Vom Mai 1629 bis etwa Pfingsten 1631 hatte Ratke in Jena Quartier genommen, um
im Auftrag der Weimarer Herzöge seine Schulreform vorzubereiten. Im Januar und Juli || [
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1629 war es in Jena im Beisein der Herzöge Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) und
Ernst I. v. Sachsen-Weimar(-Gotha) (FG 19) sowie Gfn. Anna Sophias v. Schwarzburg-
Rudolstadt (TG 1, 1619) bzw. ihrer Bevollmächtigten zu Verhandlungen in Ratkes Angelegenheiten
gekommen. F. Ludwig war um Trinitatis 1629 mit Hz. Wilhelm und Gfn.
Anna Sophia in Weimar zusammengetroffen; vgl. 290529 K 21 u. 290531 K 1. Am 13. 9.
1629 (LA Oranienbaum: Köthen C 18 Nr. 53, Bl. 54rv) hatte F. Ludwig Hz. Wilhelm
aufgefordert, um Michaelis einen Beauftragten zur Inspektion der Bibliothek Wolfgang
Ratkes und der Hz. Wilhelm und dessen Brüdern zustehenden Köthener Drucke und anderen
Sachen nach Köthen zu senden. Obgleich Gfn. Anna Sophia Ludwig mehrmals um
Ratkes Bücher gebeten und sich erboten habe, „unseren Anteil daran“ bar zu bezahlen,
was Ludwig genehm sei, so habe er doch nicht ohne Zustimmung der herzoglichen Miteigentümer handeln können. — Im September desselben Jahres erklärte F. Ludwig bereits
seine Bereitschaft, Ratkes 1620 beschlagnahmte Büchersammlung einem Bevollmächtigten
der Gfn. Anna Sophia oder der Weimarer Herzöge auszuhändigen oder, falls die
Auslösesumme nicht sogleich aufgebracht werden könne, die Bibliothek ggf. nach Jena
zu schaffen, wo sie Ratke einstweilen als Depositum immerhin zur Verfügung stehen
sollte. Die von Ratke bzw. seiner Gönnerin erwartete Auslösesumme von über 493 Rth.
errechnete sich aus den Kosten für Fuhrlohn, Buchbinderei, zusätzliche Buchkäufe
(knapp 70 Rth.) und die Einlösung der einst von Ratke an den Frankfurter Kaufmann
Daniel Briers verpfändeten Bibliothek (fast 334 Rth.). Vgl. dazu F. Ludwigs Rechnung
über 493 Taler und 6 Groschen (LA Oranienbaum: Abt. Köthen C 18 Nr. 52, Bl. 127f.
und die in
Conermann: Fürstl. Offizin, 158 Anm. 101 genannten Akten). Da F. Ludwig
und die Weimarer Herzöge die ratichianischen Lehrversuche je zur Hälfte finanzierten,
forderte Ludwig von seinen sächsischen Neffen auch die völlige Bezahlung der Hälfte
der Bibliotheksaufwendungen. Die Rückgabe der Bücher, die einst (am 10. 7. 1619) von
Weimar nach Köthen gebracht worden waren, verzögerte sich jedoch, verschuldet von
der Saumseligkeit der Weimarer Herzöge, wie Anna Sophia meinte. Hz. Wilhelm weilte
kurz vor seiner Audienz bei Wallenstein in Halberstadt (3. 11. 1629) zumindest im anhaltischen
Sandersleben (bei seiner Schwiegermutter Fn. Dorothea v. Anhalt-Dessau
[TG 24]) und vielleicht auch in Köthen. Vgl.
