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310113 Johann von Mario an Friedrich von Schilling
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310113

Johann von Mario an Friedrich von Schilling


Dem letzten Brief Friedrich v. Schillings (FG 21) vom 10. 12. 1630 lag ein Schreiben der Gemahlin F. Ludwigs an Gf. Philipp zur Lippe-Alverdissen (FG 117. Der Annehmliche) bei, das aber wegen der schon sieben Wochen zurückliegenden Weiterreise des Grafen und der ungewissen Zeit seiner Wiederkehr zurückgesandt werde. — Johann v. Mario (FG 100. Der Goldgelbe) bedauert das Steinleiden Schillings und verspricht ein Arzneipulver, das ihm und anderen schon trefflich geholfen habe. Die Zahnschmerzen von Schillings Gattin lassen auf die Geburt eines Sohnes schließen. — Schilling möge in Marios Namen Burkhard v. Erlach (FG 52. Der Gesunde) und den Seinen Beileid anläßlich des Todes der Tochter (Anna Lucretia v. dem Knesebeck) übermitteln. — Der neuburgi- || [344] sche Marschall Weschpfenning hat seine Verhandlungen mit F. Friedrich Heinrich v. Oranien und den Generalstaaten abgeschlossen und ist vom Haag nach Wesel abgereist. Die im Ft. Berg und den Gften. Mark (und Ravensberg) liegenden Truppen Gf. Wilhelms v. Nassau-Siegen sollen dort am 12. 2. (n. St.) abgezogen und überwiegend erst in Friesland stationiert werden, denn die (zwischen Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg aufgeteilten) jülich-klevischen Erblande werden sämtlich von spanischen, kaiserlichen und ligistischen Truppen, aber auch von solchen der Vereinigten Niederlande und ihrer Verbündeten geräumt, ihre Festungswerke geschliffen. So werden die Niederländer Ravenstein und Gennep am 27. 2. 1631 demolieren, zuvor jedoch sollen wegen einer Klausel des Vertrags die für die Verteidigungsanlagen aufgewendeten Kosten vor Ort geschätzt werden. Mit Hinhaltungen und Verzögerungen ist zu rechnen. Die unter dem Befehl des Obristen (Walraven van) Gent in Soest und an zwei anderen Orten stationierten staatischen Truppen werden in den drei zur Selbstverteidigung einbehaltenen befestigten Plätzen Wesel, Emmerich und Rees einquartiert, den Spaniern hingegen sind Jülich, Sittard und Orsoy als Stützpunkte eingeräumt. Es fragt sich, wie lang die neutral erklärten Fürstentümer Brandenburg und Pfalz-Neuburg in diesem Zustand bleiben werden. — Obwohl abzusehen ist, daß sich die Versammlung der holländischen Provinzialstände am übermorgigen Tage ohne Beschluß bis zum Februar vertagen wird, bereitet man sich auf einen baldigen Feldzug vor. Etliche Provinzen der südlichen Niederlande sind einem Aufstand nahe, würden sich beim Einmarsch einer kleinen Armee aus dem Norden gegen Spanien erheben. Überall herrschen Armut, Hunger und Elend, so daß Soldaten betteln und die Stadt Antwerpen vor der Einquartierung die Tore geschlossen hat. — Aus Pernambuco in Brasilien kommt die gute Nachricht vom General Waerdenburg, daß die Brasilianer sich willig der niederländischen Obrigkeit unterstellen. Die Generalstaaten haben ihm öffentliche Bekanntmachungen gesandt, die solchen Überläufern Schutz von Freiheit und Besitz versprechen. Eine christliche Schule ist errichtet worden. Die Westindische Kompanie wirbt neue Truppen an, und eine Kolonie „Nova Hollandia“ zeichnet sich ab. — Der Oberst Hauterive bringt aus Frankreich das königliche Versprechen mit, den Generalstaaten 15 Tonnen Gold zu liefern, damit diese ihren Kriegszug unternehmen. Selbst wenn diese Subsidien ausbleiben, werde man an den Kriegsplänen festhalten. — In Lüttich hat es gewalttätige Tumulte gegen Pläne des Bischofs und Kurfürsten (von Köln) gegeben, mit geworbenen Soldaten die städtische Verfassung umzustürzen. Der alte kfl. Geheimrat und Domprobst Boeckholt sei beim Kirchgang erschlagen worden, so daß der Aufruhr sogar