Weiteres Exemplar HAB: 30. 3 Geom. 2° (2), ohne handschriftl. Eintrag. Vgl.
IP,
328v;
Bulling, 23. — Wilhelm v. Kalchheim gen. Lohausen (FG 172) hat seine Übersetzungsarbeit
Pgf. Johann v. Zweibrücken gewidmet (Beil. I). Die Schrift ist großenteils
aus Simon Jacobs Rechenbuch entnommen, soll u. a. dem Festungsbau dienen und ver- || [
143] wirklicht
ein fachterminologisches Übersetzungsanliegen des Verfassers (s. Beilage II).
— Ein Begleitbrief zu der Buchsendung Kalcheims an Hz. August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel
(FG 227) hat sich in der HAB nicht erhalten. Das einzige dort
überlieferte Schreiben Kalcheims an Hz. August wurde „Eilendt im Feldtläger bey Ferden
[d. i. Verden an der Aller] den 24 Maj 1632“ niedergeschrieben (HAB: BA II, 6, Nr.
565; 1 Bl., eigenh.). Darin bedauert Kalcheim u. a., daß „der herr Feldtmarschalck“ von
Hz. August entliehene Bücher „zweiffels frey mit seinen sachen nach hauß genohm
men“
habe. Die Rede ist von Åke Henriksson Tott (1598–1640), schwedischer General und
Reichsrat seit 1630, Feldmarschall 1631, seit Spätherbst 1631 Oberkommandierender
der schwedischen Truppen im niedersächsischen Kreis. Kalcheim, im Sommer 1631
Oberst und Geheimer Kriegsrat in mecklenburg-schwerinischen Diensten, dann, nach
der erfolgreichen Restitution der mecklenburg. Herzöge und der allmählichen Befreiung
ganz Mecklenburgs von ksl. Soldateska zum schwed. Generalmajor ernannt, unterstellte
er sich und das mecklenburg. Truppenaufgebot dem schwed. Feldmarschall Tott. Nachdem
mit Wismar am 6. 1. 1632 der letzte ksl. Stützpunkt in Mecklenburg gefallen war,
wurde Kalcheim von Hz. Adolf Friedrich v. Mecklenburg-Schwerin (FG 175) zum dortigen
Gouverneur bestellt. Tott sollte jetzt seine Truppen im Gebiet zwischen Hitzacker-
Lüneburg und Winsen sammeln. Am 23. 1. 1632 schrieb Tott aus „Hitzger“ (d. i. Hitzakker
an der Elbe, Hz. Augusts damalige Residenz), der Obrist Lohausen lasse sich in der
Kommandantur Wismar vertreten und sei ständig in seinem Gefolge (s.
AOSB SA IX,
700). In dieser Zeit muß es zu der im Brief genannten Bücherleihe gekommen sein. Die
schwedische Armee zog dann weiter über Lauenburg nach Buxtehude, das nach langer
Belagerung am 4. 3. 1632 erobert wurde, und Stade, dem zweiten Hauptstützpunkt der
kathol. Streitkräfte in der Region, dessen Einnahme den Schweden erst im Mai gelang.
Pappenheim verstand es, gegenüber den überlegenen schwedisch-niedersächsischen
Truppen und ihren zerstrittenen militär. Oberbefehlshabern (Tott, Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg
[FG 231]; Johan Banér [FG 222]) die Offensive zu behaupten. Unzufrieden
mit der glücklosen Leitung der Operationen wurde Tott zum 1. 5. 1632 als
Kommandeur der schwed. Truppen im niedersächs. Kreis durch General Wolf Heinrich
v. Baudissin (1597–1646) abgelöst, dem es wieder gelang, die Initiative zu ergreifen. Sein
erster Feldzug führte ihn von Buxtehude über Bremervörde und Osterholz (6. 5.) nach
Verden an der Aller, das eine starke Besatzung erhielt und von wo aus Kalcheim den
oben genannten Brief schrieb, nach Hannover (29. 5.) und Hildesheim (6. 6.), wo Baudissin
in Verbindung mit Hz. Georg und Kalcheim die Pappenheimer vertreiben konnte.
(
Sveriges Krig VI, 98 u. 110ff.) Tott hingegen trat vom deutschen Kriegsschauplatz ab
und war spätestens zum Ende des Jahres 1632 in der Tat „nach hauß“, in seine schwedische
Heimat zurückgekehrt.
