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300215 Wilhelm von Kalcheim gen. Lohausen widmet Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel seine Geometrischen Aufgaben
[Inhaltsverzeichnis]
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300215

Wilhelm von Kalcheim gen. Lohausen widmet Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel seine Geometrischen Aufgaben


Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) übersendet sein vornehmlich aus fortifikatorisch- strategischem Interesse erwachsenes geometrisch-mathematisches Werk Zusamfassung Etlicher Geometrischen Aufgaben (1629) mit einer handschriftlichen Widmung versehen an Hz. August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227). Das Buch enthält (I) eine gedruckte Widmung an Pgf. Johann II. v. Zweibrücken und (II) eine „Erinnerung an den Leser“, in der Kalcheim seine Absicht erklärt, die überkommene wissenschaftliche Fachterminologie der Geometrie erstmalig verdeutscht zu geben. || [140]

Beschreibung der Quelle


Q [Kupfertitel, gestochen von G. M.; Text in einer von geometrischen Figuren umgebenen Säulenkartusche:] Zusamfassung | Etlicher Geometri- | schen Aufgaben: | So | Durch die Rechenkunst | allein aufzulösen, | Benebenst kurtzem be- | richt von zehendzahlen, | Durch | Wilhelm von Calchum | gnt Lohausen Obristen. | Bremen, 1629. (HAB: 30. 2 Geom. 2° 1). Handschriftl. Widmung auf Vorsatzbl.1

Jhrer Furstlichen Dl.

Jhrer Furstl. Dl. Herren Augusto Hertzogen zu Braunschwig vnd Lüneburg,2 seinem Gnädigen Fursten vnd Herren, vberschickt in vnterthänigkeita dießes Büchlein.

Wilhelm von Lohausen

Auß Bremen den
15t Febr. 16303
I
Widmungszuschrift an Pfalzgraf Johann II. von Zweibrücken

Q A. a. O., Bl. )( 2rv.
Dem Durchleuchtigsten
Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn
Johansen/
Pfaltzgraven bei Rhein/ in
Bayern/ zu Gülch/ Cleve und Berg Hertzogen/

zu Veldentz/ Spanheim/ der Marck und Ravenspurg
Grafen/ Herrn zu Ravenstein.


DVrchleuchtigster/ Hochgeborner/ Gnedigster Fürst und Herr.1 Dieses/in meiner aus gemeinem geschrei Ewer Fürstl. Gn. zweifels ohn kündlichen gefangenschaft/ alhie in Bockehnum2 / zusamb gefügt und aus im eingang eingeführten ursachen außgegebenes geringfügiges büchlein/ als die Erstlinge meiner feder3 / Ewer Fürstl. Gn. unterthenigst zuzuschreiben/ freiheit zu ergreiffen/ veranlasset mich/ neben der Ewer Fürstl. Gn. zu mir tragenden Gnädigsten neigungs versicherung/ der schuldigen danckbarkeit unvergessenen gemühts erinnerung. Dann/ weiln der grund nicht allein dieser/ sondern auch anderen meiner zwar geringfügig/ jedoch mir fast4 nützlichen wissenschaft/ in bei Ewer Fürstl. || [141] Gn. kindheit und jugend über elfjährigen/ als jungen/ unterthänigsten aufwartung5 und dabei gethanen reisen/ gelegt: Als habe nicht unfugsamb/ auch Ewer Fürstl. Gn. verhoffentlich nicht unangenehm geachtet/ die/ wie obgenante Erstlinge/ der wiewol schlechten früchten/ zu der wurtzel/ dannenhero sie entsprossen/ zuzuschicken/ und diß Büchlein Ewer Fürstl. Gn. zuzueignen. [)( 2v]
Wiea nun/ daß Ewer Fürstl. Gn. sothan6 genommene freiheit/ gestalt aus unterthenigsten trew und wolmeinen sie hergeflossen/ in ungnaden nicht aufnehmen/ sondern mit beharrlichen gnaden mir beigethan sein und verbleiben werdē/ ich mich unterthänigst versehe: Als will gleichmässig Ewer Fürstl. Gn. sampt der hochgeehrt und geliebten Fraw Mutter7 / Gemahlin8 / jungen Herrschaft und Fräwlein9 Göttlicher schirmswaltung/ zu langwirigen gesundheits fristung/ und alles Fürstlich und gedeilichen aufnehmens verleihung getrewlich befehlend/ dieselbe gantz unterthänig gebetten haben/ sich hinwider zu vergewissern/ das ich bin/ auch jedes orts und frists verbleibe

Ewer Fürstl.
Gnaden


Vnterthänigster
Wilhelm von Kalcheim/
genant Lohausen.

