb. (1913) I, 113 ahd. chôr, mhd. kôr, Chor der Geistlichen in der Kirche; Dt. Fremdwb. (1995) III, 713ff.; Dasypodius, 31v: „Chorus, Ein versamlung deren die singen/ oder springen/ vnd kurtzweil treibend.“
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Malvezzi 1634, 74: „La collera [...] è una breve effimera. [...] negli spiriti“; David 1638, 112: „Der Zorn [...] ist ein kurtztägig Fieber.“ David 1643, 63: „ist wie ein *fieber von einem natürlichen tage/ der vier und zwantzig stunden helt. *Effimera, Ephimera, ist ein vier-und zwantzig stündiges fieber“. — Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 369: „Eintägig Fieber/ febbre efemera“. Henisch, 1026: „Das Feber von der Sonn oder von heisser Speise/ daß nur einen Tag wehret/ oder das nur einmal kompt/ daß nur einen paroxysmum hat/ obderselb gleichwol bißweilen zween oder drey Tag wehret/ febris diaria, Cels. ephemera, unius, plurium dierum [...] alioquin in spiritibus tantum consistens“. Vgl. Faber/ Buchner (1664), 373: „Febris ephemera, vel diaria, unius diei febris“; Stieler, I, 379: „Eintägig Fieber/ ephemera.“ Vgl. Dt. Fremdwb. (1995) V, 172ff. (1568 Wirsung „allen genanten ephemerischen fieber“).
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Malvezzi 1634, 75: „nel giorno delle Calende“; David 1638, 120: „am Newmonds Tage“; David 1643, 67: „am ersten tage des Neümonden“; vgl. David Hs., 52: „am ersten Tage des neüen Monden“. — Malvezzi und seine Übersetzer beziehen sich auf 1 Sam 20, 24, vgl. Vulgata „et venerunt calendae“; Biblia (Luther 1545): „Vnd da der Newemond kam“; vgl. DW VII, 678. — Maaler, 305v: „Neüwmon (der) Noua luna.“ Vgl. Fnhd. Wb. VIII, 495f. „kalende, pl. t.“, der erste Tag eines Monats.
59
Malvezzi 1634, 80: „Chi nasce nella gran scena del mondo dovrebbe sapersi vestire di molti abiti, per potere in questa comedia rappresentare diversi personaggi.“ David 1638, 135: „Der auff der grossen Schawbühnen dieser Welt gebohren wird/ soll billich sich in allerhand art der Kleydung zuverkleyden wissen/ damit er in solchem schawspiel vnterschiedene Personen vertretten könne.“ David 1643, 74: „auf dem grossen Schauplatz dieser welt [...] bey diesem freüdenspiele“. — Schauspiel und Freudenspiel waren in der Bedeutung „Schaustück, Sehenswürdigkeit“ (Götze, 185) bzw. „jocus et ludus,
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spectaculum, Lustbarkeit“ (DW IV.1.1, 155) schon lange gebräuchlich; „comedi“ [Dt. Fremdwb. (1913) I, 367 (1472 Albrecht v. Eyb)] wurde — wie wohl auch von Malvezzi — unspezifisch gebraucht, auch über das eigentliche Bühnendrama hinaus: „schawspil/ fabula, comœdia, spectaculum scenicum“ (Henisch, 610; vgl. DW VIII, 2375, Maaler, 348v u. Stieler, 2088). Kalcheims Versuch einer gattungsspezifischen Bezeichnung für Komödie scheitert, diese gelingt seinen Revisoren an der vorliegenden Stelle erst mit ,Freudenspiel’. Vgl. Augustus Buchner (FG 362): Anleitung Zur Deutschen Poeterey (Wittenberg 1665), 7f.: „alle Comödien und Tragödien/ welche wir Freud- und Trauerspiele nennen mögen“; [Harsdörffer]: Poetischer Trichter I (Nürnberg 1650), 94: „Diese Spiele werden Freudenspiele genennet/ weil ihr Jnhalt uñ Ende frölich und lustig ist Nach der Verwirrung folget eine merkliche *Veränderung/ *Peripetia daß der Unglückselige glücklig/ oder der Glückselige unglückselig wird“; Dt. Fremdwb. (1913) I, 367 (1644 Comenius „Eine comedy oder ein frewdenspiel“); Stieler, 2087: „freudenspiel/ comœdia“. Roth Fremdwb., 296 u. 356 gebrauchte schon einen übergeordneten Gattungsbegriff („Comœdie, Ein schawspil mit gespräch von gemeynen Weltleuffigen handlungen“ bzw. „Tragedi , Ein vast ehrnstlich schawspil vnnd gedicht“), verdeutschte aber noch nicht die lat.-griech. Fremdwörter. Vgl. aber [Harsdörffer]: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel II (1642), 258: „den Schau- oder Freuden-Spielen (Comœdien/)“; FRAUENZJMMER GESPRECHSPJEL II (1647), 302: „den Schau- oder Freudenspielen“. Vgl. auch noch Kramer dt.-it. I (1724), 414 s. v. Freudenspiel allein „Guoco d’allegrezza, it. Festa.“