AOSB SA IX, 697ff.;
Arma Suecica II, 13ff.;
III, 11, 16,
23;
Findeisen, 335ff.;
Sveriges Krig III, 448, 471, 480, 535; IV, 29, 350ff.; V, 26; 109ff.,
125f.; VI, 78f., 89ff., 101f., 108ff., 232ff.; E. v. Schaumburg: General Wilhelm von Calckum
genannt Lohausen, ein Bergischer Kriegsmann. In: Zs. des Bergischen Geschichtsvereins
3 (1866), 1–223, 110ff.; nur kursorisch zu den Kriegsereignissen in Hitzacker:
Gerd Heinrich: „Nova Ithaca“. Fürstl. Landleben und soziale Wirklichkeit im Hzt. Dannenberg-
Hitzacker zw. 1605 und 1635. In: Fruchtblätter. Freundesgabe f. Alfred Kelletat.
Hg. H. Hartung [u. a.]. Berlin 1977, 257–283, 276. Er selbst, so Kalcheim im oben
zitierten Brief vom 24. 5. 1632 weiter, habe den von Hz. August entliehenen „
Cavriana“
noch in guter Verwahrung und werde das Buch demnächst zurücksenden; die Zeit erlaube
ihm leider nicht, in der Lektüre die erhoffte Ergötzung zu suchen. Bei dem genannten
Buch handelt es sich wahrscheinlich um: Filippo Cauriana: Discorsi ... sopra i primi cinque
libri di Cornelio Tacito: nelli quali si trattano molte cose al governo del publico...
nelle presenti guerre civili di Francia, per instruttione della vita humana. Fiorenza: Giunti
1600 (TULB Jena, HAAB Weimar).
Hz. August d. J. v. Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel,
aus der dannenbergischen Seitenlinie der lüneburgischen Welfen, re- || [
144] sidierte damals in Hitzacker a. d. Elbe. Nach dem Aussterben des mittleren Welfenhauses
(1634) trat er die Erbfolge im Wolfenbütteler Teilfürstentum an.
Kalcheim war
damals Oberst und Stadtkommandant im Dienst der Stadt Bremen. Er nahm am 29. Juni
die Stellung eines hzl.-mecklenburg. Kriegsrats an. 1625 war er Kriegsrat, Oberst und
Generalkriegskommissar bei den von Kg. Christian IV. v. Dänemark geführten Truppen
des niedersächs. Kreises geworden. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberg (1626)
brachte er eineinhalb Jahre in ksl. Gefangenschaft in Bockenem (Bt. Hildesheim, heute
Kr. Hildesheim-Marienburg) zu, wo er u. a. sein Werk zur Geometrie verfaßte (vgl. auch
K I 3).
K I
1 Pgf. Johann II. bei Rhein zu Zweibrücken (26. 3. 1584 – 9. 8. 1635) regierte seit
1604; vgl. 301001, 310113, 310224. Sein Vater Pgf. Johann I. (1550–1604) hatte Wilhelm
v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) als Edelknabe an seinen Zweibrücker Hof genommen
und mit seinen drei Söhnen, Johann II., Friedrich Casimir (1585–1645) und Johann
Casimir (1589–1652) aufziehen lassen. Hier legte Kalcheim die ersten Gründe seiner gelehrten
Kenntnisse, wie er eingangs der von uns zitierten Widmungszuschrift selbst
dankbar bekundet. Pgf. Johann II. sollte später, 1610–1614, Vormund des unmündigen
Kf. Friedrich V. v. der Pfalz und Haupt der Union werden. Er wahrte in der Kurpfalz
das reformierte Bekenntnis. Vgl.
AD IV, 83;
Medaillen Pfalz II, 675ff.; Schaumburg, a.
a. O. (s. K 1), 6.
2 Zu Kalcheims Gefangenschaft s. oben K 3.
3 Ebenfalls während
Kalcheims Gefangenschaft entstand seine Übersetzung von C. Sallustius Crispus’
De
coniuratione Catilinae et de bello Jugurthino, in die er auch eigene Diskurse nach dem
Vorbild Macchiavellis, La Noues (vgl. 300216 K 0) und anderer aufnahm. S. 300216
Abb. des Titelblatts. Auch dieses Buch wurde Hz. August mit einer handschriftl. Widmung
zugesandt (s. 300216). In der Nachbemerkung zu seinen „Kriegs Discoursen“ entschuldigt
sich der Verfasser damit, daß er „durch ein buch von newer art vestungsbawens/
durch ein guten freund mir zugeschicket/ daran behindert“ worden sei, mehr
Zeit auf die (kurzen) Kriegstraktate zu verwenden (a. a. O., 616). — Kurz vor Kalcheims
Tod erschien 1638 in Rostock dessen Übertragung des
Davide perseguitato von Virgilio
Malvezzi Marchese di Castel Guelfo: Der Verfolgete David/ Auß Jtalianischem ...
