K
Zu dem Bologneser Moralisten und Tacitisten Virgilio
Malvezzi Marchese di Castel Guelfo (1595–1654) vgl. bes. Rodolfo Brändli: Virgilio
Malvezzi politico e moralista. Tesi di laurea (Università di Basilea). Basilea
1964; August Buck: Zeitkritik und Lebensregeln italienischer Moralisten in der
Epoche des Barock (Traiano Boccalini, Virgilio
Malvezzi, Torquato Acceto). In:
Italienisch-europäische Kulturbeziehungen im Zeitalter des Barock. Hg. B.
Winklehner. Tübingen 1991, 69–92; Markus Völkel: Der
Privato
politico christiano von Virgilio Malvezzi (1635) — ein „Porträt“
spanischer Politik aus italienischer Sicht. In: Spaniens Beitrag zum politischen
Denken in Europa um 1600. Hg. Reyes Mate u. F. Niewöhner. Wiesbaden 1994, 171–180
(Wolfenbütteler Forschungen, 57). Die in III Q beschriebene Widmung des
Davide perseguitato von 1634 an Kg. Philipp IV. v. Spanien
übernahm Kalcheim nicht. Zu Kalcheims Übersetzung der politischen biblischen
Biographie vgl.
Conermann: Ludwig und Christian II. von
Anhalt, 440–449
. Vgl. auch besonders 390807,
390921, 391000, 400102 u. 430505.
Zwar, adv. Vgl. 371027 K I 1.
K I
1 Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) widmet Hz.
August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) handschriftlich seine
Übersetzung des
Davide perseguitato von Virgilio Malvezzi
Marchese di Castel Guelfo.
K II In seiner Übersetzung gehorchte Wilhelm v. Kalcheim gen.
Lohausen (FG 172) als Mitglied der FG seiner Pflicht, „es so rein vnd gut Teutsch/
ohne Einmischung frembder Worte/ als möglich zu geben.“ Diese Formulierung folgt
der des
Kurtzen Berichts im
GB 1622
(u. später), s.
DA Köthen II.1, [10]. Seine Beiträge zu
einer deutschen wissenschaftlichen Terminologie stellen oft Neologismen,
Hapaxlegomena oder zum mindesten frühe, in der Schriftsprache seiner Zeit
ungebräuchliche Ableitungen oder Zusammensetzungen dar. Zum Nachweis führen wir
die Sätze oder Phrasen der Vorlage und Übersetzung an und prüfen die Seltenheit,
Neubildung oder spätere Verwendung der Wörter in einer großen Zahl von älteren und
etwas jüngeren Wörterbüchern. Die im
David 1638
versammelten Belege stellen in der FG den ersten kritischen und zahlenmäßig
erheblichen Versuch einer Verdeutschung der Wissenschaftsterminologie dar. Bei
diesen Bereicherungen der deutschen Wortgeschichte handelt sich zwangsläufig
häufig um Abstraktionen und Zusammensetzungen, die wegen der Vorherrschaft des
Lateinischen und wegen dessen Verwandschaft mit dem Italienischen der Vorlage im
Deutschen meistens nur auf dem Wege lateinischer Erklärungen verdeutlicht oder
bestimmt werden können. Kalcheim knüpfte in seinen Verdeutschungsvorschlägen
wiederholt an das nl. Wort ,reden’ oder dessen deutsche Verwandte an (vgl. Anm.
13; K IV 6, 7, 20, 22, 24, 43, 46 u. 63). Da Kalcheims Lehnprägungen bei der
Bearbeitung des Buchs durch die FG häufig und zurecht auch als ungeschickt
empfunden wurden, wurden sie im
Verfolgeten David von 1643
einer formalen Änderung unterzogen oder inhaltlich angepaßt, wobei oft auf die in
einem Wort ausgedrückten Begriffe verzichtet bzw. die definitorischen Termini
durch mehrwortige Erklärungen umgangen wurden [z. B. „meinung“ oder „ungereimete
meinung“ statt „Wiedermeinungssatz“ (paradoxum)]. S. Beil. III und K IV. F. Ludwig
und sein Mitarbeiter Diederich v. dem Werder (FG 31) haben in ihrer verbesserten
Übersetzung die Prägungen Kalcheims allerdings noch um viele eigene
Verdeutschungen und Anmerkungen vermehrt, welche wir hier jedoch aus Raumgründen
nicht gezielt wiedergeben können. Wie häufig Kalcheims, F. Ludwigs und Werders
Neuerungen übernommen wurden, können die eher sporadischen Belege aus
zeitgenössischen und jüngeren Quellen meistens nicht schlüssig erweisen. Hierzu
bedürfte es viel ausgedehnterer Studien zur Geschichte des deutschen Wortschatzes
im 17. Jahrhundert. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, daß viele der Anregungen
Kalcheims und seiner Revisoren unbemerkt blieben. Auffällig ist allerdings die
schnelle Übernahme von Verdeutschungen Kalcheims in der ersten Auflage der
Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel, die ihr Verfasser, Georg
Philipp Harsdörffer (FG 368. 1641), nach dem Erscheinen des
David 1643 (s. Beil. III Q) in der zweiten Auflage seines Werks jedoch
wieder verbesserte. Vgl. Anm. 2, K IV 70 u. ö. Zu einer weniger ambitiösen, frühen
gesellschaftlichen Anregung
terminologischer Spracharbeit in der FG vgl. schon
240109 K 5. — Zur richtigen historischen Einschätzung der Verdeutschungen
Kalcheims ist hervorzuheben, daß dessen Versuche nicht als Ausdruck eines
unbeschränkten Purismus zu werten sind. Kalcheim behält bewährte und allgemein
verständliche Lehnwörter wie Religion (s. K IV 12) und überschreitet damit im
allgemeinen nicht die auch später in der FG meistens respektierte Grenze: „[...]
ob man wol diese und derogleichen Wörter Teutsch zu geben vermöchte/ so wil es
dennoch deshalber nicht nötig seyn/ weil sie überall bekant/ meistentheils
Teutsche Art an sich genommen/ auch wol deütlich und zierlich/ ohn Beschimpfung
der Sprachen/ zugebrauchen seyn.“ Da im Deutschen „das sonderliche Recht/ so man
das herkom̄en“ nenne, gelte, solle man — wie
es die lateinische Sprache mit griechischen und anderen fremden Vokabeln gehalten
habe — „durch das
herkom̄en fest eingezweigte Wörter/
Teutschem nachruhm ohn schaden/ numehr fein behalten und sothane Teutsch
genaturalisirte Wörter mehr bekant und beliebt/ und die Sprache selbst dadurch
Wortreicher werden lassen“ (Justus Georg Schottelius [FG 397];
Schottelius, 1273, vgl. 1248). Ähnlich sollten nach [Harsdörffer]:
FRAUENZJMMER GESPRECHSPJELE II (1647), 182f. Wörter wie Autor, Proviant oder
Potentat „Nicht passiren/ sondern gelten können [...] weil sie teutsch geendet/
von jederman verstanden/ und Teutsch geschrieben werden. Jm Fall aber ich solte
teutschen
Chapperon garçettes, galouches &c. müste ich entweder diese Wort
noch zur Zeit behalten oder so beschreiben und umbschreiben/ daß mich die/ mit
welchen ich darvon rede/ verstehen.“ Die letztgenannten fremden Ausdrücke sollten
allerdings ersetzt werden. Entsprechend gilt für neue, nichtentlehnte Termini:
„Sonsten aber die termini artium und Kunstwörter/ wan in Teutscher Sprache Künste
und Wissenschaften neu sollen beschrieben werden/ künnen gar wol/ wo sie annoch
nicht verhanden/ nach den principiis compenendi & derivandi schicklich und
deutlich aufgebracht werden/ deuten auch offtmals jhr Ding genauer und
vernemlicher an/ als das Lateinische oder Grichische jmmer thun kan.“ (
Schottelius, 1248). Vgl. Harsdörffer: Poetischer Trichter
III (Nürnberg 1653), 11f. über
David 1643: „Damit nun
solche Neurung keine Jrrung und Hinderung beursachen möchte/ pfleget man die
neulich geteutschte und der Zeit von dem gemeinen Gebrauch noch unbeliebte Wörter
an den Rand Lateinisch/ Griechisch oder in seiner Sprache beyzuschreiben [...].
Wie zu sehen in dem verfolgten David/ von dem Festen (H. Obr. Lohausen) übersetzet
[...].“
1 Vgl. Beil. II: „ein solch vngereimbts“ und Beil. III:
„ungereimete meinung“, „ungereimtes ding“;
Roth Fremdwb.,
335: „Paradoxan, Ein vngemeints/ ein seltzamer spruch wider den gemeinen wohn/ Ein
wunder red/ der im ansehen falsch/ vnd doch im grundt nichts dann lauter warheit
ist. Exempel.“;
Calepinus 1605, 1021 s. v. Paradoxa
„Seltzame wunderbare ding so wider den gemeinen wohn der Leuten sind“;
Faber/ Buchner (1664), 681 s. v. Parradoxus
[sic], Paradoxa: „Wundersame Ding/ so wider gemeine
Gedancken Vrtheil und Meinung sein [...].“ — Vgl.
Dt. Fremdwb.
(1913) II, 330ff. (1524 Eberlin v. Günzburg: ,paradoxon’). — S. Anm. 16.
2 Vgl. Beil. III: „nach art der liebwürdigen weisheit“;
Diefenbach: Glossarium, 235 s. v. Philosophya „lieb der
Weißhait“;
Calepinus 1605, 1087 s. v. Philosophicus, a, um
„ Das zu den Liebhaberen der weißheit gehört“;
DW XIV.1.1,
1139 (,weisheitsliebe’, 1657 Georg Neumark [FG 605];
Stieler, 1157 „Weysheitliebe“ [Caspar (v.) Stieler, FG 813. 1668]). Vgl.
„bey den Verstand-Lehrern/ oder Weißheit-Liebhabern“ in Georg Philipp Harsdörffer:
Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641),
Bl. [E VIII]v (HAB: Lo 2621 [1]). Vgl. 84 nur „bey den Vernunftlehrern“.
,Liebhaberisch’ lt.
Campe Wb. III, 124 (noch) in niedriger
Schreibart und in der Umgangssprache brauchbar. Die Ableitungen auf –isch, welche
im vorliegenden Text neben den Suffixen –ig und –lich auffällig häufig vorkommen,
sind bei Kalcheim noch nicht, wie zunehmend im 18. Jahrhundert, abschätzig
gemeint. Vgl. Walther Henzen: Deutsche Wortbildung. Tübingen 1965
3, 200f.
3 DW VII, 452f., naturforschend. Vgl. Beil. III: „nach art
[...] der natürkündigung“;
Frisius, 1003: „Physicè, pen.
corr. Aduerbium. Cic. Natürlichen“;
Roth Fremdwb., 339:
„Physicus, Naturkündiger [...]“;
Calepinus 1605, 1089 s. v.
Physicus, Naturkündiger. — Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) II,
518f. (1548 Rivius: ,physisch’). — Vgl. Anm. 26.
4 Vgl. Beil. III:
„nach art [...] der
Sittenlehre“.
Vgl.
Dt. Fremdwb.
(1995) V, 286 (1616 Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel [FG
227]: „hat sie [Schachkunst] ihr fundament auß der ethic der sitten-politic“; 1658
Comenius „Ethica: Die Sittenlehre“;
DW X.1, 1251 1659
Butschky;
Stieler, 1128: „Sittenlehre, ethica“ bzw.
„disciplina moralis“;
Wachter, 1529).
5 Vgl. Beil. III: „nach anweisung der geschichte“ und
„Geschichtschreiber“. Vgl. auch unten in Beil. II „Geschichtschreiber“; dazu
Gueintz: Sprachlehre (1641), 6f.: „Geschicht- und
weltbeschreiber“ u. „Geschichtschreiber“ [Christian Gueintz (FG 361. 1641)];
Philipp v. Zesen (FG 521. 1648): Hooch-Deutsche Spraach-übung (Hamburg 1643),
xjjj: „Geschicht-schreiber“. Vgl. Hugo Harbrecht: Philipp von Zesen als
Sprachreiniger. Phil. Diss. Freiburg i. Br. Karlsruhe 1912, 14; ders.: Verzeichnis
der von Zesen verdeutschten Lehn- oder Fremdwörter. In: Zs. f. deutsche
Wortforschung XIV (1912), 71–81, hier 75. Vgl. schon
Frisius, 630 s. v. Historicus: „Ein gschichtschreyber“;
Roth Fremdwb., 316: „Historiographus oder Historicus, Ein Geschicht
schreiber.“;
Calepinus 1605, 652: „Historicus, Historiarum
scriptor [...] Ein Geschichtschreiber.“ S.
Stieler, 1747:
„Geschichter/ der/ historicus [...] aliàs Geschichtschreiber/ à commentariis“,
„Geschichtlich/ adj. & adv. historicus, & historicè“.
6 Götze, 227. Vgl. Weltwitz, veraltet für Weltklugheit, lt.
Campe Wb. V, 676 (1675 Basler Wörterbuch). Vgl. Beil.
III: „nach dem verschmitzeten weltlauffe“.
7 Diefenbach: Glossarium, 61;
Calepinus
1605, 145;
DW IV.2, 1689. Vgl. Beil. III: „nach der
Höfe art“.
8 Vgl. Beil. III: „nach der krieges und streitkunst“;
Dt. Fremdwb. (1913) II, 574 (1627 Joseph Furttenbach
„Polemica vnd Kriegskunst“);
DW V, 2279: ,kriegskundig’
(1716 Ludwig). — Vgl.
Stieler, 1563 „Underrichtlich/ juxta
institutum, præconceptionem, formulam“ zu „Underricht/ der & die
Underrichtung/ instructio, institutio, informatio, prælectio, præscriptio.“;
Aler, 2070; im Sinne von belehrend, aufklärend auch
DW XI.3, 1735 (1525 Schwarzenberg).
9 Vgl. Beil. III: „nach der rechtslere“;
Dasypodius, 104v: „Iuridicus, a, um, Das nach dem rechten/ oder gesatz
ist“;
Diefenbach: Glossarium, 312 s. v. Iurista: „jurist.
recht-lerer“;
Stieler, 1128: „Rechtslehre/ jurisprudentia“;
Campe Wb. IV, 778: „Rechtslehrig“.
10 Fnhd. Wb. I, 220: ,ärztisch’. Vgl. Beil. III: „nach der
artzneylehre“.
11 Zu oeconomia, Haushaltung, vgl.
Dt.
Fremdwb. (1913) II, 241 u.
DW VII, 1269 s. v.
,ökonomisch’ (Johann Balthasar Schupp). Vgl. Beil. III: „nach guter haushaltung“;
Frisius, 910: „oeconomia. Haußhalt/ Hofmeisteramt/
Schaffnerey/ Anschlag/ Haußuerwaltung“;
Maaler, 214v:
„Haußhaltung (die) Administratio rei familiaris“;
Faber/ Buchner
(1664), 653;
DW IV.2, 673
,
vgl. 672: ,haushälterisch’, ,haushältig’ u. ,haushältisch’ nur in der Bedeutung:
wirtschaftlich, sparsam. So auch
Campe Wb. II, 578:
,haushältig’ mit Hinweis auf Goethes ,haushältisch’. Vgl.
Campe
Fremdwb., 445 s. v. ,Oeconomisch’: „wirthlich, wirthschaftlich,
landwirthschaftlich, haushälterisch, sparsam“.
12 Vgl. Beil. III: „nach der baukunst“. Zu architectonice,
f., „Die kunst des bawens“,
Calepinus 1605, 114; vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) I, 49 (1636 Schwenter „Architectonische
Fragen“);
Dt. Fremdwb. (1995) II, 178f. s. v.
architektonisch (1532 Brunfels „Architectonischen Grundstucken“). Zu Baukunst,
architectura, s.
Henisch, 201 u.
Faber/
Buchner (1664), 86 (,architectonice’ u. ,architectura’);
Stieler, 1010;
Steinbach I, 909. Vgl. „baukünstig“
in
Campe Wb. I, 393 u.
Campe
Fremdwb., 124.
13 S.
redgebe, adj., gern u. leicht
redend (
DW VIII, 475f., Keisersberg, Fischart u. a.);
Diefenbach: Glossarium, 15 „rede geb“ und
künstig (
DW V, 2703, angeblich im 16. Jh. in
Wörterbüchern ausgestorbenes Adj.);
Dasypodius, 365r
vnKünstig;
Jones: Purismus, 368 (1644 Johann Heinrich
Schill „Logica Redgebkunst“);
Aler, 1594 „Red-künstig.
Rhetoricus, a, um. Et Adv. Rhetoricè.“ Vgl. 371014 K 2 („gewißkünstig“ für
mathematisch), außerdem
Dt. Fremdwb. (1913) I, 141 (1534
Fuchsberger „Dialectisch erfindung“);
Dt. Fremdwb. (1995)
III, 497ff. (1190 Herbort v. Fritzlar ,dialectica’);
Diefenbach:
Glossarium, 179 s. v. Dialecticus: „ein lerer des redlichen krieges in
kunsten“;
Dasypodius, 50v. Gegenüber dieser humanistischen
Verschiebung der Logik zur Rhetorik vgl. die in
David 1643,
6 eingefügte Unterscheidung von „verstandlehre (Dialecticè)“ und „redener lehre
(Rhetoricè)“. Vgl. Beil. III: „nach der verstandlehre“.
14 Vgl. Beil. III: „nach der Poeterey“;
Dt.
Fremdwb. (1913) II, 570 u.
DW VII, 1967ff. s. v.
,poetisch’ (seit Ende 16. Jh.). Zu ,Reim(en)dichter’ s.
Frisius, 1015 s. v. Poeta: „Ein poet/ Ein reymendichter/ oder
sprüchmacher“;
Maaler, 331v: „Reymendichter. Poeta, Vates“;
DW VIII, 668 (Rollenhagen u. Schupp); vgl. ebd.
Reimdichterei (Friedrich v. Logau, FG 510);
Henisch, 687:
„Sprüch oder Reimen dichter“;
Stieler, 297: „Reim- oder
Verschdichter, poëta, vates“. Vgl. ,dichterisch’,
DW II,
1067 („scheint erst im 18ten jahrh. aufgekommen zu sein“).
15 Zu emphasis vgl.
Dt. Fremdwb.
(1995) V, 123f. (1531 Luther „eine emphasim“). Zu ,Nachdruck’ vgl.
Stieler, 343: „Der Nachdruck der Wort/ emphasis“;
Aler, 1428;
Steinbach I, 297; Hans
Wolff: Der Purismus in der deutschen Litteratur des siebzehnten Jahrhunderts.
Phil. Diss. Straßburg. Straßburg 1888, 131 (Christian Gueintz);
DW VII, 40f. S. Anm. 19, vgl. K IV 15.
16 Vgl. Anm. 1. Kalcheim bezeichnet nicht „Paradoxum“ in
einem engeren Sinne, sondern nur die Gegenmeinung. Vgl.
Stieler, 1263: „Wieder- sive wiedrigmeinen/ [...] dissentire ab opinione
alicujus, discrepare, diversum statuere.“
17 Dasypodius, 97v: „Eige
nschafft der
sprach. Idiotismus“. Vgl. Beil. III: „ihre art/ eigenschaft/ und sonderbare
aussprache oder art zu reden“.
18 Vgl. Beil. III: „eine erfoderte umbschreibung“.
Diefenbach: Glossarium, 427: „vmb rede“;
Frisius, 983 s. v. Periphrasis: „Ein vmbred/ oder beschreybung eins dings
mit vil worten“;
Calepinus 1605, 1063: „Ein vmred/ oder
Beschreibung eines dings mit viel worten. Latinè circumlocutio, vel circuitio“;
Faber/ Buchner (1664), 707: „Vmbrede/ circumlocutio“;
Stieler, 1547: „umredung/ die/ periphrasis/
circumlocutio“;
Götze, 216 umreden, umschreiben. Vgl. schon
Lexer: Handwb. III, 1736. —
Dt.