Gegeben
Bokehnum den 27. Junii,
anno 1627.


II


Vorrede an den Leser

Q A. a. O., Bl. )( 3rv.

Erinnerung an den
Leser.


LJeber Leser: damit nicht wie der Æsopischen Krähe/ samb mit anderer leute feder ich mich schmücken wollen/ mir verweißlich nachgesagt werden müge: Als füge demselben nebenst nach standes gebühr dienst/ freundschaft und alles guten willens erbietung ich hiemit an; daß gegenwertiges Büchlein/ meistentheils aus des vornehmen Rechenmeisters Simon Jacobs von Coburg grossen Rechenbuch1 genommen/ zu nützlicher meiner gefänglichen zeit2 hinbringung von mir zusamb getragen/ und in diese ordnung gesetzet in truck || [142] zugeben und außzulassen meine meinung und vornehmen nicht/ sondern wie gesagt/ meine übung gewesen.
Daß aber über vermeinen es geschicht/ seind veranlassende und darzu anreitzende ursachen folgende.
Erste/ vornehmer und der sachen verstendigē leute antrieb. Andere/ daß die sachen für sich selbsten erlernens würdig. Dritte/ daß in dieser kunst/ die weise teutsch zu reden und zu schreiben/ gestalt der dinge eigenschaften frembder sprachen unkündigen desto besser zuverstehen gegeben werden können/ zu gebrauchen hochnützlich. Vierte/ daß obbesagten Rechenmeisters buch itzo wenig gesehen/ auch dieses vom wenigern theil darinnen gesuchet wird. Fünfte/ daß zu einem wercklein von dem Vestungbaw/ welches ich unterhanden3 / die hierin begriffen sachen nicht undienlich/ Solche aber daselbsten weitläuffig außzuführen unreimlich sein würde. In welcher erwegung/ meinen freunden zu folge/ und dem Leser zu diensten es an tag kommen.
Den inhalt betreffend/ findet sich stracks einganges/ daß nemlichen/ es der drei vornehmlich vorfallenden dingen/ in welchen alle begreifliche grössen bestehen/ als Linien oder risse/ fläche oder Superficien, und Cörper oder Leichnambsmessungen4 begreiffet/ welcher jedes absonderlich seines orts und theils gehandelt wird. Demnach aber hierinn/ wie in allem Landmessischen und Vestung- bawungs thun/ zu vermeidung der beschwerlichen Brüche die zehendzahlen5 / gantz nützlich gebrauchet werden: als ist fürs vierte theil ein kurtzer doch gründlicher und einfältiger bericht/ von dero art und ge- [Bl. )( 3v] braucha nicht allein in gemeiner rechnung/ sondern auch in aller so wol tauben (surdisch)6 als gerecht (rational) zahlen wurtzeln außziehung/ wie auch in der regul falscher satzungen (Falsi) dargethan und eingeführet worden.
Weil aber dieses nur Teutschen und sothanen wissenschaft liebhabenden soldaten zu dienst gethan/ Gestalt man sich/ Teutscher art zu reden/ so viel als erstmahls/ und biß solche Teutsche artē von dieser kunst zu schreiben in mehrern schwang gebracht/ möglichen beflissen: Als wird es zwar hochgelehrter Mathematicorum urtheil untergeben/ darbei aber ersuchet und gewünschet/ daß allerseits man mein wollmeinen sich belieben/ letzten theils aber etwas bessers in reinerer Teutschen muttersprach herauß kommen zu lassen/ sich bewegen und sämptlichen/ nach weinigen verstandes und vermögens zulassung/ aufwartig und bedienlich zu sein/ mir anlaß zu geben geruhen wolle. [Signet]

Textapparat
a Gebessert aus vntherthänigheit.

T I
a Auch Kustode.

T II
a Auch Kustode.

