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300426 Herzogin Anna Sabina von Württemberg-Juliusburg an Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt
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300426

Herzogin Anna Sabina von Württemberg-Juliusburg an Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt


Hzn. Anna Sabina v. Württemberg-Juliusburg (TG 36. Die Leutselige) bedankt sich für die ausführlichen Nachrichten Gfn. Anna Sophias v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) über einen Lehrer, den sie sich für ihre Kinder wünscht. — Anna Sabina hat einen Brief der Gräfin an Dr. Johann Oswald, den sie wie das an sie selbst gerichtete Schreiben erst am Vortage erhalten hatte, gleich nach Stuttgart weitergeleitet. Oswald hat ihr dort vor vierzehn Tagen gesagt, er habe einen (anderen) Brief beantwortet, allerdings diene er jetzt meistens Hz. Ludwig Friedrich v. Württemberg-Mömpelgard und halte sich nur kurz an einem Orte auf. Offenbar mache Oswald sich nicht viel aus ihren Bitten. — Anna Sabina dankt der Gräfin für die Zusendung ihrer Imprese in der Tugendlichen Gesellschaft. Sie verdiene den Namen der Leutseligen nicht, da das Unglück ein solches Verhalten nicht immer zulasse. Sie wünsche sich nur, daß Gott sie in allem Leid ihrem Gatten Hz. Julius Friedrich erhalte. — Da dieser verreist ist, kann Anna Sabina der Gräfin keine Entscheidung über den benötigten Lehrer mitteilen. Für sieben ihrer acht Kinder, von denen nur Roderich in Neustadt am Kocher wohl versorgt sei, bedürfe sie unbedingt eines Erziehers, da die älteren bisher nicht viel vom Brenzer Pfarrer gelernt hätten und die jüngeren bald auch unterrichtet werden müßten. Anna Sophia könne selbst ermessen, wer zu dieser Aufgabe tauglich sei. — Die Bemühungen Wolfgang Ratkes, den sie zu grüßen bittet, sollen nicht ohne Belohnung angewendet sein. Hz. Julius Friedrich wolle jedes Kind nur eine Sprache lernen lassen, jedoch könnten sich die Kinder wohl daran gewöhnen, wenn ein in Ratkes Didaktik geschulter Präzeptor sie in mehr als einer Sprache unterrichte. Anna Sophia soll mit dem Lehrer eine Abmachung treffen, auch wegen der Besoldung, die in Württemberg etwa 70 Gulden beträgt. Die Herzogin bittet um Mitteilung, wann sie den Präzeptor erwarten darf. — Wegen einer Liebschaft möchte die Herzogin das Hoffräulein „Dima“ (v. Themar, v. Diemar/Diemer; Diem, Diemer?) unauffällig entlassen.

Beschreibung der Quelle


Q FB Gotha: Chart. B 856 (Nr. 24), Bl. 42r–43v [A: 43v], 43r leer; eigenh.; A Schreiberh.; 2 Sig. Am Seitenrand gelegentliche Anstreichungen von unbek. H.

Anschrift


A Der Hochgebornen Fürstin: Vnser freundtlichen Lieben Muhm vnd Fraw Mutter: Fraw Anna Sophia, Geborner Fürstin Zue Anhalt etc. Grävin Zue Schwartzenburg etc.

