K Der vorliegende Brief dokumentiert Lgf. Hermanns v. Hessen-Rotenburg (FG 374.
1642. S. Anm. 1) astronomische und geophysikalische, v. a. aber seine
meteorologischen Interessen, die sich vom gemeinen Aberglauben abstoßen und
einer vernünftig-wissenschaftlichen Naturerklärung zuwenden, aber weder die
astrologische Grundierung der Meteorologie, noch die religiöse Zeichenqualität
der Himmelserscheinungen aufgeben und darin den wissenschaftlichen
Schwellencharakter der Epoche bzw. die ‚Konkurrenz der Wissenssysteme’ zum
Ausdruck bringen (vgl. dazu Anm. 15 u. auch 520324A). Insbesondere wollte Lgf.
Hermann mit seinen meteorologischen Werken (s. Anm. 1 und Beil. I) den
keineswegs geringgeschätzten wetterkundlichen Erfahrungsschatz, der in den
bäuerlichen Wetterregeln niedergelegt war und die Grundlage der Prognostik etwa
in den weitverbreiteten frühneuzeitlichen Kalendern bildete, auf eine höhere
Stufe wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit heben. Dazu dienten seine über drei
Jahrzehnte kontinuierlich und ungewöhnlich exakt und gewissenhaft geführten
Witterungsbeobachtungen, die er in Kassel und Rotenburg anstellte und z. T. im
Druck veröffentlichte. In Kassel
konnte er dazu auf ein vorzügliches, bereits
im 16. Jh. eingerichtetes Observatorium, eine herausragende Bibliothek und die
in Kassel hochstehende Pflege der Naturwissenschaften zurückgreifen. Auf dieser
Grundlage hat Lgf. Hermann „einen der glänzendsten Beiträge zur Entwicklung der
meteorologischen Beobachtungen in Deutschland und der Geschichte der
Meteorologie überhaupt hinterlassen“ (Klemm [s. Anm. 1], 32). Daß Lgf. Hermann
auch musisch interessiert und begabt war, zeigt
Winkelmann, 267: „Alhier [Rotenburg a. d. Fulda] hatte weyland Herr
Landgraf Hermann seine Fürstl. Residenz/ welcher in Mathematischen Künsten
hocherfahrner Herr die Orgel [der Schloßkapelle] mit Maul-Trommeln kunstartig
bestim̄et hatte/ mit von sich gebenden lieblichen Ton/ wie der
H. Landgraf in meiner Gegenwart selbst darauf gespielet“. Unter den
Maultrommeln werden wohl Trompeten oder Waldhörner zu verstehen sein, nach
denen die Orgel gestimmt wurde (vgl. Johann Gottfried Walther: Musicalisches
Lexicon oder Musicalische Bibliothec [Leipzig 1732]. Ndr. im Neusatz hg.
Friederike Ramm. Kassel usw. 2001, 558 [s. v. „Trompe“]). Vgl. zu Lgf. Hermanns
Orgel-Vorliebe auch seine Beisetzungs-„Disposition“ (s. Anm. 1), die
ausdrücklich kirchliche Orgelmusik vorsah.
Lgf. Hermann IV. v. Hessen-Rotenburg, zweimal vermählt, 1633 mit Gfn. Sophia
Juliana (1607–1637; vgl. 371222 und 371226A u. I), Tochter Gf. Christians v.
Waldeck-Wildungen (FG 113), und 1642 mit Kunigunde Juliana (1608–1683. PA.
TG 26), Tochter F. Johann Georgs I. v. Anhalt-Dessau (FG 9). Bis auf einen
totgeborenen Sohn und die wenige Wochen nach ihrer Geburt im Mai 1636
verstorbene Tochter Juliana blieben beide Ehen kinderlos. S.
AD I, 92;
EST I, T. 98.
Testamentarisch war den Söhnen aus der zweiten Ehe Lgf. Moritz’ v.
Hessen-Kassel (FG 80) mit Gfn. Juliana v. Nassau-Siegen (1587–1643; PA) ein
Viertel der Erblande, die „Rotenburger Quart“ (mit Rotenburg a. d. Fulda,
Eschwege, Sontra, Witzenhausen u. a.), erblich zugefallen, die Hermann von
1627 bis 1648 (Teilung mit seinen zwei Brüdern Friedrich [FG 566. 1651] u.
Ernst) zusammen mit seiner Mutter bzw. seit 1643 allein verwaltete. Am 19.
8. 1637, so halten es die gedruckten „Personalia“ zu Lgf. Hermann (STA
Marburg: 4a 45, Nr. 13; vgl. 371226A K I) bzw. zu Lgfn. Sophia Juliana (s.
371226A I Q) fest, wichen er und seine Gemahlin vor der in der überfüllten
Festung Kassel grassierenden Pest nach Wildungen aus. Das Kriegsgeschehen
habe sie dann am 2. 9. in die sichere hessische Festung Ziegenhain (vgl.
Winkelmann, 249f.) getrieben, wo Lgfn. Sophia Juliana
am 15. 9. 1637 starb (am 6. 4. 1638 im alten lgfl. Erbbegräbnis in der
Stiftskirche St. Martin zu Kassel beigesetzt). Vgl. 371226A K I. In der
Folgezeit habe sich Lgf. Hermann überwiegend bei seiner Mutter im
Nassauischen Hof zu Kassel (vgl.
Winkelmann, 284)
aufgehalten. 1640 nahm er seine „bestendige Residentz“ in dem fast
entvölkerten (Malettke [s. u.], 94), 1637 von Kroaten Isolanis
niedergebrannten Rotenburg, wo er das „verwüstete Fürstl. Hauß wieder zu
repariren ahngefangen“ (hsl. Personalia in UB/ LMB Kassel: 4° Ms. Hass. 86
[1]). Nach dem Tod seines Stiefbruders Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65)
am 21. 9. 1637 (a. St.) stand Hermann seiner vormundschaftlich regierenden
Schwägerin Lgfn. Amalia Elisabeth v. Hessen-Kassel beratend zur Seite. Nach
seinem Tode wurde Hermann in einer eigenen Gruft (für sich und seine zweite
Gemahlin) im Nordturm der Stiftskirche St. Elisabeth und St. Maria in
Rotenburg beigesetzt. Vgl. Georg Dehio: Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. [Bd. 2:] Hessen. O. O. 1966, 708f.; Kulturdenkmäler in
Hessen. Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Bd. II. Hg. Landesamt f. Denkmalpflege
Hessen. Ellen Kemp. Braunschweig/ Wiesbaden 1997, 785; Margret Lemberg:
Juliane, Landgräfin zu Hessen (1587–1643). Darmstadt u. Marburg 1994, 419 u.
Abb. 9 (Detail der Gruft); Friedrich Lucae (†1708): Das edle Kleinod an der
hessischen Landeskrone. Bearb. Hans-Günter Kittelmann. Kassel 1996
(Rotenburger Chronik I), 128ff. (Beschreibung von Gruft und Sarg);
Winkelmann, 268. Rotenburg blieb Witwensitz von
Hermanns zweiter Frau Kunigunde Juliana. Nach deren Tod fiel die Quart an
Lgf. Moritz’ letzten noch lebenden Sohn Lgf. Ernst v. Hessen-Rheinfels, auch
er wissenschaftlich interessiert und in Korrespondenz mit Gottfried Wilhelm
Leibniz stehend. Zu Hermanns
gelehrten Interessen s.
Conermann III, 437ff., auch oben K. Von Lgf. Hermann sind folgende
drei Hauptwerke im Druck überliefert, die nicht nur sein gelehrtes
Fachwissen, sondern auch sein fruchtbringerisches Anliegen bekunden, dieses
muttersprachlich auszudrücken und zum Nutzen der Sprache und der
,kunstbegierigen‘ Ungelehrten zu verbreiten:
(1.) Teutsche
ASTROLOGIA (1637; s. Beil. I Q).
(2.)