den Prager Fenstersturz überträfe. Spekulationen gehen um, daß sich die Stadt der Krone Frankreich unterstellen werde. Beim Aufenthalt Fn. Amalias v. Oranien hätten die Lütticher Bürger ihrem Gatten dafür gedankt, daß er sie mit der Einnahme ’s-Hertogenboschs größtenteils von der spanischen Tyrannei erlöst habe, und ihm daher ihre Treue und Freundschaft versprochen. — Eine Hamburger Gesandtschaft verhandelt gerade mit den Generalstaaten zwecks Aufrichtung einer neuen Allianz. — Pgf. Wolfgang Wilhelm v. Neuburg ist wieder in Düseldorf; seine noch ausstehenden Kontributionsschulden soll er teils bei Abzug der staatischen Truppen aus seinen Erblanden, teils später bezahlen. Auch steht seine Heirat mit der (Zweibrücker) Prinzessin (Catherina Charlotta) bevor. — Zum Schluß grüßt Mario das Ehepaar Schilling und den Nährenden (F. Ludwig). — Im Postskriptum gibt Mario der gespannten Hoffnung Ausdruck, seine FG-Medaille zu erhalten, damit er sie im kommenden Feldzug tragen könne. Er erinnert auch an versprochene Porträts und bittet um Gemälde von F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46. Der Sieghafte) und dessen Frau Sibylla (AL 1622, TG 23) sowie der Pzn. Loysa Amalia v. Anhalt-Bernburg (AL 1617, TG 20). Gern hätte er auch noch mehr Porträts Bernburger Fürsten, jedoch verbiete das die Ungnade Fürst Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51. Der Unveränderliche).

Beschreibung der Quelle


Q LA Oranienbaum: Abt. Köthen A 9a Nr. 87, Bl. 28r–29v [A: 29v], eigenh.; Sig. || [345]

Anschrift


A Dem WollEdlen Gestrengen vnd Manhafften herrn Friderich von Schilling etc. Furst. Anhalt. Cöthnischer Geheimer Rath vnd hoffmeister etc. Meinem Jnsonderß Großverthrauthen villgeliebten Schwagern Brudern, vnd werthen herrn vnd Freundt zu behendigen etc.
Port Cöthen.

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Meine gethrewe stetß bereith willige diensten Jeder Zeit beuohren. WollEdler Gestrenger vnd Manhaffter Jnsonderß hochverthrauter villgeliebter gantz werther herr Bruder, Jch habe den 15. dito sein Liebeß Schreiben, so den X Xbriß dadirt1 Zu Recht Empfangen, darJnen eineß der hochLöblichen Nährenden2 , an den Annehmlichen3 geschlossen, weiln er aber albereith v̈ber 7 wochen von hier wider verreisset, vnd wie ich verstehn thue, nit ehe alß daß wir zu velt sollen ziechen widerkhumen werde, sende ich hiermit dem herrn Brudern solicheß hinwiderumben, weiln die Zeit seiner widerkunfft zweiffelhafft, wie woll er vor seinem verreisen hochlichen auf seineßa Andtwortt gewarttet hate, daß der herr Bruder an dem Stein etwas schmertzen gehabt[,] Jst mir hertzlichen Leydt[,] da ich gantz sichere gelegenheit khunte haben, wolte ich dem herrn Brudern, in einem schachtelen, ein pulfer zue senden, welicheß er deß abentß vnd morgenß, mit wenig Maluasie, oder alten spanischen wein solle eintrinckhen, weiß für gewislichen, der Stein solle Jm Leib zurschmeltzen, vnd durch den urin alß khleiner Sandt sich absetzen thun, welicheß ich selbsten wan ich Jne befunde gebrauche, auch villen Anderen darmit geholffen habe, Gott Lob, daß aber dessen hertzLiebste mit dem Khopff vnd zehen4 wehe v̈bel zu päße ist, gibt mir ein guet anzeigen, der Almechtige werde den selben in khurtz mit einem Lieben Jungen Sohne5 erfrewen, dan Zehent wehe ein gewisser vorbodt ist,6 darzue der Almechtige seinen Segen verleihen wolle, daß auch meinem hertzLiebsten herrn vattern dem gesundten7 , die betruebnuse seiner Lieben frawen dochter der von Knösebekch8 v̈bbkhumen ist, Jst mir von hertzen Leidt, vnd betruebt mich in dem hertzen, bitt so die occasion sich begeben wurde, meinetwegen neben Jne vnd allen den seinen dienst-freundlicher grüessung, das Leydt zukhlagen. Der almechtige, der wolle Jne in andern vnd mehrerm ergötzligkheit mit freudten versehen.
