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370421 Landgraf Hermann IV. von Hessen-Rotenburg an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel
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Landgraf Hermann IV. von Hessen-Rotenburg an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel


Beantwortet durch 370422. — Der Bote Lgf. Hermanns IV. v. Hessen-Rotenburg (FG 374. 1642) ist mit Nachrichten zurückgekehrt: Gf. Joachim Christian v. (der) Wahl (FG 109) soll mit seinen Truppen nach dem Sauerland gezogen sein, um sich dort mit weiteren Kontingenten des Feindes zu vereinigen. Jedoch höre man nichts von Jan (Johann) v. Werth, und auch an den Grenzen sei es zur Zeit ruhig. Streifpartien ließen sich ebenfalls nicht blicken; nur die Garnison (Reichstruppen) in Obermarsberg (Stadtberge) habe die Anwesenheit (Georg) Boses in Warburg genutzt, um räuberisch Beute zu machen. Schwedische und hessische Truppen sollen durch das Bst. Paderborn heranziehen; ihre Avantgarde soll Peckelsheim bereits erreicht haben. Lgf. Hermann erwartet genauere Informationen und verspricht Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65), ihn weiterhin mit Nachrichten zu versorgen. — Er, Hermann, habe mitzuteilen vergessen, daß am vergangenen Mittwoch (19. 4. 1637) beim Abzug hessischer Truppen aus Kassel über die Fulda-Schiffbrücke von glaubwürdigen Augenzeugen ein Regenbogen mit drei Sonnen gesehen wurde. Eine Illustration liege bei. Diese von ihm zum Schluß mitbeobachtete Himmelserscheinung lasse sich zwar natürlich erklären, jedoch seien Phänomene dieser Art oft auch ein Zeichen Gottes. Er teile dies zur Mahnung und Warnung mit, doch halte er die Erscheinung nicht für ein böses Omen. Ein jeder tue seine Pflicht und rufe Gott an, dann könne die Lage besser werden als man vermeine. — Lgf. Wilhelm, der bei seinem Abzug sicher eine Klage über Mißstände in der Belieferung mit Holz und Wildpret erhalten habe, möge umgehend gegen Forstbeamte einschreiten. Andernfalls müsse man wegen Holzmangels auf die Möbel zurückgreifen.

Beschreibung der Quelle


Q STA Marburg: 4a 46 Nr. 19, Bl. 41r–42v [A u. Eingangsvermerk: 42v], 41v und 42r leer; eigenh.; mit beiliegender Zeichnung der im Brief behandelten Himmelserscheinung (s. Abb. S. 114.); Sig.

Anschrift


A Dem Hochgebornen Fursten, Herrn Wilhelmen Landtgrafen zue Hesßen, Grafen zu Catzenelnbogen, Diez, Ziegenhan vndt Niedda etc. Vnserm freundtlich geliebten Herren Bruedern vndt Geuattern.
Darunter der Eingangsvermerk von unbekannter H.: pst. Witzenhausena den 22. Aprilis 1637. (Die unterstrichene Jahreszahl berichtigt die ursprünglich falsche Angabe im Brief.)
Darüber Vermerk wohl von derselben H.: H. Landtgrave Hermans fg.

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Hochgeborner Fürst, freundlicher vielgeliebter hochgeehrter h. brueder vndt gevatter, El. verhalte ich1 zur nachricht nicht, daß mein abgefertigter wieder zu rück brachte ohne sich2 nuhr, daß eine starcke rucht3 gangen, ob solte Wahl4 mitt etzlichen troupes nach dem Sauerlandt gangen sein, sich mitt mehren, deß orts zu conjungiren. eß wehre aber gantz still jetzo, vndt vernehme mann von Jean de Werth5 noch zur zeit weniger alß nichts, vndt dafern ja Wahl sich vmb Arenßberg6 oder des endts halten solte, müßt wenig auf sich haben, sintemahln anitzo gantz keine partheyen auf der grentze sich mercken lißen, außer denen bösen nachbarn vom Stattberg7 , welche bey der occasion da Bose in warberg8 gewest einen guten streif gethan, vndt viel beut vndt viehe geraubet, diea sage gehe auch starck, daß mehr Schwedische vndt heßische troupen durch das stifft Padeborn im anzuge sein vndt die Vortruppen Jn Pickelsheim9 ankommen sein
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sollen. Jch erwarte aber innerhalb weniger zeitt mehrere nachricht, welche El. durch dero Kriegsraht so baldt zugefertigt werden soll,
   Jch hatts vergeßen El. zu sagen, daß am vergangenen Mittwochen10 in deme die völcker theils vber die schiffbrücke marchirt,11 3 Sonnen mitt einem schönen Regenbogen am himmel gestanden,12 ohngefehr wie dise figur13 außweiset, vndt von beglaubten leuten gesehen worden, maßen ich noch fast das endt etzlicher maßen zusehen bekommen, Ob eß nun zwar gar gemeine vndt recht natürliche sachen sein, welche auch nuhr allein mitt dem damahligen wetter vndt zugleich auch mitt den aspecten14 so viel die natur vermag, wohl correspondiren vndt vernunftlich gewesen, so zeigt vns doch Gott durch solche gemeine dinge offt viel.15 Zur nachricht vndt zur warnung, Die exempel sint mannichfalt vnd vnterschiedtlich, doch halte ichs vor kein böß omen, vnterdeß thut ein jeder das seine vndt rufe Gott ferner ahn eß kan beßer werden alß wir nuhr meinen, bitte El. diese schlechte dinge nicht vor vbel nehmen wollen, sondern verbleibe nechst Göttlicher entpfehlung etc.

  El. treuer bruder vndt diener
  Herman Lzheßen
  Caßell den 21ten Aprilis 1637b .

PS.

Demnach zweifels ohn bey El abzug derselben eine kleine plainte vber die forstbeampten, sonderlich der beholtzung alß deß wilprets wegen vorkommen sein wirdt, vndt aber sonderlich des holtzes wegen summum periculum in mora, dan wir nuhr die mobilia angreifen müßen, vndt sie die forstbeampten, so es zur sprach kommen soll mitt nichts zu entschuldigen haben, alß gelangt ahn El. mein dienstfreundliche bitt, bey diesem express, gewichtige erklehrung vndt ernsten befehl diese beiden Posten halben zu ertheilen. ut supra

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Landgraf Hermann über den Nutzen einer deutschen Meteorologie (1637)


In seiner Teutschen ASTROLOGIA von 1637 differenziert Lgf. Hermann zwischen der „Astrologia meteorologica“, die sich unter Zugrundelegung astronomischer Kenntnisse über das „Wesen“, die Eigenschaften und Konstellationen („aspecte“) der Gestirne mit den Wettererscheinungen beschäftigt, und der „Astrologia genethliaca“, d. i. der Astrologie der Horoskope und „Nativiteten“. Viele Mißbräuche hätten letztere sehr in Verruf gebracht. Ohne diese Spielart gänzlich verwerfen zu wollen, widmet Lgf. Hermann seine Schrift ganz der wetterkundlichen Astrologie. In seiner Vorrede an den Leser äußert er sich über den Nutzen derselben.

Beschreibung der Quelle


Q Teutsche | ASTROLOGIA, | Oder | Teutscher Discurß/ Von al- | lerhand Astrologischen Specu- | lationen, Sampt einem Methodo, wie auch die | der Lateinischen Sprach vnerfahrne vnd vnge- | lehrte/ sich in diesem sehr lustigen studio üben/ | vnd das täg-
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liche Gewitter auff Astronomi- | sche weise observiren vnd vnterschei- | den können/ | Sampt angehängten hundert vnnd | mehr Jährigen Observationibus, auff viele | vorhergehende alte Regulen oder | Aphorismos, | Vnd einer Vorrede/ | Darinn | Die Summa dieses Tractätleins eigentlich | vnd kürtzlich entworffen wird. | [Vignette] | Grebenstein/ | Gedruckt bey Salomon Schadewitz/ | [Linie] | M. DC. XXXVII. S. 11f.
HAB: 65. 2 Astronomica [8° 1 Bl., 539, (1) S., 6 Bl.] und N 93b Helmst. 8° [hier fehlen der vorgesetzte Kupfertitel [s. Abb. S. 116] und das lat. Ehrengedicht am Schluß bis auf dessen 1. Seite].