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Malvezzi 1634, 86 [über die abschreckende, aber gelegentlich kontraproduktive Bestrafung einer aufrührerischen Stadt]: „Questo è un alesifarmaco che non si dà a tutti gli amalati.“ David 1638, 152: „Diß aber ist ein VorbewahrungsArtzney/ welche allen Krancken nicht beyzubringen.“ David 1643, 83: „*eine Artzeney gegen Gift *Alesifarmaco, Alexipharmacum. Eine artzney die für gift bewaret“. — It. alessifarmaco, m. Gegengift, Vorbeugungsmittel, von griech. άλεξιϕάσμακον. Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 525 s. v. Gegengift, Widergift: „antidoto alessi farmaco.“ Vgl. Calepinus 1605, 65: „Alexipharmaca [...] Artzney wider Gifft oder ander böse sucht“; Faber/ Buchner (1664), 43 s. v. alexipharmacum: „antidotus, remedium contra venena, Thiriack/ und allerley Artzney wider vergifft. Hujus generis sunt medicamenta prophylactica [...], Præservatiff.“ — Frisius, 1042: „Præmunitio [...] Vorbewarung vnnd vorschantzung/ Vorrüstung“; Maaler, 474v: „Vorbewarung. Præmunitio“; DW XII.2, 905 s. v. Vorbewahrung (1579 Sebiz „vorbewarung ... wider alle kranckheiten“).
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Malvezzi 1634, 86: „è una passione intollerabile, perché tre potentissmi affetti producono il dolore e sforzano alla vendetta“; David 1638, 143: „ein unverträgliches Anliegen/ dann drey-die allerstärckeste erregungen/ ziehen den Schmertzen herfür/ strengen zur Rache an“; David 1643, 83: „eine fast erträgliche bekümmernüs/ dan drey der allermächtigsten *anliegen dergleichen schmertzen zu verursachen/ und die rache zu erzwingen pflegen. *Affetti, gemüts bewegungen. Affectus aut passiones, heftikeiten zuzeiten. Drey heftige anliegen in einer grossen bekümmernüs“. Vgl. Anm. 47. — Vgl. Kramer dt.-it. I (1724), 960: „ein heimliches/ innerliches Anligen/ una passione secreta“ u. 99: „Gemüts-bewegungen/ moti, commotioni, alterationi, movimenti, passioni dell’animo“; vgl. II (1702), 296: „Gemühts-regungen“. Roth Fremdwb., 337 s. v. Passion: „Ein Anmutung/ affect vnd neygligkeyt/ Jn Heyliger gschrifft [...] leyden/ schmertzen vnd sterben.“ Calepinus 1605, 1035 s. v. Passio: „Animi perturbatio, quam Cicero affectionem vocat: cuiusmodi sunt amor, odium, iracundia, invidia, timor, lætitia, spes, & similes [...] Ital. Paßione. Germ. Ein bewegung oder betriegung des Gemüts.“ ,Anliegen’ bezeichnet in der älteren Sprache ein Gebrechen oder einen inneren Mangel bzw. einen inneren Drang oder ein Gesuch (DW I, 402f.; Diefenbach, 66; Stieler, 1118). Vgl. Anm. 47 (Roth Fremdwb. s. v. Affect).
62
Malvezzi 1634, 91: „sortirà bene quando l’inimicizia non sia originata dalla emula-
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zione, se però quell’atto non lo alzasse ad un’altra sfera“; David 1638, 165f.: „würde auch wol außschlagen/ wann die Feindschafft nicht aus Abgunstseifer jhren Vrsprung genommen/ wann solches thun auch denselben nicht in höhern grad setzte“; David 1643, 89: „es were dan/ das so ein thun einen zu einem höhern stande brechte“. — It. sfera meint hier nicht, wie griech. σϕαῖρα Erd-/ Himmelskugel, Ball, sondern in übertragener Bedeutung Um- oder Wirkungskreis, Sphäre, Rang.