HISTORIA | METEORO- | LOGICA. | Das ist: | Vier vnd zwantzig Jährige
eigentliche vnd | trewfleissige
Observation vnd tägliche verzeichnüß des |
Gewitters/ vom
1. Januarii 1623 an/ biß zum letzten
Decembris | 1646. in
dreyen
membris verfasset. | Darinnen | Erstlich demonstriret wird/ ob vnd
wie das tägliche Gewitter mit | dem Gestirn vberein troffen/ vnd warumb
solches | geschehen sey oder nicht? | Zum andern/ Eine Probe durch die
vorgestelte 24 Jahr eines jeden |
Aphorismi, ob vnd wie vielmahl er
zutroffen oder | nicht/ vnd warumb? | Zum dritten/ Eine beleuchtung der
gemeinen Bawren Reguln/ so von | etzlichen der löblichen Kunst der
Meteorologiæ vorgezogen werden wollen. | Sampt etzlichen angehengten/
schönen vnd sehr wichtigen Fragen/ von | himlischen vnd Elementarischen
dingen/ vnd deren erörterung. | Alles | Zu Rettung der bißher sehr
beschimpfften
Meteorolo- | giæ, dem Kunstliebenden vnd Prognosticanten aber
zu gefal- | len vnd mächtiger vorarbeit sich künfftig besser in der | Natur
vmbzusehen/ gestellet/ | Durch |
URANOPHILUM CYRIANDRUM, | der
Meteorolog.
Cultorem, | [Ziervignette] | Gedruckt zu Cassel durch Salomon Schadewitz/ |
Jn verlegung Sebald Köhlers. | (I) I)( LI.
HAB: 42. 4 Astronomica. 4°; Frontispiz, 22 Bl., 583, (1) S., 460 S., 99, (1)
S., 3 Bl. — Mit eingeklebtem Brief Lgf. Hermanns an Hz. August d. J. v.
Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227), d. i. 510821.
(3.) [Antonio de Torquemada:
Jardín de Flores
curiosas (1570) nach der französ. Übersetzung des Gabriel Chappuys:
Hexameron ou six iournees, contenans plusiers doctes
discours (Lyon 1582 u. ö. ; Ausg. Rouen 1610 in HAB: 556. 3 Quod.;
Arbour, Nr. 6063, s. auch Nr. 120421); deutsch
von Lgf. Hermann IV. v. Hessen-Rotenburg („der Fütternde“):]
HEXAMEREON |
Oder | Sechs Tage=Zei- | ten/ oder vielmehr Sechs-Tägiges Ge- | spräch/ vber
etzliche schwere Puncten in verschiede- | nen Wissenschafften/ beneben
vielen denckwür- | digen vnd zuvor fast nie erhörten | Historien. | Sampt
einer vorhergehenden Summarischen | Tafel/ vorgedachter Sechs Gesprächen/
vnd einem | nachfolgenden vollkommenen Zeyger/ aller der vornem- | sten
darinne begriffenen | Sachen: | Anfangs in Hispanischer Sprache/ durch
Anto-
| nium de Torquemada, einen
Religiosum beschrieben/ | folgends durch
Gabriel
Chappuys, einen bekandten Frantzösi- | schen Historienschreiber in selbige
Sprache vbersetzet/ | anjetzo aber ins deutsche gebracht | Durch | Einen der
hochlöblichen Fruchtbringenden | Gesellschafft Mitgenossen/ genandt | der
Fütternde. | [Ziervignette] | Cassel/ Gedruckt bey Salomon Schadewitz/ | Jn
Verlegung Sebald Köhlers 1652.
HAB: 403. 49 Quod. und 416. 3 Hist. (2). 8°; 8 Bl., 641, (1) S., 28 Bl.; UB
Leipzig: B.S.T. 8°. 718. Vgl.
Bulling, 44;
Goedeke, 248; Alberto Martino: Von den Wegen und
Umwegen der Verbreitung spanischer Literatur im dt. Sprachraum (1550–1750).
In: Studien zur Literatur des 17. Jahrhunderts. Gedenkschrift f. Gerhard
Spellerberg (1937–1996). Hg. Hans Feger. Amsterdam, Atlanta/GA 1997 (Chloe,
27), 285–344, 308; Adam Schneider: Spaniens Anteil an der deutschen
Literatur des 16. u. 17. Jahrhunderts. Straßburg 1898, 120–133. Mit 520324A
übereignete Lgf. Hermann seine Übersetzung F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG
46), nicht ohne sich für sein nicht ganz reines Deutsch zu entschuldigen.
Für das folgende Werk liegt uns bisher kein Nachweis eines Exemplars
vor:
Observationes historico-mathematicae de annis 1618. ... bis in den Martium
1635; darin allen der löbl. mathematischen Kunst Liebhabern, viel vnd
mancherley Accidenten, welche sich in oberzehlten Jahren so wohl in publicis
als privatis begeben, zu ihrer guten Nachricht, fleißig corrigirt, und
mathematice examinirt, zu finden. O. O. 1635. (Titel
zit. nach
Strieder V, 470; vgl.
Ersch/
Gruber II. 5, 240.) Mit der im Krieg weitgehend zerstörten Kasseler
Landesbibliothek und ihren Altbeständen (Restbestände heute in UB/ LMB
Kassel) gingen auch die ehemals dort vorhandenen Werke Hermanns zugrunde.
Das einstige
Observationes-Exemplar der LB Kassel
(Signatur: 4° 142) enthielt eine eigenh. Widmung Hermanns an seinen Bruder
Wilhelm lt.
ADB XII, 129. Alte Katalognachweise
(Zettelkatalog der LB und der aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
stammende Bandkatalog der LB Kassel: „Astronomica et astrologica“, UB/ LMB
Kassel: 2° Ms. Hass. 800, Bd. 14, Nr. 142) belegen das Verlorene.
(Freundliche Mitteilung von Tanja Klöpfel u. Sabine Köttelwesch).
1641 verfaßte Hermann eine
Beyleuffige Cosmographische
Beschreibung des Nieder-Fürstenthumbs Heßen, die in drei
Handschriften im STA Marburg überliefert ist und durch Dritte seit 1655
mehrfach, meist in Auszügen, veröffentlicht wurde, darunter auch in
Merian: Topographia (Hassiæ, zuerst 1646). S.
Conermann III, 439 Anm. 1. Vgl.
ADB XII, 128ff.;
DBA I, 215/ 154;
DBA I, 360/ 322;
DBA I, 520/
14–20;
Ersch/ Gruber II. 5, 239–241;
Zedler XII, 1715; Lemberg (s. o.), 232; Otto Perst:
Das Werraland in der Beschreibung Niederhessens von Landgraf Hermann zu
Hessen-Rotenburg 1641. Eingel. u. hg. v. Otto Perst. Eschwege 1960 (Aus dem
Werraland, 7); ders.: Kassel 1641 nach Landgraf Hermann zu Hessen-Rotenburg.
In: Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte u. Landeskunde 75/76 (1964/65),
207–217; Hermann, Landgraf zu Hessen-Rotenburg: Beiläufige Cosmographische
Beschreibung des Niederfürstentums Hessen 1641. [Auszug]. Hg. Friedrich
Herzog. In: Rund um den Alheimer. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde
des ehem. Kreises Rotenburg. 6 (1984), 33–40. — Erhalten haben sich ferner
das handschriftliche Inventar seiner kleinen, aber auserlesenen
Privatbibliothek von 1652 (STA Marburg: 4a 45, Nr. 10), eine Reihe von
Heften mit handschriftlichen astrologischen und mathematischen Exzerpten und
Aufzeichnungen (STA Marburg: 4a 45, Nr. 9), schließlich gedruckte und
handschriftliche Personalia Hermanns und Traueraufgebote (STA Marburg: 4a
45, Nr. 13). Die Akte 4° Ms. Hass. 86 (1) in der UB/ LMB Kassel enthält u.
a. einen unvollständigen handschriftlichen Lebenslauf Lgf. Hermanns (Bl.
3r–4v), der textlich mit den gedruckten Personalia im STA Marburg, a. a. O.,
übereinkommt; das Konzept einer „Disposition wie wir es nach vnßerm
beschehenem tödtlichem hintritt in einem vndt anderm gerne gehalten haben
wollten“ (5r–6v), d. d. Rotenburg, 24. 3. 1656, die den fürstlichen Leichnam
anatomischen Studien überwies; eine lat. Würdigung seiner Verdienste (Bl.