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Vorrede an den Leser/ Darinn kürtzlich der Zweck dieses Tractats begriffen


[...] Vnd weil solche Wissenschafft bißhero nur in Arabischer vnnd Lateinischer Sprach beschrieben/ vnd dahero desto vnbekandter/ deren præcepta vnd regulen eins theils in Teutsch eröffnen/ damit sie auch die Vnerfahrne zu ihrer Erlustigung lesen/ sich einbilden/ vnd darauff den methodum oder die Weise/ wie sonderlich das tägliche Gewitter1 vnd dessen Abwechselung zu vermuhten vnd zu observiren, desto leichter fassen mögen. Versehe mich/ wann der Kunstbegierige Leser die geringe Mühe angewendet haben wird/ diß Büchlein mit fleiß zu lesen/ vnd demselben nachzudencken/ Er beneben mir Vrsach haben werde [...] sich auch vor dem schändlichen Mißbrauch hüten/ in denen Gedancken zu stehen/ als müste man vnaußbedingt/ pur lauter sich hierauff gründen/ vnd dabey deß Schöpffers vnd Regierers aller Dinge zu vergessen. Doch aber wird er befinden/ daß vns Menschen eine grosse Gnade von Gott wiederfahren sey/ der vns verliehen den Lauff deß himlischen Heers sampt vnd sonders zu ergründen/ auch mit der That vnd Warheit zu erweisen/ wann/ wie/ vnd was solche vor Kräfften/ bevorab in den Elementen/ mercken lassen. Vnd daß die Kunst der Astrologiæ Meteorologicæ, oder Vrtheil von der witterung nicht so schlecht hin zu verachten/ sondern seiner Wichtigkeit/ wie auch Nutzbarkeit seye. [...]

Textapparat und Kommentar


Textapparat
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a Für 〈Caßell〉
a Eingefügt bis sollen.
b Gebessert aus 1636