Christian: Tageb. VII, 22. 10. u. 1. 11. 1629
(Wilhelm in Sandersleben). Ein Schreiben F. Ludwigs an seine Schwester ist uns aus dieser
Zeit nicht bekannt. Anfang November 1631 hatten sich jedenfalls die Weimarer Herzöge und Gfn. Anna Sophia endlich soweit verständigt, daß die Herzöge auf die Erstattung
der Hälfte der Auslagen für Ratkes Bibliothek verzichteten und Gfn. Anna Sophia
nun allein mit F. Ludwig über die Rückgabe der ungeteilten Büchersammlung Ratkes
verhandeln konnte. Anna Sophias Bruder Ludwig erklärte sich auch umgehend zur Auslieferung
der Bücher bereit (vgl. 311205), schrieb aber noch im Juli 1632 an seine Schwester,
die Bücher lägen seit dem Mai verpackt und verzeichnet in Halle a. d. S. und warteten
auf Abholung. S. 320729; vgl. auch 270406 K 18, 290529 K 11 u. 16, 290614,
300406, 510416. Wenngleich die Rückgabe selbst nicht dokumentiert ist, mag sie doch
erfolgt sein. Einige Bände der (insgesamt verschollenen oder zerstörten) Bibliothek sind
heute in der FB Gotha nachweisbar. Später, 1643, erwarb Hz. Ernst I. v. Sachsen-Gotha
von Gfn. Anna Sophia den in ihrem Besitz befindlichen Briefwechsel und handschriftlichen
Nachlaß Ratkes. Die in Köthen zurückgehaltene Bibliothek hatte auch Korrespondenzen
und Ausarbeitungen Ratkes umfaßt. Briefe und Unterlagen zu Ratke und zum
Ratichianismus, die F. Ludwig zurückhielt, liegen heute im LA Oranienbaum: Abt. Köthen C 18. Hz. Ernsts Erwerbungen machen heute den Ratichiana-Bestand der FB Gotha
aus. Vgl.
Conermann: Fürstl. Offizin, 158ff.;
Kordes, 37f., 45ff., 96ff.;
Vogt IV, 40–
50. Vgl. die im Nachlaß Gideon Vogts erhaltenen Briefkopien in SBPK Berlin, benutzt
in Uwe Kordes/ John Brian Walmsley: Eine verschollene Gelehrtenbibliothek. Zum
Buchbesitz Wolfgang Ratkes um 1620. In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte.
20 (1995), 133–171, bes. 141.
Der Erweiternde [!] ist Reichsgf. und Burggf. Georg || [
136] v. Kirchberg (FG 184). Vgl.
Conermann I Nr. 184 [GB
1629/30] „Der Erweitternde“ u.
Conermann III, 186. Der genannte Brief F. Ludwigs an Gfn. Anna Sophia mit der Beilage eines Exemplars des
GB 1629 für den Reichs- u. Burggrafen ist uns nicht bekannt. Vgl. K 1 und 290913.
vergleichen part. praet., verglichen. Nach der Formenlehre sind in der starken Verbklasse Ib mhd. verg[e]lı̂chen, part. praet. verglichen zu erwarten. Vgl.
Paul, 190 Anm. 1 (lı̂hen, part. praes. gelihen, neben geligen, geliuwen, geluhen u. a.) Zur Erklärung des Stammvokalismus, der nicht als Abschreibfehler des Holsteiners Ratke, sondern als ostmd. Eigenheit der Sprache zu werten ist, vgl. für vergleichbare Partizipformen Gfn. Anna Sophias (abgeschreiben, erweisen) 270406 K 3.
Jena. F.
Ludwig wollte offenbar die Fuhre bis Sandersleben oder gar bis Leipzig selbst bezahlen, nicht aber bis nach Jena. Zur Rolle Sanderslebens vgl. Brief Hz. Wilhelms an F. Ludwig (präsentiert am 1. 8. 1630; LA Oranienbaum: Köthen C 18 Nr. 53, Bl. 55r): Ludwig möge laut der Übereinkunft mit ihm die (für die weimarische Schulreform) benötigten Bücher schicken und diese bis nach Sandersleben fahren lassen. Am 3. 8. 1630 antwortete F. Ludwig, er sei bereit, u. a. den Transport von Ratkes Büchern bis nach Sandersleben oder Leipzig zu bezahlen, wenn ein von Sachsen-Weimar Beauftragter die Sendung zuvor in Köthen inspiziere und abnehme (a. a. O., Bl. 59r; vgl. Bl. 58r).