Kommentar
1 Weiteres Exemplar HAB: 30. 3 Geom. 2° (2), ohne handschriftl. Eintrag. Vgl. IP, 328v; Bulling, 23. — Wilhelm v. Kalchheim gen. Lohausen (FG 172) hat seine Übersetzungsarbeit Pgf. Johann v. Zweibrücken gewidmet (Beil. I). Die Schrift ist großenteils aus Simon Jacobs Rechenbuch entnommen, soll u. a. dem Festungsbau dienen und ver- || [143] wirklicht ein fachterminologisches Übersetzungsanliegen des Verfassers (s. Beilage II). — Ein Begleitbrief zu der Buchsendung Kalcheims an Hz. August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) hat sich in der HAB nicht erhalten. Das einzige dort überlieferte Schreiben Kalcheims an Hz. August wurde „Eilendt im Feldtläger bey Ferden [d. i. Verden an der Aller] den 24 Maj 1632“ niedergeschrieben (HAB: BA II, 6, Nr. 565; 1 Bl., eigenh.). Darin bedauert Kalcheim u. a., daß „der herr Feldtmarschalck“ von Hz. August entliehene Bücher „zweiffels frey mit seinen sachen nach hauß genohmmen“ habe. Die Rede ist von Åke Henriksson Tott (1598–1640), schwedischer General und Reichsrat seit 1630, Feldmarschall 1631, seit Spätherbst 1631 Oberkommandierender der schwedischen Truppen im niedersächsischen Kreis. Kalcheim, im Sommer 1631 Oberst und Geheimer Kriegsrat in mecklenburg-schwerinischen Diensten, dann, nach der erfolgreichen Restitution der mecklenburg. Herzöge und der allmählichen Befreiung ganz Mecklenburgs von ksl. Soldateska zum schwed. Generalmajor ernannt, unterstellte er sich und das mecklenburg. Truppenaufgebot dem schwed. Feldmarschall Tott. Nachdem mit Wismar am 6. 1. 1632 der letzte ksl. Stützpunkt in Mecklenburg gefallen war, wurde Kalcheim von Hz. Adolf Friedrich v. Mecklenburg-Schwerin (FG 175) zum dortigen Gouverneur bestellt. Tott sollte jetzt seine Truppen im Gebiet zwischen Hitzacker- Lüneburg und Winsen sammeln. Am 23. 1. 1632 schrieb Tott aus „Hitzger“ (d. i. Hitzakker an der Elbe, Hz. Augusts damalige Residenz), der Obrist Lohausen lasse sich in der Kommandantur Wismar vertreten und sei ständig in seinem Gefolge (s. AOSB SA IX, 700). In dieser Zeit muß es zu der im Brief genannten Bücherleihe gekommen sein. Die schwedische Armee zog dann weiter über Lauenburg nach Buxtehude, das nach langer Belagerung am 4. 3. 1632 erobert wurde, und Stade, dem zweiten Hauptstützpunkt der kathol. Streitkräfte in der Region, dessen Einnahme den Schweden erst im Mai gelang. Pappenheim verstand es, gegenüber den überlegenen schwedisch-niedersächsischen Truppen und ihren zerstrittenen militär. Oberbefehlshabern (Tott, Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg [FG 231]; Johan Banér [FG 222]) die Offensive zu behaupten. Unzufrieden mit der glücklosen Leitung der Operationen wurde Tott zum 1. 5. 