Kommentar

K Der vorliegende Brief dokumentiert Lgf. Hermanns v. Hessen-Rotenburg (FG 374. 1642. S. Anm. 1) astronomische und geophysikalische, v. a. aber seine meteorologischen Interessen, die sich vom gemeinen Aberglauben abstoßen und einer vernünftig-wissenschaftlichen Naturerklärung zuwenden, aber weder die astrologische Grundierung der Meteorologie, noch die religiöse Zeichenqualität der Himmelserscheinungen aufgeben und darin den wissenschaftlichen Schwellencharakter der Epoche bzw. die ‚Konkurrenz der Wissenssysteme’ zum Ausdruck bringen (vgl. dazu Anm. 15 u. auch 520324A). Insbesondere wollte Lgf. Hermann mit seinen meteorologischen Werken (s. Anm. 1 und Beil. I) den keineswegs geringgeschätzten wetterkundlichen Erfahrungsschatz, der in den bäuerlichen Wetterregeln niedergelegt war und die Grundlage der Prognostik etwa in den weitverbreiteten frühneuzeitlichen Kalendern bildete, auf eine höhere Stufe wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit heben. Dazu dienten seine über drei Jahrzehnte kontinuierlich und ungewöhnlich exakt und gewissenhaft geführten Witterungsbeobachtungen, die er in Kassel und Rotenburg anstellte und z. T. im Druck veröffentlichte. In Kassel
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konnte er dazu auf ein vorzügliches, bereits im 16. Jh. eingerichtetes Observatorium, eine herausragende Bibliothek und die in Kassel hochstehende Pflege der Naturwissenschaften zurückgreifen. Auf dieser Grundlage hat Lgf. Hermann „einen der glänzendsten Beiträge zur Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Deutschland und der Geschichte der Meteorologie überhaupt hinterlassen“ (Klemm [s. Anm. 1], 32). Daß Lgf. Hermann auch musisch interessiert und begabt war, zeigt Winkelmann, 267: „Alhier [Rotenburg a. d. Fulda] hatte weyland Herr Landgraf Hermann seine Fürstl. Residenz/ welcher in Mathematischen Künsten hocherfahrner Herr die Orgel [der Schloßkapelle] mit Maul-Trommeln kunstartig bestim̄et hatte/ mit von sich gebenden lieblichen Ton/ wie der H. Landgraf in meiner Gegenwart selbst darauf gespielet“. Unter den Maultrommeln werden wohl Trompeten oder Waldhörner zu verstehen sein, nach denen die Orgel gestimmt wurde (vgl. Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec [Leipzig 1732]. Ndr. im Neusatz hg. Friederike Ramm. Kassel usw. 2001, 558 [s. v. „Trompe“]). Vgl. zu Lgf. Hermanns Orgel-Vorliebe auch seine Beisetzungs-„Disposition“ (s. Anm. 1), die ausdrücklich kirchliche Orgelmusik vorsah.
1
Lgf. Hermann IV. v. Hessen-Rotenburg, zweimal vermählt, 1633 mit Gfn. Sophia Juliana (1607–1637; vgl. 371222 und 371226A u. I), Tochter Gf. Christians v. Waldeck-Wildungen (FG 113), und 1642 mit Kunigunde Juliana (1608–1683. PA. TG 26), Tochter F. Johann Georgs I. v. Anhalt-Dessau (FG 9). Bis auf einen totgeborenen Sohn und die wenige Wochen nach ihrer Geburt im Mai 1636 verstorbene Tochter Juliana blieben beide Ehen kinderlos. S. AD I, 92; EST I, T. 98. Testamentarisch war den Söhnen aus der zweiten Ehe Lgf. Moritz’ v. Hessen-Kassel (FG 80) mit Gfn. Juliana v. Nassau-Siegen (1587–1643; PA) ein Viertel der Erblande, die „Rotenburger Quart“ (mit Rotenburg a. d. Fulda, Eschwege, Sontra, Witzenhausen u. a.), erblich zugefallen, die Hermann von 1627 bis 1648 (Teilung mit seinen zwei Brüdern Friedrich [FG 566. 1651] u. Ernst) zusammen mit seiner Mutter bzw. seit 1643 allein verwaltete. Am 19. 8. 1637, so halten es die gedruckten „Personalia“ zu Lgf. Hermann (STA Marburg: 4a 45, Nr. 13; vgl. 371226A K I) bzw. zu Lgfn. Sophia Juliana (s. 371226A I Q) fest, wichen er und seine Gemahlin vor der in der überfüllten Festung Kassel grassierenden Pest nach Wildungen aus. Das Kriegsgeschehen habe sie dann am 2. 9. in die sichere hessische Festung Ziegenhain (vgl. Winkelmann, 249f.) getrieben, wo Lgfn. Sophia Juliana am 15. 9. 1637 starb (am 6. 4. 1638 im alten lgfl. Erbbegräbnis in der Stiftskirche St. Martin zu Kassel beigesetzt). Vgl. 371226A K I. In der Folgezeit habe sich Lgf. Hermann überwiegend bei seiner Mutter im Nassauischen Hof zu Kassel (vgl. Winkelmann, 284) aufgehalten. 1640 nahm er seine „bestendige Residentz“ in dem fast entvölkerten (Malettke [s. u.], 94), 1637 von Kroaten Isolanis niedergebrannten Rotenburg, wo er das „verwüstete Fürstl. Hauß wieder zu repariren ahngefangen“ (hsl. Personalia in UB/ LMB Kassel: 4° Ms. Hass. 86 [1]). Nach dem Tod seines Stiefbruders Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65) am 21. 9. 1637 (a. St.) stand Hermann seiner vormundschaftlich regierenden Schwägerin Lgfn. Amalia Elisabeth v. Hessen-Kassel beratend zur Seite. Nach seinem Tode wurde Hermann in einer eigenen Gruft (für sich und seine zweite Gemahlin) im Nordturm der Stiftskirche St. Elisabeth und St. Maria in Rotenburg beigesetzt. Vgl. Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. [Bd. 2:] Hessen. O. O. 1966, 708f.; Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Bd. II. Hg. Landesamt f. Denkmalpflege Hessen. Ellen Kemp. Braunschweig/ Wiesbaden 1997, 785; Margret Lemberg: Juliane, Landgräfin zu Hessen (1587–1643). Darmstadt u. Marburg 1994, 419 u. Abb. 9 (Detail der Gruft); Friedrich Lucae (†1708): Das edle Kleinod an der hessischen Landeskrone. Bearb. Hans-Günter Kittelmann. Kassel 1996 (Rotenburger Chronik I), 128ff. (Beschreibung von Gruft und Sarg); Winkelmann, 268. Rotenburg blieb Witwensitz von Hermanns zweiter Frau Kunigunde Juliana. Nach deren Tod fiel die Quart an Lgf. Moritz’ letzten noch lebenden Sohn Lgf. Ernst v. Hessen-Rheinfels, auch er wissenschaftlich interessiert und in Korrespondenz mit Gottfried Wilhelm Leibniz stehend. Zu Hermanns
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gelehrten Interessen s. Conermann III, 437ff., auch oben K. Von Lgf. Hermann sind folgende drei Hauptwerke im Druck überliefert, die nicht nur sein gelehrtes Fachwissen, sondern auch sein fruchtbringerisches Anliegen bekunden, dieses muttersprachlich auszudrücken und zum Nutzen der Sprache und der ,kunstbegierigen‘ Ungelehrten zu verbreiten:
(1.) Teutsche ASTROLOGIA (1637; s. Beil. I Q).
(2.) HISTORIA | METEORO- | LOGICA. | Das ist: | Vier vnd zwantzig Jährige eigentliche vnd | trewfleissige Observation vnd tägliche verzeichnüß des | Gewitters/ vom 1. Januarii 1623 an/ biß zum letzten Decembris | 1646. in dreyen membris verfasset. | Darinnen | Erstlich demonstriret wird/ ob vnd wie das tägliche Gewitter mit | dem Gestirn vberein troffen/ vnd warumb solches | geschehen sey oder nicht? | Zum andern/ Eine Probe durch die vorgestelte 24 Jahr eines jeden | Aphorismi, ob vnd wie vielmahl er zutroffen oder | nicht/ vnd warumb? | Zum dritten/ Eine beleuchtung der gemeinen Bawren Reguln/ so von | etzlichen der löblichen Kunst der Meteorologiæ vorgezogen werden wollen. | Sampt etzlichen angehengten/ schönen vnd sehr wichtigen Fragen/ von | himlischen vnd Elementarischen dingen/ vnd deren erörterung. | Alles | Zu Rettung der bißher sehr beschimpfften Meteorolo- | giæ, dem Kunstliebenden vnd Prognosticanten aber zu gefal- | len vnd mächtiger vorarbeit sich künfftig besser in der | Natur vmbzusehen/ gestellet/ | Durch | URANOPHILUM CYRIANDRUM, | der Meteorolog. Cultorem, | [Ziervignette] | Gedruckt zu Cassel durch Salomon Schadewitz/ | Jn verlegung Sebald Köhlers. | (I) I)( LI.
HAB: 42. 4 Astronomica. 4°; Frontispiz, 22 Bl., 583, (1) S., 460 S., 99, (1) S., 3 Bl. — Mit eingeklebtem Brief Lgf. Hermanns an Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227), d. i. 510821.
(3.) [Antonio de Torquemada: Jardín de Flores curiosas (1570) nach der französ. Übersetzung des Gabriel Chappuys: Hexameron ou six iournees, contenans plusiers doctes discours (Lyon 1582 u. ö. ; Ausg. Rouen 1610 in HAB: 556. 3 Quod.; Arbour, Nr. 6063, s. auch Nr. 120421); deutsch von Lgf. Hermann IV. v. Hessen-Rotenburg („der Fütternde“):] HEXAMEREON | Oder | Sechs Tage=Zei- | ten/ oder vielmehr Sechs-Tägiges Ge- | spräch/ vber etzliche schwere Puncten in verschiede- | nen Wissenschafften/ beneben vielen denckwür- | digen vnd zuvor fast nie erhörten | Historien. | Sampt einer vorhergehenden Summarischen | Tafel/ vorgedachter Sechs Gesprächen/ vnd einem | nachfolgenden vollkommenen Zeyger/ aller der vornem- | sten darinne begriffenen | Sachen: | Anfangs in Hispanischer Sprache/ durch Anto- | nium de Torquemada, einen Religiosum beschrieben/ | folgends durch Gabriel Chappuys, einen bekandten Frantzösi- | schen Historienschreiber in selbige Sprache vbersetzet/ | anjetzo aber ins deutsche gebracht | Durch | Einen der hochlöblichen Fruchtbringenden | Gesellschafft Mitgenossen/ genandt | der Fütternde. | [Ziervignette] | Cassel/ Gedruckt bey Salomon Schadewitz/ | Jn Verlegung Sebald Köhlers 1652.