Fremdwb. (1913) II, 463 ,Periphrase’ (1586 Fuglinus „die periphrasin oder
umbschreibunge“). — S. K IV 25.
19 Vgl. Beil. III: „etwas nachtrucklichers“, „deütlicher und
nachdrucklicher“ u. Beil. IV „nachtrückliche Bedeutung (Emphasin)“. Vgl. Friedrich
v. Logau: Sämmtliche Sinngedichte. Hg. Gustav Eitner. Hildesheim 1974, 452 (III.1,
39): „Nachdrückliche Worte“;
Stieler, 343: „Nachdrücklich/
nervosè, significanter, cohærenter, continuè,
vulgò
effectivè, cum effectu, realiter“;
Frisch dt.-lat. II
(lat.), 35 „emphaticus, a, um, nachdrücklich“;
Aler, 1429;
DW VII, 42. Vgl.
Dt. Fremdwb.
(1995) V, 124 (1656 Evang. Schulordnung „zu feiner emphatischer
pronunciation“). — Vgl. Anm. 15.
20 Vgl. Beil. III: „von neüem zu gestalten/
formare“.
Dasypodius, 76v: „Formo, as, Jch mach/ ich gestalte/ oder
gib ein gestalt“;
Maaler, 176r: „Gestalten/ Ein gestalt vnd
form geben. Figurare, Fingere, Confingere, Affingere, Formare“;
Roth Fremdwb., 313: „Formirn, Gestalten [...]“;
DW
IV.1.2, 4190;
Dt. Fremdwb. (1913) I, 224 (lat. Vorbild
formare, 13. Jh., frz. Vorbild former, 1614);
Findebuch
mhd., 440 ,formieren’.
21 Vgl. Beil. III: „erklerungen für die Sprach- und
Wortliebenden/
Philologicis“.
Diefenbach: Glossarium, 235
s. v. Filologus: „ein liebhaber der rede“;
Dasypodius,
176v: „Ein lieber der übung in künsten/ oder zierligkeyt in worten.“ Vgl. dagegen
s. v. Wortliebe, „liebe
, die nur in worten besteht“;
Stieler, 1157: „amor verbalis“;
DW
XIV.2, 1604 (1657 Dannhauer). — Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) I,
502ff. (1665 Prätorius „philologische Kurtzweil“).
22 Vgl. Beil. III: „der kurtze inhalt ieder geschichte“. Vgl.
Dasypodius, 171v s. v. Compendium: „kurtze anzeygung
eines dings.“
Faber/ Buchner (1664), 253: „Plaut. in Rud.
compendium facere narrationis, dixit kurtz
zusammenziehen/ zurücken“;
Stieler, 2645:
„Zusammenziehung/
colligatio, compendium.“ Vgl. aber
Stieler, 761:
„zusammenhängen/ conjungere, adunare, affigere, alligare“; z. B.
DW XVI, 780 (Martin Opitz [FG 200], „zusammenziehung der silben“) u.
Schottelius, 845 „zusammenhengung der Glieder/ oder
Reimglieder“. — Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) I, 368 (1529 M.
Luther „ein Enchiridion oder Compendium, einen kurzen auszug und summarien“) bzw.
a. a. O. IV, 675f. (1583 Neander „Synopsis“).
23 Ebenso in Beil. III.
DW VII, 127:
nachdenkend, besonnen.
24 Ebenso in Beil. III. Vgl.
Dt. Fremdwb.
(1913) IV, 458ff. s. v. ,Stil’, 1425. Vgl.
Dasypodius, 228 s. v. stylus: „weise zu reden“;
Roth
Fremdwb., 353 s. v. Stylus: „ein weiß oder art zu Reden vnd schreyben.“;
Faber/ Buchner (1664), 957 s. v. Stylus: „Art zu
schreiben [...] Art im schreiben“;
Gueintz: Sprachlehre
(1641), 6: „eine gemeine/ oder eine zierliche art zu schreiben“;
Schottelius, 1157: „Schreibart oder Stylus“;
Aler,
1730: „Schreibart, Scriptura, æ. f.; stylus, i, m.“;
DW IX,
1687f. (,Schreibart’) u. 1698 (,Schreibensart’). — Vgl. Anm. 25.
25 Vgl. Beil. III: „redensart und aussprache“. Vgl. Johann
Rist (FG 467. 1647): Neüer Teütscher Parnass (Lüneburg 1652), Vorbericht, Bl. [b
xj]r: „in der Latinischen Sprache eine gute Redensahrt“;
Stieler, 59: „Redart/ phrasis, ratio dicendi“;
DW
VIII, 473f. Im Sinne v. ,Mundart’ Zesen: Hooch-Deutsche Spraach-übung (1643),
lxvj: „Redens-art“, vgl. Harbrecht: Zesen als Sprachreiniger [Anm. 5], 15. Vgl.
Anm. 24.
26 Campe Fremdwb., 478 gebraucht stattdessen ‚naturlehrig’. S.
Anm. 3 u. K IV 19. Vgl. Beil. III: „von der Naturkündigung“. Vgl. zu
,Naturkündiger’:
Faber/ Buchner (1664), 129: „Bardus“; 554:
„Magus“. Als Substantiv zu
kündigen in
DW IV, 2631: Verkündigung, Ankündigung; Aufkündigung. Vgl.
Campe Wb. II, 1085.
Stieler, 951
behandelt
Kunde und
Kundung als
Synonyma;
Campe Wb. I, 987 im Sinne von Erforschung
„Erkundung“ und „Erkundigung“.
27 DW X.2.2, 2521 (1678 Brandis). Vgl. Beil. III: „von der
[...] gestirnkundigung oder gestirnkunst“. Astronomie, Gestirnkündigung, vgl.
DW IV.1.2, 4239 (1579 Sebiz, 1586 Fischart);
Fnhd. Wb. II, 269 (1465 Joh. v. Saaz); ,Gestirnkunst’ (1561
Maaler). Vgl.
Fnhd. Wb. I, 268 „astrologiam, der kunst di
ist von dem gestirne“;
Henisch, 1577: „Gestirn kunst/ (die)
oder rechnung vnd erfahrung von deß Himmels lauff/ vnd von dem gestirn/
astrologia“;
Aler, 928: „Gestirn-kunst. Astronomia“. Vgl.
Wolff (s. Anm. 15), 70 (Harsdörffer ,Sternkündigung’).
28 Auf die Vorrede folgen vor dem eigentlichen Haupttext
Psalm 2, 10, einige Verse aus dem 6. Buch der Weisheit (v. 2–5) und ein Zitat aus
Senecas 36. Brief (Bl. [)()( iij] rv). Auf den Abdruck dieses Abschnitts — es
handelt sich im Oktavdruck von 1638 um zwei Seiten — verzichtet
David 1643 (vgl. Beil. III).
K III Die Oktavausgabe von 1638 unterscheidet sich von dem
aus dem Jahre 1643 stammenden Quartdruck hinsichtlich der einzelnen Textteile
durch die in der Beilage III abgedruckten beiden Texte: Sonett und die Nachricht
an den Leser. Die 1638 angehängten „Anmerckungen“ zur Übersetzung (einschließlich
der korrigierten Druckfehler) wurde in der späteren Ausgabe in die Marginalien
aufgenommen und dort modifiziert, an manchen Stellen verkürzt, an anderen ergänzt.
Damit endet der Druck von 1643 nach dem eigentlichen Text mit dem neuen
Druckfehlerverzeichnis. Wie an der Vorrede bereits ablesbar, wurde der Text
sprachlich und auch inhaltlich überarbeitet. Deutlich werden verschiedene
Textstufen: 1) der Kalcheimsche Druck von 1638, 2) eine vollständige Abschrift der
von der FG überarbeiteten Fassung von Schreiberhand, die als Druckmanuskript
diente, 3) von F. Ludwigs Hand im Manuskript vorgenommene Korrekturen, die
sämtlich in den Druck von 1643 Eingang fanden und 4) der Druck von 1643, in dessen
Rechtschreibung vor und während des Druckvorgangs noch korrigierend eingegriffen
wurde. Die letztgenannten Verbesserungen im Druck von 1643 weisen die für die
frucht-
bringerische Spracharbeit typischen orthographischen Regulierungen aus, wie
sie schon bei dem Vergleich der handschriftlichen Überlieferung mit der
Druckfassung des
Weisen Alten (ebenso 1643) festgestellt
werden konnten (310411 K 0):
a) die regelmäßige, aber nicht durchgängige Streichung des Dehnungs-h im
Manuskript (sonderbahren > sonderbaren, gebehten > gebeten, nehmen nicht
immer > nemen). Diese Korrektur entspricht denn auch nicht der orthographischen
Entwicklung (bis heute), die das Dehnungs-h vor m (und l, n, r) erhält. Der
Drucker verdirbt „nemen“ zu „nennen“ (nicht im Druckfehlerverzeichnis). Im
Manuskript heißt es nach Streichung des Dehnungs-h: „So weren auch die
nützlichsten und besten lehren, wie man sich in der welt zu verhalten, und deren
so viel aus der Bibel zu nemen“,
b) die konsequente Getrenntschreibung von Infinitivverbindungen (zubefreyen >
zu befreyen, zureden > zu reden, zuhaben > zu haben) und
c) das Verschwinden des Buchstabens
ß in allen Wortarten
mit Ausnahme der Konjunktion
daß
(„beßerung“ u. „fleiße“ > „besserung“ resp. „fleisse“ und „wißen“ u.
„müßen“ > „wissen“ resp. „müssen“).
Die in Handschrift und Druck sehr stark differierende Groß- und Kleinschreibung
läßt noch keine Regelhaftigkeit erkennen. So wird z. B. die „Arzeneylehre“ im
Manuskript zur „artzneylehre“ im Druck, wogegen „geschichtschreiber“ im Manuskript
als „Geschichtschreiber“ im Druck wiederkehrt.
Der im Manuskript hinzugefügte Text auf dem Titelblatt
zu Cöthen
im Fürstentume Anhalt Jm Jhare 1643 und die Einfügung
weiland auf dem Titelblatt (s. Q IV) — Kalcheim starb am 30. 1. 1640 —,
stammen von F. Ludwigs H. und erlauben eine Datierung des Manuskripts auf das Jahr
1639. Auch ein Brief F. Ludwigs an F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) vom
2. 1. 1640, also vor Kalcheims Tod, bestätigt diese Datierung: „Meiner vertröstung
zufolge übersende ich E. L. den verfolgeten David, so wol den zu Rostock
gedruckten, als den alhier geschriebenen übersehenen: So liegen auch die
wechselschriften des Festen und Nehrenden darbey, die der Unverenderliche bis zu
gantzer durchlesung bey sich behalten kan.“ (LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A
10 Nr. 26
b, Bl. 43r). Dagegen kennt Martin Opitz (FG 200) die von F. Ludwig u. a.
überarbeitete Fassung noch nicht, wenn er in 380110 an F. Ludwig, der eineinhalb
Jahre vorher Christian II. gegenüber Kalcheims Stil im Falle der
Sallust-Übersetzung als „grob“ beschrieb, bemerkt: „Vom Sallust des H. Lohausens
hatt ich iederzeit eben dergleichen vrtheil gehabt: hoffe der Nährende werde sein
neweres buch, Den verfolgten David, so er außm Welschen deutsch gegeben,
ingleichen gesehen haben, darbey er gar feine auffmerckungen gefuget vndt sich in
gebung vieler schwerer wörter gar wol gebeßert hatt.“ F. Ludwig dagegen schien
anderer Meinung gewesen zu sein und nahm Enno Wilhelm v. Innhausen u. Knyphausen
(FG 238) gegenüber kein Blatt vor den Mund, als er Ende 1639 den
Verfolgeten David als in Kürze erscheinendes Werk anpries und die
Übersetzung von 1638 wie folgt beschrieb: „Monsieur, Peut estre que le David
poursuivi, traduict du Stable apparoistra en brief en meilleurs termes, qui ne
s'extoit fait voir la première fois, entendu de peu de gens“ (LHA Sa.-Anh./
Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 87b, Bl. 26r).
1 Die Bemerkung „Mit angehefter erklerung etzlicher gebraucheten neüen Wörter“ bezieht sich noch auf den älteren Druck von 1638, da die angefügten Anmerkungen dort als Anhang publiziert wurden. Die Integration dieses Anhangs in den Text (als Marginalien) ist auf der auf das Jahr 1639 datierbaren Abschrift nicht vermerkt.
2 Kalcheim hieß in der FG ,Der Feste’, frz. ,Le Stable’. S. K II 0.
3 Verleger.
Steinbach I, 1017: „editor
libri“;
Diefenbach, 105: „editor libri“ (1781
Nierenberger).
K IV Im folgenden werden zum Vergleich die italienische
Ausgabe
Malvezzi 1634 und alle inhaltlichen und
orthographischen Abweichungen in
David Hs und
David 1643 her-
angezogen. Wenn
David Hs
und
David 1643 nicht von Kalcheims Übersetzung
abweichen, ist dies nicht eigens vermerkt. Welche italienische Ausgabe Kalcheim
für seine Übersetzung benutzte, läßt sich nicht mit Gewißheit feststellen. Zum
einen gibt die Korrespondenz keine Hinweise auf Kalcheims Vorlage, zum anderen
weichen die italienischen Wörter, die in den „Nachrichtlichen Anmerckungen wegen
etlicher ins Teutsch vbersetzung/ gebrauchter Worte“ zitiert werden,
orthographisch manchmal von der Erstausgabe ab. In dieser Hinsicht gibt es auch
mit der ebenso in Frage kommenden Ausgabe von 1636 [HAB: 145. 5 Pol. (4); Lk
Sammelbd 23 (1)] keine völlige Übereinstimmung.
1 Malvezzi 1634, 29: „sacratissima Storia. Ella è un
vocabolario che ci ha lasciato lo Spirito di Dio per dichiarare gli altissimi suoi
linguaggi“;
David 1638, 1: „zu der heiligsten Schrifft/
dieselbe ist ein Wortnenner/ welchen vns der H. Geist hinterlassen/ seine
Allerhöchste Sprach zuerläutern.“
David 1643, 11:
„Wortverzeichnüs
*Vocabolario ist
nach dem Lateinischen bekant“. —
Dt. Fremdwb.(1913) VI, 261f. (1524 Luther „vocabulario“). Die Vermutung
in
DW XIV.2, 1609, die Wiedergabe von vocabularium oder
dictionarium durch ,wortnenner’ (1641 Georg Philipp Harsdörffer) sei „wohl nur
singulär“, trifft also nicht zu. Vgl. Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel I (1641) [s. K
II 2], H v r: „eines Wort-nenners (Vocabularij oder Dictionarij)“. Harsdörffer
wurde zur Aufnahme des Neologismus durch Kalcheims
David
1638 angeregt, den er zitiert in: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ...
Anderer Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1642), Bl. Dd4 r. Nachdem er wohl den
Ersatz des Terminus in F. Ludwigs und Werders Neubearbeitung des Buchs gelesen
hatte, ersetzte er Kalcheims Ausdruck in der Benennung „eines gewissen
Wort-Buches“. FRAVENZJMMER GESPRECHSPJELE ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang
Endter 1644), 144, vgl. „Wortbuch“ auch S. 19 der „Schutzschrift“. Vgl. Anm. 15 u.
Kalcheims Erklärung zur Stelle 47.5.
2 Malvezzi 1634, 29: „quello che disse il maggiore de’
teologi“;
David 1638, 3: „was der fürnembste
GOtteswortlehrer geschrieben“;
David 1643, 12: „was der
fürnemeste *Lehrer Gottes worts sagete *
Teologo der heilige Apostel Paulus 1. Cor.
10. 11.“ — Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) V, 255ff. „theologus“.
3 Malvezzi 1634, 30: „politici aforismi, lo scriverne regole
tratte da’ libri de’ profani“;
David 1638, 3f.: „Politische
Lehrsätze zu fassen vnd auß vngeistlichen Büchern vnterweisungen schreiben“;
David 1643, 12: „politische Lehren *
Aforismi Politici seynd
sonderbare Regeln aus der welthändel und geschickte erfarung zusammen gezogen“.
Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724
), 928 s.
v. Lehr-satz: „Precetto, Aforismo“;
Dt. Fremdwb. (1995) II,
53ff. (1530 Paracelsus „aphorismos Hippocratis“). Vgl. Anm. 4, Beil. II („zum
Beyspiel vnd Politischen Lehrsätzen“, „nachtheilige Politische Lehrsatze“,
„weltlichen Lehr-sätzen“) u. Beil. III („sonderbaren Weltregeln und Lehren“; „fast
nachdenckliche auch wol nachtheilige weltlehren“; „mit eingeflickten schädlichen
weltlehren“).
4 Malvezzi 1634, 30: „Il formare politici aforismi [...] è un
disdeificare Iddio e deificare le cagioni seconde“;
David
1638, 3f.: Politische Lehrsätze zu fassen [...] es sey GOtt seine Macht
nehmen/ vnd die mittel Vrsach zu Göttern machen“;
David 1643,
12: „Gott seine macht und ansehen entziehen“. Vgl. Anm. 3.
5 Malvezzi 1634, 31:
„cisterni de’
Gentili“;
David 1638, 5: „Regensärcken der Heyden“;
David 1643, 13: „Regengruben *
Cisterne: die müssen entweder
in die tieffe der erden gegraben/ und mit sonderbaren sternen und kalcke oder
kitte wolgemauret/ beworfen und verwaret/ daß sie das Regenwasser samlen und
halten können/ oder in einen felsen gehauen seyn/ und oben luft haben. Jns wasser
aber auf den grund schüttet man kleine fischlein/ die das wasser allezeit regen/
und die würmlein so sich drinnen samlen/ auffressen“. — Regensarg, m.; s.
Rheinisches Wörterbuch, bearb. Josef Müller u. a. VII (Berlin 1948–58), 247:
„gemauerte Grube, zum Auffangen des Regenwassers“.
6 Malvezzi 1634, 31: „Non sa che cosa si sia ragione di Stato
chi la perde verso Dio“;
David 1638, 8: „Der den Gehorsamb
gegen GOtt verleurt/ weiß nicht/ was Reden von
Staet seyn“;
David 1643, 14:
„Der weis nicht was eines
Statsrecht[!] (ist/ der den gehorsam gegen Gott verleüret) *Des Statsrecht
[sic]/
Ragione di stato, ist eigentlich das Recht/ wie ein
Reich/ Herschaft/ Land und Leüte zu regieren/ zu vertheidigen und zu erhalten: Zu
Latein jus status, und wird darumb allezeit des Statsrecht geschrieben gefunden
werden/ zum unterscheide des Rechts einer Stadt/ das man pfleget zu nennen der
Stadt Freyheit oder Wilkühr.“ — Schon
David Hs., 3r weist
zweimal Zusammenschreibung in „Statsrecht” auf, wo ,eines/ des Staats Recht’,
Staaträson gemeint ist. S. unten Kalcheims Anmerkung zu „religioso“ bzw.
„Religion/ 16. 22.“
Kramer dt.-it. II (1702), „Stats-recht/
n. Ragione di stato.“ Vgl. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland. 2 Bde. München 1988, I, 198: „Giovanni Boteros (1540–1617)
Della Ragion di Stato libri dieci [...] wurde alsbald in
Französisch, Lateinisch und Deutsch (1596) übertragen, ohne daß es
bezeichnenderweise im Deutschen zu einer adäquaten Formel kam.“ Das trifft auch
für Kalcheims bzw. F. Ludwigs und Werders Verdeutschungen zu, die den
antimachiavellistischen Sinn des Begriffs bei Malvezzi nicht treffen. Vgl. Johann
Michael Moscherosch (FG 436. 1645): VISIONES DE DON QUEVEDO Wunderliche vnd
Warhafftige Gesichte Philanders von Sittewalt [...] Zum andern mahl (Straßburg
1642), 460: „Die jhr ewere privat Affecten mit Amptsschuldigkeit beschönet! die
jhr allen Gewalt vnd Vnbillichkeit mit Reichs- vnd Lands-Notdurfft/ mit Raison
d’Estat gefärbet“; vgl. I, 205: „par raison d’Estat“ u. II (1643), 125: „Raison
d’Estat“; Herfried Münkler: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsräson
in der Fühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1987, 165 zit. Dietrich Reinkingk: Biblische
Policey 1653, 232f: „Die Italiener nennen sie ragion del Stato, die Frantzosen
Raison de Estat, auff teutsch kan man es nicht eigentlich geben [...]“. Vgl.