Deß Hörtzogs von Neuburg9 sein Marchalck Weschphening10 hat nun mehr sein solicitiren bey dem Prinzen11 vnd staten general zum Glückhlichen Ende gebracht, vnd ist vor 3 daghen, neben 3 Depudirte der herrn generalstaten, von hinnen verreist, nacher Wesel, dar Gr. wilhelm von Nassau12 , mit seinem gantzen troppo, den 12. februarj khument, auß dem Fürstenthumb Bergh, Graffschafft von der Markh, vnd wo sein volckh in guarnison Ligt sollen abziechen, vnd meistentheilß in Frießlandt auf eine Zeit in guarnison khumen, der Obr. Genth13 , solle auch mit seinen 13 Comp. auß soust14 , vnd den anderen 2 platzen15 außziechen, vnd was sie zu Jhrer defension gemacht haben demoliert werden, daß also alle die Landten so ChurBrandenburg, vnd Neuburg zuegehörig, von allem, so woll Key- Ligist- Span- alß Colnischeß volckh khein quartier mehr aldar haben, oder nemen sollen, Gent khumbt mit seinem Regement, in Wesel 7 Comp . in Rees 3 vnd in Emmerich 3. Eß wirdt auch von den vnseren verlassen die vestungen || [346] Rauenstein16 , so dem von Neuburg gehörig, vnd das veste hauß Gennep17 , so Brandenburg zuegehörig, vnd alle die Bolwerckhen, Ja was vnsere daran gebawet demantelirt werden den 27. Februarj, doch ehe soliche demolirung beschehen solle, müessen den 24. Feb. Zuuor, Key- span- vnd ligische Commissarien aldar erscheinen, vnd das augenmaß nemen, was soliche aufbawung vnß woll gekhostet habe, mit verificirung, solicheß gesehen [zu] haben, mit Jhren handten vnderschrieben, weliche hier v̈ber 16 dhonen Goltß geschatzet wirdt, das etwas anderst khunfftig anß Liecht derffte bringen, vnd das wortt Hinc est, so Jm accord18 nit vergeblichen geschriben worden, Newe explication mit sich bringen möchte. eß solle auch Düsseldorf19 gantz Neutrall verbleiben, vnd die spanier darauß ziechen, zu vnserer defension behalten wir die stat wesel, Emmerich, vnd Rees20 , der spanier entgegen Gülich, Sittart, vnd orsoy21 mit guarnisonen besetzt, die andern Landten sein alle für Neutral, Brand. vnd Neuburg, von Key. vnd spagnien erkhlert worden/ wie Lang/ zweiffelt man daran, [28v] ob zwar die samentliche hollandische stette22 nun den 25. dito sondern23 einiger resolution das man vernemen khan, auf reces biß Jn Februario scheithen thun, so wirdt doch für gewiß gehalten, daß wir mit Gott frue zu velt werden khumen, vnd was ansehentlicheß möchten attendiren, dan alle dage auß Brabant nit nur eine, sondern vnderschietliche perschonen khumen, so nit allein dem Pr. auch v̈berall sagen, daß vnder den spanischen, eine v̈berauß grosseß Elent vnd Armueth sey, alß Jemalß gewessen,24 dan gantz kheine bezallung vnd die spanischen Soldaten, so woll alß andere Nationen von hauß zu hauß vmb Gotteß willen vmb brodt bettellen. eß hat die Jnfante 2000 Soldaten in Antorff25 in die Statt zur guarnison den 17. dito vermeint zu Legen, so haben die Burgerß die porten v̈berall geschlossen, vnd 3 fache wachten deß nachtß gethan[,] haben sie26 also bey Lier27 vnd Mechelen28 einquartirt, dan die Forcht bej Jnen, daß wir vnß woll darfür mochten Legeren, so sein auch die Prouintien von Artois vnd Hennegau, so malcontent, daß wen wir vnß inß velt nur mit 20000 mahn sollen begeben, woll gantze Prouintien reuoltiren möchten, daß Nirgent khein Gelt, vnd bezallung geschicht, sein auch auß Brissilien von Farnamboucquo29 2 Schiffe khumen, so schreibenß an den Pr. gebracht, daß der General Wertenburg30 vermeltet, daß deglichen, seine benachtbarden Brassilianen hauffenweiß mit weib vnd khindern Zu Jme herv̈berkhumen, ohne die 2 Khönige31 da Jch in meinem andern schreiben daruon meltung gethan, also daß die staten Jme Wertenburg etliche 100 Placaten32 Zue gesanden, soliche in Brasilien zu spargieren, daß sie Frey geleith, vnd alß das Jhrige ohne einige molestirung behalten sollen, so sich Jme ergeben wurden, haben auch zu dem Ente albereith eine Schuel angerichtet, vnd werden im Christlichen Glauben vnderrichtet, dise 2 Schiffe sein den 16. dito in Seellandt arriuirt, die bewintha[bers]b 33 Lassen nun wider vill volckh werben, vmb darnach zuezusenden, also daß wir z[u]b Gott hoffen in weniger Zeit aldar ein Noua Holandia solle khünen werden. Unser Colonel Houteriua34 , so auß Seelandt von dem Pr. nacher Franckhreich i[st]b verreisset gewest, ist nun den 19. dito wider hier khumen, er sagt daß Jm gewißli[chen]b volgen sollen die 15 dhonen Goltß35 , darmit wir palt zu velt sollen ziechen, ist [deß]b Khönigß36 begehren, man schlecht37 aber hier dem vnglaubigen St. Thomas, wan soliche Somma hier wirdt sein, so glau- || [347] ben wirß, wie woll manß für sicher thuet halten, gleich woll ob eß schon nit khumen solle, wir nicht desto weniger vnsern desein38 darumb nit achter stellen39 werden.