7r; Konzept); einen theologischen Disput „Discursus, sive Colloquium [...]
Principis, Dni. HERMANNI, LANDGRAVII Hasso-Rotenburgensis cum Dn. MAVRITIO
GVDENO Praefecto Electorali Moguntino [...] 25. Aug./ 4. 7br. inter
coenandum super controversis nonnullis Religionis capitibus habitum“
(19r–32r) (zu dem Kasseler reformierten Geistlichen Moritz Gudenus
[1596–1680], der 1630 zum kathol. Glauben konvertierte und später im Ebst.
Mainz wirkte, s.
DBA II, 492/ 15ff.); schließlich
einen handschriftlichen Katalog der Werke Lgf. Hermanns (37r–39v).
Meteorologische Beobachtungen der Jahre 1635–1650 haben sich als erstrangige
wissenschaftsgeschichtliche Quelle in 16 in Schweinsleder
gebundenen Tagebüchern Hermanns erhalten (UB Erlangen: Ms. B 255/1–16; nach
Klemm [s. u.], 30). Zur Leichenpredigt auf seine erste Frau (UB Göttingen:
Conc. fun. II 207 Nr. 26) vgl. 371226A I. Hinsichtlich der archival.
Überlieferung zu Lgf. Hermann vgl. auch: Repertorien des Hess. Staatsarchivs
Marburg, Bestand 4, Bd. 2: Hessische Nebenlinien, Gruppen Hessen-Rheinfels
und -Rotenburg. 1627–1821. Bearb. v. K. Dülfer. Marburg 1968, 21, 49, 51 u.
ö. Vgl. zu Lgf. Hermann ferner Moritz der Gelehrte. Ein Renaissancefürst in
Europa. Hg. Heiner Borggrefe, Vera Lüpkes, Hans Ottomeyer. Eurasburg 1997,
S. 52, Kat.-Nr. 43; Ut pictura politeia oder Der gemalte Fürstenstaat.
Moritz der Gelehrte und das Bildprogramm in Eschwege. Hg. Heiner Borggrefe,
Thomas Fusenig, Birgit Kümmel. Marburg 2000, 69f.; Hugo Brunner: Geschichte
der Residenzstadt Cassel. 913–1913. Kassel 1913, 166ff.; Paul Heidelbach:
Kassel. Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur.
Hg. Karl Kaltwasser. Kassel
u. Basel 1969, 116; Ludwig Hönig: Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg. In:
Rund um den Alheimer. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde des ehem.
Kreises Rotenburg. 6 (1984), 28–32; Hans-Günter Kittelmann: Kleiner Führer
durch die Rotenburger Quart 1627–1834 und das Fürstenhaus Hessen-Rotenburg.
Rotenburg a. d. Fulda 2002, insbes. 13ff., 52f.; Wolf Peter Klein: Die
Geschichte der meteorologischen Kommunikation in Deutschland. Eine histor.
Fallstudie zur Entwicklung von Wissenschaftssprachen. Hildesheim usw. 1999,
302; Fritz Klemm: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in
Nord- und Mitteldeutschland bis 1700. Offenbach a. M.: Deutscher
Wetterdienst 1976 (Annalen der Meteorologie, NF Bd. 10), 28ff.; Uta
Krüger-Löwenstein: Die Rotenburger Quart. Marburg a. d. L. und Witzenhausen
1979, 34ff.; Lemberg (s. o.), 205, 213, 228f., 231f., 236f., 272, 330,
387ff., 409, 417ff.; Walter Lenke: Klimadaten von 1621–1650 nach
Beobachtungen des Landgrafen Hermann IV. von Hessen (Uranophilus
Cyriandrus). Offenbach 1960 (Berichte des Dt. Wetterdienstes, Nr. 63, Bd.
9); Lucae (s. o.), 50, 52–54, 59f., 67, 91f., 94, 163; Klaus Malettke: Der
Dreißigjährige Krieg in Hessen und seine Folgen. In: Hess. Jahrbuch f.
Landesgeschichte 51 (2001), 83–102, 94; Hans Philippi: Das Haus Hessen. Ein
europäisches Fürstengeschlecht. Kassel 1983, 89; F. C. Th. Piderit:
Geschichte der Haupt- und Residenz-Stadt Cassel. 2., erw. Aufl. hg. Jacob
Ch. C. Hoffmeister. Cassel 1882, 157.
Eine von Klemm
(s. o.), S. 30, angegebene „1658 in Kassel veröffentlichte ,Christliche
Klag-, Lehr-, Buß- vnd Trost-Predigt ... bey ... Herrn Hermannen Landgraven
zu Hessen ... Fürstlichen Leichgegängnüß´“ konnte nicht ermittelt werden.
Abgesehen von sich, außer sich selbst. Vgl.
Stieler,
1384: „Ohne dich allein/ extra te unum“, d. h. außer Dir allein.
Geschrei, Ruf, hier Gerücht.
Stieler, 1631;
DW VIII, 1343.
Gf. Joachim Christian v. (der) Wahl (FG 109), Freiherr, Reichsgrafenstand
seit November 1636.
Frank V, 177. Wahl befehligte
1637 als kurbayerischer Generalleutenant und Generalfeldzeugmeister ein
eigenes Korps, das am Niederrhein und in Westfalen operierte. Im Frühjahr
dieses Jahres stand er in der Gft. Waldeck und im April/ Mai im Stift
Paderborn; Juni bis August treffen wir ihn um Soest, Recklinghausen und Hamm
an. Im Jahr darauf kämpfte er in Schwaben, dann wieder in Westfalen, wo er
1640 gegen die Truppen Hz. Georgs v. Braunschweig-Calenberg (FG 231) und
Hessen-Kassels stritt. Vgl. 370422 K 1; ferner
ADB
XL, 592f.;
Conermann III, 113;
Engerisser, 135 u. ö.;
Redlich I, 167, 198,
374, 377, 406; Ruth Altmann: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel im Kampf
gegen Kaiser und Katholizismus 1633–1637. Marburg 1938, 163, 166; Cordula
Kapser: Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des
Dreißigjährigen Krieges 1635–1648/49. Münster 1997, 94ff., 170ff.; Franz v.
Geyso: Beiträge zur Politik und Kriegführung Hessens im Zeitalter des
30jährigen Krieges und Grundlagen zu einer Lebensgeschichte des
Generalleutnants Johann Geyso. (Erster Teil.) In: Zs. des Vereins f.
hessische Geschichte u. Landeskunde 53 (1921), 1–115; Zweiter Teil, a. a. O.
54 (1924), 1–160; Dritter Teil, a. a. O. 55 (1926), 1–175. Geyso III, 97,
102, 129 u. ö. erwähnt erhaltene Korrespondenz zwischen Lgf. Wilhelm V. v.
Hessen-Kassel und Wahl im Februar 1637 (Schloßakten Wilhelmshöhe:
Kriegsakten Kr.A 1637, II), die „viel Interessantes bietet“ (S. 97) und eine
„ehrliche gegenseitige Hochachtung“ verrate (S. 127), z. B. werde dort die
„Frage, wer als guter Deutscher anzusehen sei“ in „reizvoller Weise“
erörtert (S. 102). Vermutlich handelt es sich bei den von Geyso eingesehenen
einstigen Wilhelmshöher Schloßakten in diesem Fall um die heute im STA
Marburg bewahrte Akte: 4h Nr. 1409: Korrespondenz zw. Lgf. Wilhelm V. v.
Hessen-Kassel, Gf. Christian v. (der) Wahl und anderen Offizieren der ksl.
bzw. Reichs-Truppen, Januar bis 20. 9. 1637. Vgl. Repertorien des Hessischen
Staatsarchivs Marburg. Bestand 4: Politische Akten nach Philipp d. Gr.
1567–1821. Abt. h: 1592-1806/14. Bd. 1: 1592–1670. Bearb. v. Hans Philippi.