Jones, 550;
Jones: Purismus, 275;
Dt. Fremdwb.(1913) III, 144ff. ,Räson’ u. III, 160 ,ratio status’. Nach
Paul-Ludwig Weinacht: Staat. Berlin 1968, 140ff. verhinderte der einflußreiche
Arnoldus Clapmarius: De Arcanis Rerumpublicarum Libri Sex (Bremae 1605), I, cap.
4, S. 9 mit seinen Termini „arcana Imperii“, „gehäime Reichssachen“ bzw.
„Fürstliche reservaten vnd Hoheit“, die er ausdrücklich im Sinne eines
italienischen „ragione di dominio“ verstand, zunächst die Entwicklung eines der
italienischen Formel adäquaten deutschen Ausdrucks. — S. außerdem
WNT XII, 891 ,Reden van Staat’ (J. van den Vondel, C.
Huygens) u. XV, 247 (P. Cz. Hooft u. N. van Reigersberch), s. auch XII, 899 ,uit
reden(en)’, ,Met wat reden’ u. ,Om wat (of welke) reden’.
—
Vgl. unten Anm. 12. Zu ,redlich’ vgl.
Stieler, 1538 s.
v. Red: „Rede est antiqvissima vox Teutonica, olim Rec/ & Reht scripta, atq
ue non solùm orationem, sed & rationem notavit. Unde
Belgæ hodieq
ue dicunt: Uith wat vor Rede? ex qvâ ratione?
Qvare etiam redlich dicitur: integer, honestus, æqvus; non, qvod sermone &
verbis talis judicetur, sed, qvod secundum rectam rationem agat & vivat.“
Übereinstimmend
Wachter, 1258: „composita redlich &
redhaft rationalis.“ Zu ahd. reda, mhd. rede, Rechenschaft, Vernunft, Sprache,
Gespräch, Erzählung, mnd. mnl., nl. rede, Verstand, Bewußtsein, Rechenschaft,
Argument, Rede s.
Etymolog. Wb. (Pfeifer), 1097. — Zu
,redlich’ im Sinne von rationalis, ragionevolo usw. vgl. auch die Stelle zu Anm.
20. Zu „EbenRedenheit“ s. Anm. 22 u. 43.
7 Obgleich Kalcheim sonst neben dem paraphrasierten
italienischen Text Malvezzis nur die Lutherbibel heranzieht, entfaltet er hier
seine exegetische Gelehrsamkeit. Er muß alle konsultierten Bibeln nicht selbst
besessen, aber doch (in Rostock) Zugang zu Exemplaren der von ihm erwähnten
Übersetzungen gehabt haben. Vgl. Ex 18, 21
אַ
נְ
שִֵ
י
ֿ
חַ
יִ
ל;
BIBLIA HEBRAICA. EORVNDEM LATINA INTERPRETATIO XANTIS PAGNINI LVCENSIS, Recenter
BENEDICTI ARIÆ MONTANI Hisp. & quorundam aliorum collato studio, ad Hebraicam
dictionem diligentissimè expensa. ... (Antverpiae 1584: Christophorus Plantinus),
62f. (HAB: Bibel-S. 2° 4), interlineare Übersetzung: „leges & ,statuta
.facient quod opus & ,
ea in ibunt || viam ,virtutis†
[†fortes,] viros populo omni ex
videbis† [†considera] tu Et
:auaritiam odientes,
veritatis† [†veridicos,] viros ,Deum
timentes principes,
centenorum principes eos super pones
& populum iudicabunt
[
am Rande:] tribunos, centuriones,
quinquagenarios, decanos“. Vgl. Deut 1, 13 (S. 151): „Quomodo ,sapientes viros
vobis† [†ex] Date
?vestram contentionem || & eos ponam
& vestris tribubus† [†è] notos ,intelligentes & Bonum :dixistis atque
,mihi respondistis Et
.vestra capita in† [†principes
vestros]
.faciendum ad* es locutus quod
verbum† [†vt faceres] ,sapientos viros ,vestrarum
virgarum capita cepi || [tuli principes tribuum] Et
principes† [†tribunos & centuriones, &
quinquagenarios, & decuriones;] ;vos super
capita†
[†principes] eos
dedi|[†vt faceres] &; notos & ,
quinquaginta principes & ,centenorum principes &
,millium .vestris tribubus* [*de] ,præfectos &
,decem principes & :dicendo ,illo tempore in vestris iudicibus
præcepi Et inter iustitiam iudicabitis†[†iudicate] [...].“ S.
Biblia (Luther 1545), 2 Mo 18, 21: „SJhe dich aber vmb vnter allem Volck
nach redlichen Leuten/ die Gott fürchten/ warhafftig/ vnd dem Geitz feind sind“; 5
Mo 1, 13: „Schaffet her/ weise/ verstendige vnd erfarene Leutte/ vnter ewren
Stemmen/ die wil ich vber euch zu Heubter setzen.“ Die gantze Bibel/ das ist alle
bücher allts vnnd neüws Testaments/ den vrsprünglichen spraachen nach/ auffs aller
treüwlichest verteütschet. ... (Zürich 1545: Christoffel Froschauer), 2 Mo 18, 21:
„Sich dich aber vmb vnder allem volck nach redlichen leüten/ die Gottsförchtig/
warhafftig/ vñ dem geyt feynd sygind [...]“; 5 Mo 1, 13: „Schaffend här weise/
verstendige leüt/ die vnder euweren stämmen bekannt sind/ die wil ich euch zu
Höupteren setzen.“
Biblia (Piscator), AT I (1617), 2 Mo 18,
21: „Du aber sihe dich vmb vnder dem gantzen volck/ nach dapferen/ gotsförchtigen/
waarhaftigen/ geitzhässigen männern“; 5 Mo 1, 13: „Schaffet her weise vñ
verständige/ vnd erfahrne männer von eweren stämmen: die wil ich über euch zu
häuptern setzen“. Die Erklärung dazu S. 460 Ziffer 13: „Erfahrne Oder/ bekante/
bewährte Häuptern] Obersten/ fürsten (c)]“. Kalcheim kennt auch die hervorragend
illustrierte niederdeutsche Bibel: De Biblie mit vlitigher achtinghe: recht na
deme latine in dudesck auerghesettet Mit vorluchtinghe unde glose: des
hochghelerden Postillatoers Nicolai de lyra Unde anderer velen hillighen doctoren
(Steffen Andres: Lübeck 19. 11. 1494), HAB: Bibel-Sammlung 2° 105. Vgl. 2 Mo 18,
21: „Menne mächtig/ (Lira Gloß setzt hinzu/ in Wißheit)“; 5 Mo 1, 13:
„Hyrūme gheuet vth iuw wyse menne/ voruarē in
godliken schriften/ vnte wetende in tytliken werken der ere vorkeringhe benömet
sy“. Vgl. Vulg. Ex 18, 21: „viros potentes, et timentes Deum, in quibus sit
veritas, et qui oderint avaritiam“; das unten zit. „Viros Sapientes“ des
Hieronymus entstammt Vulg. Deut 1, 33: „Date ex vobis viros Sapientes et gnaros,
prudentes, quorum conversatio sit probata in tribubus, vel cognita per tribus.“
Vgl. TESTAMENTI VETERIS BIBLIA SACRA, ... LATINI RECENS EX HEBRAEO facti,
brevibúsq[ue] Scholiis illustrati, ab Immanuele Tremellio & Francisco Junio
(Francofurti ad Moenum: Andreas Wechelis 1576–1579), Ex 18, 21 (S. 145f.): «Tu
aute
m provideto ex toto hoc populo de viris “strenuis,
time
ntibus Dei, virisk “veracibus, osoribus turpis
lucri, quos co
nstituas super eos“», dazu Marginalnoten: «i
Heb. roboris, ut ver. 25 k
Heb.
veritatis; Annotationes:
Strenuis] fortibus &
constantia animi præditis, qui solo Dei timore non variis affectibus ferantur;
Veracibus] rationem tantùm veritatis habentibus, ideóq
ue a turpi lucro abhorrentibus, infrà 23, 8. Deut 16.19.»;
vgl. Deut 1, 13, (S. 326): „Exhibete homines sapientes & prudentes &
cognitos per tribus vestras“. S. noch LA BIBLIA. Que es, LOS SACROS LIBROS DEL
VIEIO Y NVEVO TESTAMENTO. Segunda Edicion. Revista y conferida con los textos
Hebreos y Griegos con diversas translaciones. Por CYPRIANO de VALERA (Amsterdam:
Lorenço Iacobi 1602), HAB: Bibel-S. 4° 179a; Ex 18, 21: „Y tu
h considera de todo el pueblo varones de virtud, temerosos de Dios,
varones de verdad, que aborrezcan el avaricia“, dazu Marginalnote: „h Heb. verás.
pinta quales devan ser los juezes.“; 1 Deut 1, 13: „Dad
de vosotros varones sabios y entendidos, y expertos, de vuestros tribus, paraque
yo los ponga por vuestras cabeças.“ Ebenso weisen die
frz. Zitate auf eine einzige Bibel (oder auf eine ihrer Neuauflagen) hin: LA BIBLE
QVI EST TOVTE LA SAINCTE Escriture du Vieil & du Nouueau Testament: ... Le
tout reuue & conferé sur les textes Hebrieux & Grecs par les Pasteurs
& Professeurs de l’Eglise de Geneue (Geneve 1586),
HAB: Bibel-S. 2° 125. Ex
18, 21: „Et que tu te pouruoyes d’entre tout le peuple, od’hommes vertueux,
craignans Dieu, d’hommes veritables, haissans le gain deshonneste:“ [Marginalnote:
„o Obseruez ici les marques d’vn bon iuge:“]; Deut 1, 13: „Prenez-vous de vos
tribus des gens sages & entendus, &
kcognus, &
kie les vous ordonnerai
pour chefs.“ [(Marginalnote) „k ou,
experimentés: &
ainsi au verset 15. voyez Exode 18, 21.“]
8 Malvezzi 1634, 33: „Colui che spoglia i soggetti, non è
principe, è tiranno“;
David 1638, 14: „Wer seyne
Vnderthanen beraubet/ ist kein Fürst mehr/ sondern ein Tyrann“;
David 1643, 17: „kein Fürst nicht/ sondern ein Tyran“. — Eine Quelle
Kalcheims bildet vielleicht
Ein Teutscher Dictionarius
(Augspurg 1571
1), das Fremdwörterbuch des Neuöttinger Dramatikers Simon Roth
(Vorrede 1567). D. i.
Roth Fremdwb., 357: „Tyrann, War vor
zeyten ein ehrlicher nam/ heyst ein König/ Fürst/ Regent/ zu vnsern zeyten wirdt
ein wütterich/ vnbillicher vnnd beschwerlicher herscher damit verstanden/ Ein
vnbarmhertziger/ wilder/ rocher mensch.“ Das Fremdwort ist alt, vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) V, 565ff. (pejorativ 1350 Heinrich v.
Mügeln). Vgl. die stärker abweichende Formulierung in
Frisius, 1340 s. v. Tyrannus: „Ein künig od’ gwaltiger herr bey den
alten/ aber yetz zu diser zeyt ein wüterich/ tyrañ/ halßherr“;
Dasypodius, 246v: „Ein Künig. [...] Ein wüterich“;
Calepinus 1605, 1505: „Vor zeiten hieß es ein König/ jetzt ein Wüterich/
tyrañ“;
Frisch dt.-lat. II (lat.), 110 s. v. ,tyrannus’:
„Wüterich, Tyrann, Gewaltsamer, eingedrungener Herr.“ Dieselbe Unterscheidung
trifft noch
Campe Fremdwb., 597, wo die pejorative
Bedeutung s. v. Tyrann lautet: „Ein Wüthrig oder Herrschwüthrig. Statt Wüthrig hat
Klopstock auch Wüther gesagt.“ Zu den seit dem 14. Jh. ggf. gleichbedeutenden
Wörtern ,Tyrann’ und
,Wüterich’ s.
DW XI.1.2, 1967–1974 bzw. XIV.2, 2522–2530.
9 Zu den Stellen 14.7 bzw. 15.1:
Malvezzi
1634, 33: „Gli spiriti che continuamente esalano da’ nostri corpi“;
David 1638, 14: „der Athem oder dünst/ so vnauffhörlich von
vnsern Leibern außgehen“;
David 1643, 17: „Die *Geister und
dünste *
Gli Spiriti. Spiritus“. Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) IV, 379 ,Spiritus’ (1552 Mithobius).
— Zur Stelle 15.1
Malvezzi 1634, 33: „coloro che gli
[spiriti; Hg.] credettero animati bisogna che credessero anche i vestimenti, se
non animati, almeno ripieni dell’anima dell’uomo“;
David
1638, 14f.: „Die so gläubten/ daß solche dünste eine Seele hätten/ müssen
nothwendig auch gläuben/ daß die Kleider/ wo [15] nicht gäntzlich beseelet/ doch
auffs wenigst mit des Menschen Seel erfüllet seyn“;
David 1643,
17: „die/ so da glaubeten/ es hätten dergleichen dünste eine seele/ hetten
auch glauben müssen/ daß wan die kleider keine seele hetten/ sie doch zum
wenigsten mit der seele des menschen erfüllet weren“. —
Kramer dt.-it. II (1702), 732: „Beseelen/ [Verb. assai
poet.] Animare, Dare, Infondere l’anima.“
DW I, 1609 (G. R.
Weckherlin);
Fnhd. Wb. III, 1814, jn. beseelen, erfassen,
durchdringen. Vgl. Georg Rudolf Weckherlins Gedichte. Hg. Hermann Fischer. 3 Bde.
Stuttgart 1894–1907, I, 307: „Weil haß und neyd den feind besehlet“ (1641), vgl.
II, 111;
Stieler, 1992: „Beseelen/ animare, animam
infundere; & metaph. afflictum excitare, consolationem adhibere, &
afferre. [...] Ein beseeltes Gemüt/ vegetum ingenium, pectus vividum“;
Frisch dt.-lat. II, (lat.) 7: „animo, are, beselen,
beleben.“
Dt. Fremdwb. (1995) I, 556: 1598 „animiren, vnd
bewegen“; 1612 Aegidius Albertinus „animiren und lebendig machen“.
10 Malvezzi 1634, 34: „Il mantello nel cavallo mostra dove
inclina il suo amore e nell’uomo il suo amore“;
David 1638,
15: „Die Haar des Rosses weisen wohin seine Neigung sich lencke/ das Kleid am
Menschen/ was er beliebt“;
David 1643, 18: „Die haare eines
Rosses weisen aus wohin sein sinn sich neiget/ und das kleid eines menschen/ worzu
er beliebung träget.“ — Vgl. das noch bekannte Sprichwort: ,se il cavallo è buono
e bello, non guardar razza o mantello’. Salvatore Battaglia: Grande dizionario
della lingua italiana. 21 Bde. u. Suppl. Torino 1961–2004, IX, 742.
11 Malvezzi 1634, 34: „Cagione di tanta empietà è quella
essecranda proposizione, [...] che sia l’istesso l’esser buono e ’l parer
buono“;
David 1638, 16: „Die veranlassung
vnnd Vrsach zu
solcher grossen Gottlosigkeit/ ist die verfluchte/ [...] vorstellung: Daß es eben
so viel sey/ from seyn/ oder from scheinen“;
David 1643,
18:
„Die ursache dieser gotlosigkeit und verfluchten
meinung/ [...] ist/ daß man glaubet es sey einerley/ from in der that zu seyn/ und
from von aussen scheinen.“ Vgl. Kalcheim in 371014 „(Mathematische) Vorstellungen
(
propositiones)“. —
Kramer dt.-it. II (1702
), 962 s. v. Vorstellung: „propositione, proposta,
presentatione, producimento“;
Frisius, 1079 s. v.
propositio: „Ein fürgenomner spruch zebewären/ erleüteren/ erdauren/ außlegen oder
in einem gespräch zeentscheiden/ Ein fürhaltung wor von einer wölle disputieren
oder reden“; vgl.
Maaler, 150v: „Fürstellen/ Gegenwirtig
stellen. Sistere, Proponere, Præsentare“;
Roth Fremdwb.,
342;
Stieler, 2145 s. v. Vorstellung: „demonstratio,
editio, significatio, ostentus, vulgò installatio“; Harbrecht: Verzeichnis [K II
5], 79 (Zesen: Proposition „Fürstellung“);
DW XII.2, 1688.
Vgl.
Fnhd. Wb. IV, 1192 s. v. proposition: „Vorschlag,
Darlegung, Antrag, Anerbieten“;
Dt. Fremdwb. (1913) II,
695.
12 Malvezzi 1634, 34: „A pena lascia d’esser religioso, che
doventa politico, come se la ragione di Stato, che non è bastevole a difendirci da
Iddio.“
David 1638, 16f.: „Er verlest kaum so geschwinde
die Religion als er bald anfängt ein weltweiser zu werden Gleichsamb als wann
Redē von Stat/ welche vor Menschen sich nicht verantworten
lassen/ für GOtt zu verantworten seyn.“
David 1643, 18: „Er
hat kaum die andacht und den wahren Gottesdienst verlassen/ so wird er zum
weltkinde/ gleichsam were des Stats recht/ das doch nicht gnugsam ist/ uns für den
menschen zuvertheidigen/ starck genug/ uns gegen Gott zu schützen. [Marginalnote:]
Das also genante Statsrecht ist nicht genug uns gegen Gott zu schützen.“ — Vgl.
schon vorher
Malvezzi 1634, 34 religione;
David1638, 16: „waren GOttesdienst“;
David
1643, 18: „wahrem Gottesdienste *
Relligione, ist bey dem wahren
Gottesdienste der rechte glaube“. — Zur Übersetzung von ,la ragione di Stato’ vgl.
David 1638, 8 u. 14. — Schon mhd. gotesdienst,
Lexer: Handwb. I, 1055;
Findebuch
mhd., 149.
Schottelius, 284f. zählt neben Religion
auch die von Kalcheim kommentierten Wörter Fantasey, Melodey und Prophet zu
denjenigen Appellativen, die keiner Übersetzung bedürfen. Vgl. K II 0.
13 Malvezzi 1634, 37: „in Paradiso il fiume dell’oblivione“;
David 1638, 23: „in dem Paradiß der Fluß der
Vergessenheit der Sünden“;
David 1643, 21: „im Paradise der
flus/ unserer begangenen Sünden vergessenheit“.
14 Malvezzi 1634, 37: „Le lagrime che si spargono, le orazioni
che si dicono, e le preghiere che si mandano a Dio per altri, sodisfanno anche per
se stessi egualmente, e forse maggiormente che se fossero fatte per se istessi.
Elle hanno piú di merito, almeno in riguardo d’azione morale.“
Malvezzi 1636, 23 „attione morale“;
David 1638, 23:
„Die Thränen/ so in den Gebeten/ die gesprochen/ vnnd in den Vorbieten/ so vor
andere geschehen/ zu Gott geschicket/ vergossen werden/ kommen auch deme/ der sie
vergeust/ ja vielmehr als wanns für jhm selbsten geschehen were zu guten. Sie
haben auch mehrern Nachtruck/ wañs Christlicher Liebe nach betrachtet wird.“
David 1643, 21: „Christliche Sittenthat *
Azione morale, das
wort Christlich ist darumb hin zu gesetzet/ weil eines Christen schuldigkeit ist/
für seinen nechsten zu bitten/ zu deme daß es sich geziemet/ und einem menschen
wol anstehet“. — Kalcheim deutet als reformierter Christ „aus gewissen bedencken”
gegen das bei dem Katholiken Malvezzi anklingende rechtfertigende Verdienst der
„azione morale“ diese allein in einen Ausfluß christlicher Liebe um. F. Ludwig
folgt ihm hierin.