Es sein den 25. dito underschietliche schreibenß, wie auch eineß an den Pr. von Lüttich hier khumen, worJnen vermeltet wirdt, vnd gewiß geschahen, daß deß Churfürsten40 sein geheimbster Rath, der von Buckholt, 41 welicher der erste nach dem Dhomdechent in Lüttich42 Dhumherr ist, ein mahn von 70 Jahren, daß derselbe in geheimb für den Churfürsten 2 Comp. Soldaten werben thet, wie dan derselben noch mehr sollen sein, so dar Commission in secret vmb zu werben haben angenumen. weiln aber der Magistrat, vnd die gantze Burgerschafft solicheß vernumen, daß eß auf sie und Jhrer priuilegien angesehen, vnd solicheß daß der Bischoff nach seinem wollgefallen den Rath, vnd andere officiren machen vnd setzen wolte, welicheß sie Jme offtmalß haben abgeschlagen, er aber mit solicher practica vermeinet meister zu werden, so ist der guete alte mit seiner Gutsche den 14. dito nach der Dhumkhierchen gefahren, da Jme negst der khierchen etliche Burgerß in der Gutschen sitzent haben angesprochen vnd gefragt, warumb er das volckh werben thue, er Andtworttet für den Bischoff, sie fragten zu was intent. Er [29r] Andtworttet, das were er Jnen nit schuldig zu sagen, vnd Jn deme auß der Gutschen herauß gestigen, dem Dhom zue gangen, da Jme die Burgerß gevolgt, vnd in der khierchen Nidergeschlagen, vnd gantz vermort43 , darnach mit den Füessen zur khierchen hinauß geschleifft, vnd mit den Füessen an den Galgen gehangen, Jst auch strackhß ein solicher tumult in der Statt worden, daß etliche vhren khein pfaff sich auf der Strassen hat sehen derffen Lassen, doch durch den Magistrat gestillet worden, dise guete gesellen machen vnß Behemen guet, da wir doch nit die khierche haben violirt, sondern nur zum fenstern auß geworffen,44 eß ist zwar woll vor 4 monaten daruon geschriben worden, daß der Bischoff Jnen an Jhren Priuilegien grossen eintrag wolte thun, aber nun vermeinet er eß zuuolbringen, so Jme nit gelückht, hat vnd die verratherej an dage khumen, viller fürnemen perschonen alhier ist die opinion, daß sie sich woll gantz an die Cron Franckhreich begeben möchten, 45 haben auch vor disem alhier dergleichen practica proponirt gehabt, wie sie dan nun weiln meine G. F. v. Fraw aldar gewessen46 , dieselbe nit allein mit dero gantzen Comitat defrauirt, sondern auch offentlichen gesagt, der Pr. hette sie mit einnemung hörtzogenbusch47 von der spanischen Tyrranie meistentheilß Gott Lob erlöset, vnd sie wolten hinfüro Jme alle threwe diensten vnd freundschafft erweisen, wormit sie nur solten khünen vnd mogen, so nun vill noch danckhenß thuet geben. Eß haben auch die von Hamburg vor 10 daghen ein ansehentliche Legation alß Jhrer 3 von dem Senat, woll mit 20 diennerß alhier gesanden so den 18. bej den Generalstaten in secret haben Audientz gehabt, weliche mit vnß eine Newe Alliance anzugehn, sein aber noch nit offentlichen zur Audientz berueffen worden.48 Der pfaltzgraue9 Jst nun wieder in Düsseldorff ankhumen vnd mueß nun zu vnserß volckhs außziechen 75000 Rdhlrß.49 wegen der hinder stelligen contribution erlegen, darmit vnser volckh bezalt khan werden, vnd verbleibt noch woll bej 200000 Rdhlrß. schuldig, die er auf gewissen termin auch entrichten mueß, sein Marchalck10 hat mir gesagt, daß er vermeint disen vastel abent mit || [348] seiner Princessin das beyLager zu halten, doch noch nit für gewiß wissen khan,50 bitt meinen villgeEhrten herrn Brudern, mich dem Nährenden vnderthenig für recommandirt zu halten, neben den herrn Brudern sambt seiner hertzliebsten dienst-freundlicher Grüessung, vnß samentlichen dem allerhöchsten in seine allein Gottliche obacht Empfelichent. Den 23. Januarj 1631 st. no.