63
Malvezzi 1634, 99 [über die Wirkung weiblicher Äußerungen auf Männer]: „Se non acconsente l’intelletto acconsente la volontà [...] Le loro lagrime sono i loro entimemi, la loro bellezza è la loro spada [...] Non si crede artifizio dove non è scienza, ma quelli del volto sono maggiori di quelli della retorica“; Malvezzi 1636, 152: „intimemi“; David 1638, 188: „Stimbt schon der Verstand nicht mit ein/ so thuts doch der Wille [...] jhre Thränen seyn jhre kurtzgefaste Schlußreden/ jhre Schönheit ist jhr Schwerdt [...] Man helt ein ding für keine Kunst/ da keine Wissenschafft ist: die Wolredenheit des schönen Angesichts/ ist grösser als die auß der Redner-Kunst“; David 1643, 101: „kurtze schlusreden *Entimemi, Entimemata [...] die kunst aber im gesichte ist grösser als die in der wolredenheit“. — Enthymema ist in logischer Bedeutung ein um eine der Prämissen verkürzter Syllogismus, rhetorisch eine plausible, durch Indizien, Topoi oder unbestrittene Gegenargumente überzeugende Argumentation. HWPh II, 527ff.; HWRh II, 1197ff. Vgl. s. v. Enthymema Diefenbach: Glossarium, 203 („eyliche beschließung“ u. a.); Dasypodius, 61r („Ein erdichtung oder betrachtung. Item Ein vnuolkomelich bewärung/ oder Syllogismus der nur vß eim schleußt“); Faber/ Buchner (1664), 340 („ein kurzer Gedanck oder Schliessung“).
64
Malvezzi 1634, 101: „La prudenza [...] lascia quietamente godere quella che è bella, perché è anche un bezoaro che corregge il veleno della bellezza“; David 1638, 195: „Vorsichtigkeit [...] lässet auch genugsamlich mit der so schön ist sich ergetzen/ jnmassen sie auch ein Bezoar der das Gifft der Schönheit benimbt.“ David 1643, 104: „Bezoarstein/ der das gift der schönheit mildert und verbessert“. — Bezoar, m., über arab. bazahr aus pers. badzahr/ padzahr, d. i. Gegengift. Steinartige Ablagerung im Magen von Wiederkäuern. Osman, 39. Vgl. Kramer dt.-it. II (1702), 949: „Bezoar-Stein/ pietra bezoartica; bezoar.“ Vgl. Fnhd. Wb. III, 2332 s. v. bezoar (1535 Belkin u. a.); Henisch, 365. Vgl. Garcia da Orta: Coloquios dos simples e drogas da India. Edicão... pelo Conde de Ficalho. 2 Bde. Lisbon 1891–95. Dieses Werk wurde im 16. und 17. Jh. in der Übersetzung von Charles de L’Escluse (Carolus Clusius) und teilweise zusammen mit Arbeiten von Christóval Acosta und Nicolás de Monardes so häufig veröffentlicht, daß die von Kalcheim benutzte Ausgabe nicht mehr festgestellt werden kann. Vgl. z. B. AROMATVM, ET SIMPLICIVM ALIQVOT MEDICAMENTORVM APVD INDOS NASCENTIVM HISTORIA conscripta, D. GARCIA AB HORTO ... Nunc verò primùm Latina facta, & in Epitomen contracta à CAROLO CLVSIO Atrebate (Antverpiae 1567: Christophorus Plantinus), Cap. XLV, S. 188–191. HAB: Alv. Mi 241.