15 Malvezzi 1634, 37: „Anzi dirò meglio, se dirò: perché molti
favoriti si danno ad intendere questa empietà ne’ principi?“
David 1638, 24: „der grossen Herren beliebte-Schoßkinder“;
David 1643, 21f.:
„*die von den
Fürsten beliebte *
Gli favoriti de’ Principi, können auch an sonderlichen orten/
hoch- und wolbegnadigte/ od
er begünstigte heissen“. — Vgl.
Kramer dt.-it. II (1702
), 643:
„Schos-kindlein/ n. ... Mignone“. Part. Perf. Pass. favorito zu ital. favorire,
begünstigen;
Dt. Fremdwb. (1995) V, 755ff. (1533 Scheurl).
Vgl. Albert Gombert: Beiträge zur Altersbestimmung neuhochdeutscher Wort-
formen.
In: Progr. Kgl. Gymn. zu Gross-Strehlitz. Gross-Strehlitz 1897, 1–30, hier 27
(1598 Albertinus u. ö.); Dagmar Carmesin: Das Fremdwort bei Johann Beer. München
1992, 164: ‚favori(te)’ seit 1601;
Frisch dt.-lat. I, 383:
„Günstling, Liebling, gratia singulari florens vel valens apud aliquem [...]“;
Campe Fremdwb., 315 Günstling; Klara Hechtenberg:
Fremdwörterbuch des 17. Jahrhunderts. Berlin 1904, 61 s. v. Favoriten
(Grimmelshausen u. a.). Vgl.
Jones, 435 (,Mignon’) u.
Jones: Purismus, 354 (1651 M. Zeiller „Mignon, Schoßkind/
Gnadensohn“). — Mit Enargia/Deutlichkeit ist hier die ausmalende rhetorische
Leistung der Evidenz gemeint, nicht deren oft davon wenig unterschiedene
verlebendigende Vorstellung (Energia).
Faber/ Buchner
(1664), 1096 zitiert s. v. Evidentia Quint. 6, 2, 32 „ἐνάργεια
quæ a Cicerone illustratio et evidentia nominatur, quæ non tam dicere
videtur, quam ostendere“; vgl. ebd. „Evidenter, perspicuè, klar, deutlich/“ u. 338
s. v. Enargia: „Commemoratur inter figuras, sententiarum, qvæ amplificandi,
ornandi vel delectandi gratia rem, ceu coloribus expressam, in tabula spectandam
proponit, ut depicta, non narrata, spectata, non lecta videtur [...] eine
augenscheinliche Beschreibung oder Fürbildung.“ Vgl. s. v. Evidentia, Evidenz in
HWRh III, 33–47. — Zu ,Übertragung’ für Metaphora nach
Kalcheims Beispiel vgl. Anm. 37, außerdem Georg Philipp Harsdörffer: Frawen-Zimmer
Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641), Bl. [E VIII]v
[HAB: Lo 2621 (1)], C iv v: „Vbertragung (metaphora).“ Vgl. aber FRAVENZJMMER
GESPRECHSPJELE I (1644), 31: „Vernennung* Metaphora.“ Vgl. Textstelle zu Anm. 37
u. 50,
Campe Wb. V, 53 u. Andreas Herz: Der Hase des
Zeuxis: Von Sandrart über Birken zu Harsdörffer. In: Daphnis 25 (1996), 387–422,
hier 405ff.
16 Der nächste Satz folgt auf den in Anm. 15 zitierten, setzt
also ,favorito’ und ,privato’ gleich. Vgl. Emiglio Broglio: Novo vocabolario della
lingua italiana secondo l’uso di Firenze. Vol. 3. Firenze 1897, 496: „Privato.
Favorito d’un principo.“
Malvezzi 1634, 37: „Si ricordino
che l’offizio del privato è offizio di angelo: Deve portare le suppliche de’
sudditi al signore, e riportar le grazie del signore a’ sudditi.“
David 1638, 24: „der geheimden Diener Ampt“;
David 1643, 22: „der *vertraueten diener Ambt
*De privati, die einen Fürsten geheim und vertrauet seynd“.
— Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724
), 656:
„ein geheimer [geheimder] Raht[geber] eines Fürsten &. un consigliere segreto
(privato) d’un prencipe“; vgl. auch lat. privatus „heymelich, heymelic“ lt.
Diefenbach: Glossarium, 460. Span. consejero privado
Geheimrat; privado Günstling, Favorit. Vgl. Diccionario de la lengua castellana
... compuesto par la Real Academia Española. T. 5. Madrid 1737, 386: „sugeto que
tiene el valimiento, favor y familiaridad de algun Principe ò Superior“. — Zu
Umschrift: Wohl nicht in der seltenen Bedeutung Beschreibung oder Schilderung wie
in
DW XI.2, 1117 (um 1466 Mentel-Bibel) oder als
„Circumscription“ in
Roth Fremdwb., 295 („vmschreibung/
außlegung“), sondern Umschreibung mit dem aus dem Rechtswesen stammenden
Beigeschmack der Irreführung. S.
Dasypodius, 212v:
„Circumscribo, Jch vmschreibe. metaph. Jch betrüg.“
Frisius, 226: „Circunscriptio. Paul. Betrug/ beschissz.“
17 Malvezzi 1634, 38: „siami conceduta questa digressione“;
David 1638, 26: „man halte mir diesen Außtritt zu gut“;
David 1643, 23: „man halte mir doch diesen austrit zu
gute“. — Gemeint ist die rhetorische Figur Abschweifung, Exkurs,
παρέκβασις, lat. digressio, egressio, excursus, aberratio,
usw. Vgl.
HWRh III, 126–135;
Dt.
Fremdwb. (1913) I, 188. Zu Austritt vgl.
Faber/
Buchner (1664), 432: „Digredi [...] von einem abtreten [...] Oratio eò,
unde digressa est, rivertitur, Cicero.“ Vgl.
Kramer dt.-it.
II (1702), 707: „Ausschweiff/ m. Digressione &c. [...] V. Vmschweiff“, „grosse
Umschweiffe machen ò brauchen [im reden oder schreiben] fare, usare ambaggi,
raggiri, girandole &c.“ Zu Digressio bzw. Ausschweifung, Abtretung u. a. im
Sinne von Abschweifung s.
Frisius, 418: „Digressio à
proposito. Cic. Abschweiffung vom fürnemmen/ oder abträttung/ absteung/ da man
weytlöuffiger hinauß fart mit worten von dem fürgenommen handel.“
Maaler, 40v: „Sich selbs im reden Außfüren/ Ab der matery
kommen.
Deerrare ab eo quod cœpimus exponere.“ Ders., 46r: „Außschweyffen vnd von
der ban seiner red kommen. Deerrare ab eo quod cœpimus exponere.“ Ders., 46r:
„Außschweyffung/ da einer vo
n seinem fürnemmen abtritt.
Excursus, Euagatio, Digressio.“ Ders., 6r: „Abschweiffung von fürnem
men/ oder abtrettung. Digressio à proposito.“ (Zit. in
Fnhd. Wb. I, 365). Ders., 7v: „Abtrettung vom fürnemmen.
Digressio à proposito.“
Roth Fremdwb., 305: „Digression, Abweichung/ außschweiff von eim
fürgenom
men ding/ Abschyd.“
Aler
I, 234: „Außschweiff in der rede gebrauchen“ zu „Außschweiff/ ausschweifung.
Excursio, procursio, digressio, evagatio [...]“;
Frisch
dt.-lat. II, 245 „ausschweif [...] im Reden“;
DW I,
966 (Belege des 18. Jh.s);
Campe Wb. I, 334 s. v.
Ausschweif u. Ausschweifung. Vgl. Deutsche Wortgeschichte. Hg. Friedrich Maurer u.
Friedrich Stroh. 2., neubearb. Aufl. 3 Bde. Berlin 1959–1960, II, 301:
,Abschweifung’ ist eine Schöpfung der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vgl. die
unterschiedliche Bedeutung von Abschweif u. Abschweifung in
Campe Wb. I, 54, außerdem
Campe Fremdwb., 263:
„Digression, die Abschweifung, der Abstecher“.
18 Malvezzi 1634, 39: „Il saper comandar bene in guerra è
parte dell’ imaginativa. L’imaginativa per operar bene, ricerca gran caldo [...]“;
David 1638, 27: „ein stück vernünfftiger Einbildung;
solche Einbildung“;
David 1643, 23: „(ein stück)
vernünftiger einbildung *
Dell’ imaginativa, hiervon kan man weitläuftiger bey den
jenigen lesen/ die von der naturkündigung (
de Phisica) geschrieben.“ — Vgl.
Vocabolario della Crusca1623, 406 s. v. Immaginativa: „Potenzia dell’anima [...]
Lat. phantasia.“ Vgl. Anm. 52.
Kramer dt.-it. I (1702), 110
nennt s. v. Einbildung nur „Imaginatione, Idea, Fantasia, Impressione, it.
Opinione, Persuasione, it. Boria, Arroganza &c.“ und gebraucht das it. Wort
nur adjektivisch, s. v. Einbildungskrafft „Facoltà imaginativa; Imaginatione.“
Kalcheim hätte Doppeldeutigkeit auch nicht vermieden, wenn er z. B. Einbildungen
(Anm. 52), Fürbildung (
Faber/ Buchner [1664], 338 s. v.
enargia „eine augenscheinliche Beschreibung oder Fürbildung“;
Henisch, 378 „Fürbildung/ einbildung, imaginatio“) oder Vorbildung(en)
(
Dasypodius, 175v Phantasiæ, Vorbildunge des gemüts/
einbildunge“ u. 296v „vorBildung des gemüts phantasiæ“;
Kramer, a. a. O., 111 „Vor-bildung/ s. Prefiguratione, Rappresentatione,
it. Imaginatione“) gesagt hätte. Christian Wolffs Begriff ,Einbildungskraft’ stand
Kalcheim oder (z. B.) Stieler noch nicht zur Verfügung. Vgl. aber
Aler I, 582 „Einbildungs-krafft. Phantasía, æ; vis, vel
potentia imaginativa, æ, f.“
19 Malvezzi 1634, 39 [über die Vorsehung Gottes]: „Se egli
ponesse sempre mano a’ miracoli, si crederebbe che avesse avuta poca providenza
nella creazione delle cause seconde.“
David 1638, 28: „Wann
seine Allmacht jederzeit zu den Wunderwercken greiffen thäte/ würde man (wie wol
abscheulich) sich einbilden daß bey der Schöpfung wenig Absehens auff die
Mittelursachen genommen were.“
David 1643, 24: „Wan er
allezeit hand an die Wunderwercke legete/ so möchte man glauben/ er hette eine
schlechte versehung in erschaffung der mittelursachen gehabt [...].“ Vgl. lat.
causae secundae, die in der scholastischen Philosophie gegenüber Gott, der causa
prima [vgl. unten Kalcheim zur Stelle 72.2 „Haupt-Vrsach“], meistens die Geschöpfe
bezeichnen. Vgl.
Campe Wb. III, 323 s. v. Mittelursache:
„eine Ursache, welche nur mittelbar, als einer höhern Ursache untergeordnet
wirkt.“
Kramer dt.-it. II (1702), 1221: „die
Neben-Ursachen/ le cause seconde“; Battaglia [Anm. 10] II, 895. — Zu
,naturkündisch’ vgl. K II 26.
20 Malvezzi 1634, 40: „Sono bene i principi sciolti da quegli
ordini e da quelle leggi che hanno costituite, ma non da quella razionalità che
gli ha costituiti.“
David 1638, 29: „Die Fürsten sind zwar
von den Ordnung- vnd Gesetzen/ die sie selbst vorgestellet/ entbunden/ doch nicht
von der Vernunfftigen Redligkeit/ welche dieselbe geordnet?“
David 1643, 24: „der rechten Vernunft *Die Fürsten
seynd nie von der rechten vernunft frey und los/ dero sie zu folgen haben. —
Redlichkeit, mhd. redelîcheit, Vermögen zu reden, Beredsamkeit, Vernunft,
Vernünftigkeit; Gesetzmäßigkeit; sittliche Eigenschaft.
Lexer:
Handwb. II, 367;
DW VIII, 482–484. Vgl. Anm. 6, 7,
22 u. 24.
21 Zu den Stellen 34. 20 u. 21. —
Malvezzi 1634, 42: „Eccovi additata la vanità della
metoscopia e della
fisonomia.“
David 1638, 34f.: „Sehet hier ist die Eitelkeit der
Stirn-Betrachtung/ vnd Angesichts Deuteley mit Fingern gezeigt.“
David 1643, 26: „Hier wird der *stirn- und *gesichtskündigung eitelkeit angedeütet. *
Fisionomia, Phisionomia. Der
stirn- und gesichtskündigung eitelkeit.“ — Vgl. Anm. 22 u. 43. — It. metoscopia,
lat. metoposcopia bezeichnet eine Form der Erkenntnis oder Wahrsagung durch
Gesichtsbeschauung oder „Gesichtsdeutung“ (
Campe Wb. II,
342), vgl. Plin. nat. 35, 88 u. Suet. Tit. 2. Physiognomik erstreckte sich
ursprünglich auch auf den menschlichen Körper, die Kleidung und die Lebensweise.
Malvezzi praktizierte die Kunst selbst und entdeckte 1640 als spanischer Gesandter
in London in der Physiognomie Kg. Karls I. v. England Anzeichen von dessen
bevorstehendem gewaltsamen Tod. S. Denise Aricò, in
Malvezzi
1634, 13 Anm. 16. — Vgl.
Stieler, 309
„Gesichtsdeuter/ metoposcopus“ bzw. 951 „Gesichtkunde/ Physiognomia“ (im Register
„Gesichtskunde“). Vgl.
DW IV.1.2, 4101f. s. v.
Gesichtsdeutung, -forscher (-forschung), - kunde, -lehre. Vgl.
Diefenbach: Glossarium, 360 s. v. metoscopus (statt metoposcopus):
„warsager [...]. wicheler“ (zu Wieherer, equus hinniens,
Stieler, 2534);
Frisius, 819 s. v. Metoposcopus:
„Ein waarsager auß angeschauwter stirnen oder angesicht deß menschens.“
Dasypodius, 132v: „Metoposcopos, penul. cor. Der weyssager
auß anschauwng des angesichts des menschens.“ Ähnlich
Faber/
Buchner (1664), 583;
Junius: Nomenclator, 520 s. v.
Metoposcopus: „Ein waarsagher auss dem angesicht des menschen“ bzw. ebd. allgemein
s. v. Physiognomon, physiognomus: „Ein natur erkenner/ ein kunstreicher meister/
der am ghestalt des leibs vrthailet/ was eines natur vnd complexion ist.“
Diefenbach: Glossarium, 236 s. v. Phisionomia etc.: „kunst
der vsserlichen zeichen jm libe“ bzw. „ant-litze“;
Frisius,
1003 s. v. Physiognomia: „Die kunst vvnd das wüssen das einer hat die art oder
natur eines yeden zebesähen/ oder / Das erradten einsi art vnd natur auß
anschauwung deß angesichts.“ —
Vocabolario della Crusca
1623, 344 s. v. Fisionomia: „Arte, per la quale dalle fattezze del corpo,
e da’ lineamenti, e aria del volto, si conosce la natura degli huomini.“
Kramer dt.-it. II (1702), 741: „Gesichtkündiger/
Gesichtdeuter/ m. Fisonomo, Fisonomista“, desgl. 979 s. v. Stirndeuter.
22 Zu den Stellen 35.1 u. 2. —
Malvezzi
1634, 42: „La bellezza è una perfettissima consonanza che esce dalla
simmetria e dalla proporzione delle prime qualità“;
David
1638, 34f.: „Schönheit ist eine vollkommenste Vbereinstimmung der
Ebenmässigkeit vnd Proportz/ der vornehmsten Beschaffenheiten“;
David 1643, 26: „Es ist die schönheit die allervolkommeneste
*übereinstimmung/ so aus der *gleichmässigen eintheilung der ersten und
vornemesten beschaffenheiten entstehet; *
Arnonia [
sic],
Harmonia, zusammenstimmung. *
Simmetria.“ — Vgl. Anm. 21. Zu „Ebenmässigkeit“ vgl.
Findebuch mhd., 77 mhd. ebenmæzecheit;
Diefenbach: Glossarium, 466 s. v. Proportio „eben-messigkeit“. Zu
,ebenmäßig’ vgl.
Kramer dt.-it. I (1724), 262: „Fatto con
proportione ò simmetria“;
DW III, 15. — Zu „Proportz“ als
,Ebenredenheit’ vgl. die Etymologie von ,Rede’ in Anm. 6. Vgl.
Dasypodius, 184v: „Proportio, ein vergleychung/ gleychmässigkeyt“;
Frisius, 1283 s. v. symmetria: „Gleychmässigkeit/
Gleychförmigkeit/ Wäsenliche abmässung oder proportion“;
Maaler, 185r: „Gleychmässigkeit (die) Gleychförmigkeit/ Wäsenliche
abmässung oder proportio
n. Symmetria“;
Faber/ Buchner (1664), 1068: „Convenientia, proportio Gleichförmigkeit/
Gleichmessigkeit“. Vgl.
Roth Fremdwb., 342 (Proportion);
Fnhd. Wb. IV, 642ff. (1540 Herold. „solche proportion
und symmetri menschlicher cörper vom ... maler Albrecht Dürer“). Vgl.
[Harsdörffer]: GESPRAECHSPJELE ... Dritter Theil (Nürnberg 1643), 342: „Symmetria
[...] Ebenmässigkeit“ u. 343: „Die Niderländer heissen es Evenredenheit/ wir mögen
es nennen Ebenmässigkeit/ oder auch die Maßrichtige Verfassung eines Gebeues.“
Vgl. Wolff [s. K II 15], 70 (Harsdörffer ,Ebenmass’ für proportio und symmetria);
Jones: Purismus, 354 (1651 M. Zeiller „Symmetria,
Ebenmaß“) u. 368 (Johann Heinrich Schill „proportion ebenmaß“); Harbrecht:
Verzeichnis [s. K II 5], 78 u. 80 (Zesen: Proportion „Fügemäßigkeit“/
„Geschickmäßigkeit“ bzw. Symmetrie „ebenmäßiger Begriff“). — Vgl. K II 0 u. Anm.
24 u. 43.
23 Malvezzi 1634, 43: „Quella delicatezza che rende fievoli le
complessioni de’ figliuoli della vecchiezza, rende anche delicati gli organi
dell’intelletto.“
David 1638, 37: „Machet auch die
Verstandtröhrlein desto zärter“;
David 1643, 28: „die werkzeüge ihres verstandes“. —
Frisius, 929 s. v. organum: „Jnstrument/ Werckzeug/ oder
gerüst etwas zemachen was es ioch seye“;
Calepinus 1605,
1002.
24 Malvezzi 1634, 43: „Hanno una certa analogia insieme tutti
i comandi.“
David 1638, 38: „haben eine gewisse
Gleichförmigkeit miteinander“;
David 1643, 28: „eine
gewisse ähnligkeit zu einander *
Analogia, Anomalia, unähnligkeit.“ —
DW IV.1.4, 8074–8077;
Dt. Fremdwb.
(1995) I, 498ff. (1481 ,Analogia’). Vgl.