1632 als Kommandeur der schwed. Truppen im niedersächs. Kreis durch General Wolf Heinrich v. Baudissin (1597–1646) abgelöst, dem es wieder gelang, die Initiative zu ergreifen. Sein erster Feldzug führte ihn von Buxtehude über Bremervörde und Osterholz (6. 5.) nach Verden an der Aller, das eine starke Besatzung erhielt und von wo aus Kalcheim den oben genannten Brief schrieb, nach Hannover (29. 5.) und Hildesheim (6. 6.), wo Baudissin in Verbindung mit Hz. Georg und Kalcheim die Pappenheimer vertreiben konnte. (Sveriges Krig VI, 98 u. 110ff.) Tott hingegen trat vom deutschen Kriegsschauplatz ab und war spätestens zum Ende des Jahres 1632 in der Tat „nach hauß“, in seine schwedische Heimat zurückgekehrt. AOSB SA IX, 697ff.; Arma Suecica II, 13ff.; III, 11, 16, 23; Findeisen, 335ff.; Sveriges Krig III, 448, 471, 480, 535; IV, 29, 350ff.; V, 26; 109ff., 125f.; VI, 78f., 89ff., 101f., 108ff., 232ff.; E. v. Schaumburg: General Wilhelm von Calckum genannt Lohausen, ein Bergischer Kriegsmann. In: Zs. des Bergischen Geschichtsvereins 3 (1866), 1–223, 110ff.; nur kursorisch zu den Kriegsereignissen in Hitzacker: Gerd Heinrich: „Nova Ithaca“. Fürstl. Landleben und soziale Wirklichkeit im Hzt. Dannenberg- Hitzacker zw. 1605 und 1635. In: Fruchtblätter. Freundesgabe f. Alfred Kelletat. Hg. H. Hartung [u. a.]. Berlin 1977, 257–283, 276. Er selbst, so Kalcheim im oben zitierten Brief vom 24. 5. 1632 weiter, habe den von Hz. August entliehenen „Cavriana“ noch in guter Verwahrung und werde das Buch demnächst zurücksenden; die Zeit erlaube ihm leider nicht, in der Lektüre die erhoffte Ergötzung zu suchen. Bei dem genannten Buch handelt es sich wahrscheinlich um: Filippo Cauriana: Discorsi ... sopra i primi cinque libri di Cornelio Tacito: nelli quali si trattano molte cose al governo del publico... nelle presenti guerre civili di Francia, per instruttione della vita humana. Fiorenza: Giunti 1600 (TULB Jena, HAAB Weimar).
2 Hz. August d. J. v. Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel, aus der dannenbergischen Seitenlinie der lüneburgischen Welfen, re- || [144] sidierte damals in Hitzacker a. d. Elbe. Nach dem Aussterben des mittleren Welfenhauses (1634) trat er die Erbfolge im Wolfenbütteler Teilfürstentum an.
3 Kalcheim war damals Oberst und Stadtkommandant im Dienst der Stadt Bremen. Er nahm am 29. Juni die Stellung eines hzl.-mecklenburg. Kriegsrats an. 1625 war er Kriegsrat, Oberst und Generalkriegskommissar bei den von Kg. Christian IV. v. Dänemark geführten Truppen des niedersächs. Kreises geworden. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberg (1626) brachte er eineinhalb Jahre in ksl. Gefangenschaft in Bockenem (Bt. Hildesheim, heute Kr. Hildesheim-Marienburg) zu, wo er u. a. sein Werk zur Geometrie verfaßte (vgl. auch K I 3).