65
Malvezzi 1634, 107f.: „Quell’orologio che non ha il gnomone e che riceve il moto o da suste, o da contrapesi, non può lungamente durare senza errare.“ David 1638, 213: „Das Uhrweck/ so kein Vnruhe hat/ vnd die Bewegung allein von Federn oder Gewicht nimbt/ kan nicht lange ohn Fehler dawren“; David 1643, 113: „*das Uhrwerk/ so keinen zeiger/ und kein gewis ausgerechnetes maas hat/ darnach die unruhe gehet/ ob es schon die bewegung/ von den federn der Räder/ oder dem gewichte nimmet/ so kan es doch lange-zeit nicht dauren/ sondern mus also fort falsch und unrecht gehen *Quell’orologio che non ha il Gnomone. Gleichnis der Regimenter/ mit einem uhrwercke.“ — Kramer dt.-it. II (1702), 386: „Unruhe/ Tempo, Bilancia, Bilanciere d’un horiuolo, men’arrosto &c. die Unruhe in einer Uhr.“ Malvezzi zielt zweifellos schon auf eine mechanische Uhr und nicht mehr auf den Höhenmesser einer Sonnenuhr (so Battaglia [Anm. 10] VI, 943 s. v. gnonome). Kalcheim benennt mit ,Unruhe’ das Hemmwerk einer alten mechanischen Uhr, welches dann David 1643 genauer beschreibt. Vgl. Zedler IL, 1946f.; DW
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XI.3, 1383 (Unruhe: „Regler der Uhr, librator horologicus“); XIII, 365 u. 502 (,Wage’ bzw. ,Waguhr’). Vgl. Frisius, 607 s. v. Gnomon: „Das richtschyt/ oder die richtschnur/ oder regel vnd zeiger eines yeden dings/ Das richtmäß/ das eysen oder stäckle an der Sonnenur/ das den schatten gibt/ vnd die stund zeigt/ Jtem ein winckelmäß.“ Maaler, 332v–333r: „Richtmäß/ Das eysen oder stäckle an der Sonnen vr/ das den schatten gibt/ vnnd die stund zeigt. Gnomon.“ Ebenso „Richtscheyt [...] Gnomon“. Vgl. auch Calepinus 1605, 622 s. v. Gnoma „Gnomon & regula, ὁ γνώμων καί κᾰνών, proverbio vocatur qvod in re qvaqpiam est præcipuum, & ad quod unum reliqua omnia tanquam ad regulam referuntur.“
66
Malvezzi 1634, 108: „Par lecito il fuggire fra pagani, quando non vi è altro modo da salvarsi, purché non si viva da pagano“; David 1638, 213: „Zu den Vnglaubigen zu fliehen/ wann kein ander Mittel sich zu retten/ scheint erlaubt zu seyn/ wann man nur nicht Heydnisch lebt“; David 1643, 113: „unter die Heyden auch zuweilen zu entfliehen [...] auch darbey nicht heydnisch leben“. — Vocabolario della Crusca 1623, 571: „PAGANO. Infedele, che adora gl’Idoli“; Kramer dt.-it. I (1724), 651 s. v. Heide: „Pagano, Gentile, Etnico, it. Zingaro, met. Ateo, Ateista“ u. 530: „Unglaubig [...] Infidele“; Covarrubias, 844 s. v. pagano: „los que no tenían el derecho de la ciudad; y deste símil llamamos paganos los que están fuera de la Yglesia Católica, que no han recebido el agua del bautismo.“ Nicot, 469: „Payen, Paganus.“ Im Lat. heißt ,paganus’ ursprünglich nicht ,Heide’ oder ,Ungläubiger’, sondern „Dorffbewohner/ paur [...] Ein stattwohner/ der nit zum krieg gebraucht wirt“ (Dasypodius, 161v). Vgl. Maaler: „Heid (der) Ethnicus, Gentilis“; Stieler, 665: „Unglaubiger/ incredulus“, jedoch 818 s. v. Heide: „paganus, ethnicus, gentilis“. S. schon Diefenbach: Glossarium, 405. Das Eindringen der von Kalcheim mißbilligten Bedeutung von ,paganus’ erklärt Faber/ Buchner (1664), 674 so: „Pagani JCtis dicuntur omnes, qui non sunt milites [...] Hinc & veteribus Christianis dicebantur gentiles; quòd Christi milites non essent“.