Findebuch
mhd., 119, mhd. (Seuse) gelîchformecheit;
Dasypodius, Bl. 8vf.: „Analogia, proportio lat. Anlicheyt/
gleychformigkeyt“ u. Bl. 184v: „Proportio, ein vergleychung/ gleychmässigkeyt.“
Calepinus 1605, 86 s. v. analogia „Gleichförmigkeit/
änligkeit“;
Henisch, 27 „Aenlickeit/ similitudo“ u. 1642
„Gleichförmigkeit/ gleichheit/ analogia, proportio co
nformis, symetria, similtudo“;
Jones: Purismus, 353
(1651 M. Zeiller „Analogia, Ebenmaß“);
Faber/ Buchner
(1664), 59 s. v. Analogia „Eine Vergleichung/ Gleichförmigkeit/ eine
Ehnligkeit“ u. 1068 „Convenientia, proportio Gleichförmigkeit/ Gleichmessigkeit“.
Vgl.
Fnhd. Wb. I, 1317 s. v. ,änlichkeit’. — Zu
,Gleichredenheit’ s. die Etymologie von ,Rede’ in Anm. 6. Vgl. Anm. 21, 22 u. 43.
25 Malvezzi 1634, 44: „L’agricoltore vuole che la terra
produca quello che non è sua natura di produrre, e perché lo produca la ferisce.“
David 1638, 38: „beziehet er sie mit Furchen vnd
zermalmet sie.“
David 1643, 28: „wird sie von ihme geöfnet
und zerarbeitet“. — Zu ,Umrede’ s. K II 18.
26 Malvezzi 1634, 45: „che la malinconia sia prodotta dal
demonio“;
Davide 1638, 40: „das die Schwermüthigkeit vom
bösen Geist beygebracht werde“;
Davide 1643, 29: „der
teüfel habe die *schwermütigkeit herfür gebracht *
Melancolia“. — Schwermut wird in
der galenischen Viersäftelehre durch einen Überfluß schwarzer Galle gegenüber den
anderen Körpersäften verursacht. Vgl.
Malvezzi 1634, 44
„L’umore malinconico“;
Davide 1638, 40: „Melancholische
Feuchtigkeit“;
Davide 1643, 29: „*schwermütige feüchtigkeit
*
Humor melancolicus“. Vgl. Malincolia, s.
Vocabolario della
Crusca 1623, 492;
Kramer dt.-it. II (1702),
717: „Schwermütigkeit/ f. Schwermut/ m. Affanno, Malinconia, Tristitia, Mestitia,
Accigliatezza, Torbidezza d’animo, Humor malinconico.“ Vgl.
Findebuch mhd., 340;
Frisius, 809 s. v.
Melancholia „atra bilis. Cic. Schwartz geblüt“;
Maaler,
365v „Schwärmütigkeit (die) Languor, Tristitia, Fastidium“; Ph. v. Zesen:
Adriatische Rosemund 1645. Hg. M. H. Jellinek. Halle a. d. S. 1899, 11
„schwährmühtigkeit“. Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) II, 76f. Zum
dt. Wort s.
DW IX, 2074.
27 Malvezzi 1634, 45: „come ella [malinconia] tal volta
elevando colla sua fissazione gli uomini quasi in una estasi“;
David 1638, 41: „wie sie [Schwermüthigkeit] die Leute durch stetige
Zerrüttungen/ zun Zeiten auch zur erstaunung [
statt
Verstaunung
, korrigiert Bl. S 3v] aufftriebe“;
David 1643, 29: „wie sie zuzeiten mit den stetigen gedancken
die menschen gleichsam zur *entzückung gebracht/ *
Ecstase Ecstasis, in Schlesien
nennet man dergleichen entzückungen hinbreiten: Weil die leüte damit behaftet/ hin
und ausgebreitet/ starr liegen und reden“. —
Kramer dt.-it.
I (1724), 307: „Erstaunung/ f. Stupore“;
DW III, 1000;
Dt. Fremdwb. (1995) V, 45ff. (1517 Gersdorff „felt in
extasim ... in verzuckung“);
Dasypodius, Bl. 58v s. v. lat.
Ecstasis: „Stupor, Ein erstunung
[sic]/ oder entsetzung des
gemüts“;
Maaler, 107r: „Entzuckung, (die) Raptio, Raptus“;
Faber/ Buchner (1664), 332 s. v. lat. Ecstasis: „die
Hinentzückung. stupor [...]“;
Stieler, 2127 s. v.
Erstaunung: „pavor, rigor, stupor, consternatio [...]“. ,Hinbreiten’ meint
eigentlich Epilepsie, die Fallsucht, vgl. a. a. O., 204. Vgl.
Diefenbach: Glossarium, 219 s. v. Extasis: „en-zukkung [...]
entbreitten“;
DW II, 378 s. v. brett, entzückung, bzw.
bretten, stringere, rapere, terrere, mit Hinweis auf [Gottfried Wilhelm Sacer]:
Reime dich/ oder ich fresse dich. (Nordhausen: Barthold Fuhrmann 1673), 52: „Wenn
man dich rufft so fahre auff als wenn du mit Mutter Käthen in Hünnebrüden
gelegen“, d. i. hinbretten, Entzüc-
kungen. Vgl.
Lexer:
Handwb. I, 1292 mhd. hinbrit, stn. extasis, zu brëtten, stv. ziehen,
zücken (auch als stn.) bzw. bretten, swv. ziehen, spannen. Vgl. a. a. O., 351 u.
III, 102;
Findebuch mhd., 56. ,Hinbrüten’ (
DW IV.2, 1404) und „hinbreiten“ (
David
1643) bezeugen, daß das alte Verb nicht mehr verstanden wurde.
28 Malvezzi 1634, 47: „la forza della melodia. [...] Piglio
chi ne scrisse per segno morale di predistinazione il diletto dell’armonia.“
David 1638, 45: „die Krafft der wolgefasten Zusammenstimmung
[...]. Jch nehme an das jener geschrieben/ daß die Liebe zu seiner Zusamstimmung/
eine Anzeigung der Gnadenwahl sey.“
David 1643, 31: „die
gewalt des süssen thones oder melodey [...]. Der so davon geschrieben/ fürete zum
Liebeszeichen der gnadenwahl/ die beliebung zu der lieblichen zusammenstimmung
ein“. —
DW XVI, 722;
Dasypodius, 90r
s. v. Harmonia: „zusammenstimmung/ wollautung/ einhelligkeyt. Latinè Concentus“ u.
431r: „zamenStimmung [...] Harmonia“;
Maaler, 531v:
„Zusamen stimmung. Harmonia, Consensus, Consonantia, Symphonia, Concordatio“;
[Harsdörffer]: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel Anderer Theil (Wolffgang Endter:
Nürnberg 1642), 116 [HAB: Lo 2621 (2)]: „die lieblichste Zusammenstimmung der
Musicalischen Jnstrumenten.“ Ebenso FRAUENZJMMER GESPRECHSPJELE II (1647), 138.
Vgl. schon [Harsdörffer]: Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel I (1644), 16 u. Zesen:
Hooch-Deutsche Spraach-übung 1643, 1. Vgl. Harbrecht: Zesen als Sprachreiniger [K
II 5], 70 u. Verzeichnis, 75. Vgl.
Lexer: Handwb. I, 95
„armonîe“; I, 2096 „mêlodîe“. Zu ,melodia’ s. Anm. 12 (,Melodey’) u. Harbrecht:
Verzeichnis (1641 Zesen ,Gesangsweise’ [nach 1566 Aventinus] u. ,Sington’).
29 Malvezzi 1634, 47f.: „Il peccato scompose tutte le
consonanze dell’uomo, discordò le parti inferiori dalle superiori, introdusse i
mali e finalmente la maggiore ed ultima delle dissonanze, che è la morte.“
David 1638, 45: „Die Sunde zerrüttet solche schöne
Zusamfassungen im Menschen/ vervneiniget die vntern Theile gegen die obere/ führet
alles Vbel ein/ endlich auch die gröste vnd letzte Vbelstimmung/ welche ist der
Todt.“
David 1643, 31f.: „Die sünde setzete alle
übereinstimmung des menschen von einander/ sie verstimmete oder veruneinigete das
unterste von den obersten/ fürete alles übel ein/ und endlichen die grösseste und
letzte *verstimmung oder uneinigkeit/ den tod. *Dissonanza, misstimmung und
mishelligkeit.“ — Vgl.
Dasypodius, Bl. 222r: „Dissonantia,
Vbellautung“;
Roth Fremdwb., 306: „Dissonantz, Mißhellung/
vbellautung/ böse zamstimmung [...] nachmals für alle andre mißhelligkeit“;
Frisch dt.-lat. II (lat.) 32 s. v. dissonantia:
„Mißhelligkeit, Uneinigkeit, Mißlaut, Verstimmung, Übel-Klang.“ Zu ,Mißstimmung’
vgl. [Harsdörffer]: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel II (1642), 251: „von
gleich-stimmung und Mißstimmung der Music“; Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel II
(1647), 292f.: „von gleichstimmung und Mißstimmung der Music“;
Campe Wb. III, 299 s. v. Mißstimmen: „eine verschiedene, wie auch eine
falsche üble Stimmung“; vgl. ,übelstimmig’
DW XI.2, 47.
Vgl.
Kramer dt.-it. II (1702), 977 s. v. Verstimmung
„Discordamento, Disconcertamento &c.“;
Dt. Fremdwb. (1913) I, 150 (Oswald v. Wolkenstein „dissonantz“);
Lexer Handwb. III, 123;
Dt. Fremdwb. (1995) IV, 734f. (vor 1564 Staphylus „die grosse dissonantz
vnnd vnainigkeit“; 1676 Francisci „dissonantz oder verstimmung“).
30 Malvezzi 1634, 48: „La musica sarebbe la vera medicina di
tutti i mali“;
David 1638, 46: „Die Music würde die rechte
Artzney für alles Vbel seyn“;
David 1643, 32: „Music oder
thonkündigung“. — Zum Neologismus ,thonkündigung’ vgl. erst späteres ,Thonkundig’:
Campe Fremdwb., 430;
DW XI.1.1,
777. Vgl.
Dt. Fremdwb. (1913) II, 162f. (ahd., mhd.). Vgl.
371124 K 2 (Klangtichter, Thondichter).
31 Zu den Stellen 46.12 u. 47.5. —
Malvezzi
1634, 48: „Se una musica acromatica è stata buona a perturbare la bile
atra e a muoverla in furore, perché la sua contraria non ha da essere bastevole a
raffrenarla?“
David 1638, 46: „Wann ein zu hören angenehmer
Gesang gewest/ die schwartze Zorns-Gall zu erregen/ vnd in ein Vnsinnigkeit zu
verkehren; warumb soll im Gegensatz eine dero wiedrige/ auch nicht gnugsam seyn/
solche im Zaum zuhalten.“
David 1643, 32: „Wann eine
*[*
Musica Acromatica, was die Music
verursachen kan] wol zu hören/ in stimmen
gesetzete genaue Musicke gedienet hat/ die schwartze galle zu verunreinigen/ und
sie in eine unsinnigkeit zu verkeren/ warumb solte jhr wiedriges nicht genug seyn/
dieselbe in zaum zu halten.“ — Kalcheim hat an dieser Stelle Malvezzis Adjektiv
,acromatica’, d. i. achromatisch, dissonant, mißverstanden im Sinne von griech.
άκροαματικὀς, zum Anhören, hier: wohllautend. Ausgehend
von Davids Saitenspiel, welches das Gemüt Sauls von der Heimsuchung des Teufels
befreite, will Malvezzi von der Heilung seelischer Verstimmungen wie der
Melancholie durch die richtig abgestimmte Musik berichten. Vgl. Athanasius
Kircher: „Dann Saul so wohl durch den lieblichen Harpffen-Klang/ so Er von seinem
schönen/ lieblichen und künstlichen jungen Waffen-Träger [d. i. David; Hg.]
hörete/ sehr belustiget/ als auch seine Lebens-Geister ermuntert worden [...]
wordurch auch die dicke Hertz-quälende Dämpff und Dünste zerstreuet [...] worden“;
s. Neue Hall- und Thon-Kunst ... übersetzet von AGATHO-CARIONE (Nördlingen: Arnold
Heyl 1684), 140. In dieser unter einem Pseudonym (für Tobias Nißlen) erschienenen
Übersetzung aus Kirchers
Phonurgia Nova sive Coniugium
mechanico-physicum (1673) ist ein ganzes Kapitel der Frage gewidmet,
„Welcher Gestalten die von den Tarantulen gebissen und verletzte durch die Music
wunderbarer Weise curiret werden“ (S. 144ff.). Nißlen umschreibt den Tiernamen als
„eine Apulische Gifft-Spinne“; vgl.
Kramer dt.-it. II
(1702), 871: „Sicilianische Spinne/ tarantola.“ Vgl.
Malvezzi
1634, 48: „La natura ne’ mali, se sentisse quella consonanza che le
besogna, si ecciterebbe forse [...] Ella ci dimostra questa verità in coloro che
sono tocchi dal morso della tarantola, mentre che vediamo che non prima risorge a
discacciare cotal veleno, che venga eccitata da quella consonanza che con la sua
proporzione la corregge.“
David 1638, 47: „welche von des
gifftigen Thierleins Tarantola Biß gerühret seyn/ in deme wir sehen/ daß sie nicht
auffstehen/ solches Gifft zu vertreiben/ ehe vnd zuvor sie von einer solchen
schönen Zusam̄klingung auffgewecket werden/ welche durch ihre
Ebenstimmung sie zur Besserung bringe.“
David 1643, 32:
„von dem bisse des giftigen thierleins (so Tarantola genennet/ und im Königreiche
Napoli in Welschland/ einer grauen Heidexen fast gleich/ gefunden wird)“.
32 Malvezzi 1634, 49 [über Goliath]: „Il gigante ha per
correlativo il temerario, maggiore de gli uomini, si stima eguale a Dio“;
David 1638, 48: „Eines Riesen Gegenhalt ist ein Verwegener:
ein grösser als die Menschen, helt sich Gott gleich“;
David 1643, 33: „eines riesen *gegenblick ist ein vermessener.
*
Correlativo, Correlativum“. — Vgl.
Fnhd. Wb. VI, 504 (1650 Cunitia) s. v. Gegenhalt: „das
Dagegenhalten; der Gegensatz, Vergleich“;
Stieler, 744:
„Gegenhaltung/ die/ & Gegenhalt/ der/ comparatio, collatio, æqviparatio,
relatio.“
DW IV.1.2, 2241 s. v. ,Gegenhalt’ (Adam Olearius
FG 543). Vgl.
Maaler, 162v: „Gegeneinanderen. Mutuò.
Gegeneinanderen haben oder stellen. Co
mponere [...]
Conferre inter se [...].“
Kramer dt.-it. I (1702), 608 s.
v. Entgegenhalten, gegenhalten, gegeneinanderhalten „Scontrare, Riscontrare,
Confrontare, Conferire, Collationare, Paragonare.“ Zu ,gegenblick’ in abweichender
Bedeutung s.
DW IV.1.2, 2226;
Stieler, 197: „Gegenblick/ mutuus obtutus.“
Campe
Fremdwb., 230 s. v. Correlation: „der Wechselbezug“. — Zu ,Redgebigkunst’
als Bezeichnung der Logik vgl. Textstelle zu Anm. 34 u. K II 13.
33 Malvezzi 1634, 49: „Questa generazione è quella che aprí le
cataratte del cielo, e fece inondar l’oceano sopra la terra.“
David 1638, 48f.: „Dieses Geschlecht ist eben das jenige/ so verursachet
hat/ das alle Brunnen der grossen Tieffen auffbrachen/ die Fenster des Himmels
sich aufftheten/ vnd die Sündfluth vber daß Erdreich kame.“
David
1643, 33: „Dieses ruchlose geschlecht ist eben das jenige/
so *die schleüssen des himmels zu öfnen verursachte *
le Cataratte del cielo,
Cataracta cœli“. — Kalcheim folgt, wie er in seiner Vorrede angekündigt hatte, dem
Wortlaut der Lutherbibel, während Malvezzi keine italienische Bibel zitierte, nur
die Vulgata-Stelle Gen 1, 7, 11 verkürzte (et cataractae caeli apertae sunt et
facta est pluvia super terram) und auf die gegen Gott rebellierenden Geschöpfe
bezog. Auch F. Ludwig und seine Helfer schließen sich gemein-
hin der Lutherbibel
an, wenn deren Wortlaut in der Paraphrase der Stelle auch nur noch undeutlich
durchschimmert. Vgl. 1. Mo 7, 10f. nach
Biblia (Luther
1545): „Vnd da die sieben tage vergangen waren/ kam das gewesser der
Sindflut auff Erden. [...] das ist der tag/ da auffbrachen alle Brünne der grossen
Tieffen/ vnd theten sich auff die Fenster des Himmels/ vnd kam ein Regen auff
Erden vierzig tag vnd vierzig nacht.“; Zürcher Bibel 1545 [s. Anm. 7]: „Vñ do die
siben tag vergange
n warend/ kam der wasserguß auff erden.
[...] dz ist d
er tag da aufbrache
nd
alle bruñen der grossen tieffe/ vñ thette
nd sich auf die
fänster des him
mels/ vñ kam ein rägen auff erden viertzig
tag vnd viertzig nächt.“
Biblia (Piscator) AT I (1617) „VNd
es geschah nach den siben tagen/ daß das gewässer der flut über die erde kam.
[...] eben auf disen tag brachen auff/ alle brunquellen des groosen abgrunds/ vnd
die fenster des himmels thaten sich auff. Also daß derselbig platzregen über der
erden war viertzig tag vnd viertzig nacht.“ —
Kramer
dt.-it. I (1702), 684: „Himmelsfenster / Finestra, Cateratta del cielo.“
Vgl.
Frisius, 197 s. v. Cataracta: „Ein schutzgatter an
einer porten [...] Jtem ein wulchenbruch/ vnd ein gächfallend wasser das hoch oben
abhin schüßt [...].“
Maaler, 507r: „Wulckenbruch (der)
Nubes allisa, Nimbus, Cataracta.“
34 Malvezzi 1634, 49 [über das in der Sündflut ertränkte
Menschengeschlecht]: „I maggiori individui d’una spezie sono il piú delle volte
Luciferi“;
David 1638, 49: „Die Gröste solcher Art/ seyn
gemeinlich hochmüthige Teuffels.“
David 1643, 33:
„Die grössesten dieser art seynd mehrentheils hochmütige
Teüfel/ wie der Lucifer war“. — Zu frühen deutschen Bezeichnungen von ,Individuum’
s.
Diefenbach: Glossarium, 295, u. a. „eynig-genant, ein
selbs vnzerteilts wesen. eyn gantzlich art. vnteylich.“
Dt.
Fremdwb. (1913) I, 288 [1574 Bütner „von einer besonderen Person Namen
(den man individuum nennet)“].
Campe Fremdwb., 373 schlug
für ,Individuum’ ,Einzelwesen’ u. ,Einzelding’ vor. Vgl. auch Anm. 48 zur Stelle
88.6. ,Individuo’ wird etwas später ohne philosophische Problematik verdeutscht:
David 1638, 55: „die mängel die gemein seyn/
scheinē vielmehr des Geschlechtsart/ als eins absonderlichen
sein“;
David 1643, 37: „Die mängel einer gantzen *art des
geschlechtes/ als einer *eintzelen person zu seyn. *
Specie, Species, bzw.
*
Individuo, Individuum“. — Zu ,Redgebigkeit’ s. Textstelle zu Anm. 32.
35 Malvezzi 1634, 50: „Questo Golia sfida a singolar certame
gl’Israeliti. Vuole che la fortuna di tutta la battaglia si restringa nella
fortuna d’un picciolo duello“;
David 1638, 51: „Dieser
Goliath fordert die Jsraeliten zum zwey-Kampff/ wil daß das gantze Glück der
Schlacht/ auff ein zwey-schlechten Kampff gezogen werden soll.“
David 1643, 34: „fodert die Jsraeliten zu einem sonderbaren streite
heraus: Er wil daß das glück der gantzen Schlacht in der enge eines kleinen
kampfes zwischen zweyen Kämpfern bestehe.“ — Aus altlat. duellum, Krieg.
Etymolog. Wb. (Pfeifer), 250; vgl.