Text


Hochgeborene Fürstin mein hochstgeehrte vnndt allerliebste Fraw Muhm nimermehr kan ich1 gnugsam wordt finden kegen ELd mich genugsam zu bedancken das El. mir mit dero liebsten brieflein haben ehren wollen vndt vornehmlich wegen des preseptors2 meinera kinder so sorgfeltig gewesen mir auch so viel von selben3 berichten[.] nun seindt mir erst Eld 2 letzste schreiben gestern aller ehrst zukommen[.] Daß erste aber habe ich geleich dem Dockter Oßwalt4 naher Stuttgart geschickt ist mir auch zimlich spatt zukommen aber her Oßwalt helt bericht vndt mir auch itzo vor 14 tagen zu Stuttgart selbsten gesaget er habs wieder beantwortet wis5 sein gelegenheit sey den er anitzo nicht viel an einem || [234] ohrt sein kan sonder h. ludwig6 als meisten deyles aufwartten muß[.] Also vermerke ich woll das es ihm nicht zu dun ist wie ho[c]h ich in darumb zub gerett hab, wegen vberschickung der tugendlichenc geselschaft meritire ich woll in geringsten den schönen nahmen7 nicht wolt gott ich köndt im vngeluck, wie im geluck leudtsellig erfunden werden aber die wiederwertigkeit des geluckes lestes oft nicht zu aber esd ist alles no[c]h zu erleiden in der welt gott erhalte mich nur mein hertzallerliebstene hern im leben, ob ich selten bey SGd bin so muß es doch nur in diser welt was gott einem zu fuget gelitten sein, SGd seindt auf etlich tage wieder ver[r]eist dero wegen ich SGd resoluttion nicht zu schreiben weis hofe doch nicht das es mein hertzallerliebstene hern zu wieder sein wirdt den[n] es ein grose nottorftf wegen eines gutten Preseptors[.] mein kinder anitzo die 4 eltesten (ohn den roderigo so zu linden ist vndt wol versehn) seindt drey mettlein vndt ein bub vonn 10. 8. 7. 6 Jahrn8 haben nur von vnsern pfarher9 gelernt vndt wisen nicht viel[.] Die 3 Jüngste Sohn wacksen auch herbey seindt von 4. 3. 1 Jahrn10 also das ich in allen achte, so lang gott wil der helf daß sie zuuorderst zu gotts lob ehr vndt preis erzogen vndt was rechtschafenes auß ihnen werden moge[;] also konnen El selbst verstendig erachten wer zu sol[c]her kleinen geselschaft dauglich[.]11 Elg bit ich zum aller hochsten her radicho12 meinent wegen gebürlich zu grusen vndt begerte ich Seine Muhe ni[c]ht vergebens[.] mein hertzallerliebster halt im sinn ein Jedes sol sein sonderliche Sprach lern[en] aber mich deuch[t] [42v] das schätt13 doch nicht wen sie mehr als eine lernen vndt werden sieh also dem Preseptor musen zu wacksen das es woll kein so balde muhen geben wurdt wen er in lateinischeri fransosische Italienische ebreis[c]he oder grikische Sprach auf hern Radicho manir abgericht[.] wehr woll ein schönne sa[c]he[.] Der besoldung wegen wollen El mit selbigen acordirnj (hie zu landt ists gring kompt etwa aufs Jahr 70 fl.) vndt mir Jehmer14 die gnade dun vndt allen bericht schreiben wie balt ich sein kondt habhaft werden, aufk solcher manir, Ach mein allerliebste Frau Mutter ich bemuhe El gar zu ho[c]h aber gott wirdt El dise treu gewislich vergelten den ich von hertzen darumb bitt vmb ELd vndt dero lieben angehorigen bester vndt erwünscheter wollfahrt[.] wegen der Dima15 ists noch im alten zustandt[.] Ach El. schreiben woll ich hab sie auf versuchen vndt wolverhalten genohm[en] vndt köntt sie auf die leypziger mes vortschicken[,] mangelt mirs am besten[,] vndt wolt do[c]h lieber sie mit manir vor[t]schafen wen man mir nur darzu helfen kondt[.] wegen ihrer heuratt bin ich noch nicht angesprochen aber sie leflen16 no[c]h Starck[.] nicht weis ich etwas gewises zu schreiben hoffe gott wurdt mir entlich helfen[.] wen ich doch nur so gelucklich ELd als17 zu berichten doch were mirs lieber das es El von andern erfuhrn[.] ich weiß El wurden sagen ich het genug wegen ihnen gelitten hofe Gott wurdt no[c]h mitel verschafen das ich sie mit ehrn los werde[.] kan El in großer eil vor dismal nicht lenger aufhalten befehl nebenst vns allen mich ELd beharliche gnad als die ich in dott verbleibe


   ELd Aller getreust vndt willige Dinerin vndt Dochter
   Anna Sabina hZW MP

   Brentz18 den 26 april A 1630 || [235] || [236]

I

Impresenreime der Tugendlichen Gesellschaft auf die Leutselige

Beschreibung der Quelle


Q   FB Gotha: Chart. B 831b, Bl. 137rv (=alte Paginierung S. 305–306); Schreiberh. Zu den in den Akten der TG überlieferten Impresa-Varianten s. K 7.
Weitere Überlieferungen der zitierten Texte:
   FB Gotha: Chart. B 831ba (1), (alte Paginierung) S. 305f.; Schreiberh. — Zit. als Y.
   FB Gotha: Chart. B 831ba (2), Bl. 179rv (=alte Paginierung S. 302–303); Schreiberh.— Zit. als Z.
   Eine vollständig ausgeführte Impresenvisierung (getuschte Federzeichnung) der Leutseligen hat sich ebenfalls in der FB Gotha erhalten (Chart. B 831ba [2], Bl. 178r), s. Abb. S. 235.
XXXVI. Von der Leutseligen. 1. die Sale