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Malvezzi 1634, 109 [über den Hof (la corte)]: „Ella è il vero paragone de’ valorosi.“ David 1638, 215: „es ist ein rechter Probierstein der Dapfferkeit“; David 1643, 114: „Sie [die Höfe; Hg.] seind ein rechter Probierstein tapferer und tugendhafter Leüte“. — Vgl. Vocabolario della Crusca 1623, 578 s. v. Paragone: „Pietra, su la quale, fregando l’oro, e ariento, si fa proua della sua qualità. Lat. index, lydius lapis [...] Per comparazione, egualità.“ Kramer dt.-it. II (1702), 950: „Probir-Stein/ Streich-Stein/ pietra di paragone.“ Joan Corominas/ José A. Pascual: Diccionario crítico etimológico castellano e hispánico, MERE. Bd. 3. Madrid 1985, 392f. s. v. parangón (1517 aus it. paragone); Nicot, 457 s. v. Paragon: „C’est vne chose si excellement, parfaicte, qu’elle est comme vne idée, vn sep & estelon à toutes les autres de son espece, & lesquelles on rapporte & compare à luy, pour sçauoir à quel degré de perfection elles atteignent.“ Vgl. Dasypodius, 592v „Probierstein“ u. 51v s. v. Index, m. „Eyn steyn damit man gold bewert“; Frisius, 681 „Index. Ouid. Ein goldsteyn“; Maaler, 320r „Probstein/ als die goldschmid habend. Coticula.“ Vgl. Faber/ Buchner (1664), 548 „Lydius lapis, vel Heraclius, ein Probierstein“, vgl. 268 u. 449; DW VII, 2153 (Hans Sachs; Adam Olearius). Vgl. ,Probestein’ DW VII, 2147 (1580 Fischart) u. 2186 ,Prüfstein’ (1545 Lutherbibel: Sir. 6, 22 „prüfestein“).
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Malvezzi 1634, 109 [über den Hof]: „Ella è [...] una copella chiarissima per distinguere l’oro delle vene da quello dell’alchimia.“ David1638, 215: „Es ist ein klarer Tiegel vnd Capel/ welche das BergwerckGold von dem gemachten wol vnterscheidet.“ David1643, 114: „Der Hof [...] ist die *allerreineste Capelle/ und der schärfeste Probiertiegel der Bergwercke gold/ von deme aus der kunst gemachten/ zu unterscheiden. *Capella Chiarissima, Cappellen seind kleine weisse probiertieglein/ von knochen gebrant/ darinnen gold und silber aufs hochste geleütert und probiret wird“. — It. coppella, Kupelle oder Kapelle, f., Probier-/ Schmelztiegel für feines Gold u. Silber. Vgl. Vocabolario della Crusca 1623, 222 s. v. Coppella: „Picciol vasetto fatto di rischiatura di corna, nel quale,
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messo nel fuoco, si cimenta l’ariento. [...] Lat. vasculum.“ Kramer dt.-it. II (1702) 1089: „Probir-tiegel/ copella“; DW II, 605 (,Capelle’ fehlerhaft für ,Cupelle’); V, 183 (,Kapelle’); V, 2756 (,Kupelle’); Fnhd. Wb. VIII, 599ff. [Kapel(le) für it. coppella, seit 1440]; Henisch, 584. Vgl. lat. cupa, Kufe, Bottich; s. Diefenbach: Glossarium, 163; Calepinus 1605, 360; Etymolog. Wb. (Pfeifer), 740f. s. v. Kufe.
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Malvezzi 1634, 109: „Chi ha talenti grandi corre a quella [corte; Hg.]. Là si spendono gloriosamente, e non badi alle querele di coloro, i talenti de’ quali, per grandi che fossero, non gli hanno prosperati.“ David 1638, 215f.: „Wer grosse Gaben hat/ lauffe dahin/ da wendet man sie rühmlich an/ es hindere auch dero beklagen nicht/ daß jhre gute Eigenschafften/ sie seyen so groß gewesen als sie wollen/ jhnen nicht viel auffnehmen gebracht“; David 1643, 114: „Wer von seinem ihme verliehenen pfunde/ oder seinen ihme verliehenen gaben/ viel anzuwenden hat/ der begebe sich dahin/ da werden sie rühmlich angelegt: Ja er lasse sich nicht deren klagen hindern/ die ihre gaben [...].“ Zu ,Talent’ u. ,Pfund’ s. Anm. 45. Zu ,Gabe’ als Begabung, Anlage, Talent mit Belegen seit dem 16. Jh. s. DW IV.1.1, 1115 u. Dt. Fremdwb. (1913) V, 36ff.