Marburg 1981, S. 118. Allerdings ist der Monat Februar 1637 mit nur einem
Schriftstück vertreten und eine Erörterung jener genannten
Frage ist im
eigentlichen Sinn nicht auszumachen. Dennoch wird das höflich-respektvolle
Verhältnis zwischen beiden Korrespondenten und ihr Bemühen um aufrichtige
gegenseitige Information, Wort- und Vertragstreue auf spannende Weise
deutlich. Einige wenige Zitate müssen als Beleg ausreichen. (Weitere
Nachforschungen, auch die nach dem von Geyso, a. a. O., 110, 133 erwähnten
Schreibkalender Lgf. Wilhelms V. auf das Jahr 1636 mit
Tagebuch-Eintragungen, empfehlen sich.) So begrüßt Lgf. Wilhelm Wahl am 2.
2. 1637 als einen „altenn Teutschen bekanten“ (a. a. O., 12r) und trägt auch
keine Scheu, sich durch Nachfrage der Richtigkeit des Berichts eines eigenen
Offiziers zu versichern: „Er wolle vnns die allte kundschafft in so weit
genieß
en laß
en vnd die
courtoisie vnd gefallen nicht allein hierin erweisen, Sondern auch
Jnngleichen vnß Seine meinung vnd
sentiment dieser Sachen halben fein
offenherzig vnd gutt Teutsch, ob ermeltter vnser Commendant bey dieser
vffgabe wieder sein
deboir gehandeltt vnd den Sach
en
zuvill oder zuwenig gethan oder nicht, ohnbeschwehrt darvon vns zuevernehmen
geben“ (Kassel, 6. 3. 1637; Bl. 15v). Am 14. 3. bedankt sich Wahl in seiner
Antwort für „den vornehmen Titul eines alten Teutschen bekandten“, wünscht,
daß Lgf. Wilhelm „mit dem Römischen Kayser woll versöhnet, vnndt mein
General eines gegen den Erbfeindt sein mögen. Alß dann will ich alle meine
Teutsche Redlichkeit herfür suchen, Ob gegen Ewer fürstl. Gn. die von diesem
empfangene hohe genaden widerumb zum theil verdienen könnte.“ (16r). Wahl
sei erst neuerdings und interimsweise für den abgeorderten Feldmarschall Gf.
Götz (vgl. Anm. 5) Kommandeur der Reichstruppen in Westfalen: „Waß aber
seiter der Zeit daß ich diß
Commando angetretten geschehen, dauon will Ewer
fürstl. Gn. ich alle
Satisfaction geben, vnndt solle ieder Zeit wort ein
wort, vnnd mann ein man sein“ (16v). Daß diese Redensart (
Wander III, 393: „Ein Mann, ein Mann; ein Wort, ein Wort“) auch in
Hille, 77, bei der Vorstellung der FG-Ziele
erscheint, muß nicht überbewertet, sollte aber auch nicht ignoriert werden:
„Drittens/ daß man das Teutsche Vertrauen mündlich und schriftlich wieder
aufrichte/ befördere/ erhalte: Die Warheit in Reden und Schreiben
hervorleuchten lasse/ von derselben keines Weges absetze; sondern vielmehr
derselben die Larve des Betrugs abnehme: Dagegen Teutsch Teutsch/ Mann ein
Mann/ Wort ein Wort seyn [...] lasse.“ Lgf. Wilhelm nutzt Wahls Bekenntnis
in dessen Schreiben vom 14. 3. zu einigen Klarstellungen in seiner Antwort,
am 4. 4. noch in Kassel aufgesetzt: „Daß wir Jhme nun den
tittul eines Alten
Teutschen vnndt bekandten gegeben, deswegen wehre keiner dancksagung
vonnöthen geweßen, Sintemahl wir Jhnen, Zeitt hero er in vnnserm Landte
gelegen, Jegen vnns so viel vnnßer
particulier anlangt anderst nicht
verspürett, vnndt erkennet, wollen auch verhoffen er werde Sich vnnder deßen
nicht geendert haben, Sondern noch derselbe sein.“ Für eine Versöhnung mit
dem Kaiser stünde Lgf. Wilhelm nur zu gern bereit, es müßte ihm allerdings
dieselbe Gerechtigkeit widerfahren wie anderen hohen protestantischen
Reichsständen, die in die Amnestie des Prager Friedens aufgenommen worden
waren: „Gleich wie aber Chur Sachsen, Brandenburg vnndt andere Evangelische
Fürsten deß Reichs einmahl
perdonniret, vnndt wir dan anders nichts alß
dieselbige bey dem geführten Kriege gethan, Also sehen wir nicht, warumb man
vnnß eben allein deßen nicht deß
perdons vnndt
amnisti so wohl alß Sie
genießen laßen, Sondern
excludiren vnndt ausschließen wolle“. Für den
Wunsch, unter Lgf. Wilhelm gegen den osmanischen Erbfeind vorzugehen, dankt
Lgf. Wilhelm und wünscht seinerseits, daß auch Wahl mehr Gelegenheit dazu
hätte, „dem Heiligen Römischen Reich einen bestendigen durchgehenden Frieden
zu gönnen, vnndt die Waffen dermahleins wieder den Erbfeindt zu gebrauchen
[...] alß vnschuldig Christenbluett zu vergießen [...]. Daß Er aber alßdan
allererst Seine Teutsche redtligkeitt herfuhrsuchen will, solches ist vnns
leidt zu vernehmen, vnndt wollen nicht hoffen Er Jnmittelst deroselben gantz
vnndt gar vergeßen werdte, Sintemahl wir ein beßer vertrawen zu Jhm tragen,
Jhn auch alß ein Freundt
in particulari hiermit erinnert haben wollen,
Gleich wie Er vor dießem seine Teutsche trew vnndt Vfrichtigkeit Jegen vnnß
verspüren laßen, daß Er auch nachmahls darinnen
Continuiren vnndt verharren
wolle“ (23rf.). Auf entsprechende Vorhaltungen Wahls versichert Lgf.
Wilhelm, es sei ihm „kein ding so zuwieder vnd welches wihr bey dem kriege
mehr hassen, Alß eben das vnChristliche brennen, wie auch nothschändigens
vnd [was] dergleichen barbarische vnd tyrannische proceduren mehr sein
mög
en“. So viele hessische Städte, Flecken,
Dörfer seien aber von der Gegenseite in die Asche gelegt und nicht einmal
Schweineställe verschont worden — ein offenbar regulärer, wenn nicht
systematischer Bestandteil der feindlichen Kriegsführung —, während er,
Wilhelm, dafür bekannt sei, solcherlei Übergriffe streng zu verbieten und
auftretende Einzelfälle ggf. zu ahnden. An Wahl als einen „redtlich
en vffrichtig
en Teutsch
en vnd ehrliebend
en
Cavallier“ ergeht die Bitte, derartige Kriegsgreuel wenigstens in seinem
Kommandobereich zu verhüten. (Kassel, 6. 4. 1637; 29r, 28r). In einem
Schreiben d. d. Liebenau, 13. 5. 1637 an einen ungenannten Vertrauten
offenbar aus der Umgebung des Landgrafen unterbreitet Wahl weitgehende
Vorschläge zum Interessenausgleich in der Versorgung der feindlichen Armeen
im Hessischen bzw. im Stift Paderborn. „Auff dieße Weiße könten die armen
vnderthanen bey hauß bleiben, vnndt Jhrer feldtarbeitt abwartten“;
andernfalls müßten die Länder notwendig zugrunde gehen. „Jch meine es gutt,
Es müßen aber auch die Lippstattische [die hess. Garnison in Lippstadt] daß
Stifft Paderborn mitt frieden laßen“. Im PS heißt es bestürzt zu den
Schandtaten der verbündeten Kroaten Gf. Johann Ludwig Hektor Isolanis:
„[...] Jch habe mitt schmertzen verstanden, daß Grebenstein [nördlich von
Kassel in Niederhessen] soll abgebrandt sein, hetten Sie meiner trewen
erinnerung gefolgt, were solches nicht beschehen, die
Croaten die teuffell
habens angezündt, es ist wohl zu erbarmen, vnndt wehre nicht wunder der
donner erschlüge vnnß alle.“ (58rv) Auch sonst hat Wahl „ohne ruhm zu
melden“ für sich in Anspruch genommen, das Land Hessen-Kassel seinen eigenen
Kräften und Möglichkeiten nach geschont zu haben (Hamm, 12. 6. 1637; Bl.