Jhr vieler Fürsten Trost! wann iemand wolte fragen:
Wer Euch gelehret hat mit innerstena behagen
   Der lieben Kinder selbst so viel Leutseligkeit
   Daß Ihr des Landes lust und süße Zueflucht seydb ?
Den wil ichc weisen herd zum 1.1 Retter aller Sünder
Der beiderleye 2 geschlechts auch 2 groß- und 2 kleine 2 kinder
   Mit samtf den 2 Müttern 3 lockt, und macht durch seinen 4 kussg
   Daßh sich der 5 Jünger Zorn 6 zufriedeni stellen mussj .
Hier mag er klärlich sehn, wie er 1 leutselig werdek ,
Als Ihrl dann schon gelernt, mit lieblichen 4 geberden
   Und feiner 3 worte krafft sich 2 gegen iederman,
   Den 5 neid auch gegen sich 6 verpflichtet machen kanm .
Fort. Lehret iedermann sich iedermann verbinden,
Laßt auch Leutseligkeit die Neider überwinden.
Es ist kein kürtzer weg den sichern sieg zufindeno
Und auch kein besser grund die Einigkeit zugründen.

Außlegung.


Wie1ChristusSo soll1Leutseligkeit
   2allerley menschen   2iedrman
   3locktmit3worten
   4küßtund4geberden
und5die Jüngerauch die5ungestümenp
   6stillet   6erfrewen


[137v]

2. Die Leutselige

   Es hat der Herr so viel Leutseligkeit
Ümb iedermanq , auch Kinder selbst verübet,

|| [237]
Daß mir daher kein namer sonst beliebet
   Als daßs ich sey Leutselig iederzeit
Denn dieses schafft daßt sich die freunde frewen,
Und macht darzueu daß sich die feinde schewen.


3. Die Leutseligkeit

Daßv noch auff erden untern leuten
   Ein mensche selig heißen kanm,
      Daßv nur zum besten deuten
      Sein thun wird iederman
   Führ’ ich Leutseligkeit Jhn anw .
Wen aber wird das murren leiten
   Muß immer streiten.

4. Beyspiel der Leutseligkeit



Ruth. 4. vers 14. 17.2 Wannx Naëmi Nachbarinnen
Hoch erfrewet ihre sinnen
Daß die Ruhty nun Mutter ist,
Auch mit angenemenz worten
Sie gesegnet, und begrüßtaa ,
Lehrenab sie unsac allerad orten
Lieblich und leutselig seynae ,
Weil es außaf der maßen fein.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Bis Dockter Anstreichung am Seitenrand.
b Bis geselschaft Anstreichung am Seitenrand.
c Folgt lichen (Verschreibung).
d Verbessert aus ich
e Abgekürzt hal.
f Bis haben Anstreichung am Seitenrand.
g Bis vergebens am Rand ohne Einschaltzeichen ergänzt.
h Bis abgericht Anstreichung am Seitenrand.
i Eingefügt.
j Danach ein Kreuz; folgender Zusatz am Rand. Klammern vom Hg.
k Bis manir am Rand ergänzt.

T I
Es gelten dieselben Richtlinien wie bei der Textkritik in 300320 II.Es gelten dieselben Richtlinien wie bei der Textkritik in 300320 II.
a a Y, Z innerstem
b Y Zuflucht seid Z seid
c Jch
d Y, Z hehr
e Y, Z beyderley
f Y sampt
g Y Kuß
h Y Das
i Z zufriden
j Y, Z muß
k Y, Z werden
l Y, Z Jhr
m Y kann
n Y iedermann
o Die beiden letzten Zeilen lauten in Y und Z: Denn sich kein kürtzrer weg, zum siege finden kann [Z kan] | Zur einigkeit den grund recht so legt iederman.
p Y, Z ungestümmen
q Y Vmb iedermann
r Y, Z  Nahme
s Y, Z das
t Y schafft, das
u Y darzu, das Z darzu
v Y Daß
w Y, Z ahn
x Zeile 1–3 des „Beyspiels“ am Rand ersetzt für 〈Wann Marien mit verlangen | Hat Elisabeht empfangen | Als sie zu ihr kommen ist,〉. Dazu Marginalnote 〈Luc. 1 vers 42.〉.
y Y  Das die Ruth Z Ruth
z Y, Z angenehmen
aa Y vndt begrüst Z begrüst
ab Verbessert aus Lehr〈t〉.
ac Folgt 〈an〉. Y vnnß
ad Verbessert aus alle〈n〉
ae Y, Z sein
af Y, Z aus