Frisius, 452 s. v. Duellum: „Ein krieg oder streyt von zweyen partheyen
oder personen.“
Faber/ Buchner (1664), 327: „Duellum, hodiè
nonnisi duorum concertatio seu dimicatio appellatur, cum revera nihil aliud, quam
bellum in genere significet.“
Vocabolario della Crusca 1623, 302 s. v. duello: „Lat. singulare certamen“;
Kramer dt.-it. II (1702), 1494: „Zweykampf/ m. Duello.“ Vgl.
Dt. Fremdwb. (1995) IV, 931ff. [1597 Kronn aller
Wegweiser „in einem Duello (da zween mit einander kempffen)“, Albertinus 1599;
1695 Stieler „Duell, ein Zweikampf/ Balgerey“];
DW XVI,
1058 schreibt (nach Wolff [K II 15], 71) Harsdörffer die Einführung von
,Zweikampf’ im Deutschen zu; vgl. Hechtenberg (Anm. 15), 52 (Harsdörffer:
Zweikampf) u. Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 74 (Zesen: 1645 Zweistreit). —
Kalcheim betreibt in „zweyschlechten“ wohl nur ein Wortspiel mit „Schlacht“ und
„Zweykampff“, da das seltene Adjektiv eigentlich zu bedeuten scheint: beiden
Geschlechtern zugehörig, (wie ein Bastard) von zwei Geschlechtern abstammend.
DW, a. a. O., 1066. — Vgl. Anm. 36.
36 Malvezzi 1634, 50: „Così fatti duelli sono preludii alle
battaglie“;
David 1638, 51: „Sothane Zwey-Kämpff seyn der
rechten Schlacht Vorspiel“;
David 1643, 34: „Die also
beschaffene kämpfe zwischen zweyen personen seynd der Schlachten vorspiel“. —
Kra- mer dt.-it. II (1702), 1216 s. v. Vorspiel „Preludio,
anti-giuoco.“ Vgl. mhd. vorspil stn.,
Lexer: Handwb. III,
479;
Findebuch mhd., 440;
Diefenbach:
Glossarium, 454 s. v. Preludium „vor- hd. –spiel, -ganck“;
Calepinus 1605, 1133: „propriè est Præcentio [...] quamquam
etiam generaliùs accipitur pro quovis initio [...] Ger. Ein vorläufflin vor dem
rechte
n anfang eines Lieds/ ein vorspiel.“
Faber/ Buchner (1664), 542 s. v. præludium „ein Eingang oder
Vorspiel“;
DW XII.2, 1610–1613.
37 Malvezzi 1634, 51: „Non deono i principi mettere a cimento
grande veruno che non si sia prima cimentato a cose grandi“;
David 1638, 56: „Die Fürsten sollen niemand zu tieff in Noth stecken/ er
hab sich dann zuvor in grossen sachen nothfest erzeigt“;
David
1643, 37: „Es sollen die Fürsten niemand fest zu halten/ und sich zu
probiren zu tief in not stecken/ er habe sich dan zuvor selbst in grossen sachen
notfest und geschickt erzeiget.“
David 1643 bezieht sich
mit seiner Erklärung auf eine vorhergehende Stelle:
Malvezzi
1634, 51: „Non vorebbe egli che veruno si cimentasse dove ei non vale a
cimentarsi.“
David 1638, 55: „Er wolte nit gern daß jemand
sich benotfestete/ da ers selbsten nicht vermögt.“
David
1643, 37: „Er hette nicht gerne gewolt/ daß sich einer durch die erfarung
*notfest gemacht/ wan er nicht düchtig sich zu *benotfesten gewesen *
Cimentasse
bzw. *
a Cimentarsi, Cimentare, heisset eigentlich mit einem sonderbaren kalcke
oder kitte
Cimento genant/ eine mauer aus- oder inwendig hart/ fest/ bündig oder
festhaltend machen/ und dan durch die erfarung etwas anfahen und ausstehen
können“. — Zum Ausdruck ,notfest’ vgl. Beil. III (Widmungsgedicht, V. 1). — It.
mettere a cimento grande qd., jm. in einer großen Sache auf die Probe stellen, ihn
darin einsetzen. Kalcheim und seine Bearbeiter bemühen sich um eine sprachliche
Herleitung der Redensart von cemento (Zement, Kitt), wogegen sie schon in
Vocabolario della Crusca 1623, 181 dem Verweis von ,cimentare’ und ,cimento’ auf
,esperimentare’ bzw. ,esperimento’ hätten folgen können: „Conoscer per mezzo
dell’vso, far pruova. Lat. experiri“ bzw. „Esperienza. Latin. experimentum.“ A. a.
O., 315. F. Ludwig besaß dieses Wörterbuch. S. 230802 K 8. Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724), 321f.: „Erfahren/ Esperimentare (Sperimentare)
per lunga pratica“ bzw. „Erfahrung/ Erfahrenheit/ Erfahrnüs/ f. Cognitione,
Notitia, Esperienza (Sperienza) Prouva. it. Espertezza, Peritezza, Peritia
Pratica, Uso.“ — Zu „Vbertragung“ s. Anm. 15.
38 Malvezzi 1634, 53 [über Davids Gottvertrauen]: „Cavare un
atto vero di confidenza è difficilissimo.“
David 1638, 61:
„Ein Werck recht-wahren Vertrawens außzuführen ist überaus schwer.“
David 1643, 39: „zuwege zu bringen“.
— Vgl. Hiob 41, 27 nach
Biblia (Luther 1545): „das ein
streit sey/ den du nicht ausfüren wirst“; Ps 21, 12: „anschlege/ die sie nicht
kundten ausfüren“; dass. nach
Biblia (Piscator) AT I
(1617): „einen anschlag/ den sie nicht konten außführen.“ Das Verb fehlt in der
Zürcher Bibel 1545 [Anm. 7] an beiden Stellen und in Piscators Übersetzung von
Jjob 40, 27.
Maaler, 40v: „Glücklich Außfüren/ zu einem
glücklichen end bringen. Successus prosperos dare.“ Vgl.
Fnhd.
Wb. II, 1018.
39 Malvezzi 1634, 54 [über Goliath]: „un uomo che
giganteggi“;
David 1638, 62: „einem Gern riesen“;
David 1643, 40: „einem grossen Manne/ der* einem Riesen
gleich ist *
Giganteggi, giganteggiare, heisset eigentlich etwas von einem Riesen/
oder so zu reden/ Rieshaftiges an sich haben.“ — It. giganteggiare, riesenhaftig
sein, werden oder wirken; Battaglia [Anm. 10] VI, 774 (O. Rucellai „Qual Golia in
Terebinto, giganteggia minaccevole sopre l’altrui teste“).
40 Malvezzi 1634, 55: „I teologi [...] scioglierebbero il
problema“;
David 1638, 65: „Die Gottes Wort-Lehrer [...]
würden vorgestellete Frage also aufflösen“;
David 1643, 41:
„lösen die vorgestellete frage wol auf“. — Vgl.
Dasypodius,
188v: „Problema, Problematum, latinè Propositio, Ein fürgehaltne frag/ Ein frag
stuck“;
Faber/ Buchner (1664), 719 s. v. problema:
„propositio cum interrogatione, ein Fragstück.“ Vgl.
DW
VII, 2154 s. v. Problem: „im 18. jh. aufgenommen aus engl. problem, vom
griech.-lat. problema, eine zum lösen vorgelegte, unentschiedene, zweifelhafte
aufgabe, eine streitfrage“.
Dt. Fremdwb. (1913) II, 669ff.
41 Malvezzi
1634, 57f. [zu Tac. ann. 6, 22]: „mostrò di dubitare se
delle inchinazioni de’ principi si poteva dar ragione, o se pure avvenivano dalla
sorte del nascere. Anzi [...] non parlò mai di cosí fatta materia che non
ricorresse di primo colpo al fato, il quale, avendo congiunto una volta colla
sorte del nascere, non è dubbio che intese per le operazioni delle stelle.“
Davide 1638, 72 Z. 2 übersetzt
sorte del
nascere Geburts-glück; Z. 7
fato Glück. Vgl. die
interpretatorische Entschärfung der Aussagen Malvezzis und Kalcheims in
David 1643, 44: „von dem *geburtsglücke *
Sorte del nascere,
Sors nascendi.; er name zuförderst seine zuflucht auf die *versehung und den
ausspruch Gottes/ dan weil er solchen einmal mit der glücklichen geburtsstunde
vereiniget/ ist gar nicht zu zweifeln/ daß er dadurch die *wirckungen des gestirns
verstanden. *
Fato, Fatum bzw. *
le Operazioni delle stelle; operationes stellarum“.
— Vgl.
Vocabolario della Crusca 1623, 810 s. v. sorte:
„Ventura, fortuna, destino. Lat. sors, fortuna“; a. a. O., 327 s. v. fato:
„Determinazione d’iddio, intorno all’huomo, secondo la verità Cristiana, dice
Boezio, essere vna dispozion nelle cose mobili, per la quale, la prouidenza
d’Iddio da ordine, e norma ciascuna cosa.“
Kramer dt.-it. I
(1724), 539: „Glück/ n. Fortuna, Ventura, Auventura, Sorte, Felicità, Prosperità“;
a. a. O. II (1702), 510 s. v. Schickung, Geschicke, Schicksal „Providenza,
Dispositione, Dispensatione, Ordinatione, it. Fato, Fatalità, Destino &c.“ —
Vgl.
Diefenbach: Glossarium, 227 s. v. Fatum „gluck“, 543
„Sors hd. gluck“;
Dt. Fremdwb. (1995) V, 743ff. (1531
Hedius „welches etlich des glücks spil die andern Fatum genennet“);
Roth Fremdwb., 311: „Fatum,
Beschaffens glück/ vnd was eim von Gott beschaffen ist. Jtem ein noth zwang vnnd
volg der ordnung Gottes. Jtem der Todt [...]. Jtem ein weissagung“. Vgl.
Stieler, 675: „Geburtsglück/ successus genethliacus.“
42 Malvezzi 1634, 59 [über unterschiedliche Einflüsse des
Himmels]: „Io credo che si trovino alcune costellazioni riguardanti all’amicizia e
alcune altre all’amore [...] e che colui sia più amato che ne ha più, e chi ne ha
meno non possa esser oggetto d’amore, ma sí bene di benevolenza. La ragione di
quanto ho detto è perché il bello è oggetto d’amore“;
David
1638, 74: „kein gegenwurff der Liebe/ wiewol der Freundligkeit seyn mag
Vrsach dessen/ was ich gesaget/ ist/ daß das schöne ein gegenwurff der Liebe“;
David 1643, 46: „*gegenlage der liebe *
Oggetto, Objectum.
Eine grössere und höhere schönheit/ als die unsere ist der liebe gegenlage.“ Vgl.
David Hs, 32: „
obbietto,
Objectum“ und
Vocabulario della Crusca 1623, 555 s. v.
oggetto: „Obbietto“. — ,Gegenwurf’ war schon mhd. für lat. obiectum (u. subiectum)
gebräuchlich:
DW IV.1.2, 2302–2304;
Lexer
Handwb. I, 782;
Diefenbach: Glossarium, 387;
Götze, 99;
Schottelius, 636;
Roth Fremdwb. 332: „Obiect. Das so man fürwirfft/ entgegen
helt/ der gegenwurff“ bzw. 353: „Subject, Gegenwurff/ einwurff.“
Frisch dt.-lat. II, 460. ,Gegenlage’ ist wohl keine Neubildung bzw.
Lehnübersetzung (zu ,obiectum’), sondern vertieft Malvezzis Aussage durch eine der
beiden von
Stieler, 1119 verzeichneten Bedeutungen von
,Gegenlage’: „æqvivalens, it. donatio propter nuptias, dotalitium“. Vgl.
Stieler, 1117 s. v. Wiederlage: „nonnumqvam augmentum
donationem propter nuptias, & alia antipherna & victalitia, qvæ maritus
uxori constituit, denotat, aliàs Gegenlage.“ Vgl.
Schottelius, 636: „Gegengab/ Gegenvermachtung [...] Gegenvermechtniß
[...] Leibgeding/ Leibzucht/ Leibbedingung/ Wiederkehrung“;
Wachter, 910;
Frisch dt.-lat. II (lat.), 33 s. v.
dotalitium: „Leib-Geding, Leib-Zucht“; noch
Campe Wb. II,
261. ,Gegenstand’ für ,Objekt’ lt.
DW IV.1.2, 2263ff. erst
im 18. Jh. Vgl. auch Anm. 46 zu ,Gegenwurf’ und zu soggetto, Unterwurf, Unterlage.
43 Vgl. [(S 7) r]. S.
Malvezzi 1634, 59f. [über die
himmlische Schönheit]: „grazia divisata, la quale non consiste nella simmetria
degli umori, o nella proporzione delle fattezze, benché con l’una e con l’altra
s’accordi sovente, quando non è impedita da’ difetti della materia“;
David 1638, 75f.: „dieselbe bestehet nicht in der
ebenmessigkeit der Sinne/ noch in der ebenredenheit der gestalt“;
David 1643, 46: „diese bestehet nicht in dergleichen
austheilung der sinne/ oder ebenmässigkeit der geberden
oder sitten“. Vgl. die Stelle 35.1 („Ebenmässigkeit“/ „simmetria“), auch Anm. 6,
20, 22 u. 24.
Kramer dt.- it. II (1702), 54:
„Gleichmässigkeit/ Ebenmässigkeit simmetria, proportione.“ Zum Hapaxlegomenon
,austheilung’ für ,proportione’ vgl.
Fnhd. Wb. II, 1460 s.
v. austeilen: „abgegrenzte Teile eines Ganzen, Anteile [...] ausgeben, vergeben,
zuweisen [...]“;
Dasypodius, 416v: „vßTeilung so etwz in
stuck geteilt wirt. Distributio.“
Frisch dt.-lat. II, 368:
„die Austheilung, distributio, divisio.“
44 Malvezzi 1634, 60f. [Nach dem Philosophen (Aristoteles,
pol. I 5 1254 a 20–24) werden einige Menschen zum Herrschen, andere zum Gehorchen
geboren]: „Vi acconsentí chi divise i segni del zodiaco in imperanti e
obbedienti“;
David 1638, 78: „Der jenige so die
Himmelszeichen in gebietend vnd gehorchende/ getheilet/ scheust nicht weit vom
ziel“;
David 1643, 47: „die Himmelszeichen des gestirneten
*Thierkreises *
Del Zodiaco, Zodiaci.“ —
Lexer Handwb. I,
1291;
Findebuch mhd., 171 himelzeichen;
Stieler, 2610 s. v. Himmelszeichen: „astra, & imagines cœli“;
DW IV.2, 1367 s. v. Himmelszeichen. Vgl.
Kramer dt.-it. (1724) I, 685 s. v. Himmelzeichen: „Segno celeste“ u. II
(1702), 1071 „Thierkreis/m. Zodiaco. Thierkreiszeichen/n. Segno del Zodiaco.“ —
Findebuch mhd., 345 tierkreiz.
Stieler, 946 s. v. Tierkreis „Zodiacus“.
45 Malvezzi 1634, 61: „i talenti che gli ha dato Iddio“;
David 1638, 80: „das von Gott jhme anvertrawete Pfund“;
David 1643, 48: „sein *pfund/ nemlich die tugenden/ die ihme
Gott gegeben *
Talento, Talentum.“ —
Vocabolario della Crusca
1623, 862 s. v. talento: „Per grazia, e dono“;
Kramer
dt.-it. II (1702), 211: „sein Pfund vergraben/ und mit demselben nicht
wuchern/ sotterrare il suo talente, e non negotiare (trafficare, profittare) con
esso. Luc. 19.“ Lat. talentum (vgl. z. B.
Dasypodius, 232r:
„Ein gewicht/ halt sechtzig minas“) wurde — nach dem Vorbild des Gleichnisses Jesu
von den von einem Herrn seinen Knechten zur Vermehrung anvertrauten Pfunden (
Biblia [Luther 1545], Lk. 19, 13ff.; danach Redensart ,mit
seinem Pfunde wuchern’) — im 16. Jh. auf ,Talentum’ (Geistesanlage; 1537
Paracelsus) und ,Pfund’ (Luther: Tischreden) im Sinne von Anlage, Begabung oder
Mittel übertragen.
DW VII, 1810f. s. v. Pfund; XI.1.1, 97
s. v. Talent; XIV.2, 1710 s. v. wuchern;
Etymolog. Wb.
(Pfeifer), 1409;
Dt. Fremdwb. (1913) V, 36ff. —
Vgl. Anm. 69 u. 371123 K 10.
46 Malvezzi1634, 63f.: „Non ha l’uomo prudenza, [...] è [...] sorte,
perché opera sopra un soggetto che può essere e non essere.“
David 1638, 85: „der Mensch hat keine Vorsichtigkeit/ [...]sie [...] ist
[...] ein Glück weil sie an einem Vnterwurff wircket/ der so wol seyn/ als nicht
seyn kan.“
David 1643, 51: „weil sie in einer unterlage wircket/ die da seyn und nicht seyn kan“. Vgl.
Anm. 42 ,gegenwurf’ bzw. ,gegenlage’. — Vgl. s. v. ,Unterwurf’
Kramer dt.-it. II (1702), 1334 in rhetor. Bedeutung „soggetto, testo
d’una predica.“ In philosophischer Terminologie bezeichnet
soggetto, lat. subiectum, griech. ὑποκείμνον das
den Formen Zugrundeliegende, das in scholast. und myst. Sprache, bei weiterer
semantischer Differenzierung, schon mhd. underwurf heißen konnte.
Lexer: Handwb. II, 1813;
Findebuch
mhd., 376;
DW X.4, 811-813; spätere Belege, s. auch
DW XI.3, 1913 (1498 F. Riedrer; 1510 J. Geiler v.
Kaisersberg). Vgl.
Diefenbach: Glossarium, 560 s. v.
Subiectum: „vnderligunge, -legunge [...] –wurff [...] gegen wurff“; s. v.
Unterlage
DW XI.3, 1650 (1676 Erasmus Franciscus, 1691
Christian Thomasius). Vgl. Christian Weise: Der Grünen Jugend Nothwendige
Gedancken (Leipzig 1675), 308: „Uber dieß hat man in
Philosophischen/
Mathematischen/ und
Politischen Wissenschaften so viel
Terminos Artis oder
Kunst-Wörter/ welche so wenig in unsere Sprache zu bringen sind/ als die Römer der
Griechen Philosophie gantz konten Lateinisch machen. Da sol bey etlichen
Objectum
ein Gegenwurff/
Subjectum eine Unterlage [...] heißen. Doch was richten wir damit
aus/ als daß wir von wenigen verstanden/ und von den meisten außgelachet werden:
Gleich als wäre dieß nicht das beste Wort/ welches von allen Deutschen verstanden
wird.“ S.
Jones: Purismus, 499.
47 Malvezzi 1634, 64: „gli affetti dell’animo difficilmente si
possono contrapesare, perché non hanno né fermezza, né misura.“
David 1638, 86: „Die Neygungen des Gemüthes aber wollen sich schwerlich
gegenwiegen lassen“;
David 1643, 51:
„Die zunei-
gungen des gemütes aber kan man
schwerlich in gleicher gegenwage oder gewichte halten“. — Vgl.
Malvezzi 1634, 57: „affetto del principe verso un cortegiano“, „il fondamento dell’affetto“ und „degli amori
affettuosissimi de’ principi.“
David 1638, 70:
„Gnadenneygung eines Fürsten/ gegen einem Hoffmann“, 71: „der grund der
Wolgeneygtheit“ und „von der grösten Herren allergrössesten Gnad vnd Liebe“;
David 1643, 44: „ein Fürst seinem Höflinge geneiget“, „grund
aller *zuneigung *
Affetto, Affectus“ bzw. „wegen der sonderbaren überaus grossen
libe der Fürsten“.
