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300209 Fürst August von Anhalt-Plötzkau an Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg
[Inhaltsverzeichnis]
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300209

Fürst August von Anhalt-Plötzkau an Fürst Christian II.von Anhalt-Bernburg


F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) bittet (seinen Neffen) Pz. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), falls dieser an seiner geplanten Reise nach Wildungen festhalte, Augusts Schwester, Gfn. Anna Sophia v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1), einen Brief und ein Exemplar von Martin Opitz’ (FG 200) Schäfferey Von der Nimfen Hercinie auszuhändigen. Christian möge es ihm aber bei seiner Rückfahrt wiederbringen, damit Opitz es bei einem Besuch in Anhalt auf seine Anregung hin vielleicht ergänzen könne. Gott wohne nämlich überall und ihm gebühre allein allzeit Preis, Ehre und Ruhm. — In Wildungen möge sich F. Christian nicht von Hzn. Barbara Sophia v. Württemberg-Stuttgart (TG 57) irremachen lassen, denn sie täusche sich, von Gerüchten und Spionen verführt, über F. August.

Beschreibung der Quelle


Q LA Oranienbaum: Abt. Bernburg A 10 Nr. 1, Bl. 59rv (alte Blattzählung: 56rv) u. nichtfol. Bl. [Rücks.: A]
Die Akte war im Krieg ausgelagert und später im BA Koblenz aufbewahrt worden. Nach 1989 wurde sie dem LA Oranienbaum zugeführt, wo sie neufoliiert wurde, wobei sich die alte Blattzahl jeweils um drei erhöhte.

Anschrift


A Dem Hochgebornen Fürsten Herrn Christian dem Jüngern, Fürsten zu Anhaldt, Graffen zu Aßcanien, herrn zu Berenburgk und Zerbst, Vnserm freundtlichen geliebten Vettern, Schwagern, Brudern und Geuattern etc. Ballenstedt. Zu JLd. handen

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Hochgeborner Furst freundlicher vielgeliebter Herr Vetter vnd gefatter, dem verlaß1 nach sende ich El. hirmitt ein brifflein an mein Frau schwester von Schwarzburgk2 welches dafern El. dern reise3 noch continuiren wollen, worzu Jch deren vnd meiner vielgeliebten Muhmen mitt freundlicher begrußung, alle gedeyliche wohlfartt wunsche, El. vnbeschwert, derselben woltten einhendigen || [137] laßen, stelle zu E.l. gefallen, ob sie der Frau schwester die hercinie4 woltten mitbringen, vnd im geliebten ruck zuge, mitt wieder zurucke nehmen, wan es Friede vnd der Opiz in die Lande kehme köntte ihme zu vermehrung solchera Hercinie noch was vielleicht in anzeige kommen, gott wohnet vberall, vnd deme gehöret auch alleine alls Lob Ehre ruhmb vnd preis izt vnd in Ewigkeitt. Sonsten bitt El. ich auf vnser vertrauen, sie wolle sich zu wildung5 meinet wegen nicht laßen Jrre machen, sonderlich von der Muhmen von wurttenbergk Marggreffinb 6 , mitt derselben billich ein Mittleiden zuhaben, Man vernimpt gemeinlich noch [59v] auss der Nachtbarschafftc als in der Nehe, Es fabulirt sich auch zeitten viel vber Land, das verursachen zeitten die Spioni7 so nur dinge vnrecht ein nehmen, wie sie es faßen können, so mag es der gutten Furstin auch ergangen sein, Jn Summa ich gestee nichts als was man an mir siehet vnd weiß. Wormitt ich El. dem Almechtigen zu allem F. wohlergehen Treulichen befehle. Pl.8 9 Feb. 1630.

E.L. Treuer vetter vnd gefatter weil9 Jch lebe

Augustus fzAnhald

Textapparat
a Aus solches
b Eingefügt.
c Sic.