E. E. L. Gethrewer zu Diensten williger alß willig
Der GoltGelbe MPria.

p. s. Jch erwartt mit verlangen der Fruchtbringenten geselschafft Medaiglie,51 darmit ich hoffe mit der hülffe von Gott disen Sommer Jm velt zu prauiren der Contrafectien will ich auch mit gedult erwartten in meine khamer zu Ewigen gedechtnuß, khunte der herr Bruder mit gelegenheit underthenig zuwegen bringen das contrafett von dem Löblichen Sighafften vnd dero Gemahlin, 52 were mir ein sonderliche Gnadt, wie auch F. L. A.53 vor allen nit zuuergessen, deren vnderthenigster diener ich sterben werde, ob ich woll deren F. von Bernb. von hertzen gehrn mehr haben vnd wüntschen wolte,54 darff ich doch vmb deß vnverEnderlichen soliche nit begehren, weiln die vngnadt so groß ist.55

Textapparat
a seinesß  Schreibens.
b Textverlust durch Papierausriß.

Kommentar
1 Unbekanntes Schreiben Friedrich v. Schillings (FG 21) vom 10. 12. 1630.
2 Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen, geb. Gfn. zur Lippe (AL 1629, TG 38), zweite Gattin F. Ludwigs (Der Nährende). Fn. Sophia wird mit dem Gesellschaftsnamen ihres Mannes bezeichnet, eine in der FG verbreitete Sitte. Vgl. 340107 K 20.
3 Gf. Philipp zur Lippe-Alverdissen (FG 117. Der Annehmliche). Zu seinem Aufenthalt im Haag s. 300921 u. 301011. Zum Brief Fn. Sophias (s. Anm. 2) vgl. den Brief Johann v. Marios (FG 100) an Schilling vom 20. 2. 1630 n. St. (a. a. O., Bl. 26r–27v), Postskriptum (Bl. 27r). Dort scheint Mario davon auszugehen, daß Gf. Philipp bald in Köthen eintreffen werde. Später beklagt sich Mario, daß der Graf seine zahlreichen Schreiben unbeantwortet lasse. (Brief Marios an Schilling vom 14. 4. 1631 n. St., a. a. O., Bl. 63r–64v.)
4 Zähne (nicht Zehen).
5 Anna Maria v. Peblis (1589 – 4. 8. 1631), hatte Friedrich v. Schilling (FG 21) am 6. 7. 1629 geheiratet. Ihre Ehe blieb kinderlos. S. 300410 K 3, 310108 K II 25, 310224 K 6 u. 310800.
6 Kopf- und Zahnschmerz als Vorbote der Geburt eines Sohnes nicht belegt in Wander, HWDA und in Wörterbuch der dt. Volkskunde. Begr. v. O. A. Erich u. R. Beitl. 2. Aufl. bearb. v. R. Beitl. Stuttgart 1955.
7 Burkhard v. Erlach (FG 52). Zu Marios familiärem Verhältnis zu Erlach vgl. 300410 u. I, 301001 (Postskriptum) u. 310224 K 17. Auch am 20. 2. 1631 n. St. bat Mario Schilling, Grüße an ,den Gesunden‘ auszurichten (a. a. O., Bl. 26r–27v, 27r).
8 Anna Lucretia, am 6. 12. 1624 mit Hempo v. dem Knesebeck (FG 88) vermählt und am 22. 11. 1630 verstorben. Vgl. 300410 K I 17 u. Conermann III, 93f.