Kommentar
1 Hzn. Anna Sabina (1593–1659; TG 36), geb. Hzn. v. Schleswig-Holstein-Sonderburg, am 1. 1. 1618 vermählt mit Hz. Julius Friedrich v. Württemberg-Juliusburg (1588– 1635) [s. 270406 K 5], einem jüngeren Bruder der Herzöge Johann Friedrich von W.- Stuttgart und Ludwig Friedrich v. W.-Mömpelgard. Vgl. Anm. 6 u. 18. Die Hochzeit fand am 1. 1. 1618 in Sonderburg statt, das herzogliche Paar nahm seinen Wohnsitz zuerst in Brenz, 1619 dann dauerhaft in der Residenz Weiltingen, bis es diese aus Sicher- || [238] heitsgründen 1629 verließ (s. Anm. 18). Vgl. die genealogische Tafel der zu Weiltingen residierenden Linie (Nr. 9) in: 900 Jahre Haus Württemberg. Leben und Leistung f. Land und Volk. Hg. Robert Uhland. Stuttgart [u. a.] 1984, 406.
2 Unbestimmt. Ob ein nach Wolfgang Ratkes Methode (s. unten) unterrichtender Lehrer jemals nach Brenz gelangte, ist unbekannt. Nach dem Tode Hz. Julius Friedrichs wurden einige Söhne Hzn. Anna Sabinas zur Erziehung an den Hof Hz. Ernsts v. Sachsen-Gotha (FG 19) geschickt. Vgl. 900 Jahre Haus Württemberg, a. a. O. (s. Anm. 1), 379.
3 Vom Präzeptor.
4 Dr. Johann Oswald aus Mömpelgard; Magister 1617; Martini 1623 Hofarzt in Stuttgart; 1627/28 Inspektor des Stuttgarter Laboratorium chymicum. 1633 entlassen (war kurzzeitig schon Martini 1629 entlassen). Imm. U. Tübingen 18. 8. 1633 als „Johann Oßwaldt, medicinae doctor, zue Büehel, Hirsaw vnnd Rieth, Frst. W[ü]rt[tembergischer] Rhat“. Vgl.: Pfeilsticker, § 347 u. 1147; Mat. Tübingen II, Nr. 22507 (S. 203). Der bei Adelung V, 1264f. erwähnte, aus Balingen gebürtige Pädagoge Johann Oswald (1627 Magister, Professor Musices 1629, darauf Kloster-Präzeptor in Adelberg, kurz danach Präzeptor am Stuttgarter Paedagogium und 1650 Pädagogearche, † 29. 9. 1654) ist wohl nur ein Namensvetter, ebenso die in DBA (vgl. 553/ 376f.; 922/ 185ff.) Genannten. Vgl. Hzn. Anna Sabinas Brief an Gfn. Anna Sophia v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) v. 26. 12. 1628 (FB Gotha: Chart. B 856, Nr. 15). Demnach war es Anna Sabina nicht möglich, ein Schreiben Anna Sophias an Oswald diesem zuzuleiten: „ist mir aber nichts vonn ihm bewust hab ihn auch nicht gesehn [...]“.
5 wie es
6 Hz. Ludwig Friedrich v. Württemberg-Mömpelgard. Die Gft. Mömpelgard (frz. Montbéliard) war 1397 zusammen mit Clerval, Granges u. Passavant durch Heirat an die Grafen v. Württemberg gefallen. Sie wurde dort immer wieder Nebenlinien zugeteilt (Köbler, 343f.; Walter Grube: 400 Jahre Haus Württemberg in Mömpelgard. In: 900 Jahre Haus Württemberg [s. Anm. 1], 438–458, insbes. 448). Ludwig Friedrich führte seit dem Tode seines in Stuttgart regierenden Bruders Johann Friedrich (†18. 7. 1628) die vormundschaftliche Landesregierung für seinen Neffen Hz. Eberhard. Das Land war verschuldet und verarmt, insbesondere seit dem kaiserlichen Restitutionsedikt vom September 1629, das im Schutze Wallensteinischer Truppen seit 1630 in Württemberg durchgesetzt wurde. Zudem war es durch Einquartierungen (seit Januar 1628) und Durchzüge kaiserlicher Kriegsvölker bedrückt. Ludwig Friedrich, zermürbt in schweren politischen Auseinandersetzungen mit dem Kaiser, mußte sich krank im November 1630 nach Mömpelgard zurückziehen, wo er am 26. 1. 1631 starb. Im März 1631 wurde er beigesetzt. Die Vormundschaft über seine hinterlassenen Kinder und die Regierung Württembergs übernahm sein jüngerer Bruder Hz. Julius Friedrich (vgl. Anm. 1). Unter seiner Regierung wendete sich aufgrund der Siege Kg. Gustavs II. Adolf v. Schweden das Blatt zugunsten des Herzoghauses. Vgl. allgemein Christian Friedrich Sattler: Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Herzogen. 