Teutsch vbergesetzet. Die Übertragung wurde von F. Ludwig und Diederich v. dem Werder
(FG 31) überarbeitet und neu herausgegeben: Der verfolgete David ... Aufs neüe
übersehen und verbessert Mit angehefter erklerung etzlicher gebraucheten neüen wörter/
Auch mit vorwissen und einwilligung der Fruchtbringenden Geselschaft. Köthen
1643 (HAB: 23. 3 Eth. [2]); s.
Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 440–450.
Vgl.
DA Köthen II. 1, *36;
Neumark: Palmbaum, 453;
Bulling, 31;
Conermann III,
174;
Dünnhaupt: Handbuch: Art. F. Ludwig von Anhalt-Köthen, Nr. 17. Das in der Vorrede
an den Leser angekündigte Werk Kalcheims über den Festungsbau scheint hingegen
nicht erschienen oder zustande gekommen zu sein.
4 Durchaus.
Stieler, 441, kennt neben
der heute allein geltenden Grundbedeutung von beinahe („penè, fermè, propemodum,
ferè[...]“) auch die Bedeutung überaus, reichlich, gar sehr: „valde, abunde, multùm“.
Ebenso führt
Wachter, 420, zwei gegensätzliche Bedeutungen auf: pene/ fere und
valde (u. a. Beleg bei Luth. Psal. LXXXIX, 8: Gott ist fast mæchtig). Letztere Bedeutung
aber sei im Veralten begriffen: „Hodie tamen obsolescit“.
5 Als Siebenjähriger kam
Kalcheim 1591 an den Zweibrücker Hof, wo er später als Hofjunker (bis 1602) lebte.
6 So gethan, solch, dergestalt. Vgl.
DW X. 1, 1817f.; Nabil Osman: Kleines Lexikon untergegangener
Wörter. München 1971, 190f.
7 Magdalena, Tochter Hz. Wilhelms IV.
(„des Reichen“) v. Jülich, Kleve und Berg. Sie lebte von 1553 bis 1633 und heiratete 1579
Pgf. Johann I. bei Rhein zu Zweibrücken (s. Anm. 1).
8 Pgf. Johanns II. zweite Gemahlin:
Pgfn. Louisa (Juliana) (16. 7. 1594 – 28. 4. 1640), Tochter Kf. Friedrichs IV. Die
Hochzeit fand am 13. 5. 1612 statt. Johanns erste Gattin war Catherine de Rohan || [
145] (1578–1607), mit der er sich am 26. 8. 1604 vermählt hatte. Vgl.
AD IV, 83;
Medaillen
Pfalz II, 681ff.
9 Pgf. Johann II. hatte sechs Töchter und zwei Söhne; Pz. Friedrich
(1616–1661; FG 476, 1647) folgte ihm 1635 in der Regierung. Nach dessen Tod erlosch
die jüngere Zweibrücker Linie. Vgl.
AD IV, 142f.;
Conermann III, 584f.;
Medaillen
Pfalz II, 682.
K II
1 Simon Jacob (Coburg 1510 [?] – Frankfurt a. M. 24. 6. 1564): Rechenbuech auff
den Linien vnd mit Ziffern/ sampt allerley vortheyln/ Frags weise/ Mit angehenckten
Demonstrationen/ die vormals im Teutschen nit getruckt/ Mit fleiß zusamen getragen
[Frankfurt a. M. 1557]. HAB: 15. 4 Arithm. (3). Nach seinem Tod gab sein Bruder Pancratius
eine um die von Simon hinterlassenen Arbeiten zur Geometrie erweiterte Ausgabe
heraus: Ein New vnd Wolgegründt Rechenbuch/ auff den Linien vn̄ Ziffern/ sampt der
Welschen Practic vnd allerley vortheilen/ neben der extraction Radicum, vn̄ von den
Proportionen/ mit vilen lustigen Fragen vn̄ Auffgaben/ etc. Deßgleichen ein vollkom̄ner
Bericht der Regel Falsi/ mit neuwen Inuentionibus/ Demonstrationibus, vnd vortheilen/
so biß anher für unmüglich geschetzt/ gebessert/ dergleichen noch nie an tag kommen.