61r) und „ein erlicher Man“ zu sein: „Jch [...] gehe vielmehr gerade durch,
alß daß ich viel ausflüchte suche“, und werde „allezeit wie ein Soldat
handelen, als hoffendtlich bis dato geschehen.“ (Recklinghausen, 13. 7.
1637; Bl. 85r). Zu den fruchtbringerischen Stichworten des „alten teutschen
Vertrauens“, der Redlich- und Einigkeit vgl.
Herz/
Ball, 134f.; zum guten Verhältnis zwischen Wahl und den Anhaltinern
i. J. 1642 s.
KL II, 284f.
Reichsfrh. (Reichsgf.) Jan (Johann) v. Werth (1590/91–1652), 1637
Befehlshaber der kurbayerischen Kavallerie. Während 1636 die Hauptmacht der
kurbayer. Armee unter Feldmarschall Gf. Johann v. Götz (†1645;
Findeisen, 450 u. 480;
Frank
II, 103;
Documenta Bohemica VI, Nr. 383, 404, 481 u.
ö.) im nordwestlichen Deutschland operierte, um am Mittelrhein, in Hessen
und Westfalen etliche feindliche, auch hessen-kasselsche, Garnisonen zu
erobern, beteiligte sich eine zweite Heeresabteilung unter Werth am Feldzug
der ksl.-spanischen Armee in der Picardie (vgl. 360703). 1637 blieb das
bayerische Kontingent unter Werth am Ober- und Mittelrhein (vgl. 370722 K
10), während die Hauptmasse der Streitkräfte unter Götz den Feldzug der
Kaiserlichen in Sachsen, das von der in der Schlacht bei Wittstock im
Oktober 1636 siegreichen schwedischen Armee Johan Banérs (FG 222) bedroht
wurde, unterstützte. Ein drittes bayerisches Korps unter Generallt. Wahl (s.
Anm. 4) hatte den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis zu sichern. Zur Zeit
der Abfassung des vorliegenden Briefes belagerte Werth die französisch
besetzte kurtrierische Festung Ehrenbreitstein (Hermannstein) bei Koblenz,
deren Garnison sich ausgehungert am 26. Juni ergab. Zwischendurch, im Mai
1637, war er auf Ersuchen des ksl. Generals Gf. Gottfried Huyn van Geleen
(†1657; aus Brabanter Grafengeschlecht, 1645–1647 bayer. Feldmarschall; s.
Kapser [Anm. 4], 44, 94f. u. ö.) ins Hessische geeilt, um zu helfen, den
geächteten Landgrafen Wilhelm V. „aus seinem Lande zu treiben“ (Lahrkamp
[1968, s. u.], 102; vgl. ders. [1962, s. u.], 75). Werth strebte nun Wahls
Hauptquartier in Obermarsberg (Stadtberge, s. Anm. 7) zu, erfuhr aber Anfang
Mai kurz vor Kassel, daß der Landgraf im letzten Moment sein Land aufgegeben
und in Eilmärschen zur Weser entwichen war. Werth kehrte daraufhin an den
Kriegsschauplatz
Rhein/Mosel zurück. Danach wieder im Südwesten des Reichs
eingreifend, sollte Werth am 3. 3. 1638 von Truppen Hz. Bernhards v.
Sachsen-Weimar (FG 30) bei Rheinfelden (nahe Basel) gefangen genommen, nach
Frankreich geführt und erst 1642 im Austausch gegen den schwedischen
Feldmarschall Gustav Horn freigelassen werden.
Findeisen, 444ff.; Kapser (s. Anm. 4), 29ff., 44, 90ff., 169ff.,
182; Helmut Lahrkamp: Jan von Werth. Sein Leben nach archivalischen
Quellenzeugnissen. Köln 1962
, 66ff.; ders.: Jan von
Werth (1591–1652). In: Rheinische Lebensbilder III (1968), 97–115; Willi-D.
Osterbrauck: Johann Reichsfreiherr von Werth. Chronik eines umstrittenen
Volkshelden 1591–1652. Köln 1992, 48ff. Vgl. 360703 K 17.
Arnsberg an der Ruhr, kurköln. Städtchen und Schloß. S.
Lexikon Geographie, 67 (s. v. „Arensberg“).
Marsberg, Stadt im Ebst. Köln (heute Hochsauerlandkreis), bestehend aus den
früher getrennten Städten Niedermarsberg — das alte „Horhusen“, eine ältere
Handelssiedlung direkt am Fluß Diemel, 1632 von den Hessen unter dem
Obersten Jacob Mercier („der kleine Jakob“) niedergebrannt — und
Obermarsberg (Stadtberge), auf steilem Bergplateau (Eresberg) gelegen, einer
Festung mit ksl. Besatzung, 1632 und 1633 von hessischen und im Juli 1636
(im Anschluß an den Entsatz von Hanau, s. 370422 K 1 u. 360703) von
schwedisch-hessischen Truppen unter Alexander Leslie (vgl. 370722 K 4)
erfolglos belagert und erst 1646 von den Schweden unter Greve Carl Gustav
Wrangel af Salmis (FG 523. 1649. Vgl. 370805) eingenommen. Spätestens seit
1632 und besonders nach 1634, als die Oberstadt fast als einzige Festung
Westfalens noch in ksl. Hand verblieben war, gingen von Marsberg zahllose
räuberische Streifzüge in die benachbarten Grenzgebiete Hessens und Waldecks
aus: die Kaiserlichen in Stadtberge „durchstreifften das Land hin und
wieder“ und rächten sich für Leslies Belagerung, so
Chemnitz III, 13. Im Mai 1637 war Obermarsberg kurzzeitig
Hauptquartier des kurbayerischen Generals Gf. Joachim Christian v. (der)
Wahl (s. Anm. 4). In Briefen an denselben vom 6. und 30. 4. 1637 beschwerte
sich Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel über die Durchzüge von Truppen des
Kaisers und des Reichs: Dadurch hätten seine Untertanen „viellfälltig
erfahren mueßen, daß nicht nuhr wenige heuser, Sondern gantze Stedte,
flecken vnd dörffer Ja auch verschiedene adeliche heusser im Lande in die
Asche gelegt vnd abgebrand word
en, Sondern mueß
en deß
en noch thäglich so
wohl von den vff d
er grenzen liggend
en Croat
en, wellche dann noch
vor wenig
er Zeit vnß wiederumb ezliche schöhne
dörffer in vnser Graffschafft Ziegenhain eingeeschert, allß auch denen im
Stifft Cölln vnd Paderborn vnter Seinem [Wahls] commando sich befindend
en völckern vnd Jnsonderheit den Stadtbergisch
en Schnaphahnen Jnmaßen vnß noch vor wenigen thagen
ahn verschiedenen Orthen, da Sie vnderschiedtliche gebew ahngestecket vnd
abgebrand begegnet“, erdulden. Wer auch immer „vff dem Stadtberge“
stationiert sei, „können wihr eben nicht allemahl wiß
en, aber dieses können wihr wohl mit warheit sagen, daß es
Jederzeit ein Raubnest [...], da sich nuhr die Schnaphahnen vffgehallten,
gewesen“. STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 29r u. 49r. Vgl. Lahrkamp (1962; s.
Anm. 5), 75. Vgl. ferner
Merian: Topographia
(Westphaliæ 1647), 62f. („Marsberg, jetzund Stattberge genannt”);
Lexikon Geographie, 1099; Georg Dehio: Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler. Bd. 4.2: Westfalen. O. O. 1969, 404 u. 418ff.;
Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. 45. Bd.: Kreis Brilon. Bearb. Paul
Michels. Münster i. W. 1952, 326ff. u. 345ff.; Franz v. Geyso (s. Anm. 4),
II, 129, 144; III, 90f.; Johannes Siebers: Marsberg zur Zeit des
Dreißigjährigen Krieges. Hildesheim 1911 (Beiträge für die Geschichte
Niedersachsens und Westfalens, 6. Bd., H. 32), 62ff.