7. Tl. Ulm 1774, 1ff., (zu Julius Friedrich) 32ff.; Hermann Ehmer: Württemberg. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650. Bd. 5: Der Südwesten. Hg. Anton Schindling u. Walter Ziegler. Münster 1993, 168–192, 188f.; Wolfgang v. Hippel: Eine südwestdeutsche Region zw. Krieg und Frieden — Die wirtschaftlichen Kriegsfolgen im Herzogtum Württemberg. In: Krieg und Frieden II, 329–336; Dieter Mertens: Weltliche Territorien: Württemberg. In: Handbuch d. badenwürttembergischen Geschichte. 2. Bd.: Die Territorien im Alten Reich. Im Auftr. der Kommission f. geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg hg. Meinrad Schaab, Hansmartin Schwarzmaier u. a. Stuttgart 1995, 1–163, 126f.; Volker Press: Das Jahrhundert der Kriege. In: Die Geschichte Baden-Württembergs. Hg. Reiner Rinkler u. Wilfried Setzer. Stuttgart 1986, 149–158, 150f.
7 Die Mitgliederlisten verzeichnen ihre Aufnahme in die Tugendliche Gesellschaft schon für den 5. 9. 1626 bzw. den 8. 1. 1628. S. Conermann TG, 623 u. 626. Vgl. Dix, 56. „5. Sept. 1626, die Leidtselige. Gegen iedermann. Die Historia lasset die kindlein zu mir kommen. Marc. 10, 13. 14.“ LAO: || [239] Abt. Dessau A 9a Id Nr. 5 (s. 300320 I): „Die Leidtsehlige“; FB Gotha: Chart B 831ba (1), S. 9: „36. Leütselige [...] 5 Sept. 1626.“; Chart. B 831b, Bl. 34r: „1628. 8 Janu. 36. [...] Die leutselige umb iederman hat zum gemählde den Herren Christum, wie die Kinder zu ihm theils gelauffen, theils auf stecken geritten, theils von den Müttern getragen, kommen, so wohl Mägdlein, als Knäblein, groß- und kleine, wohlbekleidet oder nakkend, welche er zu sich nimmt, küsst, und die darzu saursehenden jünger (welche die kinder gleichsam schelten) mit der hand stillet. Marc. 10, vers 13. (NB sollen so viel kinder, als diese Herzogin hat, gemahlet werden Zum beyspiele die weiber zu Bethlehem. Ruth. 4 vers 14.)“ A. a. O., Bl. 43v: „Die leütseelige“; ebd., 50v: „leidselig“; ebd. 53v: „Leütselig“. Chart. B 831b (1), Bl. 6r: „Die Leidsehlige gegen Jedermann, hat die Historia von Christo, laßet die kindtlein zue mier kommen, Marc: 10. vers. 13. 14. ex. an der Elisabeth, wie Sie Mariam die Mutter Gottes empfangen Luc. 2.“ Chart. B 831b (2), Bl. 6v: „Die Leidtselige — gegen Jederman [...]“. Vgl. auch Beil. I u. „Zu den Abbildungen“, S. 103. — Die wechselnde Schreibweise des Gesellschaftsnamens Anna Sabinas (Die Leutselige/ Leidselige) wird durch den vorliegenden Brief im Sinne der ersten Namensform entschieden, welcher zudem die zweite Namensform als die ältere zu qualifizieren erlaubt. Es bleibt jedoch der Umstand, daß Hzn. Anna Sabina im vorliegenden Brief „leudtsellig“ assoziativ mit ,leidselig’ verknüpft. Das Impresengemälde mit Jesus und den Kindern nach dem berühmten Motiv Mk. 10. 13–16 verweist hingegen klar auf die Bedeutung von ,leutselig‘ in dem in Beilage I dokumentierten Sinne von freundlich, sich verbindend. Vgl. Stieler, 1992 „Leutselig/ comis, clemens, humanus.“; DW VI, 850 (2). — Anna Sophia wird ihrem Brief an die Herzogin außer deren Imprese (vgl. Abb. S. 235) vielleicht auch die in Beilage I zitierten Verse des Gesellschaftsbuchs geschickt haben. Eine andere Form von ,Gesellschaft‘ (z. B. Kleinode u. Medaillen nach Art zeitgenössischer Orden; vgl. Gesellschaftspfennig der FG) war in der Tugendlichen Gesellschaft nicht gebräuchlich.