HAB: 403. 49 Quod. und 416. 3 Hist. (2). 8°; 8 Bl., 641, (1) S., 28 Bl.; UB Leipzig: B.S.T. 8°. 718. Vgl. Bulling, 44; Goedeke, 248; Alberto Martino: Von den Wegen und Umwegen der Verbreitung spanischer Literatur im dt. Sprachraum (1550–1750). In: Studien zur Literatur des 17. Jahrhunderts. Gedenkschrift f. Gerhard Spellerberg (1937–1996). Hg. Hans Feger. Amsterdam, Atlanta/GA 1997 (Chloe, 27), 285–344, 308; Adam Schneider: Spaniens Anteil an der deutschen Literatur des 16. u. 17. Jahrhunderts. Straßburg 1898, 120–133. Mit 520324A übereignete Lgf. Hermann seine Übersetzung F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46), nicht ohne sich für sein nicht ganz reines Deutsch zu entschuldigen.
Für das folgende Werk liegt uns bisher kein Nachweis eines Exemplars vor:
Observationes historico-mathematicae de annis 1618. ... bis in den Martium 1635; darin allen der löbl. mathematischen Kunst Liebhabern, viel vnd mancherley Accidenten, welche sich in oberzehlten Jahren so wohl in publicis als privatis begeben, zu ihrer guten Nachricht, fleißig corrigirt, und mathematice examinirt, zu finden. O. O. 1635. (Titel
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zit. nach Strieder V, 470; vgl. Ersch/ Gruber II. 5, 240.) Mit der im Krieg weitgehend zerstörten Kasseler Landesbibliothek und ihren Altbeständen (Restbestände heute in UB/ LMB Kassel) gingen auch die ehemals dort vorhandenen Werke Hermanns zugrunde. Das einstige Observationes-Exemplar der LB Kassel (Signatur: 4° 142) enthielt eine eigenh. Widmung Hermanns an seinen Bruder Wilhelm lt. ADB XII, 129. Alte Katalognachweise (Zettelkatalog der LB und der aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Bandkatalog der LB Kassel: „Astronomica et astrologica“, UB/ LMB Kassel: 2° Ms. Hass. 800, Bd. 14, Nr. 142) belegen das Verlorene. (Freundliche Mitteilung von Tanja Klöpfel u. Sabine Köttelwesch).
1641 verfaßte Hermann eine Beyleuffige Cosmographische Beschreibung des Nieder-Fürstenthumbs Heßen, die in drei Handschriften im STA Marburg überliefert ist und durch Dritte seit 1655 mehrfach, meist in Auszügen, veröffentlicht wurde, darunter auch in Merian: Topographia (Hassiæ, zuerst 1646). S. Conermann III, 439 Anm. 1. Vgl. ADB XII, 128ff.; DBA I, 215/ 154; DBA I, 360/ 322; DBA I, 520/ 14–20; Ersch/ Gruber II. 5, 239–241; Zedler XII, 1715; Lemberg (s. o.), 232; Otto Perst: Das Werraland in der Beschreibung Niederhessens von Landgraf Hermann zu Hessen-Rotenburg 1641. Eingel. u. hg. v. Otto Perst. Eschwege 1960 (Aus dem Werraland, 7); ders.: Kassel 1641 nach Landgraf Hermann zu Hessen-Rotenburg. In: Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte u. Landeskunde 75/76 (1964/65), 207–217; Hermann, Landgraf zu Hessen-Rotenburg: Beiläufige Cosmographische Beschreibung des Niederfürstentums Hessen 1641. [Auszug]. Hg. Friedrich Herzog. In: Rund um den Alheimer. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde des ehem. Kreises Rotenburg. 6 (1984), 33–40. — Erhalten haben sich ferner das handschriftliche Inventar seiner kleinen, aber auserlesenen Privatbibliothek von 1652 (STA Marburg: 4a 45, Nr. 10), eine Reihe von Heften mit handschriftlichen astrologischen und mathematischen Exzerpten und Aufzeichnungen (STA Marburg: 4a 45, Nr. 9), schließlich gedruckte und handschriftliche Personalia Hermanns und Traueraufgebote (STA Marburg: 4a 45, Nr. 13). Die Akte 4° Ms. Hass. 86 (1) in der UB/ LMB Kassel enthält u. a. einen unvollständigen handschriftlichen Lebenslauf Lgf. Hermanns (Bl. 3r–4v), der textlich mit den gedruckten Personalia im STA Marburg, a. a. O., übereinkommt; das Konzept einer „Disposition wie wir es nach vnßerm beschehenem tödtlichem hintritt in einem vndt anderm gerne gehalten haben wollten“ (5r–6v), d. d. Rotenburg, 24. 3. 1656, die den fürstlichen Leichnam anatomischen Studien überwies; eine lat. Würdigung seiner Verdienste (Bl. 7r; Konzept); einen theologischen Disput „Discursus, sive Colloquium [...] Principis, Dni. HERMANNI, LANDGRAVII Hasso-Rotenburgensis cum Dn. MAVRITIO GVDENO Praefecto Electorali Moguntino [...] 25. Aug./ 4. 7br. inter coenandum super controversis nonnullis Religionis capitibus habitum“ (19r–32r) (zu dem Kasseler reformierten Geistlichen Moritz Gudenus [1596–1680], der 1630 zum kathol. Glauben konvertierte und später im Ebst. Mainz wirkte, s. DBA II, 492/ 15ff.); schließlich einen handschriftlichen Katalog der Werke Lgf. Hermanns (37r–39v). Meteorologische Beobachtungen der Jahre 1635–1650 haben sich als erstrangige wissenschaftsgeschichtliche Quelle in 16 in Schweinsleder gebundenen Tagebüchern Hermanns erhalten (UB Erlangen: Ms. B 255/1–16; nach Klemm [s. u.], 30). Zur Leichenpredigt auf seine erste Frau (UB Göttingen: Conc. fun. II 207 Nr. 26) vgl. 371226A I. Hinsichtlich der archival. Überlieferung zu Lgf. Hermann vgl. auch: Repertorien des Hess. Staatsarchivs Marburg, Bestand 4, Bd. 2: Hessische Nebenlinien, Gruppen Hessen-Rheinfels und -Rotenburg. 1627–1821. Bearb. v. K. Dülfer. Marburg 1968, 21, 49, 51 u. ö. Vgl. zu Lgf. Hermann ferner Moritz der Gelehrte. Ein Renaissancefürst in Europa. Hg. Heiner Borggrefe, Vera Lüpkes, Hans Ottomeyer. Eurasburg 1997, S. 52, Kat.-Nr. 43; Ut pictura politeia oder Der gemalte Fürstenstaat. Moritz der Gelehrte und das Bildprogramm in Eschwege. Hg. Heiner Borggrefe, Thomas Fusenig, Birgit Kümmel. Marburg 2000, 69f.; Hugo Brunner: Geschichte der Residenzstadt Cassel. 913–1913. Kassel 1913, 166ff.; Paul Heidelbach: Kassel. Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur.
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Hg. Karl Kaltwasser. Kassel u. Basel 1969, 116; Ludwig Hönig: Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg. In: Rund um den Alheimer. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde des ehem. Kreises Rotenburg. 6 (1984), 28–32; Hans-Günter Kittelmann: Kleiner Führer durch die Rotenburger Quart 1627–1834 und das Fürstenhaus Hessen-Rotenburg. Rotenburg a. d. Fulda 2002, insbes. 13ff., 52f.; Wolf Peter Klein: Die Geschichte der meteorologischen Kommunikation in Deutschland. Eine histor. Fallstudie zur Entwicklung von Wissenschaftssprachen. Hildesheim usw. 1999, 302; Fritz Klemm: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Nord- und Mitteldeutschland bis 1700. Offenbach a. M.: Deutscher Wetterdienst 1976 (Annalen der Meteorologie, NF Bd. 10), 28ff.; Uta Krüger-Löwenstein: Die Rotenburger Quart. Marburg a. d. L. und Witzenhausen 1979, 34ff.; Lemberg (s. o.), 205, 213, 228f., 231f., 236f., 272, 330, 387ff., 409, 417ff.; Walter Lenke: Klimadaten von 1621–1650 nach Beobachtungen des Landgrafen Hermann IV. von Hessen (Uranophilus Cyriandrus). Offenbach 1960 (Berichte des Dt. Wetterdienstes, Nr. 63, Bd. 9); Lucae (s. o.), 50, 52–54, 59f., 67, 91f., 94, 163; Klaus Malettke: Der Dreißigjährige Krieg in Hessen und seine Folgen. In: Hess. Jahrbuch f. Landesgeschichte 51 (2001), 83–102, 94; Hans Philippi: Das Haus Hessen. Ein europäisches Fürstengeschlecht. Kassel 1983, 89; F. C. Th. Piderit: Geschichte der Haupt- und Residenz-Stadt Cassel. 2., erw. Aufl. hg. Jacob Ch. C. Hoffmeister. Cassel 1882, 157.Eine von Klemm (s. o.), S. 30, angegebene „1658 in Kassel veröffentlichte ,Christliche Klag-, Lehr-, Buß- vnd Trost-Predigt ... bey ... Herrn Hermannen Landgraven zu Hessen ... Fürstlichen Leichgegängnüß´“ konnte nicht ermittelt werden.
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Abgesehen von sich, außer sich selbst. Vgl. Stieler, 1384: „Ohne dich allein/ extra te unum“, d. h. außer Dir allein.
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Geschrei, Ruf, hier Gerücht. Stieler, 1631; DW VIII, 1343.