Kramer dt.-it. II (1702), 128: „Neigung/
Zuneigung/f. Inclinatione, Affettione, Affetto &c.“ Vgl. bes. in myst. Sprache
schon mhd. neigunge, stf. und zuoneigen, stn.,
Lexer:
Handwb. II, 51 u. III, 1194;
Findebuch mhd., 258;
DW VII, 579ff. s. v. Neigung bzw. XVI, 571ff. s. v.
Zuneigung;
Dt. Fremdwb. (1995) I, 164ff. (1481 Melber
„Affectus, begird, liebe, begirlichkeit“; 1558 Spangenberg „Affect, begird vnd
zuneigung“; 1582 Fischart „von fleischlichen Affecten vnd neigungen“; 1637 Abraham
a S. Clara „Affect oder Lieb“);
Fnhd. Wb. I, 666. S.
Roth Fremdwb., 288: „Affect, anmuttung/ leiden/ kranckhait
anligen/ anfechtung/ betrübung“. [Harsdörffer]: GESPRAECHSPJELE ... Dritter Theil
(Nürnberg 1643), 342: „es nennet einer die affecten zu Teutsch/ Sinnerregungen/
der ander Hertzenbewegungen/ der dritte Gemütsneigungen; [...] Das Wort affectus
hat in Lateinischer Sprache unterschiedlichen Verstand/ [...] daß es Anfangs eine
Neigung/ nachmals eine Erregung/ und dann eine brünstige Bewegung heissen kan.“
Vgl.
Faber/ Buchner (1664), 364 s. v. affectus: „Gemüths
Bewegung/ Neigung“; Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 72 (1671 Zesen „Affecte:
Gemütsbewegungen“). Vgl. Anm. 61.
48 Malvezzi 1634, 65 [über die Einzigkeit (scholast.
haecceitas) eines guten Fürsten]: „La bontà del principato
[...] non manca della ultima individuazione“;
David 1638,
88: „Die Gutheit der Herrschafft [...]. Jhn [den Fürsten; Hg.] mangelts nicht an
der letzten vn-ferner-theilbarheit/ welche ihr das seyn/ dasselbe seyn/ vnd nicht
anders seyn/ gibt.“
David 1643, 52: „Eines Fürsten frömmigkeit und gütigkeit [...].
Es mangelt ihme nicht an der letzten *untheilbarheit/ die ihr das wesen und nichts
anders giebet. *
Individuazione, Individuatio. Vgl.
Diefenbach:
Glossarium, 295: „Individuitas [...] vnteylich- [...], vndeilsam- [...]
keit.“ Vgl. Anm. 34.
49 Malvezzi 1634, 65: „Una stella, benché cometa, perché è
luce nuova che nasce, tira a sé gli occhi di tutti“;
David
1638, 89f.: „Ein Stern/ ob wohl es ein Comet/ zeucht doch/ weil es ein
newer schein aller Augen nach sich“;
David 1643, 53: „ein Comet (oder vō alters her auf
Deütsch also genenneter Pfauenschwantz)“. —
Diefenbach:
Glossarium, 134 s. v. cometa: „pfawenschwantz“;
Maaler, 316: „Sydereæ Iunonis aues“;
DW VII,
1631.
50 Malvezzi 1634, 66: „perché si trovano molti politici che
adoprano l’esempio non per confirmare le ragioni, ma per formarle“;
David 1638, 92: „dieweil viel politische Lehrer sich finden/
welche die beyspiel nicht zur bestettigung/ sondern zugebung/ einer Regeln
brauchen“;
David 1643, 54: „Dan es werden viel Weltleüte
gefunden/ die sich der Exempel gebrauchen/ nicht ein recht und gute sache dadurch
zu bestettigen/ sondern das recht und die gute sache aus dem ausgange zu urtheilen
und zu nemen.“ —
Roth Fremdwb., 346: „Regl, Ein
richtscheyt/ Linial/ Linir/ ein richtschnur“;
Calepinus
1605, 1241 s. v. Regula: „Ein Richtscheit/ Regel/ Linial/ Winckelmeß.“
Vgl. auch 340912 K 1.
51 Malvezzi 1634, 66 über die Giftigkeit des Krauts napello;
David 1638, 92: „Eysenhütlein“;
David
1643, 54: „das giftige kraut der *Eisenhütlein *
Napello, in Latein
Napelles, wird in Deutsch von seiner blüte/ die wie Eisenhütlein schön blau
gestaltet/ also genennet“. —
Kramer dt.-it. I (1724), 290:
„Eisenhüttlein/n. Napello, Aconito [herba velenosa]“. D. i. Aconitum napellus L.,
Blauer Eisenhut, Sturmhut, enthält ein giftiges Alkaloid (Aconitin). Vgl.
Hieronymus Bock: Kreütterbuch (Josias Rihel: Straßburg 1577), Bl. 91v über
Eisenhütlein und Wolfswurz: „Eusserlich vnd gar nit in den leib zubrauchen/ dz hat
man wol zu Antorff befunden/ an dene
n/ so diese wurtzel für
ein Sallat gessen/ vñ darüber gestorben.“
52 Malvezzi 1634, 69: „La somiglianza ha gran forza per movere
e ravvivare nella imaginativa anche que’ fantasmi che eran quasi morti.“
David 1638, 99: „Die Gleichheit hat eine grosse Krafft
zubewegen/ auch die Einbildungen/ da es auch/ nur verstorbene Fantaseyen wieder
lebendig zu machen.“
David 1643, 57: „in der einbildung
auch dergleichen fantaseyen zu erwecken“. — Vgl. Anm. 18.
Dasypodius, 317r: „Fantasey. Phantasiæ, arum“ u. 175v: „Phantasiæ,
Vorbildunge des gemüths/ einbildunge“;
Roth Fremdwb., 338:
„Phantasei, Einbildung/ won geduncken [...]“.
53 Malvezzi 1634, 69: „Il tempo è inimico di tutte le cose.
Dove non arriva a distruggere la grandezza, distrugge la maraviglia, perché forma
l’abito. L’abito facilita gli atti“;
David 1638, 99f.: „Die
Zeit/ so allen dingen Feind/ [...] weilen sie den dingen gewonheits-gestalt gibt.
Diese verringert die Thaten“;
David 1643, 57f.: „Die Zeit ist eine feindin aller dinge [...]/
dan sie die fertigkeit zuwege bringet. Die *fertigkeit oder gewonheit *
Habitus
machet alles thun leichte“. — Vgl.
Malvezzi 1634, 57: „un
abito dal quale nasce la sazietà“;
David 1638, 71: „ein
lang anzugige Gewonheit/ darauß entspringet ein sättigkeitsekel“;
David 1643, 44: „eine solche *fertigkeit/ daraus eine ersättigung
entstehet *
Abito, Habitus“. — Vgl.
Vocabolario della Crusca
1623, 7 s. v. abito: „Per qualità acquistata, per frequente vso
d’operazioni, che difficilmente si può rimuovere dal suo suggetto. Lat. habitus.“
Kramer dt.-it., 361 s. v. Fertigkeit: „prontezza,
Destrezza, Attitudine, Lestezza, Habito fatto, Prestezza, Prattica &c.“;
Stieler, 406 s. v. Fertigkeit: „habilitas, habitus,
promtitudo, solertia, vivacitas“;
Aler I, 643 s. v.
Gewonheit: „Assuetudo, consuetudo [...]; mos [...]; habitus, usus, ritus [...];
institutum [...]; institutio [...]; disciplina [...]; via pervulgata.“
DW III, 1553f.; als lat. habitus übersetzt. Vgl.
Frisius, 621 s. v. Habitus: „Weyß vnnd bärd/ anmutung/
gestalt/ glidmaß// Leibs gestalt eines menschen“;
Roth
Fremdwb., 315 s. v. Habit: „Kleydung/ weiß vnd geberdt/ gstalt/ zucht/
glidmaß“;
Fnhd. Wb. VII, 826 s. v. Habit 1: „Haltung,
Habitus; Gewohnheit; Art des Auftretens“;
Dt. Fremdwb.
(1913) I, 261 (Veit Ludwig v. Seckendorff [FG 615] „in eine Gewohnheit
oder habitum der Sünden fallen“).
54 Malvezzi 1634, 73: „Gli uomini ne’ loro desiderii si
vestono in cosí fatto modo del propio interesse, che si danno a credere che
ogn’uno che gli conosce vi abbia a cooperare“;
David 1638,
108: „Die Menschen in jhren eigenen Begierden/ bemänteln sich mit eigenem Nutzen“;
David 1643, 62: „Es bekleiden sich die Menschen [...]
mit ihrem *eigenen nutzen oder gewin *
Del proprio interesse, Interesse, ist
eigennutz/ angelegenheit/ gewin/ vortheil/ zuzeiten bedeütet es auch nachtheil und
schaden“. —
Kramer dt.-it. I (1724), 277 s. v. Eigennutz:
„Proprio utile, Proprio interesse“;
Stieler, 1355 s. v.
Eigennutz u. Sondernutz „commodum domesticum, utilitas sua, vulgo proprium
interesse, privata utilitas.“ Dt. Interesse (vgl.
DW IV.2,
2147f.) im früheren Sinne von Zins, (Gewinn-, Verlust-)Chance aus Ersatzpflicht
(
Götze, 128;
Diefenbach:
Glossarium, 304 „schaden“) oder Nutzen, Vorteil [
Dt.
Fremdwb. (1913) I, 302], bei
Aler I, 1166 auch
umfassender als „Compendium, commodum, lucrum [...]; utilitas“. Vgl.
Etymolog. Wb. (Pfeifer), 587;
Fnhd.
Wb. VIII, 171. Kalcheim meint Eigennutz u. ä.; vgl.
Roth
Fremdwb., 319f.: „Interesse/ Vnterschleipff. Ein vortheyl [...] man
spricht: Er hat jms zu einem Interesse vorbehalten/ das ist/ zu einem eignen
besondern genieß.“ Vgl.
Malvezzi 1634, 114f.: „Ha tanta
forza l’interesse nelle operazioni degli uomini, che è stimata debolezza il
fidarsi di uno, l’interesse del quale porti il tradire.“
David
1638, 231: „Eigen Anliegenheit hat so viel Kräffte in Menschlichem thun/
daß es für eine Schwachsinnigkeit gehaltē wird/ einem
zutrawen/ dessen mit vnter seyn etwa ein Verrätherey mit sich bringen möchte.“
David 1643, 121f.: „Es hat der eigene vortheil/ oder eigen
nutz in der menschen thun eine solche macht/ daß es für eine grosse
schwachsinnigkeit gehalten wird/ sich auf einen zu verlassen/ dessen vortheil eine
verrähterey mit sich treget.“
55 Malvezzi 1634, 74: „Colui che è in collera [...] lo
crederei impazzito, se non fosse che gli è rimasto solamente tanto discorso quanto
è bastante a rendere l’opere sue degne di gastigo“;
David
1638, 112: „Ja ich glaube auch wol/ daß er gantz närrisch worden/
wann
nicht were/ daß jhme noch so viel nachsinnung vberblieben“;
David 1643, 63: „würde ihn für gantz töricht schätzen/ wan es
nicht an deme were/ das ihme noch so viel zu erwegen überblieben“. Vgl. auch
Malvezzi 1634, 43 resp.
David 1638, 37f. dieselbe Übersetzung wie oben (nachsinnungen
für discorso
resp. discorsi).
David 1643, 28 gibt ,discorso’ mit ,erwegung’ und ,nachsinnen’ wiede
r.
—
Vocabolario della Crusca 1623, 276 s. v. discorso:
„ragionamento, o scrittura, doue s’esamini qualche cosa. Lat. tractatus.“ Zum
Begriff discorso im Verständnis des italien. Humanismus und der weiteren
Begriffsgeschichte s. D. Böhler u. H. Gronke s. v. Diskurs in
HWRh II, bes. 779ff. — Vgl.
Maaler, 299v:
„Nachsinnung vnnd betrachtung. Reputatio“;
Schottelius,
640: „Nachsinnung/ Theoria“;
Jones: Purismus, 353 (1651 M.
Zeiller „Discursus, Vernunfftgespräch/ Vnterredung“);
Stieler, 2034 s. v. Nachsinnung: „speculatus, indagatio“;
DW VII, 128;
Dt. Fremdwb. (1995) IV,
669ff.
56 Malvezzi 1634, 73: „Manda Saulle a seguitare Davide. Chi lo
seguita lo trova in un coro di profeti e quivi si ferma con loro a profetare.“
David 1638, 110: „Saul schicket dem David nachzujagen: der
jhme folget/ trifft ein Chor Propheten an/ bleibet bey jhnen/ vnd weissaget“;
David 1643, 63: „Saul schicket gewisse Leüte hin/ den David
zu verfolgen/ die/ so ihn verfolgen/ finden eine schaar der Propheten/ bleiben bey
denen/ vnd weissagen mit ihnen“. — Malvezzi begnügt sich wie üblich damit, die
Bibelstelle (1 Sam 19, 20) zu kürzen und zu paraphrasieren. Kalcheim und seine
Revisoren folgen ihm darin, setzten jedoch — wie gewöhnlich— die Bibelstelle nach
Luther hinzu:
David 1638, 109f.: „Da sandte Saul Botten/
daß sie David holeten. Vnd sie sahen zwen Chor Propheten weissagen/ vnd Samuel war
jhr Auffseher[.] Da kam der Geist Gottes auff die Botten Saul [Sauls,
Luther]/ daß sie auch weissageten“;
fast
ebenso David 1643, 62. Vgl. Zürcher Bibel 1545 (s. Anm. 7): „Vnd
sy sahend eine
n hauffen prophete
n
weissagen“;
Biblia (Piscator) AT I (1617) „Vnd sie sahen
ein hauffen Propheten/ die da weissageten“. —
Dt. Fremdwb.
(1913) I, 113 ahd. chôr, mhd. kôr, Chor der Geistlichen in der Kirche;
Dt. Fremdwb. (1995) III, 713ff.;
Dasypodius, 31v: „Chorus, Ein versamlung deren die singen/ oder springen/
vnd kurtzweil treibend.“
57 Malvezzi 1634, 74: „La collera [...] è una breve effimera.
[...] negli spiriti“;
David 1638, 112: „Der Zorn [...] ist
ein kurtztägig Fieber.“
David 1643, 63: „ist wie ein
*fieber von einem natürlichen tage/ der vier und zwantzig stunden helt. *
Effimera,
Ephimera, ist ein vier-und zwantzig stündiges fieber“. — Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724), 369: „Eintägig Fieber/ febbre efemera“.
Henisch, 1026: „Das Feber von der Sonn oder von heisser
Speise/ daß nur einen Tag wehret/ oder das nur einmal kompt/ daß nur einen
paroxysmum hat/ obderselb gleichwol bißweilen zween oder drey Tag wehret/ febris
diaria, Cels. ephemera, unius, plurium dierum [...] alioquin in spiritibus tantum
consistens“. Vgl.
Faber/ Buchner (1664), 373: „Febris
ephemera, vel diaria, unius diei febris“;
Stieler, I, 379:
„Eintägig Fieber/ ephemera.“ Vgl.
Dt. Fremdwb. (1995) V,
172ff. (1568 Wirsung „allen genanten ephemerischen fieber“).
58 Malvezzi 1634, 75: „nel giorno delle Calende“;
David 1638, 120: „am Newmonds Tage“;
David
1643, 67: „am ersten tage des Neümonden“; vgl.
David Hs., 52: „am ersten Tage des neüen Monden“. — Malvezzi
und seine Übersetzer beziehen sich auf 1 Sam 20, 24, vgl.
Vulgata „et venerunt calendae“;
Biblia (Luther
1545): „Vnd da der Newemond kam“; vgl.
DW VII, 678.
—
Maaler, 305v: „Neüwmon (der) Noua luna.“ Vgl.
Fnhd. Wb. VIII, 495f. „kalende, pl. t.“, der erste Tag eines
Monats.
59 Malvezzi 1634, 80: „Chi nasce nella gran scena del mondo
dovrebbe sapersi vestire di molti abiti, per potere in questa comedia
rappresentare diversi personaggi.“
David 1638, 135: „Der
auff der grossen Schawbühnen dieser Welt gebohren wird/ soll billich sich in
allerhand art der Kleydung zuverkleyden wissen/ damit er in solchem schawspiel
vnterschiedene Personen vertretten könne.“
David 1643,
74: „auf dem grossen Schauplatz dieser welt [...] bey
diesem freüdenspiele“. — Schauspiel und Freudenspiel waren in der Bedeutung
„Schaustück, Sehenswürdigkeit“ (
Götze, 185) bzw. „jocus et
ludus,
spectaculum, Lustbarkeit“ (
DW IV.1.1, 155) schon
lange gebräuchlich; „comedi“ [
Dt. Fremdwb. (1913) I, 367
(1472 Albrecht v. Eyb)] wurde — wie wohl auch von Malvezzi — unspezifisch
gebraucht, auch über das eigentliche Bühnendrama hinaus: „schawspil/ fabula,
comœdia, spectaculum scenicum“ (
Henisch, 610; vgl.
DW VIII, 2375,
Maaler, 348v u.
Stieler, 2088). Kalcheims Versuch einer gattungsspezifischen
Bezeichnung für Komödie scheitert, diese gelingt seinen Revisoren an der
vorliegenden Stelle erst mit ,Freudenspiel’. Vgl. Augustus Buchner (FG 362):
Anleitung Zur Deutschen Poeterey (Wittenberg 1665), 7f.: „alle Comödien und
Tragödien/ welche wir Freud- und Trauerspiele nennen mögen“; [Harsdörffer]:
Poetischer Trichter I (Nürnberg 1650), 94: „Diese Spiele werden Freudenspiele
genennet/ weil ihr Jnhalt uñ Ende frölich und lustig ist Nach der Verwirrung
folget eine merkliche *Veränderung/ *
Peripetia daß der Unglückselige glücklig/
oder der Glückselige unglückselig wird“;
Dt. Fremdwb.
(1913) I, 367 (1644 Comenius „Eine comedy oder ein frewdenspiel“);
Stieler, 2087: „freudenspiel/ comœdia“.
Roth Fremdwb., 296 u. 356 gebrauchte schon einen übergeordneten
Gattungsbegriff („Comœdie, Ein schawspil mit gespräch von gemeynen Weltleuffigen
handlungen“ bzw. „Tragedi , Ein vast ehrnstlich schawspil vnnd gedicht“),
verdeutschte aber noch nicht die lat.-griech. Fremdwörter. Vgl. aber
[Harsdörffer]: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel II (1642), 258: „den Schau- oder
Freuden-Spielen (Comœdien/)“; FRAUENZJMMER GESPRECHSPJEL II (1647), 302: „den
Schau- oder Freudenspielen“. Vgl. auch noch
Kramer dt.-it. I (1724), 414 s. v. Freudenspiel allein
„Guoco d’allegrezza, it. Festa.“
60 Malvezzi 1634, 86 [über die abschreckende, aber
gelegentlich kontraproduktive Bestrafung einer aufrührerischen Stadt]: „Questo è
un alesifarmaco che non si dà a tutti gli amalati.“
David
1638, 152: „Diß aber ist ein VorbewahrungsArtzney/ welche allen Krancken
nicht beyzubringen.“
David 1643, 83: „*eine Artzeney gegen
Gift *
Alesifarmaco, Alexipharmacum. Eine artzney die für gift bewaret“. — It.
alessifarmaco, m. Gegengift, Vorbeugungsmittel, von griech. άλεξιϕάσμακον.
Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724), 525 s. v.
Gegengift, Widergift: „antidoto alessi farmaco.“ Vgl.
Calepinus
1605, 65: „Alexipharmaca [...] Artzney wider Gifft oder ander böse sucht“;
Faber/ Buchner (1664), 43 s. v. alexipharmacum:
„antidotus, remedium contra venena, Thiriack/ und allerley Artzney wider vergifft.
Hujus generis sunt medicamenta prophylactica [...], Præservatiff.“ —
Frisius, 1042: „Præmunitio [...] Vorbewarung vnnd
vorschantzung/ Vorrüstung“;
Maaler, 474v: „Vorbewarung.