8 Roderich/ Rodrigo (*19. 10. 1618, † 19. 11. 1651 in schwed. Kriegsdiensten); Juliana Felicitas (19. 12. 1619 – 3. 1. 1661), heiratete 1640 Bf. Hans v. Lübeck, Hz. v. Schleswig-Holstein (FG 286); Sylvius Nimrod (2. 5. 1622 – 26. 4. 1664), begründete die Linie Württemberg-Oels, Vater der Herzöge Sylvius Friedrich (FG 872; 1677) und Julius Siegmund (FG 887; 1679); Floriana Ernest(in)a (8. 5. 1623 – 6. 12. 1672), heiratete 1657 Gf. Friedrich Kraft v. Hohenlohe-Pfedelbach (1623 – 1681); Faustina Mariana (2. 8. 1624 – 16. 5. 1679). Der undeutlich geschriebene Aufenthaltsort Pz. Roderichs war wohl nicht die Universität Leiden (keine Eintragung in Mat. Leiden), sondern das Schloß Hz. Friedrich Achilles’ v. Württemberg (1591–1630) zu Neustadt am Kocher, das auch Neu(en)stadt an der großen Linde genannt wurde. Vgl. Lexikon Geographie, 909. Friedrich Achilles war als Bruder der Herzöge Johann Friedrich, Ludwig Friedrich und Julius Friedrich der Oheim der Kinder.
9 Unbekannt. Vielleicht handelt es sich bei dem Genannten um jenen Magister Johann Michel, der 1622 von Greiselbach nach Weiltingen geflohen war, um der bayerischen Rekrutierung zu entgehen, und 1624 von Hz. Julius Friedrich die Pfarrei Veitsweiler erhielt; Pfarrer in Weiltingen war von 1621 bis 1639 Magister Gottfried Curbin; über den fraglichen Pfarrer in Brenz wissen wir nichts. Vgl. G. Braun: Markt Weiltingen an der Wörnitz. Eine lokalgeschichtliche Studie. Ansbach 1909, 65f., 78.
10 Manfred (5. 6. 1626 – 15. 5. 1662); Julius Peregrinatus (5. 9. 1627 – 22. 10. 1645); Sueno Martialis Edenulf (1. 1. 1629 – 9. 5. 1656, starb in schwed. Kriegsdiensten in Thorn; FG 639; 1655).
11 D. h., welcher Präzeptor für den Unterricht der kleinen Schar geeignet ist. Obgleich auch Mädchen fürstlichen Standes in die — im Vergleich zur Fruchtbringenden Gesellschaft — kleine Tugendliche Gesellschaft (gleichzeitig nicht mehr als 73 Mitglieder) aufgenommen wurden, dachte Hzn. Anna Sabina hier wohl nicht an eine Mitgliedschaft ihrer Töchter.
12 Der Didacticus Wolfgang Ratke (Ratichius) (s. 180000 K 6 u. ö.), nach dessen Lehrweise der gewünschte Lehrer die Kinder Hzn. Anna Sabinas u. a. in Sprachen unterrichten sollte. Am 29. 9. [1628] teilte Hzn. Anna Sabina Gfn. Anna Sophia mit, die Witwe des gerade verstorbe- || [240] nen Stuttgarter Herzogs Johann Friedrich, Hzn. Barbara Sophia (TG 57; 5. 3. 1630), werde Anna Sophia die „sachen vom Radicho“ zurücksenden. [Zu Gfn. Anna Sophias Versuch, den Herzog für die Unterstützung des Ratichianismus zu gewinnen, s. 270406.] Sie freue sich über Anna Sophias Mitteilung, daß Hz. Ernst v. Sachsen-Weimar (FG 19; d. i. Ernst I. v. Sachsen-Gotha) „das löbliche Werck“ Ratkes fördere. Sie wünscht bewundernd, „so gelucklich zu sein auch von selber einen verstandt zu haben“. FB Gotha: Chart. B 856 (Nr. 43), Bl. 80r–81v. In ihrem Schreiben vom 26. 12. 1628 (a. a. O., Nr. 15) bedankte sich Anna Sabina für Anna Sophias Bericht über „H. Ratichij werk“ und dessen Fortgang. Sie freue sich, daß „der liebste Vetter Ernst sich von andere pottentatten diesen vnsterblichen nahmen sich belieben lest zu Mehren“. Ratkes „sachen“, die sie einst im Auftrag Anna Sophias an Herzog Johann Friedrich übermittelt habe, habe sie gleich bei dessen Bestattung (von Hzn. Barbara Sophia) zurückgefordert, so daß Anna Sophia sie wohl inzwischen erhalten habe — „soltes in druck komen wie aus ELd schreiben ich vernehme[,] bitt ich zum höchsten EL wolle meiner auch eingedenk sein [...]