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Gf. Joachim Christian v. (der) Wahl (FG 109), Freiherr, Reichsgrafenstand seit November 1636. Frank V, 177. Wahl befehligte 1637 als kurbayerischer Generalleutenant und Generalfeldzeugmeister ein eigenes Korps, das am Niederrhein und in Westfalen operierte. Im Frühjahr dieses Jahres stand er in der Gft. Waldeck und im April/ Mai im Stift Paderborn; Juni bis August treffen wir ihn um Soest, Recklinghausen und Hamm an. Im Jahr darauf kämpfte er in Schwaben, dann wieder in Westfalen, wo er 1640 gegen die Truppen Hz. Georgs v. Braunschweig-Calenberg (FG 231) und Hessen-Kassels stritt. Vgl. 370422 K 1; ferner ADB XL, 592f.; Conermann III, 113; Engerisser, 135 u. ö.; Redlich I, 167, 198, 374, 377, 406; Ruth Altmann: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel im Kampf gegen Kaiser und Katholizismus 1633–1637. Marburg 1938, 163, 166; Cordula Kapser: Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635–1648/49. Münster 1997, 94ff., 170ff.; Franz v. Geyso: Beiträge zur Politik und Kriegführung Hessens im Zeitalter des 30jährigen Krieges und Grundlagen zu einer Lebensgeschichte des Generalleutnants Johann Geyso. (Erster Teil.) In: Zs. des Vereins f. hessische Geschichte u. Landeskunde 53 (1921), 1–115; Zweiter Teil, a. a. O. 54 (1924), 1–160; Dritter Teil, a. a. O. 55 (1926), 1–175. Geyso III, 97, 102, 129 u. ö. erwähnt erhaltene Korrespondenz zwischen Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel und Wahl im Februar 1637 (Schloßakten Wilhelmshöhe: Kriegsakten Kr.A 1637, II), die „viel Interessantes bietet“ (S. 97) und eine „ehrliche gegenseitige Hochachtung“ verrate (S. 127), z. B. werde dort die „Frage, wer als guter Deutscher anzusehen sei“ in „reizvoller Weise“ erörtert (S. 102). Vermutlich handelt es sich bei den von Geyso eingesehenen einstigen Wilhelmshöher Schloßakten in diesem Fall um die heute im STA Marburg bewahrte Akte: 4h Nr. 1409: Korrespondenz zw. Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel, Gf. Christian v. (der) Wahl und anderen Offizieren der ksl. bzw. Reichs-Truppen, Januar bis 20. 9. 1637. Vgl. Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Bestand 4: Politische Akten nach Philipp d. Gr. 1567–1821. Abt. h: 1592-1806/14. Bd. 1: 1592–1670. Bearb. v. Hans Philippi. Marburg 1981, S. 118. Allerdings ist der Monat Februar 1637 mit nur einem Schriftstück vertreten und eine Erörterung jener genannten
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Frage ist im eigentlichen Sinn nicht auszumachen. Dennoch wird das höflich-respektvolle Verhältnis zwischen beiden Korrespondenten und ihr Bemühen um aufrichtige gegenseitige Information, Wort- und Vertragstreue auf spannende Weise deutlich. Einige wenige Zitate müssen als Beleg ausreichen. (Weitere Nachforschungen, auch die nach dem von Geyso, a. a. O., 110, 133 erwähnten Schreibkalender Lgf. Wilhelms V. auf das Jahr 1636 mit Tagebuch-Eintragungen, empfehlen sich.) So begrüßt Lgf. Wilhelm Wahl am 2. 2. 1637 als einen „altenn Teutschen bekanten“ (a. a. O., 12r) und trägt auch keine Scheu, sich durch Nachfrage der Richtigkeit des Berichts eines eigenen Offiziers zu versichern: „Er wolle vnns die allte kundschafft in so weit genießen laßen vnd die courtoisie vnd gefallen nicht allein hierin erweisen, Sondern auch Jnngleichen vnß Seine meinung vnd sentiment dieser Sachen halben fein offenherzig vnd gutt Teutsch, ob ermeltter vnser Commendant bey dieser vffgabe wieder sein deboir gehandeltt vnd den Sachen zuvill oder zuwenig gethan oder nicht, ohnbeschwehrt darvon vns zuevernehmen geben“ (Kassel, 6. 3. 1637; Bl. 15v). Am 14. 3. bedankt sich Wahl in seiner Antwort für „den vornehmen Titul eines alten Teutschen bekandten“, wünscht, daß Lgf. Wilhelm „mit dem Römischen Kayser woll versöhnet, vnndt mein General eines gegen den Erbfeindt sein mögen. Alß dann will ich alle meine Teutsche Redlichkeit herfür suchen, Ob gegen Ewer fürstl. Gn. die von diesem empfangene hohe genaden widerumb zum theil verdienen könnte.“ (16r). Wahl sei erst neuerdings und interimsweise für den abgeorderten Feldmarschall Gf. Götz (vgl. Anm. 5) Kommandeur der Reichstruppen in Westfalen: „Waß aber seiter der Zeit daß ich diß Commando angetretten geschehen, dauon will Ewer fürstl. Gn. ich alle Satisfaction geben, vnndt solle ieder Zeit wort ein wort, vnnd mann ein man sein“ (16v). Daß diese Redensart (Wander III, 393: „Ein Mann, ein Mann; ein Wort, ein Wort“) auch in Hille, 77, bei der Vorstellung der FG-Ziele erscheint, muß nicht überbewertet, sollte aber auch nicht ignoriert werden: „Drittens/ daß man das Teutsche Vertrauen mündlich und schriftlich wieder aufrichte/ befördere/ erhalte: Die Warheit in Reden und Schreiben hervorleuchten lasse/ von derselben keines Weges absetze; sondern vielmehr derselben die Larve des Betrugs abnehme: Dagegen Teutsch Teutsch/ Mann ein Mann/ Wort ein Wort seyn [...] lasse.“ Lgf. Wilhelm nutzt Wahls Bekenntnis in dessen Schreiben vom 14. 3. zu einigen Klarstellungen in seiner Antwort, am 4. 4. noch in Kassel aufgesetzt: „Daß wir Jhme nun den tittul eines Alten Teutschen vnndt bekandten gegeben, deswegen wehre keiner dancksagung vonnöthen geweßen, Sintemahl wir Jhnen, Zeitt hero er in vnnserm Landte gelegen, Jegen vnns so viel vnnßer particulier anlangt anderst nicht verspürett, vnndt erkennet, wollen auch verhoffen er werde Sich vnnder deßen nicht geendert haben, Sondern noch derselbe sein.“ Für eine Versöhnung mit dem Kaiser stünde Lgf. Wilhelm nur zu gern bereit, es müßte ihm allerdings dieselbe Gerechtigkeit widerfahren wie anderen hohen protestantischen Reichsständen, die in die Amnestie des Prager Friedens aufgenommen worden waren: „Gleich wie aber Chur Sachsen, Brandenburg vnndt andere Evangelische Fürsten deß Reichs einmahl perdonniret, vnndt wir dan anders nichts alß dieselbige bey dem geführten Kriege gethan, Also sehen wir nicht, warumb man vnnß eben allein deßen nicht deß perdons vnndt amnisti so wohl alß Sie genießen laßen, Sondern excludiren vnndt ausschließen wolle“. Für den Wunsch, unter Lgf. Wilhelm gegen den osmanischen Erbfeind vorzugehen, dankt Lgf. Wilhelm und wünscht seinerseits, daß auch Wahl mehr Gelegenheit dazu hätte, „dem Heiligen Römischen Reich einen bestendigen durchgehenden Frieden zu gönnen, vnndt die Waffen dermahleins wieder den Erbfeindt zu gebrauchen [...] alß vnschuldig Christenbluett zu vergießen [...]. Daß Er aber alßdan allererst Seine Teutsche redtligkeitt herfuhrsuchen will, solches ist vnns leidt zu vernehmen, vnndt wollen nicht hoffen Er Jnmittelst deroselben gantz vnndt gar vergeßen werdte, Sintemahl wir ein beßer vertrawen zu Jhm tragen, Jhn auch alß ein Freundt in particulari hiermit erinnert haben wollen, Gleich wie Er vor dießem seine Teutsche trew vnndt Vfrichtigkeit Jegen vnnß verspüren laßen, daß Er auch nachmahls darinnen Continuiren vnndt verharren
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wolle“ (23rf.). Auf entsprechende Vorhaltungen Wahls versichert Lgf. Wilhelm, es sei ihm „kein ding so zuwieder vnd welches wihr bey dem kriege mehr hassen, Alß eben das vnChristliche brennen, wie auch nothschändigens vnd [was] dergleichen barbarische vnd tyrannische proceduren mehr sein mögen“. So viele hessische Städte, Flecken, Dörfer seien aber von der Gegenseite in die Asche gelegt und nicht einmal Schweineställe verschont worden — ein offenbar regulärer, wenn nicht systematischer Bestandteil der feindlichen Kriegsführung —, während er, Wilhelm, dafür bekannt sei, solcherlei Übergriffe streng zu verbieten und auftretende Einzelfälle ggf. zu ahnden. An Wahl als einen „redtlichen vffrichtigen Teutschen vnd ehrliebenden Cavallier“ ergeht die Bitte, derartige Kriegsgreuel wenigstens in seinem Kommandobereich zu verhüten. (Kassel, 6. 4. 1637; 29r, 28r). In einem Schreiben d. d. Liebenau, 13. 5. 1637 an einen ungenannten Vertrauten offenbar aus der Umgebung des Landgrafen unterbreitet Wahl weitgehende Vorschläge zum Interessenausgleich in der Versorgung der feindlichen Armeen im Hessischen bzw. im Stift Paderborn. „Auff dieße Weiße könten die armen vnderthanen bey hauß bleiben, vnndt Jhrer feldtarbeitt abwartten“; andernfalls müßten die Länder notwendig zugrunde gehen. „Jch meine es gutt, Es müßen aber auch die Lippstattische [die hess. Garnison in Lippstadt] daß Stifft Paderborn mitt frieden laßen“. Im PS heißt es bestürzt zu den Schandtaten der verbündeten Kroaten Gf. Johann Ludwig Hektor Isolanis: „[...] Jch habe mitt schmertzen verstanden, daß Grebenstein [nördlich von Kassel in Niederhessen] soll abgebrandt sein, hetten Sie meiner trewen erinnerung gefolgt, were solches nicht beschehen, die Croaten die teuffell habens angezündt, es ist wohl zu erbarmen, vnndt wehre nicht wunder der donner erschlüge vnnß alle.“ (58rv) Auch sonst hat Wahl „ohne ruhm zu melden“ für sich in Anspruch genommen, das Land Hessen-Kassel seinen eigenen Kräften und Möglichkeiten nach geschont zu haben (Hamm, 12. 6. 1637; Bl. 61r) und „ein erlicher Man“ zu sein: „Jch [...] gehe vielmehr gerade durch, alß daß ich viel ausflüchte suche“, und werde „allezeit wie ein Soldat handelen, als hoffendtlich bis dato geschehen.“ (Recklinghausen, 13. 7. 1637; Bl. 85r). Zu den fruchtbringerischen Stichworten des „alten teutschen Vertrauens“, der Redlich- und Einigkeit vgl. Herz/ Ball, 134f.; zum guten Verhältnis zwischen Wahl und den Anhaltinern i. J. 1642 s. KL II, 284f.