9 Pgf. Wolfgang Wilhelm v. Neuburg, Hz. v. Jülich-Berg. S. 300410 K 16.
10 Johann Bertram v. Scheidt gen. Weschpfenning. S. 300410 K 20.
11 F. Friedrich Heinrich v. Oranien. S. 300410 K 4.
12 Gf. Wilhelm v. Nassau-Siegen, Oberkommandeur der in den jülich-klevischen Erblanden stationierten staatischen Truppen; sein Hauptquartier war Duisburg. S. 300410 K 21 u. K I 15. In Folge des Düsseldorfer Teilungsvertrages vom 9. März 1629 war es im Haag zu weiteren Verhandlungen über die Neutralität der Erblande und den Abzug aller fremden Truppen gekommen. Im August 1630 hatten sich die beiden possedierenden Fürsten, Kf. Georg Wilhelm v. Brandenburg (FG 307) und Pgf. Wolfgang Wilhelm v. Neuburg, auf einen neuerlichen || [349] Teilungsvergleich geeinigt, der ersterem Kleve und Mark, letzterem Jülich, Berg und Ravenstein, beiden gemeinsam aber die Gft. Ravensberg zugesprochen hatte. Die Erblande sollten sich strikt neutral halten und als neutral anerkannt werden; die fremden Truppen seien abzuziehen. Gegen Ende des Jahres 1630 lagen die Zustimmungen zum Truppenabzug seitens der Generalstaaten, der span. Infantin als Landvögtin der span. Niederlande, der Kurfürsten des Reichs und des Kaisers vor. Ausgenommen waren die befestigten Plätze Emmerich, Wesel und Rees als Stützpunkte der Republik — „d’appel van onse ooghe“ — und Jülich, Sittard und Orsoy als Garnisonen der Spanier. Vgl. 300410 K 16, 301001 K 13; Het Staatsche Leger IV, 169; J. J. Poelhekke: Frederik Hendrik. Prins van Oranje. Een biografisch Drieluik. Zutphen 1978, 340. — Am 22. 12. 1630 hatten die Generalstaaten vorgeschlagen, am 1. 2. 1631 mit dem Truppenabzug zu beginnen. Aufgrund verschiedener Verzögerungen stimmten sie am 16. 1. 1631 dem neuen Termin des 12. 2. zu; am 25. 2. sollte mit der Schleifung der Festungswerke der Anfang gemacht werden. Gleichen Schrittes („pari passu“) sollten die staatischen, die spanischen, die kaiserlichen und die Liga-Truppen ihre Garnisonen in den Erblanden räumen, unter gegenseitiger und neutraler Aufsicht (s. auch den vorliegenden Brief, weiter unten). Immer neue Bedingungen von allen Seiten verzögerten erneut die Durchführung der Vereinbarungen, bis die Generalstaaten den 18. 3. als Termin des Rückzugsbeginns vorschlugen. Am 31. 3. wird die staat. Garnison aus Duisburg abgezogen. Insgesamt zieht sich die praktische Durchführung des Rückzugs bis in den April hinein. Diplomatische Versuche der Possedierenden im Sommer 1631, die Niederländer und Spanier auch zum Abzug aus den reservierten Plätzen zu bewegen, scheitern. Vgl. auch Anm. 18, ferner Aitzema I, 1056– 1066, 1089–1092, 1134–1139; Londorp IV, 208; Heinrich Averdunk: Geschichte der Stadt Duisburg bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Hause Hohenzollern (1666). 2 Tle., Duisburg 1894/95, II, 633f.; H. Averdunk: Geschichte der Stadt Duisburg. Neu bearb. v. W. Ring. 2. Aufl. Ratingen 1949, 53ff.; A. Ch. Borheck: Geschichte der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg, und Ravensberg nach Teschenmacher u. a. nebst einer Geschichte der Stadt Duisburg a. Rh. 2 Tle. Duisburg 1800, II, 622–642; J. F. Knapp: Regenten- u. Volksgeschichte der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg und Ravensberg ... (von 786–1815). 3 Bde. Neue Ausg. Crefeld 1836–46, III, 218–224; Die Festung Wesel. Hg. Werner Arand. Köln/ Bonn 1981; P. Th. A. Gantesweiler: Chronik der Stadt Wesel. Wesel 1881, 440f.; Herbert Kipp: Wesel unter niederländischer Besatzung (1629–1672). In: Geschichte der Stadt Wesel. 