“. Zum Stand der Arbeiten Ratkes vgl. 270406 K 20, zu einem Hz. Johann Friedrich möglicherweise übersandten Bericht des Antonius Mylius s. 180508 K 12 u. 270406 K 23. Zur Zeit als Hzn. Anna Sabina ihren Brief schrieb, zweifelte Gfn. Anna Sophia bereits allmählich an Hz. Ernsts Interesse am Fortgang des ratichianischen Lehrwerks. Hz. Ernst war wesentlich von den Vorbehalten Johannes Kromayers bestimmt (vgl. Vogt IV, 24; s. auch 340604 K 2 u. 350312 K 3). Gfn. Anna Sophia baute ihre Hoffnung umso mehr wieder auf dessen Bruder Hz. Wilhelm. Ratke hielt sich damals in Jena auf und wartete auf die schließlich für den 17. Januar 1629 von Hz. Wilhelm anberaumte Besprechung über seine Lehrart.
13 3. Pers. Praes. Ind., sw. v. „schäden“, d. i. im Schwäbischen f. schädigen, schaden. Fischer V, 645f., vgl. auch DW VIII, 1981ff.
14 Jehmer s. DW IV.2, 2068ff.: „Immer“, mhd. „iemer“. Ursprüngliche Bedeutungsgleichheit von „immer“ und „je mehr“; vgl. auch a. a. O., 2273ff. („Je“).
15 Personenname. Pfeilsticker weist Angehörige der adeligen und bürgerlichen Familien nach, die in württembergischen Diensten standen: v. Themar/ v. Diemar (Diemer), Diem und Diemer.
16 löffeln, d. i. etwa poussieren, liebeln, buhlen, flirten. Vgl. auch 310224 („löfflen“). Stieler, 1158: „das Lefflen/ autem est ambitus puellæ freqvens, blanditiæ amatoriæ amplexus & complexus lascivus“; „Lefflerin/ die/ puella, vel amica blandis verbis animos adolescentum mulcens vel etiam in juvenum amplexus insiliens, rebusqve venereis se delectans.“ Vgl. DW VI, 1125f. („löffeln“). „Leff“ war als „seltenes und merkwürdiges Wort für Lippe“ bekannt (a. a. O., 515) und dieser semantische Zusammenhang könnte über „Löffel“ als Instrument für Schlürfen (a. a. O., 1120ff.) auch in das heute verlorene Wort „löffeln“ gewirkt haben. Vgl. auch Georg Philipp Harsdörffer (FG 368): Das erneurte Stamm- und Stechbüchlein: Hundert Geistliche Weltliche Hertzens Siegel/ Spiegel... erkläret Durch Fabianum Athyrum... angefüget Don Francisci de Quevedo Villegas Traum Von der entdeckten Warheit. Nürnberg 1654 (HAB: 165. 19 Eth.), 35: „Das verlöffelte Hertz“: „DAs Wort Löffeln soll von den Lefftzen oder Lippen herkommen/ weil die Löffel die Lefftzen berühren/ und daher nennet man Leffeln oder Löffeln/ wann zwey Vertraute sich in Liebs-Gespräch einlassen/ und mit den Lefftzen einander küssen und hertzen.“ — Die folgenden Belege verdanken wir einem freundlichen Hinweis Sabine Kolochs, Marburg. In den Summarischen Nachrichten Von auserlesenen/ mehrentheils alten/ in der Thomasischen BIBLIOTHEQUE vorhandenen Büchern, 24 Stücke, Halle/ Leipzig 1715–1718, heißt es in der Besprechung von Charles Sorels La Bibliotheque Françoise (1664) (a. a. O., 9. Stück, 1716, 810f.): „Diesem [einem engl. Autor] sind viele gefolget/ als da sind die Erfindung der Carte des Reichs der Sonderlinge (des pretieuses), die Carte des Reichs der Zärtlinge (des tendres) allwo die honête Freundschaft schön abgeschildert ist/ die Carte des Reichs der Liebe/ so dem M. Tristan beygeleget wird/ und die Beschreibung des Reichs der Löffeley/ (de la Coqvetterie) so ein berühmter Autor verfertiget/ und darinnen die Lebens-Art vieler Personen damaliger Zeit ent- || [241] decket hat“. A. a. O., 11. St., 1716, 1014, wird zu Sorels Roman Polyandre festgehalten: „Von eben der Hand leitet man den Roman Polyandre her/ worinnen die wunderlichen Handlungen und Kennzeichen verschiedener Menschen/ als eines Poeten, Alchymisten/ Schmarotzers/ allgemeinen Amanten und einiger verlöffelten Dames natürlich vor Augen geleget sind [...].