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Reichsfrh. (Reichsgf.) Jan (Johann) v. Werth (1590/91–1652), 1637 Befehlshaber der kurbayerischen Kavallerie. Während 1636 die Hauptmacht der kurbayer. Armee unter Feldmarschall Gf. Johann v. Götz (†1645; Findeisen, 450 u. 480; Frank II, 103; Documenta Bohemica VI, Nr. 383, 404, 481 u. ö.) im nordwestlichen Deutschland operierte, um am Mittelrhein, in Hessen und Westfalen etliche feindliche, auch hessen-kasselsche, Garnisonen zu erobern, beteiligte sich eine zweite Heeresabteilung unter Werth am Feldzug der ksl.-spanischen Armee in der Picardie (vgl. 360703). 1637 blieb das bayerische Kontingent unter Werth am Ober- und Mittelrhein (vgl. 370722 K 10), während die Hauptmasse der Streitkräfte unter Götz den Feldzug der Kaiserlichen in Sachsen, das von der in der Schlacht bei Wittstock im Oktober 1636 siegreichen schwedischen Armee Johan Banérs (FG 222) bedroht wurde, unterstützte. Ein drittes bayerisches Korps unter Generallt. Wahl (s. Anm. 4) hatte den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis zu sichern. Zur Zeit der Abfassung des vorliegenden Briefes belagerte Werth die französisch besetzte kurtrierische Festung Ehrenbreitstein (Hermannstein) bei Koblenz, deren Garnison sich ausgehungert am 26. Juni ergab. Zwischendurch, im Mai 1637, war er auf Ersuchen des ksl. Generals Gf. Gottfried Huyn van Geleen (†1657; aus Brabanter Grafengeschlecht, 1645–1647 bayer. Feldmarschall; s. Kapser [Anm. 4], 44, 94f. u. ö.) ins Hessische geeilt, um zu helfen, den geächteten Landgrafen Wilhelm V. „aus seinem Lande zu treiben“ (Lahrkamp [1968, s. u.], 102; vgl. ders. [1962, s. u.], 75). Werth strebte nun Wahls Hauptquartier in Obermarsberg (Stadtberge, s. Anm. 7) zu, erfuhr aber Anfang Mai kurz vor Kassel, daß der Landgraf im letzten Moment sein Land aufgegeben und in Eilmärschen zur Weser entwichen war. Werth kehrte daraufhin an den Kriegsschauplatz
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Rhein/Mosel zurück. Danach wieder im Südwesten des Reichs eingreifend, sollte Werth am 3. 3. 1638 von Truppen Hz. Bernhards v. Sachsen-Weimar (FG 30) bei Rheinfelden (nahe Basel) gefangen genommen, nach Frankreich geführt und erst 1642 im Austausch gegen den schwedischen Feldmarschall Gustav Horn freigelassen werden. Findeisen, 444ff.; Kapser (s. Anm. 4), 29ff., 44, 90ff., 169ff., 182; Helmut Lahrkamp: Jan von Werth. Sein Leben nach archivalischen Quellenzeugnissen. Köln 1962, 66ff.; ders.: Jan von Werth (1591–1652). In: Rheinische Lebensbilder III (1968), 97–115; Willi-D. Osterbrauck: Johann Reichsfreiherr von Werth. Chronik eines umstrittenen Volkshelden 1591–1652. Köln 1992, 48ff. Vgl. 360703 K 17.
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Arnsberg an der Ruhr, kurköln. Städtchen und Schloß. S. Lexikon Geographie, 67 (s. v. „Arensberg“).
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Marsberg, Stadt im Ebst. Köln (heute Hochsauerlandkreis), bestehend aus den früher getrennten Städten Niedermarsberg — das alte „Horhusen“, eine ältere Handelssiedlung direkt am Fluß Diemel, 1632 von den Hessen unter dem Obersten Jacob Mercier („der kleine Jakob“) niedergebrannt — und Obermarsberg (Stadtberge), auf steilem Bergplateau (Eresberg) gelegen, einer Festung mit ksl. Besatzung, 1632 und 1633 von hessischen und im Juli 1636 (im Anschluß an den Entsatz von Hanau, s. 370422 K 1 u. 360703) von schwedisch-hessischen Truppen unter Alexander Leslie (vgl. 370722 K 4) erfolglos belagert und erst 1646 von den Schweden unter Greve Carl Gustav Wrangel af Salmis (FG 523. 1649. Vgl. 370805) eingenommen. Spätestens seit 1632 und besonders nach 1634, als die Oberstadt fast als einzige Festung Westfalens noch in ksl. Hand verblieben war, gingen von Marsberg zahllose räuberische Streifzüge in die benachbarten Grenzgebiete Hessens und Waldecks aus: die Kaiserlichen in Stadtberge „durchstreifften das Land hin und wieder“ und rächten sich für Leslies Belagerung, so Chemnitz III, 13. Im Mai 1637 war Obermarsberg kurzzeitig Hauptquartier des kurbayerischen Generals Gf. Joachim Christian v. (der) Wahl (s. Anm. 4). In Briefen an denselben vom 6. und 30. 4. 1637 beschwerte sich Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel über die Durchzüge von Truppen des Kaisers und des Reichs: Dadurch hätten seine Untertanen „viellfälltig erfahren mueßen, daß nicht nuhr wenige heuser, Sondern gantze Stedte, flecken vnd dörffer Ja auch verschiedene adeliche heusser im Lande in die Asche gelegt vnd abgebrand worden, Sondern mueßen deßen noch thäglich so wohl von den vff der grenzen liggenden Croaten, wellche dann noch vor weniger Zeit vnß wiederumb ezliche schöhne dörffer in vnser Graffschafft Ziegenhain eingeeschert, allß auch denen im Stifft Cölln vnd Paderborn vnter Seinem [Wahls] commando sich befindenden völckern vnd Jnsonderheit den Stadtbergischen Schnaphahnen Jnmaßen vnß noch vor wenigen thagen ahn verschiedenen Orthen, da Sie vnderschiedtliche gebew ahngestecket vnd abgebrand begegnet“, erdulden. Wer auch immer „vff dem Stadtberge“ stationiert sei, „können wihr eben nicht allemahl wißen, aber dieses können wihr wohl mit warheit sagen, daß es Jederzeit ein Raubnest [...], da sich nuhr die Schnaphahnen vffgehallten, gewesen“. STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 29r u. 49r. Vgl. Lahrkamp (1962; s. Anm. 5), 75. Vgl. ferner Merian: Topographia (Westphaliæ 1647), 62f. („Marsberg, jetzund Stattberge genannt”); Lexikon Geographie, 1099; Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bd. 4.2: Westfalen. O. O. 1969, 404 u. 418ff.; Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. 45. Bd.: Kreis Brilon. Bearb. Paul Michels. Münster i. W. 1952, 326ff. u. 345ff.; Franz v. Geyso (s. Anm. 4), II, 129, 144; III, 90f.; Johannes Siebers: Marsberg zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Hildesheim 1911 (Beiträge für die Geschichte Niedersachsens und Westfalens, 6. Bd., H. 32), 62ff.
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Warburg a. d. Diemel, Burg und Stadt im Bst. Paderborn „an der Heßischen Grentze“. Lexikon Geographie, 1200; vgl. Merian: Topographia (Westphaliæ 1647), 69f. 1632 abwechselnd in der Hand Lgf. Wilhelms V. v. Hessen-Kassel und des ligistischen Feldmarschalls Gf. Pappenheim, kam die Stadt 1633 erneut an die Hessen, fiel jedoch Anfang August 1636 zurück an Reichstruppen (s. Gf. Götz, Anm. 4 u. 5). Im Dezember
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1636 schon wieder vertrieben, gelang es Götz im Mai 1637, einen Teil der Stadt wieder zu besetzen. Er wurde zwar zum Rückzug gezwungen, konnte allerdings die von den Hessen geräumte Stadt um die Mitte des Jahres 1637 erneut einnehmen. Von 1641 bis 1648 vermochten dann die Hessen die Stadt zu halten. Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler in Westfalen. 44. Bd.: Kreis Warburg. Münster i. W. 1939, 18, 377ff.; Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd. 4.2: Westfalen. O. O. 1969, 573ff.; Adolf Gottlob: Geschichte der Stadt Warburg. (Schluß). In: Westfälische Zeitschrift 92 (1936), H. 2, 1–39, hier 28ff.; Franz v. Geyso (s. Anm. 4), III, 110. — Ein Oberstleutnant Georg „Bose“ oder „Bosse“ begegnet uns 1637 als Kommandant Bielefelds (Gft. Ravensberg). Als solcher hatte er dort Gf. Otto V. v. Holstein-Schaumburg (FG 198) wegen rückständiger Kontributionen Mitte März 1637 in Arrest genommen. Gegen diesen unerhörten Vorgang legte u. a. auch F. Ludwig scharfen Protest ein. (Vgl. seinen Brief vom 15. 4. 1637 an Gf. Götz [s. o.] in NSTA Bückeburg: Fl. Hausarchiv F 3 Nr. 345; vgl. auch die Akte Fl. Hausarchiv F 3 Nr. 334). Bose räumte die Stadt ohne nennenswerten Widerstand am 18. 6. 1637 den hessisch-schwedischen Truppen per Akkord ein, wurde aber von den Schweden in Minden gefangen gesetzt und bat Lgf. Wilhelm V. am 16./ 26. 8. 1637 um Vermittlung und Freilassung (STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 109r–110v, vgl. 85r, 91r, 101r); vgl. Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 389). Er ist nicht zu verwechseln mit Carl (v.) Bose (FG 264), der 1631 als Obristleutenant in die kursächsische Armee eingetreten und im Sommer 1635, als sein Regiment im Anhaltischen einquartiert war, in die FG aufgenommen worden war. Als kursächsischer Oberst hatte er im Februar 1636 vergeblich versucht, das schwedisch besetzte Bernburg und Calbe einzunehmen. Im August 1637 trieb er eine hessische Abteilung, die nach Erfurt marschierte, in der Nähe Eisenachs auseinander. Für die Warburger Episode kommt auch Boses Bruder nicht in Frage, der als kursächsischer Rittmeister bezeugt ist und im Mai 1636 von schwedischen Truppen „niedergemacht“ wurde (AOSB SA VI, 324 ohne Nennung des Vornamens). Vgl. AOSB SA VI, 297; ConermannIII, 292ff.; Documenta Bohemica VI, Nr. 498; KU III, 373, 375, 384, 399, 553, 567 u. ö.; Theatrum europaeum, Tl. 3 (1644), 805; Carl Emil von Bose: Die Familie von Bose. Beiträge zu einer Familiengeschichte. Dresden 1904, 67ff.; Carl von Bose: Zur Geschichte der Familie von Bose und ihres Stammsitzes in Frankleben. In: Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Sachsen-Anhalt. Hg. Bruno J. Sobotka. Stuttgart 1994, 107–110, 108; Franz v. Geyso (s. Anm. 4), III, 129; Georg Irmer: Hans Georg von Arnim. Lebensbild eines protestantischen Feldherrn und Staatsmannes aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Leipzig 1894, 287. Vgl. ferner Johannes Sagel: Warburg im dreißigjährigen Kriege. Hildesheim 1908 (Beiträge f. die Geschichte Niedersachsens und Westfalens, 3. Bd., H. 13), insbes. 65ff.; Heinrich Schoppmeyer: Warburg in Mittelalter und Neuzeit. In: Die Stadt Warburg 1036 – 1986. Beiträge zur Geschichte einer Stadt. Hg. i. A. der Stadt Warburg v. Franz Mürmann. 2 Bde. Warburg 1986, I, 199–296, hier 270ff.