K I
1 Pgf. Johann II. bei Rhein zu Zweibrücken (26. 3. 1584 – 9. 8. 1635) regierte seit 1604; vgl. 301001, 310113, 310224. Sein Vater Pgf. Johann I. (1550–1604) hatte Wilhelm v. Kalcheim gen. Lohausen (FG 172) als Edelknabe an seinen Zweibrücker Hof genommen und mit seinen drei Söhnen, Johann II., Friedrich Casimir (1585–1645) und Johann Casimir (1589–1652) aufziehen lassen. Hier legte Kalcheim die ersten Gründe seiner gelehrten Kenntnisse, wie er eingangs der von uns zitierten Widmungszuschrift selbst dankbar bekundet. Pgf. Johann II. sollte später, 1610–1614, Vormund des unmündigen Kf. Friedrich V. v. der Pfalz und Haupt der Union werden. Er wahrte in der Kurpfalz das reformierte Bekenntnis. Vgl. AD IV, 83; Medaillen Pfalz II, 675ff.; Schaumburg, a. a. O. (s. K 1), 6.
2 Zu Kalcheims Gefangenschaft s. oben K 3.
3 Ebenfalls während Kalcheims Gefangenschaft entstand seine Übersetzung von C. Sallustius Crispus’ De coniuratione Catilinae et de bello Jugurthino, in die er auch eigene Diskurse nach dem Vorbild Macchiavellis, La Noues (vgl. 300216 K 0) und anderer aufnahm. S. 300216 Abb. des Titelblatts. Auch dieses Buch wurde Hz. August mit einer handschriftl. Widmung zugesandt (s. 300216). In der Nachbemerkung zu seinen „Kriegs Discoursen“ entschuldigt sich der Verfasser damit, daß er „durch ein buch von newer art vestungsbawens/ durch ein guten freund mir zugeschicket/ daran behindert“ worden sei, mehr Zeit auf die (kurzen) Kriegstraktate zu verwenden (a. a. O., 616). — Kurz vor Kalcheims Tod erschien 1638 in Rostock dessen Übertragung des Davide perseguitato von Virgilio Malvezzi Marchese di Castel Guelfo: Der Verfolgete David/ Auß Jtalianischem ... Teutsch vbergesetzet. Die Übertragung wurde von F. Ludwig und Diederich v. dem Werder (FG 31) überarbeitet und neu herausgegeben: Der verfolgete David ... Aufs neüe übersehen und verbessert Mit angehefter erklerung etzlicher gebraucheten neüen wörter/ Auch mit vorwissen und einwilligung der Fruchtbringenden Geselschaft. Köthen 1643 (HAB: 23. 3 Eth. [2]); s. Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 440–450. Vgl. DA Köthen II. 1, *36; Neumark: Palmbaum, 453; Bulling, 31; Conermann III, 174; Dünnhaupt: Handbuch: Art. F. Ludwig von Anhalt-Köthen, Nr. 17. Das in der Vorrede an den Leser angekündigte Werk Kalcheims über den Festungsbau scheint hingegen nicht erschienen oder zustande gekommen zu sein.
4 Durchaus. Stieler, 441, kennt neben der heute allein geltenden Grundbedeutung von beinahe („penè, fermè, propemodum, ferè[...]“) auch die Bedeutung überaus, reichlich, gar sehr: „valde, abunde, multùm“. Ebenso führt Wachter, 420, zwei gegensätzliche Bedeutungen auf: pene/ fere und valde (u. a. Beleg bei Luth. Psal. LXXXIX, 8: Gott ist fast mæchtig). Letztere Bedeutung aber sei im Veralten begriffen: „Hodie tamen obsolescit“.
5 Als Siebenjähriger kam Kalcheim 1591 an den Zweibrücker Hof, wo er später als Hofjunker (bis 1602) lebte.
6 So gethan, solch, dergestalt. Vgl. DW X. 1, 1817f.; Nabil Osman: Kleines Lexikon untergegangener Wörter. München 1971, 190f.
7 Magdalena, Tochter Hz. Wilhelms IV. („des Reichen“) v. Jülich, Kleve und Berg. Sie lebte von 1553 bis 1633 und heiratete 1579 Pgf. Johann I. bei Rhein zu Zweibrücken (s. Anm. 1).
8 Pgf. Johanns II. zweite Gemahlin: Pgfn. Louisa (Juliana) (16. 7. 1594 – 28. 4. 1640), Tochter Kf. Friedrichs IV. Die Hochzeit fand am 13. 5. 1612 statt. Johanns erste Gattin war Catherine de Rohan || [145] (1578–1607), mit der er sich am 26. 8. 1604 vermählt hatte. Vgl. AD IV, 83; Medaillen Pfalz II, 681ff.
9 Pgf. Johann II. hatte sechs Töchter und zwei Söhne; Pz. Friedrich (1616–1661; FG 476, 1647) folgte ihm 1635 in der Regierung. Nach dessen Tod erlosch die jüngere Zweibrücker Linie. Vgl. AD IV, 142f.; Conermann III, 584f.; Medaillen Pfalz II, 682.