2 Bde. Hg. Jutta Prieur. Düsseldorf 1991, I, 213–250; E. v. Schaumburg: Die Begründung der Brandenburg-Preußischen Herrschaft am Niederrhein und in Westfalen oder der Jülich-Clevische Erbfolgestreit. Wesel 1859, 200–205; [Jan Wagenaar:] Allgemeine Geschichte der Vereinigten Niederlande [s. 300410 K 10] Tl. 5. Leipzig 1762, 65f. — Zur Verzögerung des Truppenabzugs teilte Mario Schilling am 20. 2. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 26r–27v) mit: „Ob Jch zwar in meinen vorher gehenten [310113] anmeltung gethan, wegen demolierung der vöstungen Rauenstein, vnd Gennep, so geschehen hat sollen den 20. diser Monat, so haben doch die spanische vnderschietliche außfluchten vnd falsche practicquen gesuechet, daß sie zwar gahr woll zufridten, daß wir auf bestimbten accord vnd Zeit sollen anfangen soliche demolierung, weiln sie aber einighe clausulen nach vnserem intent nit woll verstanden hetten, müesten sie erst wider nach Brüssel der Jnfanta solicheß zuerkhleren zugeben, interim sollen wir gleich woll vortfahren, worauf die committirten der Generalstatten, Jnen allvorher gehenten beschlossenen accord rotondo abgeschlagen, von Nullo vnd kheiner werthen zu sein, wie nun der von Neuburg in Düsseldorff solicheß vernumen, ist er per poste nach Brüssel zue postiert vnd nun mehr bej 14 dagen aldar gewest, Nun ist gestern zu hoff Zeittung khumen, daß er solle bej der Jnfanta den accord obtenirt haben, vnd daß man noch vltimo diseß Monatß gleicher handt solle anfangen zu demolieren, alle Newe werckhen, so die spanischen, Key- vnd Ligisten Jm Landt zu Gülch, Berg, Cleue, von der Marckh, vnd Rauenspurg gemacht haben, auf einen termin angefangen müessen werden, daß sie an- || [350] derst nichtß in defensie sollen behalten, von deß von Brandenb. vnd Neuburgs Landten, allein Gulich, Sittart vnd orsoy am Rein, wir wesel, Emerich vnd Rees, ob eß zwar nun das ansehenß alß soll die demolierung seinen vortgang haben, Jst doch das noch bej villen alhier Zweiffelhafft“ (Bl. 26v). S. auch 310224 u. 310311.
13 Walraven van Gent, Heer van Dieden en Oyen (1580–1644), Bruder Ottos (vgl. 300921 K 3 u. 300924), 1599 Rittmeister, später ndl. Infanterie-Obrist, seit 1624/25 Kommandeur eines Infanterie-Regiments, das zu besolden Kurbrandenburg verpflichtet war. 1624 Gouverneur von Soest; 1637–1644 Nachfolger von Willem Pynssen van der Aa (s. 300924 K 22) als Gouverneur von Rees. — Ende 1623 waren nach den Niederlagen Hz. Christians v. Braunschweig-Wolfenbüttel die westfäl. Grafschaften Mark und Ravensberg völlig in span. und ligist. Hand und für Kurbrandenburg verloren. Im Düsseldorfer Provisionalvergleich vom Mai 1624 (s. 300410 K 16) war Kurbrandenburg aber zugestanden worden, Soest (Gft. Mark), Lippstadt und die Festung Sparrenberg (oberhalb Bielefelds, Gft. Ravensberg) durch den Obersten Gent zu besetzen. 1624 und 1625 eroberten seine Truppen Unna, Kamen, Lünen, Soest, Herford und Bielefeld; die meisten dieser Plätze gingen in der Folgezeit allerdings wieder an ligist. und ksl. Truppen verloren. 1628 gelang immerhin die Besetzung der Feste Ravensberg, eine der vier Landesburgen der Grafschaft. — Um Gents Truppen hatte es immer wieder Streit gegeben. Die kurbrandenburg. Regierung dankte 1626 eigenmächtig Truppenteile ab; die Generalstaaten stellten sie wieder ein. Die kurbrandenburg. Erblande hatten nicht nur die Truppen Gents, sondern 1629–1631 auch die einquartierten Truppen Gf. Wilhelms v. Nassau-Siegen (s. Anm. 12) mittels Kontributionen zu unterhalten. Aufgrund des Abkommens vom August 1630 kam es im Frühjahr 1631 endlich zum Abzug dieser Truppen. Am 31. 3. 1631 zog auch Gents Hauptmacht aus Soest ab, tags darauf folgte der Rest in die Garnisonen von Wesel, Emmerich und Rees. Auch die ligist. und ksl. Truppen wurden im März aus der Gft. Mark und Ravensberg abgezogen. 