Warburg a. d. Diemel, Burg und Stadt im Bst. Paderborn „an der Heßischen
Grentze“.
Lexikon Geographie, 1200; vgl.
Merian: Topographia (Westphaliæ 1647), 69f. 1632
abwechselnd in der Hand Lgf. Wilhelms V. v. Hessen-Kassel und des
ligistischen Feldmarschalls Gf. Pappenheim, kam die Stadt 1633 erneut an die
Hessen, fiel jedoch Anfang August 1636 zurück an Reichstruppen (s. Gf. Götz,
Anm. 4 u. 5). Im Dezember
1636 schon wieder vertrieben, gelang es Götz im
Mai 1637, einen Teil der Stadt wieder zu besetzen. Er wurde zwar zum Rückzug
gezwungen, konnte allerdings die von den Hessen geräumte Stadt um die Mitte
des Jahres 1637 erneut einnehmen. Von 1641 bis 1648 vermochten dann die
Hessen die Stadt zu halten. Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler in Westfalen. 44.
Bd.: Kreis Warburg. Münster i. W. 1939, 18, 377ff.; Georg Dehio: Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler, Bd. 4.2: Westfalen. O. O. 1969, 573ff.; Adolf
Gottlob: Geschichte der Stadt Warburg. (Schluß). In: Westfälische
Zeitschrift 92 (1936), H. 2, 1–39, hier 28ff.; Franz v. Geyso (s. Anm. 4),
III, 110. — Ein Oberstleutnant Georg „Bose“ oder „Bosse“ begegnet uns 1637
als Kommandant Bielefelds (Gft. Ravensberg). Als solcher hatte er dort Gf.
Otto V. v. Holstein-Schaumburg (FG 198) wegen rückständiger Kontributionen
Mitte März 1637 in Arrest genommen. Gegen diesen unerhörten Vorgang legte u.
a. auch F. Ludwig scharfen Protest ein. (Vgl. seinen Brief vom 15. 4. 1637
an Gf. Götz [s. o.] in NSTA Bückeburg: Fl. Hausarchiv F 3 Nr. 345; vgl. auch
die Akte Fl. Hausarchiv F 3 Nr. 334). Bose räumte die Stadt ohne
nennenswerten Widerstand am 18. 6. 1637 den hessisch-schwedischen Truppen
per Akkord ein, wurde aber von den Schweden in Minden gefangen gesetzt und
bat Lgf. Wilhelm V. am 16./ 26. 8. 1637 um Vermittlung und Freilassung (STA
Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 109r–110v, vgl. 85r, 91r, 101r); vgl.
Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 389). Er ist nicht zu
verwechseln mit Carl (v.) Bose (FG 264), der 1631 als Obristleutenant in die
kursächsische Armee eingetreten und im Sommer 1635, als sein Regiment im
Anhaltischen einquartiert war, in die FG aufgenommen worden war. Als
kursächsischer Oberst hatte er im Februar 1636 vergeblich versucht, das
schwedisch besetzte Bernburg und Calbe einzunehmen. Im August 1637 trieb er
eine hessische Abteilung, die nach Erfurt marschierte, in der Nähe Eisenachs
auseinander. Für die Warburger Episode kommt auch Boses Bruder nicht in
Frage, der als kursächsischer Rittmeister bezeugt ist und im Mai 1636 von
schwedischen Truppen „niedergemacht“ wurde (
AOSB SA
VI, 324 ohne Nennung des Vornamens). Vgl.
AOSB SA
VI, 297;
ConermannIII, 292ff.;
Documenta
Bohemica VI, Nr. 498;
KU III, 373, 375, 384,
399, 553, 567 u. ö.;
Theatrum europaeum, Tl. 3
(1644), 805; Carl Emil von Bose: Die Familie von Bose. Beiträge zu einer
Familiengeschichte. Dresden 1904, 67ff.; Carl von Bose: Zur Geschichte der
Familie von Bose und ihres Stammsitzes in Frankleben. In: Burgen, Schlösser,
Gutshäuser in Sachsen-Anhalt. Hg. Bruno J. Sobotka. Stuttgart 1994, 107–110,
108; Franz v. Geyso (s. Anm. 4), III, 129; Georg Irmer: Hans Georg von
Arnim. Lebensbild eines protestantischen Feldherrn und Staatsmannes aus der
Zeit des dreißigjährigen Krieges. Leipzig 1894, 287. Vgl. ferner Johannes
Sagel: Warburg im dreißigjährigen Kriege. Hildesheim 1908 (Beiträge f. die
Geschichte Niedersachsens und Westfalens, 3. Bd., H. 13), insbes. 65ff.;
Heinrich Schoppmeyer: Warburg in Mittelalter und Neuzeit. In: Die Stadt
Warburg 1036 – 1986. Beiträge zur Geschichte einer Stadt. Hg. i. A. der
Stadt Warburg v. Franz Mürmann. 2 Bde. Warburg 1986, I, 199–296, hier
270ff.
Peckelsheim, nördlich Warburgs, „kleine Westphälische Stadt im Bischoffthum
Paderborn, nahe an der Heßischen Grentze“.
Lexikon
Geographie, 969 (s. v. „Pickelsheim“); vgl.
Merian: Topographia (Westphaliæ 1647), 69.
Nach dem julianischen Kalender fiel im Jahr 1637 dieser Mittwoch auf den 19.
April. Vgl. Anm. 12.
Im Frühjahr 1637 gingen Reich und Kaiser zu einer Großoffensive gegen die
Schweden vor. Die Feldmarschälle Reichsgf. Melchior Hatzfeld v. Gleichen
(1593–1658, s.
Findeisen, 457;
Frank II, 170;
Kneschke IV, 235ff.) und Gf.
Johann v. Götz (s. Anm. 5), durch den ksl. General Gf. Gottfried Huyn van
Geleen (s. ebd.) verstärkt, rückten wieder nach Osten; die kurbayerischen
Verbände Gf. Joachim Christians v. (der) Wahl (s. Anm. 4) setzten sich vom
Stift Paderborn aus in Bewegung. Vermehrte darmstädtische Truppen rückten
ebenfalls heran, und Jan v. Werth (s. Anm. 5) stieß mit schweren und
leichten Reitern aus Süden vor. Der selbst bedrängte schwedische
Feld-
marschall Johan Banér konnte immerhin noch ein Reiterkorps unter seinem
Generalleutnant James King (FG 224; vgl. 370722 K 14) zu Lgf. Wilhelm
detachieren; am 11. 4.
1637 vereinigten sich Kings
Schweden mit den hessischen Verbänden nördlich von Kassel an der Werra (in
Witzenhausen?); der hessische Oberst Johann (v.) Geyso (s. 370422 K 5) war
King vorab entgegengesandt worden. Am 19. 4. brachen die vereinten
Streitkräfte unter Wilhelm und King aus Kassel auf, „2500. zu Roß/ und 4000.
zu Fuß [...]/ denen der Feind nicht gewachsen war“, der sich daher ins Stift
Fulda zurückzog.
Pufendorf: Kriegs-Geschichte I,
389. Über Witzenhausen (s. o. den korrigierten Empfangsvermerk)
marschierend, wurden die ksl. Garnisonen in Allendorf und Eschwege
ausgehoben. Vgl. Lgf. Wilhelms Brief, d. d. Hauptquartier Allendorf, 25. 4.
1637 (STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 43v). Aufgrund der ksl. Verstärkungen
durch Gf. Wilhelm v. Lamboy (†1659) und dem aus Westfalen anrückenden Wahl
(s. Anm. 4), beschloß der hessisch-schwedische Kriegsstaat nach Nordwesten
zu gehen, um sich mit dem hessischen Generalleutnant Holzappel gen. Melander
und dem schwedischen Generalmajor Patrick Ruthwen zu vereinigen. „Mit
solchen Anschlägen brachen sie [am 27. 4. 1637] von Allendorff auff/ gingen
bey Caßel über die Schiffbrücke/ und kamen nach Rinteln.“
Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 389. Vgl. 370422 K 1. Vergeblich
wurde der im Emsland untätig verharrende hessische Generalleutnant Melander
aufgefordert, mit seinen Truppen nach Minden zu ziehen; möglicherweise
beziehen sich die im Brief erwähnten Gerüchte um durch das Stift Paderborn
heranrückende hessische Truppen auf den erwarteten Vorstoß Melanders von
Westen her (F. v. Geyso [s. Anm. 4] III, 125). In einer langen
Absetzbewegung mit gelegentlichen militärischen Erfolgen zogen sich Lgf.