Kommentar
1 Verlaß, bis in das 18. Jahrhundert Vertrag, Vereinbarung, Absprache. Stieler, 1077 („conventum, conventio, pactio“); Baufeld, 83; DW XII.1, 724ff.; Götze, 79; Paul: Wörterbuch, 969. Vgl. auch 350800 K 18. — Pz. Christian (II.) v. Anhalt-Bernburg (FG 51), der damals in Ballenstedt residiert, verzeichnet den Empfang des Schreibens seines Oheims F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) unter dem 10. 2. 1630, s. Christian: Tageb. VIII.
2 Gfn. Anna Sophia v. Schwarzburg-Rudolstadt, geb. Fn. v. Anhalt (TG 1).
3 Pz. Christian plante damals eine Reise nach Wien, wo er vom Kaiser ein Kommando erhoffte. Wildungen sollte also nur eine Zwischenstation bilden. Der baldige Tod seines Vaters, F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26; vgl. 300509), vereitelte damals die Reiseabsicht des Erben. Auf einem Treffen mit Pz. Christian in Plötzkau am 6. und 7. 2. 1630 hatten F. August und dessen Bruder, F. Ludwig, dem Prinzen mit dem Hinweis auf die großen Reisekosten, den gegenwärtigen Mangel an geschäftlicher Dringlichkeit, die zu befürchtenden Insinuationen der Katholiken zum Zweck eines Konfessionswechsels Christians, die gewiß fehlende Bereitschaft der Landstände zur Bewilligung der benötigten Reisegelder u. a. m. seine Reisepläne und -wünsche auszureden versucht. S. Christian: Tageb. VIII, Einträge vom 6./ 7. 2. 1630.
4 Martin Opitz v. Boberfeld (FG 200): Schäfferey Von der Nimfen Hercinie (Breßlaw 1630: Brieg); Opitz IV.2, 508–578. Der 1629 in die FG aufgenommene Opitz dürfte mehrere Exemplare des Buchs gleich nach seinem Erscheinen nach Anhalt gesandt haben, wenigstens an F. Ludwig und F. August. Ein eigenes Exemplar des Buchs fand sich beim Tode F. Christians II. nicht in dessen Bibliothek. Vgl. 291009 K 5. Die Widmung des Werks an den ksl. Obristen Frh. Hans Ulrich Schaffgotsch v. Kynast u. Greiffenclau (1595–1635 [wegen Verschwörung mit Wallenstein hingerichtet]) hatte Opitz in Glatz erst „zue außgange des 1629. Jhares“ datiert. Dazu Opitz IV.2, 511. Vgl. auch 291231. F. Christian II., der Opitz am 22. 9. 1629 in Breslau getroffen hatte (s. 291005 K 5), las gleich nach Erhalt dessen Prosaekloge seiner damals erkrankten Gemahlin Eleonora Sophia v. Anhalt-Bernburg (TG 39) vor. Christian: Tageb. VIII, Eintrag vom 16. 2. 1630: „J’apprehends grandemt. la mort de ma chere compaigne, par quelques indices que Dieu & moy scavons, NB. NB. NB., & aussy de ce, que comme je luy lisois au commencement de sa maladie l’histoire de Hercinia dediée || [138] || [139] nouvellement par Opitius, au Baron Schafgotsch, elle l’eut a contrecoeur disant: Pourquoy me lisèz vous telles choses prophanes, plustost lisèz moy des choses spirituelles, car ie ne croy pas que ie me releveray de ce lict.“ Die Widmung an Schaffgotsch hatte zusätzliche Aufmerksamkeit auf Opitz’ Werk gelenkt, denn der hochverschuldete Pz. Christian hatte von Schaffgotsch ein günstiges Darlehen erhalten. Vgl. Christian: Tageb. VIII, Eintrag vom 1. 5. 1630: „Jn die schlesie an herren Schafgotschen, ein danckschreiben gethan, (car il m’a prestè a ceste foire pascale de lipsie, 3200 Rthlrs. sans interests, a rendre la moitiè l’annèe quj vient, & l’autre moitiè en deux ans, c’est adire 1600 a La foire de Leipzig, de Pasques 1631 & les autres 1600 a La foire de Pasques 1632.“ Christian beantwortete das Schreiben Schaffgotschs (mit Grüßen von dessen Gattin Barbara Agnes, geb. Hzn. in Schlesien zu Liegnitz, Brieg u. Wohlau [1593–1631], an Christians Gemahlin) sogleich. Christian: Tageb. VIII, Eintrag vom 8. 2. 1630. — Die im folgenden vorgebrachte Kritik F. Augusts richtet sich wohl dagegen, daß Opitz die Sudetengefilde (gattungsgemäß) mit heidnischen Göttern und Geistern bevölkerte. Interessant an dieser Briefstelle ist immerhin die selbstbewußte Literaturkritik, die F. August hier vorbringt bzw. in Aussicht stellt: Verbesserungsvorschläge, die Opitz bei einem künftigen Zusammentreffen unterbreitet werden sollen. — Kurz zuvor hatte der Senior des anhaltischen Hauses Pz. Christian anscheinend eine verdeutschte Abschrift eines alchemistischen Werkes, oder eines Teiles daraus, zugesandt („beiliegend wie ich Jhn aus dem Lateinischen tractetlein De Aetite des Guilhelmi Lauenbergij Anno 1627 zu Rostock gedruckt hab vertiren laßen. vnd vberschick Jhn bei dieser guetten gelegenheitt, welche ich auf so instendiges anhaltten nicht hab verwehren können“. Brief vom 21. 1. 1630. LA Oranienbaum: Abt. Bernburg A 10 Nr. 1, Bl. 62rv [alte Zählung: Bl. 59rv], eigenh., Bl. 62r). Es handelt sich um Wilhelm Laurenberg: ... Historica descriptio aetitis, seu lapide aqvilæ, in qua de ejus natura, etymologia, generatione, patria, speciebus, pretio, proprietatibus & virtutibus tam occultis quam manifestis disseritur. Rostock: A. Ferber 1627 (SUB Göttingen, HAAB Weimar). — Zu Gfn. Anna Sophias Kenntnis der Hercinie s. 300320 K II 2.
5 Niederwildungen u. Burg Wildungen im heutigen Bad Wildungen, damals im Besitz Gf. Christians v. Waldeck-Wildungen (FG 113).
6 Hzn. Barbara Sophia v. Württemberg-Stuttgart, geb. Mgfn. v. Brandenburg (TG 57). Vgl. Conermann TG, 616 und 300320 I. Es ist unbekannt, vor welchem Irrtum der Herzogin F. August seinen Neffen Christian warnen wollte.
7 Diese ital. Pluralform geht wohl auf ein aus dem Langobardischen oder Gotischen abgeleitetes, aber nicht belegtes Wort (vgl. ahd. spehôn) zurück, das auch im Lateinischen, Französischen, Spanischen, Niederländischen und in anderen Sprachen übernommen und im Dreißigjährigen Kriege im Deutschen eingebürgert wurde. S. Etymolog. Wb.(Pfeifer), 1327.
8 Plötzkau.
9 Solang(e). S. 290510 K 11.
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