“ Johann Wilhelm v. Stubenberg (FG 500) gebrauchte (in seiner Übertragung des Clelia-Romans der Madeleine de Scudéry) das Wort „Löffeleysachen“ als Übersetzung der „cas de Galanterie“. Vgl. Elsa Daut: Hans Wilhelm Herrn von Stubenbergs Clelia-Roman und sein Vorbild. Phil. Diss. Graz 1933, 388. Im dritten Teil dieser Übersetzung (Der Römischen Clelia... Dritter Theil, Nürnberg 1664) findet sich auf S. 897f. ein weiterer Beleg: „Auch bin ich versichert, Terames sey bloß bedacht gewesen/ einen anmutigen Löffler und keinen wahren Liebhaber zuunterweisen.“ In einer Rabelais-Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert heißt es: „[...] darauf versteh’ ich mich auch besser als aufs Herumlöffeln bei den Weibern, aufs Süßholzraspeln, Zuckerpillendrehen, Komplimentemachen [...].“ Zit. n. Jürgen v. Stackelberg: Fünfzig romanische Klassiker in deutscher Übersetzung. Bibliographische Ergänzungen: Stefanie Adomeit [u. a.]. Bonn 1997, 247. Vgl. noch Hugo Hayn/ Alfred N. Gotendorf (Hg.): Bibliotheca Germanorum Erotica & Curiosa. Verzeichnis der gesamten deutschen erotischen Literatur mit Einschluß der Übersetzungen, nebst Beifügung der Originale. 3., verm. Aufl. 9 Bde. München 1912–1929, IV, 227–231.
17 Alles.
18 Württembergischer Marktflecken (unweit Giengen an der Brenz) mit zwei Schlössern. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts soll die kleine Ortschaft, Sitz des gleichnamigen Amtes, mit 26 Untertanen in den Steuerbüchern geführt worden sein (Karl Pfaff: Geschichte des Fürstenhauses und Landes Wirtemberg. 3. Teil, Stuttgart 1839, 261). Hz. Johann Friedrich, der Brenz 1613 von dem verschuldeten Hannß Conrad Güss von Güssenberg übernahm, schloß mit seinen Brüdern am 28. 3. 1617 einen Vergleich, wonach der älteste Bruder Hz. Ludwig Friedrich Mömpelgard erhielt (s. Anm. 6), Johann Friedrich selbst das unzertrennte Herzogtum (Linie Württemberg-Stuttgart) und der damalige Prinz Julius Friedrich Brenz und Weiltingen nebst 15000 Gulden. Dessen Sohn Hz. Manfred (s. Anm. 10) bekam in der väterlichen Teilung diese beiden Güter und setzte die von seinem Vater begründete Linie fort, die 1705 ausstarb. Vgl. G. Braun: Markt Weiltingen (s. Anm. 9), 56ff.; L. T. Spittler: Geschichte Wirtembergs unter der Regierung der Grafen und Herzoge. Göttingen 1703, 229; Christian Friedrich Sattler: Historische Beschreibung des Herzogthums Würtemberg. Stuttgart u. Eßlingen 1752, 206–208; Pfeilsticker, § 2268 u. 3026. Vgl. Anm. 1 u. 6.

K I
1 Die hier und im weiteren Text angebrachten Ziffern verweisen auf die unten folgende „Außlegung“. Vgl. 300320 K II 31.
2 „Da sprachen die Weiber zu Naemi: Gelobt sei der Herr, der dir nicht hat lassen abgehen einen Erben zu dieser Zeit, daß sein Name in Israel bliebe. Der wird dich erquicken, und dein Alter versorgen. Denn deine Schwiegertochter, die dich geliebt hat, hat ihn geboren, welche dir besser ist als sieben Söhne. Und Naemi nahm das Kind, und legte es auf ihren Schoß, und ward seine Wärterin. Und ihre Nachbarinnen gaben ihm einen Namen, und sprachen: Naemi ist ein Kind geboren; und hießen ihn Obed. Der ist der Vater Isais, welcher ist Davids Vater.“ Rut 4. 14–17.
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