Wilhelm und sein Kriegsstaat vor der massiven Übermacht der Kriegsgegner
immer weiter nach Nordwesten zurück, bis es im September 1637 gelang, die
hessischen Truppen in Ostfriesland in Sicherheit zu bringen. Vgl. 370422 K
1.
Im „Vortrab“ seiner
HISTORIA METEOROLOGICA (1651)
gab Lgf. Hermann an, das 5. Kapitel werde „Von den erscheinenden
meteoren,
welche von
Aristotele Gesichte genennet werden“ (Bl. c i r – d iii v)
handeln. Vgl. Anm. 1. Zur allg. Bedeutung von „meteor“ als Lufterscheinung
s. die Erklärung in 370422 K 2. Das Licht, so heißt es da, stelle diese
,Meteoren´ in den Wolken vor, da es diese nicht durchdringen könne. Es
handele sich dabei also nicht um Körper, sondern um Licht- und
Farberscheinungen „in den Wolcken“. Zu diesen ,Meteoren´ gehöre der
Regenbogen (Iris), „so natürlicher weise anders nicht alß bey Regenwetter
erscheinen kan. Die materi des Regenbogens ist nichts anders als eine hole/
dünne vnd trieffende Wolcke/ in welche die Sonn schräg vnter einer andern
dicken schattichten Wolcken herscheinet/ vnd gleich wie in einer
Dachtrauffen/ oder auch in einem Wasserglase/ dabey auff einer seiten
schatten mancherley Farben verursacht/ vnd stehet der gemeine natürliche
Regenbogen allezeit gerad gegen der Sonnen vber/ vnd seynd Mittags kleiner
als nicht Morgens oder Abends/ auß der vrsachen/ weil Abends vnd Morgens der
Sonnenstralen flecher
[sic] vber den Erdboden
herstreichen/ vnd daher den wiederschein so wol alß den schatten grösser
machen“ (Bl. c i v). Aus demselben Grund seien Regenbogen auch in Frühling,
Herbst und Winter häufiger zu beobachten als im Sommer (c ii r). „Die
verschiedene Farben aber des Regenbogens belangt/ seynd dieselbe nicht
Elementarische qualiteten [...]/ sondern sie entstehen auß den mancherley
schatten der Wolcken/ auch nach gelegenheit vnd dicke der Tropffen im Regen/
gleich [...] auch an den Enten/ Tauben vnd Pfawen zusehen/ da wegen
vngleichheit der Feddern/ sie manche wiederscheinige Farbe von der Sonne
oder TageLiecht bekommen.“ (c ii r). — Nachdem in Lgf. Hermanns Werk unter
den „erscheinenden
meteoren“ auch der „
Halo oder der Kreiß vmb die
Son̄e/ Mond oder einen sternen“, gewöhnlich „Hoff
oder Krone“ genannt, erwähnt wurde (c ii r), kam der Autor auf Sonnenbilder
wie die zu sprechen, welche am 19. April 1637 beobachtet worden waren: „Noch
eine andere vnd seltzamere Art der erscheinungen aber siehet man zuweilen/
die man
Parelios oder
Paraselenes, das seynd Sonnen oder Mondsbilder/ oder
falsche Son-
nen vnd Monden nennet/ vnd deren siehet man manchmahl 1. 2. 4.
vff einmahl/ vnd dann auch Circul vnd Regenbogen vmb dieselben haben/ vnd
dieses seynd offt vbernatürliche Wunderzeichen/ offt aber auch kan es auß
Natürlicher zufälliger weise geschehen/ wann nemblich vors erste die Wolcke
dicke ist/ daß der Sonnenstralen nicht gantz hindurch sehen können/ (dann
bey hellem reinen Himmel oder Lufft kan es natürlicher weise nicht
geschehen) daher behelt die Wolcke das Bild der Sonnen in sich. Zum andern/
daß die Wolcke gantz gleich vnd platt ist/ vnd daher eine gleichmässige
gestalt von sich geben könne/ dann krumme oder höckerichte
corpora können
keine gewisse oder eigentliche gestalt von sich geben. Zum dritten/ wann es
gar still dabey ist/ dann wann die Wolcke nicht still vnd vnbeweglich sein
wird/ so wird sie keine gewisse gestalt von sich geben/ wie ein fliessend
Wasser weniger
repræsentiren kan/ alß ein stillstehends. Vierdtens muß die
Wolcke wässericht seyn/ dann in dem Wasser der Sonnenschein sich am
leichsten fasset vnd abbildet. Endlich so müssen solche Wolcken darinne sich
die Sonne abbilden sol/ seitwarts von der Sonnen stehen/ dann stünden sie
dem Gesichte nach/ recht vor oder vnter oder nechst bey der Sonnen/ so wird
entweder die Wolcke der Sonnenglantz verdunckeln/ oder der sonnenglantz wird
die Wolcke vor deinem Gesichte zertheilen/ kan also ein Gesicht nicht
erscheinen/ wann die Wolcken allzunahe oder allzufern vmb die Sonne oder Mon
seyn/ dann wann sie zu nahe/ so seynd der sonnenstralen zu solcher abbildung
zu starck/ seynd die Wolcken aber zu fern/ so seynd der sonnenstralen zu
schwach darinnen wiederzuschlagen/ stehen sie aber in recht gehöriger oder
bequemer
distantz vnserm Gesicht nach vor vnd vmb der sonnen Cörper/ so
erscheinet das sonnenbild in der Wolcken so klar vnd eigentlich alß wie man
dasselbe sonst auch in einem spiegel oder stehenden Wasser sehen kan. Daß
aber solcher Sonnen- oder Mondsbilder zuweilen vnd mehrentheils zwey auch
wol vier gesehen werden/ welches der gemeine Mann/ zwey/ drey oder fünff
Sonnen zu nennen pflegt/ (dann die rechte sonne stehet allezeit in der
mitten) geschicht alleintzig nach gelegenheit des dazu geschickten Gewölck/
daß dieselbe entweder die sonnen rings vmbgeben/ oder vff einer oder beyden
seiten derselben stehen.“ (Bl. c ii vf.). Diese Himmelserscheinung sei, wenn
geeignete Wolken und Sonnenstände vorhanden seien, also entweder natürlichen
Ursprungs und könne wie gezeigt natürlich erklärt und beschrieben werden,
andernfalls aber „wil vns Gott durch solche Wundergeschöpff seine Allmacht
zeigen/ vnd wie er es vff Erden wunderbarlich machen könne vnd wolle/ wann
man sich nicht bessern vnd bekehren wil.“ (c iii rf.). Wegen einer solchen
Ambivalenz konnte Lgf. Hermann eifrig betonen, am 19. 4. seien die
natürlichen Ursachen gegeben gewesen, während sich Lgf. Wilhelm in 370422
zur Erforschung des göttlichen Ratschlusses nach der genauen Gestalt des
Regenbogens zu erkundigen getrieben sah. — An anderer Stelle bestätigt Lgf.