Præmunitio“;
DW XII.2, 905 s. v. Vorbewahrung (1579 Sebiz
„vorbewarung ... wider alle kranckheiten“).
61 Malvezzi 1634, 86: „è una passione intollerabile, perché
tre potentissmi affetti producono il dolore e sforzano alla vendetta“;
David 1638, 143: „ein unverträgliches Anliegen/ dann
drey-die allerstärckeste erregungen/ ziehen den Schmertzen herfür/ strengen zur
Rache an“;
David 1643, 83: „eine
fast erträgliche bekümmernüs/ dan drey der allermächtigsten *anliegen
dergleichen schmertzen zu verursachen/ und die rache zu erzwingen pflegen.
*
Affetti, gemüts bewegungen.
Affectus aut passiones, heftikeiten zuzeiten. Drey
heftige anliegen in einer grossen bekümmernüs“. Vgl. Anm. 47. — Vgl.
Kramer dt.-it. I (1724), 960: „ein heimliches/ innerliches
Anligen/ una passione secreta“ u. 99: „Gemüts-bewegungen/ moti, commotioni,
alterationi, movimenti, passioni dell’animo“; vgl. II (1702), 296:
„Gemühts-regungen“.
Roth Fremdwb., 337 s. v. Passion: „Ein
Anmutung/ affect vnd neygligkeyt/ Jn Heyliger gschrifft [...] leyden/ schmertzen
vnd sterben.“
Calepinus 1605, 1035 s. v. Passio: „Animi
perturbatio, qua
m Cicero affectionem vocat: cuiusmodi sunt
amor, odium, iracundia, invidia, timor, lætitia, spes, & similes [...] Ital.
Paßione. Germ. Ein bewegung oder betriegung des Gemüts.“ ,Anliegen’ bezeichnet in
der älteren Sprache ein Gebrechen oder einen inneren Mangel bzw. einen inneren
Drang oder ein Gesuch (
DW I, 402f.;
Diefenbach, 66;
Stieler, 1118). Vgl. Anm. 47 (
Roth Fremdwb. s. v. Affect).
62 Malvezzi 1634, 91: „sortirà bene quando l’inimicizia non
sia originata dalla emula-
zione, se però quell’atto non lo alzasse ad un’altra
sfera“;
David 1638, 165f.: „würde auch wol außschlagen/
wann die Feindschafft nicht aus Abgunstseifer jhren Vrsprung genommen/ wann
solches thun auch denselben nicht in höhern grad setzte“;
David
1643, 89: „es were dan/ das so ein thun einen zu
einem höhern stande brechte“. — It. sfera meint hier nicht, wie griech.
σϕαῖρα Erd-/ Himmelskugel, Ball, sondern in übertragener
Bedeutung Um- oder Wirkungskreis, Sphäre, Rang.
63 Malvezzi 1634, 99 [über die Wirkung weiblicher Äußerungen
auf Männer]: „Se non acconsente l’intelletto acconsente la volontà [...] Le loro
lagrime sono i loro entimemi, la loro bellezza è la loro spada [...] Non si crede
artifizio dove non è scienza, ma quelli del volto sono maggiori di quelli della
retorica“;
Malvezzi 1636, 152: „intimemi“;
David 1638, 188: „Stimbt schon der Verstand nicht mit ein/
so thuts doch der Wille [...] jhre Thränen seyn jhre kurtzgefaste Schlußreden/
jhre Schönheit ist jhr Schwerdt [...] Man helt ein ding für keine Kunst/ da keine
Wissenschafft ist: die Wolredenheit des schönen Angesichts/ ist grösser als die
auß der Redner-Kunst“;
David 1643, 101: „kurtze schlusreden
*
Entimemi, Entimemata [...] die kunst aber im gesichte ist
grösser als die in der wolredenheit“. — Enthymema ist in logischer Bedeutung ein
um eine der Prämissen verkürzter Syllogismus, rhetorisch eine plausible, durch
Indizien, Topoi oder unbestrittene Gegenargumente überzeugende Argumentation.
HWPh II, 527ff.;
HWRh II, 1197ff.
Vgl. s. v. Enthymema
Diefenbach: Glossarium, 203 („eyliche
beschließung“ u. a.);
Dasypodius, 61r („Ein erdichtung oder
betrachtung. Ite
m Ein vnuolkomelich bewärung/ oder
Syllogismus der nur vß eim schleußt“);
Faber/ Buchner
(1664), 340 („ein kurzer Gedanck oder Schliessung“).
64 Malvezzi 1634, 101: „La prudenza [...] lascia quietamente
godere quella che è bella, perché è anche un bezoaro che corregge il veleno della
bellezza“;
David 1638, 195: „Vorsichtigkeit [...] lässet
auch genugsamlich mit der so schön ist sich ergetzen/ jnmassen sie auch ein Bezoar
der das Gifft der Schönheit benimbt.“
David 1643, 104:
„Bezoarstein/ der das gift der schönheit mildert und
verbessert“. — Bezoar, m., über arab. bazahr aus pers. badzahr/ padzahr, d. i.
Gegengift. Steinartige Ablagerung im Magen von Wiederkäuern.
Osman, 39. Vgl.
Kramer dt.-it. II (1702), 949:
„Bezoar-Stein/ pietra bezoartica; bezoar.“ Vgl.
Fnhd. Wb.
III, 2332 s. v. bezoar (1535 Belkin u. a.);
Henisch, 365.
Vgl. Garcia da Orta: Coloquios dos simples e drogas da India. Edicão... pelo Conde
de Ficalho. 2 Bde. Lisbon 1891–95. Dieses Werk wurde im 16. und 17. Jh. in der
Übersetzung von Charles de L’Escluse (Carolus Clusius) und teilweise zusammen mit
Arbeiten von Christóval Acosta und Nicolás de Monardes so häufig veröffentlicht,
daß die von Kalcheim benutzte Ausgabe nicht mehr festgestellt werden kann. Vgl. z.
B. AROMATVM, ET SIMPLICIVM ALIQVOT MEDICAMENTORVM APVD INDOS NASCENTIVM HISTORIA
conscripta, D. GARCIA AB HORTO ... Nunc verò primùm Latina facta, & in
Epitomen contracta à CAROLO CLVSIO Atrebate (Antverpiae 1567: Christophorus
Plantinus), Cap. XLV, S. 188–191. HAB: Alv. Mi 241.
65 Malvezzi 1634, 107f.: „Quell’orologio che non ha il gnomone
e che riceve il moto o da suste, o da contrapesi, non può lungamente durare senza
errare.“
David 1638, 213: „Das Uhrweck/ so kein Vnruhe hat/
vnd die Bewegung allein von Federn oder Gewicht nimbt/ kan nicht lange ohn Fehler
dawren“;
David 1643, 113: „*das Uhrwerk/ so keinen zeiger/
und kein gewis ausgerechnetes maas hat/ darnach die unruhe gehet/ ob es schon die
bewegung/ von den federn der Räder/ oder dem gewichte nimmet/ so kan es doch
lange-zeit nicht dauren/ sondern mus also fort falsch und unrecht gehen
*
Quell’orologio che non ha il Gnomone. Gleichnis der Regimenter/ mit einem
uhrwercke.“ —
Kramer dt.-it. II (1702), 386: „Unruhe/
Tempo, Bilancia, Bilanciere d’un horiuolo, men’arrosto &c. die Unruhe in einer
Uhr.“ Malvezzi zielt zweifellos schon auf eine mechanische Uhr und nicht mehr auf
den Höhenmesser einer Sonnenuhr (so Battaglia [Anm. 10] VI, 943 s. v. gnonome).
Kalcheim benennt mit ,Unruhe’ das Hemmwerk einer alten mechanischen Uhr, welches
dann
David 1643 genauer beschreibt. Vgl.
Zedler IL, 1946f.;
DW XI.3, 1383 (Unruhe: „Regler
der Uhr, librator horologicus“); XIII, 365 u. 502 (,Wage’ bzw. ,Waguhr’). Vgl.
Frisius, 607 s. v. Gnomon: „Das richtschyt/ oder die
richtschnur/ oder regel vnd zeiger eines yeden dings/ Das richtmäß/ das eysen oder
stäckle an der Sonnenur/ das den schatten gibt/ vnd die stund zeigt/ Jtem ein
winckelmäß.“
Maaler, 332v–333r: „Richtmäß/ Das eysen oder
stäckle an der Sonnen vr/ das den schatten gibt/ vnnd die stund zeigt. Gnomon.“
Ebenso „Richtscheyt [...] Gnomon“. Vgl. auch
Calepinus
1605, 622 s. v. Gnoma „Gnomon & regula, ὁ γνώμων καί κᾰνών,
proverbio vocatur qvod in re qvaqpiam est præcipuum, &
ad quod unum reliqua omnia tanquam ad regulam referuntur.“
66 Malvezzi 1634,
108: „Par lecito il fuggire fra
pagani, quando non vi è altro modo da salvarsi, purché non si viva da pagano“;
David 1638, 213: „Zu den Vnglaubigen zu fliehen/ wann kein
ander Mittel sich zu retten/ scheint erlaubt zu seyn/ wann man nur nicht Heydnisch
lebt“;
David 1643, 113: „unter die Heyden auch
zuweilen zu entfliehen [...] auch darbey nicht heydnisch leben“. —
Vocabolario della Crusca 1623, 571: „PAGANO. Infedele, che
adora gl’Idoli“;
Kramer dt.-it. I (1724), 651 s. v. Heide:
„Pagano, Gentile, Etnico, it. Zingaro, met. Ateo, Ateista“ u. 530: „Unglaubig
[...] Infidele“;
Covarrubias, 844 s. v. pagano: „los que no
tenían el derecho de la ciudad; y deste símil llamamos paganos los que están fuera
de la Yglesia Católica, que no han recebido el agua del bautismo.“
Nicot, 469: „Payen, Paganus.“ Im Lat. heißt ,paganus’
ursprünglich nicht ,Heide’ oder ,Ungläubiger’, sondern „Dorffbewohner/ paur [...]
Ein stattwohner/ der nit zum krieg gebraucht wirt“ (
Dasypodius, 161v). Vgl.
Maaler: „Heid (der)
Ethnicus, Gentilis“;
Stieler, 665: „Unglaubiger/
incredulus“, jedoch 818 s. v. Heide: „paganus, ethnicus, gentilis“. S. schon
Diefenbach: Glossarium, 405. Das Eindringen der von Kalcheim
mißbilligten Bedeutung von ,paganus’ erklärt
Faber/ Buchner
(1664), 674 so: „Pagani JCtis dicuntur omnes, qui non sunt milites [...]
Hinc & veteribus Christianis dicebantur gentiles; quòd Christi milites non
essent“.
67 Malvezzi 1634, 109 [über den Hof (la corte)]: „Ella è il
vero paragone de’ valorosi.“
David 1638, 215: „es ist ein
rechter Probierstein der Dapfferkeit“;
David 1643, 114: „Sie [die Höfe; Hg.] seind ein rechter
Probierstein tapferer und tugendhafter Leüte“. — Vgl.
Vocabolario della Crusca 1623, 578 s. v. Paragone: „Pietra, su la quale,
fregando l’oro, e ariento, si fa proua della sua qualità. Lat. index, lydius lapis
[...] Per comparazione, egualità.“
Kramer dt.-it. II
(1702), 950: „Probir-Stein/ Streich-Stein/ pietra di paragone.“ Joan Corominas/
José A. Pascual: Diccionario crítico etimológico castellano e hispánico, MERE. Bd.
3. Madrid 1985, 392f. s. v. parangón (1517 aus it. paragone);
Nicot, 457 s. v. Paragon: „C’est vne chose si excelleme
nt, parfaicte, qu’elle est comme vne idée, vn sep & estelon à toutes
les autres de son espece, & lesquelles on rapporte & compare à luy, pour
sçauoir à quel degré de perfection elles atteignent.“ Vgl.
Dasypodius, 592v „Probierstein“ u. 51v s. v. Index, m. „Eyn steyn damit
man gold bewert“;
Frisius, 681 „Index. Ouid. Ein
goldsteyn“;
Maaler, 320r „Probstein/ als die goldschmid
habend. Coticula.“ Vgl.
Faber/ Buchner (1664), 548 „Lydius
lapis, vel Heraclius, ein Probierstein“, vgl. 268 u. 449;
DW VII, 2153 (Hans Sachs; Adam Olearius). Vgl. ,Probestein’
DW VII, 2147 (1580 Fischart) u. 2186 ,Prüfstein’ (1545
Lutherbibel: Sir. 6, 22 „prüfestein“).
68 Malvezzi 1634, 109 [über den Hof]: „Ella è [...] una
copella chiarissima per distinguere l’oro delle vene da quello dell’alchimia.“
David1638, 215: „Es ist ein klarer Tiegel vnd Capel/ welche das
BergwerckGold von dem gemachten wol vnterscheidet.“
David1643, 114: „Der Hof [...] ist die *allerreineste Capelle/
und der schärfeste Probiertiegel der Bergwercke gold/ von deme aus der kunst
gemachten/ zu unterscheiden. *
Capella Chiarissima, Cappellen seind kleine weisse
probiertieglein/ von knochen gebrant/ darinnen gold und silber aufs hochste
geleütert und probiret wird“. — It. coppella, Kupelle oder Kapelle, f., Probier-/
Schmelztiegel für feines Gold u. Silber. Vgl.
Vocabolario della
Crusca 1623, 222 s. v. Coppella: „Picciol vasetto fatto di rischiatura di
corna, nel quale,
messo nel fuoco, si cimenta l’ariento. [...] Lat. vasculum.“
Kramer dt.-it. II (1702) 1089: „Probir-tiegel/ copella“;
DW II, 605 (,Capelle’ fehlerhaft für ,Cupelle’); V, 183
(,Kapelle’); V, 2756 (,Kupelle’);
Fnhd. Wb. VIII, 599ff.
[Kapel(le) für it. coppella, seit 1440];
Henisch, 584. Vgl.
lat. cupa, Kufe, Bottich; s.
Diefenbach: Glossarium, 163;
Calepinus 1605, 360;
Etymolog. Wb. (Pfeifer),
740f. s. v. Kufe.
69 Malvezzi 1634, 109: „Chi ha talenti grandi corre a quella
[corte; Hg.]. Là si spendono gloriosamente, e non badi alle querele di coloro, i
talenti de’ quali, per grandi che fossero, non gli hanno prosperati.“
David 1638, 215f.: „Wer grosse Gaben hat/ lauffe dahin/ da
wendet man sie rühmlich an/ es hindere auch dero beklagen nicht/ daß jhre gute
Eigenschafften/ sie seyen so groß gewesen als sie wollen/ jhnen nicht viel
auffnehmen gebracht“;
David 1643, 114: „Wer von seinem ihme
verliehenen pfunde/ oder seinen ihme verliehenen gaben/ viel anzuwenden hat/ der
begebe sich dahin/ da werden sie rühmlich angelegt: Ja er lasse sich nicht deren
klagen hindern/ die ihre gaben [...].“ Zu ,Talent’ u. ,Pfund’ s. Anm. 45. Zu
,Gabe’ als Begabung, Anlage, Talent mit Belegen seit dem 16. Jh. s.
DW IV.1.1, 1115 u.
Dt. Fremdwb. (1913) V, 36ff.
70 Malvezzi 1634, 109: „S’ingannano gli uomini, equivocando
dalla maggioranza coll’aggiunto alla assoluta.“
David 1638,
217: „die Menschen betriegen sich/ wann sie gleich-wortig vnd ohne Vnterscheid von
der Hocheit/ mit beding/ vnd vollkommentlich reden wollen“;
David 1643, 115: „Es betriegen sich die Leüte/ wan sie von der
vortrefligkeit mit einem *zusatze *
Coll’aggiunta, Cum adjuncto./ *einem zwiefachen
verstand *
quivocando, Æqui vocando, zu deme was ein ding schlecht hin ist/ den
beweis füren:“ —
Vocabolario della Crusca 1623, 310 s. v.
equivocare: „E il dare à più cose vno stesso nome. Alcuni dicono in lat. laborare
in æquiuocis, e gli scientifichi moderni, spezialmente.“ Harsdörffer:
Frawen-Zimmer Gespräch-Spiel. ... Erster Theil (Nürnberg: Wolffgang Endter 1641)
[HAB: Lo 2621 (1)], Ov– O ij r: „alle und jede wörter in vnserer Mutter-Sprach
[...] welche zweyerley verstand leiden (æquivoca) oder/ wie sie von herrn von
Lohausen benambst werden, gleichwörtige Reden“. Vgl.
Dasypodius, 4v „Aequiuocum, Das vil bedeutung hat“, vgl. auch 93v bzw.
336r bzw. „Homonymum, Gleychnämig.“
Henisch, 1643
„Gleichnämig/ so gleichen namen hat/ æquivocus, homonymus“. Vgl. auch
Jones: Purismus, 353 (1651 M. Zeiller „Æquivocatio [...] Aal
art/ weil der Ael sehr schlupfferig“);
Aler I, 954 s. v.
gleichlautend „æquivocus“;
Frisch dt.-it. II (lat.), 4
„æquivocus, a, um, zweydeutig.“
71 Malvezzi 1634, 112: „Due sorti di professori ne’ tempi
andati correvano l’istessa fortuna c’ principi. Gli artefici de’ veleni e i
maestri dell’arte dell’indovinare.“
David 1638, 222:
„Zweyerley art von Künstlern lieffen bey den alten zeiten mit den grossen Herren
in Glücksschrancken. Die Gifftköch vnd Wahrsagers-Kunst-Meister.“
David 1643, 117: „Zweyerley art Künstler [...] Die giftköche/ und
die meister in der Wahrsagerkunst.“ — It. professore zu professione, f.,
„Instituto [...] Per esercizio, e mestiero. Latin. ars“,
Vocabolario della Crusca 1623, 637;
Kramer dt.-it.
I (1724), 928 s. v. Lehrer „Dottore, Professore, Maestro“. Das Wort ,Künstler’
kann im 16. und 17. Jh. noch den Gelehrten, öffentlichen Lehrer (bes. als
Angehörigen der Artistenfakultät), bezeichnen, dann aber auch den Handwerker oder
Besitzer gewisser Fertigkeiten, die oft auch mit Trug u. ä. verknüpft wurden, und
ebenfalls schon den Künstler im erhöhten Sinne.
DW V,
2706ff.
72 Malvezzi 1634, 122: „che quel sole era ormai sotto la linea
dell’orizonte“;
David 1638, 252: „wann die neigende Sonn
schon vnter des Gesichtenders Linie gewest were.“
David
1643, 131: „daß die Sonne albereit unter der linie des *über uns
schwebenden halben himmelkreises gewesen. *
Dell’Orizonte, Horizon, ist der halbe
himmelkreis/ den man über der erden/ mit unserm gesichte rings ümb uns her
erreichet.“ —
Vocabolario della Crusca 1623, 565 s. v.
orizzonte: „Linea, o cerchio celeste, che diuide luno, e l’altro emisperio,
termina la nostra uista.“
Kramer dt.-it. II (1702), 741:
„Gesicht-ender/ - Beschrencker ò Gleicher/ Horizonte.“ Vgl.
Maaler, 196v: „Gsichtender (der) Horizon“;
s. v. Gesichtender
Henisch, 1562: „finitor visus, horizon“;
DW IV.1.2, 4099. Vgl. nl. gezichtseinder;
Diefenbach:
Glossarium, 280 s. v. Horizon: „der Halbhymel“. Verdeutscht von Philipp v.
Zesen als ,Gesichtskreis’ (
DW IV.1.2, 4102;
Campe Fremdwb., 354), „Gesichtsendiger“, „Gesichtsgrenze“
und „Kreisendiger Dög“ (Harbrecht: Verzeichnis [K II 5], 75). Vgl. Harsdörffer
,Gesichtskreis’, Wolff [K II 15], 70.
Dt. Fremdwb. (1913)
I, 270f. (1525 Dürer „orizon“, 1636 Schwenter „Horizont“).