Vnd dann von der Geometria/ wie man mancherley Felder vnd ebne/ auch allerley Corpora/
Regularia vnd Irregularia/ messen/ Aream finden vn̄ rechnen sol. Alles durch Simon
Jacob von Coburg/ Bürger vnd Rechenmeister zu Franckfurt am Main/ mit fleiß
zusammen getragen/ vnd jetzt erstmals getruckt (Frankfurt a. M. 1565); HAB: 3. 1
Arithm. Mehrere Neuauflagen, etwa Frankfurt a. M. 1612 (HAB: Slg. Schulenburg M.
16). Jacob galt Moritz Cantor, a. a. O. (s. u.), S. 581, als ein „ganz tüchtiger Geometer“;
sein Rechenbuch sei „besser als viele, vielleicht als die meisten ähnlichen Werke der gleichen
Zeit“ (S. 609). Vgl.
ADB XIII, 559;
NDB X, 219f.;
DBA 593, 363f.; Moritz Cantor:
Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Bd. 2: 1200–1668. 2. Aufl. Leipzig
1900, 581f., 609–611. Zum Interesse an Mathematik, insbesondere an Geometrie in
Kreisen der FG vgl. auch 271201A.
2 Zu Kalcheims Gefangenschaft s. K 3.
4 Kalcheims Werk zur Geometrie besteht aus vier Teilen nebst dem Vorwerk und
einem „Eingang“ zu den verwendeten Grundbegriffen. Teil 1 handelt von der „linien
oder längen messung“ („Euthymetria“), Teil 2 von der „Flächen Messung“ („Embadometria“),
Teil 3 von der „Cörper oder Leichnamb Messung“ (Stereometria“). Zu Teil 4:
„Von Zehendt Zahlen“ s. Anm. 5 u. 6. Im „Eingang“ bemüht sich Kalcheim um eine Verdeutschung
der Fachterminologie; so übersetzt er etwa „Punct“ mit „stipflein“, Diagonale
mit „Scheidlinie“, Hypotenuse mit „lehnend linie“ und den dreidimensionalen „Körper“
mit „leichnam“ (Zitate in der Reihenfolge S. 1, 2, 6).
5 Dezimalzahlen. Kalcheim,
a. a. O., 117: „Zehendt Zahlen“ dienen dazu, Brüche zu vermeiden. Es sind Zahlen, „die
in 10. sich theilen lassen/ oder mit 10. aufgehen“.
6 Zu lat. surdus/ surditas, taub, verschwiegen/
Taubheit. Vgl. z. B. Felix Müller: Mathematisches Vokabularium. Französisch-Deutsch
und Deutsch-Französisch. Leipzig 1900, 113: „sourd, e (binôme, quantité, racine) surdisch, incommensurabel, imaginär.“ Unter ,surdischen‘, ,tauben‘, d. h. inkommensurablen
oder irrationalen Zahlen sind Zahlen zu verstehen, deren Wert sich
nicht ganz genau, sondern nur annähernd, durch einen unendlichen Bruch, darstellen
läßt, wie etwa die Kreisumfangszahl π. Ebenso erscheint etwa das Verhältnis von Diagonale
und Seite des Quadrats als irrational. Das Problem begegnet ferner insbesondere
bei der von Kalcheim angesprochenen Wurzelziehung. Er beschreibt die „Surdesolidis
oder Taubkörperlichen Zahlen“ (128ff.) als „Zahlen/ so zwar aus oft wiederholeter vielfältigung
ihrer wurtzel entspringen/ aber auf die weise/ als vorhergehende/ durch die
außziehung der viereckichten [=Quadrat-] oder würffelichten [=Kubik-] wurtzel/
nicht können wider zu ihrer wurtzel gebracht werden“ (S. 128). Als Beispiel wird die
Zahl 128 mit ihrer Wurzel 2 genannt. Zur älteren Gebräuchlichkeit des Terminus „Surd-
Zahl“ (Numerus surdis=Irrationalzahl) s. auch Maximilian Curtze (Hg.): Urkunden zur
|| [
146]
Geschichte der Mathematik im Mittelalter und der Renaissance. Leipzig 1902. Ndr. N.
Y./ London 1968, 477, 512, 574ff.; Maß, Zahl und Gewicht. Mathematik als Schlüssel
zu Weltverständnis u. Weltbeherrschung. 2., überarb. u. erg. Aufl. Wiesbaden 2001 (Ausstellungskataloge
der Herzog August Bibliothek, 60), 226. Vgl. auch Cantor, a. a. O. (s.
Anm. 1), 117, 133f., 147 u. ö.