K II
1 Simon Jacob (Coburg 1510 [?] – Frankfurt a. M. 24. 6. 1564): Rechenbuech auff den Linien vnd mit Ziffern/ sampt allerley vortheyln/ Frags weise/ Mit angehenckten Demonstrationen/ die vormals im Teutschen nit getruckt/ Mit fleiß zusamen getragen [Frankfurt a. M. 1557]. HAB: 15. 4 Arithm. (3). Nach seinem Tod gab sein Bruder Pancratius eine um die von Simon hinterlassenen Arbeiten zur Geometrie erweiterte Ausgabe heraus: Ein New vnd Wolgegründt Rechenbuch/ auff den Linien vn̄ Ziffern/ sampt der Welschen Practic vnd allerley vortheilen/ neben der extraction Radicum, vn̄ von den Proportionen/ mit vilen lustigen Fragen vn̄ Auffgaben/ etc. Deßgleichen ein vollkom̄ner Bericht der Regel Falsi/ mit neuwen Inuentionibus/ Demonstrationibus, vnd vortheilen/ so biß anher für unmüglich geschetzt/ gebessert/ dergleichen noch nie an tag kommen. Vnd dann von der Geometria/ wie man mancherley Felder vnd ebne/ auch allerley Corpora/ Regularia vnd Irregularia/ messen/ Aream finden vn̄ rechnen sol. Alles durch Simon Jacob von Coburg/ Bürger vnd Rechenmeister zu Franckfurt am Main/ mit fleiß zusammen getragen/ vnd jetzt erstmals getruckt (Frankfurt a. M. 1565); HAB: 3. 1 Arithm. Mehrere Neuauflagen, etwa Frankfurt a. M. 1612 (HAB: Slg. Schulenburg M. 16). Jacob galt Moritz Cantor, a. a. O. (s. u.), S. 581, als ein „ganz tüchtiger Geometer“; sein Rechenbuch sei „besser als viele, vielleicht als die meisten ähnlichen Werke der gleichen Zeit“ (S. 609). Vgl. ADB XIII, 559; NDB X, 219f.; DBA 593, 363f.; Moritz Cantor: Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Bd. 2: 1200–1668. 2. Aufl. Leipzig 1900, 581f., 609–611. Zum Interesse an Mathematik, insbesondere an Geometrie in Kreisen der FG vgl. auch 271201A.
2 Zu Kalcheims Gefangenschaft s. K 3.
3 S. K I 3.
4 Kalcheims Werk zur Geometrie besteht aus vier Teilen nebst dem Vorwerk und einem „Eingang“ zu den verwendeten Grundbegriffen. Teil 1 handelt von der „linien oder längen messung“ („Euthymetria“), Teil 2 von der „Flächen Messung“ („Embadometria“), Teil 3 von der „Cörper oder Leichnamb Messung“ (Stereometria“). Zu Teil 4: „Von Zehendt Zahlen“ s. Anm. 5 u. 6. Im „Eingang“ bemüht sich Kalcheim um eine Verdeutschung der Fachterminologie; so übersetzt er etwa „Punct“ mit „stipflein“, Diagonale mit „Scheidlinie“, Hypotenuse mit „lehnend linie“ und den dreidimensionalen „Körper“ mit „leichnam“ (Zitate in der Reihenfolge S. 1, 2, 6).
5 Dezimalzahlen. Kalcheim, a. a. O., 117: „Zehendt Zahlen“ dienen dazu, Brüche zu vermeiden. Es sind Zahlen, „die in 10. sich theilen lassen/ oder mit 10. aufgehen“.
6 Zu lat. surdus/ surditas, taub, verschwiegen/ Taubheit. Vgl. z. B. Felix Müller: Mathematisches Vokabularium. Französisch-Deutsch und Deutsch-Französisch. Leipzig 1900, 113: „sourd, e (binôme, quantité, racine) surdisch, incommensurabel, imaginär.“ Unter ,surdischen‘, ,tauben‘, d. h. inkommensurablen oder irrationalen Zahlen sind Zahlen zu verstehen, deren Wert sich nicht ganz genau, sondern nur annähernd, durch einen unendlichen Bruch, darstellen läßt, wie etwa die Kreisumfangszahl π. Ebenso erscheint etwa das Verhältnis von Diagonale und Seite des Quadrats als irrational. Das Problem begegnet ferner insbesondere bei der von Kalcheim angesprochenen Wurzelziehung. Er beschreibt die „Surdesolidis oder Taubkörperlichen Zahlen“ (128ff.) als „Zahlen/ so zwar aus oft wiederholeter vielfältigung ihrer wurtzel entspringen/ aber auf die weise/ als vorhergehende/ durch die außziehung der viereckichten [=Quadrat-] oder würffelichten [=Kubik-] wurtzel/ nicht können wider zu ihrer wurtzel gebracht werden“ (S. 128). Als Beispiel wird die Zahl 128 mit ihrer Wurzel 2 genannt. Zur älteren Gebräuchlichkeit des Terminus „Surd- Zahl“ (Numerus surdis=Irrationalzahl) s. auch Maximilian Curtze (Hg.): Urkunden zur || [146] Geschichte der Mathematik im Mittelalter und der Renaissance. Leipzig 1902. Ndr. N. Y./ London 1968, 477, 512, 574ff.; Maß, Zahl und Gewicht. Mathematik als Schlüssel zu Weltverständnis u. Weltbeherrschung. 2., überarb. u. erg. Aufl. Wiesbaden 2001 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 60), 226. Vgl. auch Cantor, a. a. O. (s. Anm. 1), 117, 133f., 147 u. ö.
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