Hermann die Himmelserscheinung des 19. 4. 1637. Schon die
Teutsche ASTROLOGIA (1637, s. Beilage I Q) Lgf. Hermanns hatte im
8. Kapitel Wetterbeobachtungen vom Jahre 1509 bis zum Dezember 1636
zusammengetragen. Er führte sie in seiner 1651 erschienenen
HISTORIA METEOROLOGICA. Das ist: Vier vnd zwantzig Jährige
eigentliche vnd trewfleissige Observation vnd tägliche verzeichnüß des
Gewitters/ vom 1. Januarii 1623 an/ biß zum letzten Decembris 1646
(s. Anm. 1) fort. Im ersten Teil dieses Werkes, dem Wetterkalendarium,
erfahren wir zum 19. 4. 1637: „schön warm/ vormittag 3 ☉ cum iride/ ab. [abends] donner/ n. [nachts] regen“. Die
dazugehörige Planetenkonstellation erklärt in astronomisch-astrologischen
Zeichen: „Δ ♄ ♂“[
Triangelschein Saturn Mars] den
vorherrschenden „aspect“ (vgl. Anm. 14). Und noch einmal „den 19. bey dem
defl
uxui ♂ à
♄ Δ ♃
schön heiß vormittag 3☉ mit einem regenbogen/ abends donner vnd regen“. (S. 350f.) Der
zweite Teil der
HISTORIA METEOROLOGICA versammelt 41
Regeln über die meteorologischen Wirkungen bestimmter Gestirnkonstellationen
und exemplifiziert sie. Die Regel 8 lautet: „Von den Aspecten ♄ ♂“: „DIese [beiden Planeten Saturn und
Mars] seind gleichsamb die [einander] allerwiederwertigsten von wegen
vbermässiger kälte vnnd hitze/ dahero es selten darbey nach gelegenheit der
Jahrszeit ohne vnruhe in
der lufft zu bleiben pflegt/ sondern erfolgen gern
sturmwinde/ schnee/ hagel/ vnnd sommerszeit schwehre donnerwetter darauß“
(S. 128). Diese Regel bestätigte sich u. a. am 19. 4. 1637: „Δ ♄ ♂“; drei Sonnen
mit Regenbogen. Diese Erscheinung sei „vornemblich dem
defluxui ♂
zuzuschreiben gewesen“. (S. 139f.) Auch bei der Regel 20 seien das Wetter
und die besagte Himmelserscheinung am 19. 4. 1637 dieser Regel „nicht
entgegen“ gewesen. (S. 312). Hiermit sieht Lgf. Hermann die natürliche
Erklärung des Wetterphänomens am 19. 4. 1637 für gegeben an. Erst wenn eine
solche natürliche Erklärung nicht zu greifen vermag, etwa wenn mehrere
Sonnenbilder oder ein Regenbogen an einem wolkenlosen Himmel erscheinen oder
das Wetter allen aus der Natur geschöpften Wetterregeln zuwiderläuft, muß
von direktem göttlichen Einwirken als Ursache ausgegangen werden.
Vgl. die Zeichnung, s. Abb. S. 114.
Aspekte heißen in der Astrologie und Astronomie die Konstellation der
Gestirne, genauer die Position (Winkel) der Planeten und des Mondes im
Verhältnis zur Sonne, von der Erde aus gesehen. Vgl. Lexikon der Astrologie.
Bearb. v. Udo Becker. Freiburg u. a. 1981, 23f.; Jacqueline Mitton: A
concise dictionary of Astronomy. Oxford u. a. 1991, 29. Lgf. Hermann sieht
in seiner
Teutschen ASTROLOGIA (1637; s. Beil. I Q)
das Wetter „nach Gottes willen“ einerseits durch die Gestirne bedingt,
andererseits „von den Dünsten der Erde“ (S. 23). Es ist also nötig, „daß man
am allerersten die Sterne ins gemein wisse vnd erkenne/ dieselbe auch auß
jhrem Schein/ Liecht vnd Lauff/ einen vor dem andern vnterscheiden könne.
Zum andern/ in was vor
positur, oder räumlicher
figur oder Gestalt sie
gegeneinander stehen/ welche
figuren aspecten, oder Anblicke genennet
werden/ vnd auff diesen beyden Füssen stehet die
Astrologia, in beyden
Sorten [d. h. der „Astrologia meteorologica“ und der „Astrologia
genethliaca“, s. Beil. I]/ nemlich auff dem Schein vnd Liecht der Sternen/
darauß jhre Natur/ Krafft vnd Wirckung ergründet wird/ Dann vnd vors ander/
auff den
aspecten, dazu dann nunmehr (welches bey den Alten nicht wohl
fleissig auffgezeichnet/ oder in acht genommen worden/) kommen die dünste
der Erden/ welche vrsprünglich von der Sonnen vnd jhren Stralen/ nicht
weniger von dem Mond vnd Sternen/ auffgezogen werden/ welche/ wenn sie im
obersten theil der Lufft/ zu jhrer
maturitet oder Zeitigung gereichen/ von
dem gestirn vnd Planeten/ so alsdann zusammen
configurirt seyn/ nach jhren
Naturen vnd Eigenschafften herunter getrieben werden/ vnd sich in diese oder
jene Witterung veranlassen.“ Gott bleibe aber in allem und so auch im Wetter
„die erste Hauptvrsache oder Schöpffer“, der die Gestirne nach seinem
Willen, „zuweilen vns zur straff“, lenkt und das Wetter regiert (S. 24f.).
Indessen können und sollen wir die Natur erforschen und in ihr Gott
erkennen. Das zeigen schon die einfältigen, aber vielfach bestätigten
„Bawrenregulen“ (S. 26). Unter „Aspecten“ versteht Hermann also auch in
seiner Meteorologie die (Ansicht der) Stellung der Planeten zueinander.
Konstellationen wie „Zusammenfügung“ „Gegenschein“, „Triangelschein“,
„Viertheilschein“ usw. (a. a. O., S. 34) sind mitbestimmend für das Wetter,
welches im übrigen in Kenntnis astronomischer Zusammenhänge natürlich
erklärt werden kann, wie es Lgf. Hermann in seinen meteorologischen
Kalendarien unternimmt (s. Anm. 12). „Von den
Aspecten“ handelt noch einmal
eigens das 6. Kapitel der
Teutschen ASTROLOGIA (S.
73–76): Man habe seit alters erkannt, wenn „2. Planeten Cörperlich/ oder in
einem grad/ das ist zu nechst zusammen kommen/ daß solches/ nach art
derselben Planeten/ ein grosse Wirckung vnd Verenderung in der Lufft
bracht.“ Dasselbe gilt für den in Graden zu messenden Stand der Planeten und
ihrer Strahlen, zu einander und im Verhältnis zur Erde (S. 73ff.). Vgl. zur
Terminologie (Aspekt, Konjunktion, Opposition, Sextilschein usw.) auch:
Lexikon der Astronomie. Die große Weltraumforschung in 2 Bdn. 1. Bd.,
Freiburg, Basel, Wien 1989, 48 („Aspekt“).
Der Vorbehalt übernatürlicher Einwirkungen in natürlichen Vorgängen war
verbreitet. Er beruhte auf der scholastischen Unterscheidung von causa prima
und secunda, folgte in Hermanns Fall aber wohl nicht mehr einer Auslegung
des scholastischen
Axioms „Causa secunda agit in virtute causae primae”, die
der causa secunda neben der göttlichen causa prima keine wahre, sondern nur
okkasionelle Kausalität zubilligt. Ob er Gott, einmal von der damals
unbestreitbaren schöpferischen und seinserhaltenden Ursächlichkeit
abgesehen, im scholastischen Sinne Mithilfe (concursus) in den Zweitursachen
zusprechen wollte, läßt sich kaum entscheiden oder vermuten, da er nur von
einem Hinzutreten der göttlichen Äußerung zu der natürlichen Wirkung
spricht. R. Specht in
: HWPh I, 975f. Dagegen
notierte der reformierte F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51),
nachdem ihm das schreckliche Ausmaß eines Erdbebens in Kalabrien geschildert
worden war: „Ob auch Zwar
causæ secundae & Physicæ mitt
incurriren, so
agirt doch in solchen schweren strafen,
causa prima vornehmlich, deßen handt
die armen Sündthafte Menschen erkennen müßen.“
Christian:
Tageb. XIV, 597v (Eintrag vom 21. 5. 1638).
K I
1 Das auch in den Buchtiteln (K 1 u. Beil. I Q) vorkommende „Gewitter“ meint
im Sprachgebrauch Lgf. Hermanns noch allgemein Wetter, Witterung und
bedeutet noch nicht Unwetter mit elektrischer Entladung der Atmosphäre. Vgl.
Teutsche ASTROLOGIA, S. 20;
DW IV.I.3, 6376ff. — Zum Nutzen der Wettererklärung und -voraussage
vgl. auch K 14.