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Peckelsheim, nördlich Warburgs, „kleine Westphälische Stadt im Bischoffthum Paderborn, nahe an der Heßischen Grentze“. Lexikon Geographie, 969 (s. v. „Pickelsheim“); vgl. Merian: Topographia (Westphaliæ 1647), 69.
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Nach dem julianischen Kalender fiel im Jahr 1637 dieser Mittwoch auf den 19. April. Vgl. Anm. 12.
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Im Frühjahr 1637 gingen Reich und Kaiser zu einer Großoffensive gegen die Schweden vor. Die Feldmarschälle Reichsgf. Melchior Hatzfeld v. Gleichen (1593–1658, s. Findeisen, 457; Frank II, 170; Kneschke IV, 235ff.) und Gf. Johann v. Götz (s. Anm. 5), durch den ksl. General Gf. Gottfried Huyn van Geleen (s. ebd.) verstärkt, rückten wieder nach Osten; die kurbayerischen Verbände Gf. Joachim Christians v. (der) Wahl (s. Anm. 4) setzten sich vom Stift Paderborn aus in Bewegung. Vermehrte darmstädtische Truppen rückten ebenfalls heran, und Jan v. Werth (s. Anm. 5) stieß mit schweren und leichten Reitern aus Süden vor. Der selbst bedrängte schwedische Feld-
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marschall Johan Banér konnte immerhin noch ein Reiterkorps unter seinem Generalleutnant James King (FG 224; vgl. 370722 K 14) zu Lgf. Wilhelm detachieren; am 11. 4.1637 vereinigten sich Kings Schweden mit den hessischen Verbänden nördlich von Kassel an der Werra (in Witzenhausen?); der hessische Oberst Johann (v.) Geyso (s. 370422 K 5) war King vorab entgegengesandt worden. Am 19. 4. brachen die vereinten Streitkräfte unter Wilhelm und King aus Kassel auf, „2500. zu Roß/ und 4000. zu Fuß [...]/ denen der Feind nicht gewachsen war“, der sich daher ins Stift Fulda zurückzog. Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 389. Über Witzenhausen (s. o. den korrigierten Empfangsvermerk) marschierend, wurden die ksl. Garnisonen in Allendorf und Eschwege ausgehoben. Vgl. Lgf. Wilhelms Brief, d. d. Hauptquartier Allendorf, 25. 4. 1637 (STA Marburg: 4h Nr. 1409, Bl. 43v). Aufgrund der ksl. Verstärkungen durch Gf. Wilhelm v. Lamboy (†1659) und dem aus Westfalen anrückenden Wahl (s. Anm. 4), beschloß der hessisch-schwedische Kriegsstaat nach Nordwesten zu gehen, um sich mit dem hessischen Generalleutnant Holzappel gen. Melander und dem schwedischen Generalmajor Patrick Ruthwen zu vereinigen. „Mit solchen Anschlägen brachen sie [am 27. 4. 1637] von Allendorff auff/ gingen bey Caßel über die Schiffbrücke/ und kamen nach Rinteln.“ Pufendorf: Kriegs-Geschichte I, 389. Vgl. 370422 K 1. Vergeblich wurde der im Emsland untätig verharrende hessische Generalleutnant Melander aufgefordert, mit seinen Truppen nach Minden zu ziehen; möglicherweise beziehen sich die im Brief erwähnten Gerüchte um durch das Stift Paderborn heranrückende hessische Truppen auf den erwarteten Vorstoß Melanders von Westen her (F. v. Geyso [s. Anm. 4] III, 125). In einer langen Absetzbewegung mit gelegentlichen militärischen Erfolgen zogen sich Lgf. Wilhelm und sein Kriegsstaat vor der massiven Übermacht der Kriegsgegner immer weiter nach Nordwesten zurück, bis es im September 1637 gelang, die hessischen Truppen in Ostfriesland in Sicherheit zu bringen. Vgl. 370422 K 1.
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Im „Vortrab“ seiner HISTORIA METEOROLOGICA (1651) gab Lgf. Hermann an, das 5. Kapitel werde „Von den erscheinenden meteoren, welche von Aristotele Gesichte genennet werden“ (Bl. c i r – d iii v) handeln. Vgl. Anm. 1. Zur allg. Bedeutung von „meteor“ als Lufterscheinung s. die Erklärung in 370422 K 2. Das Licht, so heißt es da, stelle diese ,Meteoren´ in den Wolken vor, da es diese nicht durchdringen könne. Es handele sich dabei also nicht um Körper, sondern um Licht- und Farberscheinungen „in den Wolcken“. Zu diesen ,Meteoren´ gehöre der Regenbogen (Iris), „so natürlicher weise anders nicht alß bey Regenwetter erscheinen kan. Die materi des Regenbogens ist nichts anders als eine hole/ dünne vnd trieffende Wolcke/ in welche die Sonn schräg vnter einer andern dicken schattichten Wolcken herscheinet/ vnd gleich wie in einer Dachtrauffen/ oder auch in einem Wasserglase/ dabey auff einer seiten schatten mancherley Farben verursacht/ vnd stehet der gemeine natürliche Regenbogen allezeit gerad gegen der Sonnen vber/ vnd seynd Mittags kleiner als nicht Morgens oder Abends/ auß der vrsachen/ weil Abends vnd Morgens der Sonnenstralen flecher [sic] vber den Erdboden herstreichen/ vnd daher den wiederschein so wol alß den schatten grösser machen“ (Bl. c i v). Aus demselben Grund seien Regenbogen auch in Frühling, Herbst und Winter häufiger zu beobachten als im Sommer (c ii r). „Die verschiedene Farben aber des Regenbogens belangt/ seynd dieselbe nicht Elementarische qualiteten [...]/ sondern sie entstehen auß den mancherley schatten der Wolcken/ auch nach gelegenheit vnd dicke der Tropffen im Regen/ gleich [...] auch an den Enten/ Tauben vnd Pfawen zusehen/ da wegen vngleichheit der Feddern/ sie manche wiederscheinige Farbe von der Sonne oder TageLiecht bekommen.“ (c ii r). — Nachdem in Lgf. Hermanns Werk unter den „erscheinenden meteoren“ auch der „Halo oder der Kreiß vmb die Son̄e/ Mond oder einen sternen“, gewöhnlich „Hoff oder Krone“ genannt, erwähnt wurde (c ii r), kam der Autor auf Sonnenbilder wie die zu sprechen, welche am 19. April 1637 beobachtet worden waren: „Noch eine andere vnd seltzamere Art der erscheinungen aber siehet man zuweilen/ die man Parelios oder Paraselenes, das seynd Sonnen oder Mondsbilder/ oder falsche Son-
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nen vnd Monden nennet/ vnd deren siehet man manchmahl 1. 2. 4. vff einmahl/ vnd dann auch Circul vnd Regenbogen vmb dieselben haben/ vnd dieses seynd offt vbernatürliche Wunderzeichen/ offt aber auch kan es auß Natürlicher zufälliger weise geschehen/ wann nemblich vors erste die Wolcke dicke ist/ daß der Sonnenstralen nicht gantz hindurch sehen können/ (dann bey hellem reinen Himmel oder Lufft kan es natürlicher weise nicht geschehen) daher behelt die Wolcke das Bild der Sonnen in sich. Zum andern/ daß die Wolcke gantz gleich vnd platt ist/ vnd daher eine gleichmässige gestalt von sich geben könne/ dann krumme oder höckerichte corpora können keine gewisse oder eigentliche gestalt von sich geben. Zum dritten/ wann es gar still dabey ist/ dann wann die Wolcke nicht still vnd vnbeweglich sein wird/ so wird sie keine gewisse gestalt von sich geben/ wie ein fliessend Wasser weniger repræsentiren kan/ alß ein stillstehends. Vierdtens muß die Wolcke wässericht seyn/ dann in dem Wasser der Sonnenschein sich am leichsten fasset vnd abbildet. Endlich so müssen solche Wolcken darinne sich die Sonne abbilden sol/ seitwarts von der Sonnen stehen/ dann stünden sie dem Gesichte nach/ recht vor oder vnter oder nechst bey der Sonnen/ so wird entweder die Wolcke der Sonnenglantz verdunckeln/ oder der sonnenglantz wird die Wolcke vor deinem Gesichte zertheilen/ kan also ein Gesicht nicht erscheinen/ wann die Wolcken allzunahe oder allzufern vmb die Sonne oder Mon seyn/ dann wann sie zu nahe/ so seynd der sonnenstralen zu solcher abbildung zu starck/ seynd die Wolcken aber zu fern/ so seynd der sonnenstralen zu schwach darinnen wiederzuschlagen/ stehen sie aber in recht gehöriger oder bequemer distantz vnserm Gesicht nach vor vnd vmb der sonnen Cörper/ so erscheinet das sonnenbild in der Wolcken so klar vnd eigentlich alß wie man dasselbe sonst auch in einem spiegel oder stehenden Wasser sehen kan. Daß aber solcher Sonnen- oder Mondsbilder zuweilen vnd mehrentheils zwey auch wol vier gesehen werden/ welches der gemeine Mann/ zwey/ drey oder fünff Sonnen zu nennen pflegt/ (dann die rechte sonne stehet allezeit in der mitten) geschicht alleintzig nach gelegenheit des dazu geschickten Gewölck/ daß dieselbe entweder die sonnen rings vmbgeben/ oder vff einer oder beyden seiten derselben stehen.