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Malvezzi 1634, 109: „S’ingannano gli uomini, equivocando dalla maggioranza coll’aggiunto alla assoluta.“ David 1638, 217: „die Menschen betriegen sich/ wann sie gleich-wortig vnd ohne Vnterscheid von der Hocheit/ mit beding/ vnd vollkommentlich reden wollen“; David 1643, 115: „Es betriegen sich die Leüte/ wan sie von der vortrefligkeit mit einem *zusatze *Coll’aggiunta, Cum adjuncto./ *einem zwiefachen verstand *quivocando, Æqui vocando, zu deme was ein ding schlecht hin ist/ den beweis füren:“ — Vocabolario della Crusca 1623, 310 s. v. equivocare: „E il dare à più cose vno stesso nome. Alcuni dicono in lat. laborare in æquiuocis, e gli scientifichi moderni, spezialmente.“ Harsdörffer: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641) [HAB: Lo 2621 (1)], Ov– O ij r: „alle und jede wörter in vnserer Mutter-Sprach [...] welche zweyerley verstand leiden (æquivoca) oder/ wie sie von herrn von Lohausen benambst werden, gleichwörtige Reden“. Vgl. Dasypodius, 4v „Aequiuocum, Das vil bedeutung hat“, vgl. auch 93v bzw. 336r bzw. „Homonymum, Gleychnämig.“ Henisch, 1643 „Gleichnämig/ so gleichen namen hat/ æquivocus, homonymus“. Vgl. auch Jones: Purismus, 353 (1651 M. Zeiller „Æquivocatio [...] Aal art/ weil der Ael sehr schlupfferig“); Aler I, 954 s. v. gleichlautend „æquivocus“; Frisch dt.-it. II (lat.), 4 „æquivocus, a, um, zweydeutig.“
71
Malvezzi 1634, 112: „Due sorti di professori ne’ tempi andati correvano l’istessa fortuna c’ principi. Gli artefici de’ veleni e i maestri dell’arte dell’indovinare.“ David 1638, 222: „Zweyerley art von Künstlern lieffen bey den alten zeiten mit den grossen Herren in Glücksschrancken. Die Gifftköch vnd Wahrsagers-Kunst-Meister.“ David 1643, 117: „Zweyerley art Künstler [...] Die giftköche/ und die meister in der Wahrsagerkunst.“ — It. professore zu professione, f., „Instituto [...] Per esercizio, e mestiero. Latin. ars“, Vocabolario della Crusca 1623, 637; Kramer dt.-it. I (1724), 928 s. v. Lehrer „Dottore, Professore, Maestro“. Das Wort ,Künstler’ kann im 16. und 17. Jh. noch den Gelehrten, öffentlichen Lehrer (bes. als Angehörigen der Artistenfakultät), bezeichnen, dann aber auch den Handwerker oder Besitzer gewisser Fertigkeiten, die oft auch mit Trug u. ä. verknüpft wurden, und ebenfalls schon den Künstler im erhöhten Sinne. DW V, 2706ff.
72
Malvezzi 1634, 122: „che quel sole era ormai sotto la linea dell’orizonte“; David 1638, 252: „wann die neigende Sonn schon vnter des Gesichtenders Linie gewest were.“ David 1643, 131: „daß die Sonne albereit unter der linie des *über uns schwebenden halben himmelkreises gewesen. * Dell’Orizonte, Horizon, ist der halbe himmelkreis/ den man über der erden/ mit unserm gesichte rings ümb uns her erreichet.“ — Vocabolario della Crusca 1623, 565 s. v. orizzonte: „Linea, o cerchio celeste, che diuide luno, e l’altro emisperio, termina la nostra uista.“ Kramer dt.-it. II (1702), 741: „Gesicht-ender/ - Beschrencker ò Gleicher/ Horizonte.“ Vgl. Maaler, 196v: „Gsichtender (der) Horizon“;
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s. v. Gesichtender Henisch, 1562: „finitor visus, horizon“; DW IV.1.2, 4099. Vgl. nl. gezichtseinder; Diefenbach: Glossarium, 280 s. v. Horizon: „der Halbhymel“. Verdeutscht von Philipp v. Zesen als ,Gesichtskreis’ (DW IV.1.2, 4102; Campe Fremdwb., 354), „Gesichtsendiger“, „Gesichtsgrenze“ und „Kreisendiger Dög“ (Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 75). Vgl. Harsdörffer ,Gesichtskreis’, Wolff [K II 15], 70. Dt. Fremdwb. (1913) I, 270f. (1525 Dürer „orizon“, 1636 Schwenter „Horizont“).

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