“ (Bl. c ii vf.). Diese Himmelserscheinung sei, wenn geeignete Wolken und Sonnenstände vorhanden seien, also entweder natürlichen Ursprungs und könne wie gezeigt natürlich erklärt und beschrieben werden, andernfalls aber „wil vns Gott durch solche Wundergeschöpff seine Allmacht zeigen/ vnd wie er es vff Erden wunderbarlich machen könne vnd wolle/ wann man sich nicht bessern vnd bekehren wil.“ (c iii rf.). Wegen einer solchen Ambivalenz konnte Lgf. Hermann eifrig betonen, am 19. 4. seien die natürlichen Ursachen gegeben gewesen, während sich Lgf. Wilhelm in 370422 zur Erforschung des göttlichen Ratschlusses nach der genauen Gestalt des Regenbogens zu erkundigen getrieben sah. — An anderer Stelle bestätigt Lgf. Hermann die Himmelserscheinung des 19. 4. 1637. Schon die Teutsche ASTROLOGIA (1637, s. Beilage I Q) Lgf. Hermanns hatte im 8. Kapitel Wetterbeobachtungen vom Jahre 1509 bis zum Dezember 1636 zusammengetragen. Er führte sie in seiner 1651 erschienenen HISTORIA METEOROLOGICA. Das ist: Vier vnd zwantzig Jährige eigentliche vnd trewfleissige Observation vnd tägliche verzeichnüß des Gewitters/ vom 1. Januarii 1623 an/ biß zum letzten Decembris 1646 (s. Anm. 1) fort. Im ersten Teil dieses Werkes, dem Wetterkalendarium, erfahren wir zum 19. 4. 1637: „schön warm/ vormittag 3 ☉ cum iride/ ab. [abends] donner/ n. [nachts] regen“. Die dazugehörige Planetenkonstellation erklärt in astronomisch-astrologischen Zeichen: „Δ ♄ ♂“[Triangelschein Saturn Mars] den vorherrschenden „aspect“ (vgl. Anm. 14). Und noch einmal „den 19. bey dem defluxui ♂ à ♄ Δ ♃ schön heiß vormittag 3☉ mit einem regenbogen/ abends donner vnd regen“. (S. 350f.) Der zweite Teil der HISTORIA METEOROLOGICA versammelt 41 Regeln über die meteorologischen Wirkungen bestimmter Gestirnkonstellationen und exemplifiziert sie. Die Regel 8 lautet: „Von den Aspecten ♄ ♂“: „DIese [beiden Planeten Saturn und Mars] seind gleichsamb die [einander] allerwiederwertigsten von wegen vbermässiger kälte vnnd hitze/ dahero es selten darbey nach gelegenheit der Jahrszeit ohne vnruhe in
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der lufft zu bleiben pflegt/ sondern erfolgen gern sturmwinde/ schnee/ hagel/ vnnd sommerszeit schwehre donnerwetter darauß“ (S. 128). Diese Regel bestätigte sich u. a. am 19. 4. 1637: „Δ ♄ ♂“; drei Sonnen mit Regenbogen. Diese Erscheinung sei „vornemblich dem defluxui ♂ zuzuschreiben gewesen“. (S. 139f.) Auch bei der Regel 20 seien das Wetter und die besagte Himmelserscheinung am 19. 4. 1637 dieser Regel „nicht entgegen“ gewesen. (S. 312). Hiermit sieht Lgf. Hermann die natürliche Erklärung des Wetterphänomens am 19. 4. 1637 für gegeben an. Erst wenn eine solche natürliche Erklärung nicht zu greifen vermag, etwa wenn mehrere Sonnenbilder oder ein Regenbogen an einem wolkenlosen Himmel erscheinen oder das Wetter allen aus der Natur geschöpften Wetterregeln zuwiderläuft, muß von direktem göttlichen Einwirken als Ursache ausgegangen werden.
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Vgl. die Zeichnung, s. Abb. S. 114.
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Aspekte heißen in der Astrologie und Astronomie die Konstellation der Gestirne, genauer die Position (Winkel) der Planeten und des Mondes im Verhältnis zur Sonne, von der Erde aus gesehen. Vgl. Lexikon der Astrologie. Bearb. v. Udo Becker. Freiburg u. a. 1981, 23f.; Jacqueline Mitton: A concise dictionary of Astronomy. Oxford u. a. 1991, 29. Lgf. Hermann sieht in seiner Teutschen ASTROLOGIA (1637; s. Beil. I Q) das Wetter „nach Gottes willen“ einerseits durch die Gestirne bedingt, andererseits „von den Dünsten der Erde“ (S. 23). Es ist also nötig, „daß man am allerersten die Sterne ins gemein wisse vnd erkenne/ dieselbe auch auß jhrem Schein/ Liecht vnd Lauff/ einen vor dem andern vnterscheiden könne. Zum andern/ in was vor positur, oder räumlicher figur oder Gestalt sie gegeneinander stehen/ welche figuren aspecten, oder Anblicke genennet werden/ vnd auff diesen beyden Füssen stehet die Astrologia, in beyden Sorten [d. h. der „Astrologia meteorologica“ und der „Astrologia genethliaca“, s. Beil. I]/ nemlich auff dem Schein vnd Liecht der Sternen/ darauß jhre Natur/ Krafft vnd Wirckung ergründet wird/ Dann vnd vors ander/ auff den aspecten, dazu dann nunmehr (welches bey den Alten nicht wohl fleissig auffgezeichnet/ oder in acht genommen worden/) kommen die dünste der Erden/ welche vrsprünglich von der Sonnen vnd jhren Stralen/ nicht weniger von dem Mond vnd Sternen/ auffgezogen werden/ welche/ wenn sie im obersten theil der Lufft/ zu jhrer maturitet oder Zeitigung gereichen/ von dem gestirn vnd Planeten/ so alsdann zusammen configurirt seyn/ nach jhren Naturen vnd Eigenschafften herunter getrieben werden/ vnd sich in diese oder jene Witterung veranlassen.“ Gott bleibe aber in allem und so auch im Wetter „die erste Hauptvrsache oder Schöpffer“, der die Gestirne nach seinem Willen, „zuweilen vns zur straff“, lenkt und das Wetter regiert (S. 24f.). Indessen können und sollen wir die Natur erforschen und in ihr Gott erkennen. Das zeigen schon die einfältigen, aber vielfach bestätigten „Bawrenregulen“ (S. 26). Unter „Aspecten“ versteht Hermann also auch in seiner Meteorologie die (Ansicht der) Stellung der Planeten zueinander. Konstellationen wie „Zusammenfügung“ „Gegenschein“, „Triangelschein“, „Viertheilschein“ usw. (a. a. O., S. 34) sind mitbestimmend für das Wetter, welches im übrigen in Kenntnis astronomischer Zusammenhänge natürlich erklärt werden kann, wie es Lgf. Hermann in seinen meteorologischen Kalendarien unternimmt (s. Anm. 12). „Von den Aspecten“ handelt noch einmal eigens das 6. Kapitel der Teutschen ASTROLOGIA (S. 73–76): Man habe seit alters erkannt, wenn „2. Planeten Cörperlich/ oder in einem grad/ das ist zu nechst zusammen kommen/ daß solches/ nach art derselben Planeten/ ein grosse Wirckung vnd Verenderung in der Lufft bracht.“ Dasselbe gilt für den in Graden zu messenden Stand der Planeten und ihrer Strahlen, zu einander und im Verhältnis zur Erde (S. 73ff.). Vgl. zur Terminologie (Aspekt, Konjunktion, Opposition, Sextilschein usw.) auch: Lexikon der Astronomie. Die große Weltraumforschung in 2 Bdn. 1. Bd., Freiburg, Basel, Wien 1989, 48 („Aspekt“).
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Der Vorbehalt übernatürlicher Einwirkungen in natürlichen Vorgängen war verbreitet. Er beruhte auf der scholastischen Unterscheidung von causa prima und secunda, folgte in Hermanns Fall aber wohl nicht mehr einer Auslegung des scholastischen
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Axioms „Causa secunda agit in virtute causae primae”, die der causa secunda neben der göttlichen causa prima keine wahre, sondern nur okkasionelle Kausalität zubilligt. Ob er Gott, einmal von der damals unbestreitbaren schöpferischen und seinserhaltenden Ursächlichkeit abgesehen, im scholastischen Sinne Mithilfe (concursus) in den Zweitursachen zusprechen wollte, läßt sich kaum entscheiden oder vermuten, da er nur von einem Hinzutreten der göttlichen Äußerung zu der natürlichen Wirkung spricht. R. Specht in: HWPh I, 975f. Dagegen notierte der reformierte F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), nachdem ihm das schreckliche Ausmaß eines Erdbebens in Kalabrien geschildert worden war: „Ob auch Zwar causæ secundae & Physicæ mitt incurriren, so agirt doch in solchen schweren strafen, causa prima vornehmlich, deßen handt die armen Sündthafte Menschen erkennen müßen.“ Christian: Tageb. XIV, 597v (Eintrag vom 21. 5. 1638).


K I
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Das auch in den Buchtiteln (K 1 u. Beil. I Q) vorkommende „Gewitter“ meint im Sprachgebrauch Lgf. Hermanns noch allgemein Wetter, Witterung und bedeutet noch nicht Unwetter mit elektrischer Entladung der Atmosphäre. Vgl. Teutsche ASTROLOGIA, S. 20; DW IV.I.3, 6376ff. — Zum Nutzen der Wettererklärung und -voraussage vgl. auch K 14.

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