1632 ging Gents brandenburg. Regiment in den regulären Dienst der Generalstaaten über. 1637 wurde es von französ. Subsidien unterhalten. Vgl. BA II.5, 99, 395; BAB 255, 252ff.; BWN III, 31f.; NNBW VI, 567f.; Aitzema I, 457; Het Staatsche Leger II, 124, 126, 221; III, 117, 122, 128, 140, 214, 218, 221 u. ö.; IV, 55, 58, 88, 133, 166ff., 219, 255f., 343 u. ö.; Mémoires de Frédéric Henri de Nassau, Prince d’Orange, qui contiennent ses expéditions militaires depuis 1621 jusqu’á l’année 1646; Enrichis du portrait du prince et de figures représentantes ses actions les plus mémorables ... par Bernard Picart. [Publ. par Isaac de Beausobre]. Amsterdam 1733, 136; De Briefwisseling van Constantijn Huygens (s. Anm. 34). III, 459, 461f.; [Jan Wagenaar:] Allgemeine Geschichte der Vereinigten Niederlande (s. Anm. 12) V, 12; Poelhekke (s. Anm. 12), 340; Soest. Geschichte der Stadt. Hg. W. Ehbrecht u. G. Köhn. Bd. 3 (Soest 1995), 782ff.; Rolf Dieter Kohl: Absolutismus und städt. Selbstverwaltung. Die Stadt Soest und ihre Landesherren im 17. Jahrhundert. Diss. (masch.) Univ. Münster 1977, 193ff.; Westfälische Geschichte. Hg. W. Kohl. Bd. 1. Düsseldorf 1983, 546, 550, 552, 556; Hermann Rothert: Westfälische Geschichte. Bd. 2. Gütersloh 1950, 135–160; Karl Grossmann: Geschichte der Stadt Vlotho. Vlotho 1971, 94–96; W. Fricke: Geschichte der Stadt Bielefeld u. der Gft. Ravensberg. Bielefeld 1887. Ndr. Osnabrück 1975, 80ff.
14 Soest/ Gft. Mark, 1616 von span. Truppen unter Gf. Hendrik van den Bergh (s. 300924 K 3) besetzt, im Februar 1625 von staat.-brandenburg. Truppen unter Gent eingenommen und am 31. 3. 1631 geräumt. S. Anm. 13.
15 Zu der Frage, in welchen zwei ,Plätzen‘ Gents Truppen außer Soest noch standen vgl. Anm. 13.
16 Die Hft. Ravenstein, Enklave in Nordbrabant, zum Hzt. Jülich-Kleve-Berg gehörend, wurde im Xantener Vertrag von 1614 zunächst dem brandenburg. Anteil des jülich-klevischen Erbes, mit dem im März 1629 getroffenen Düsseldorfer Teilungsvergleich jedoch Pfalz- Neuburg zugesprochen. S. Anm. 12 u. 18 sowie 300410 K 16. Vgl. Merian: Topographia Germaniæ-Inferioris, 72; Lexikon Geographie, 998f.; Nijhoffs, 478. In der Stadt hatten die Generalstaaten 1621 umfangreiche Befestigungen anlegen lassen, welche sie im Früh- || [351] jahr 1631 nach dem Anfall der Hft. an Pfalz-Neuburg zu zerstören befahlen. S. 310224 über die Gründe der Verzögerung. Mario unterrichtete Schilling in seinem Brief vom 10. 4. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 61r–62v), die Festung Ravenstein sei demoliert, die staat. Besatzung abgezogen worden, jedoch habe Kurbrandenburg widerrechtlich ein 160 Mann starkes Truppenkontingent dort stationiert. Vgl. [Jan Wagenaar:] Allgemeine Geschichte der Vereinigten Niederlande (s. Anm. 12) V, 65f.; Karl-Klaus Weber: Johan van Valckenburgh. Das Wirken des niederländ. Festungsbaumeisters in Deutschland 1609– 1625. Köln usw. 1995, 115f.
17 Gennep, kleine Stadt mit befestigtem Schloß im Geldrischen, aber zum Hzt. Kleve gehörig, einstmals wichtiges Magazin und Oberquartier im span. Geldern. Gennep wurde seit 1614 von staat. Truppen gehalten, 1631 geräumt, ebenso Duisburg, Ruhrort u. a. Vgl. 310224. 1635 wurde Gennep von den Spaniern, 1641 wieder von der Republik, 1646 (mit Schenkenschanz) erneut von den Spaniern eingenommen und befestigt. 1652 eroberten die Generalstaaten Gennep zurück. Vgl. Anm. 18 und 420120, ferner Toonneel der Steden van de Vereenighde Nederlanden. Met hare Beschrijvingen. Uytgegeven By Joan Blaev. [Amsterdam 1649] (HAB: Cb Gr.2b 13); Petrus Valckenier: Das Verwirrte Europa. Oder/ Politische und Historische Beschreibung/ Der in Europa, fürnehmlich in dem Vereinigten Niederlande/ und in dessen Nachbarschafft/ seither dem Jahre 1664. entstandenen ... Kriegen. 4 Tle. Amsterdam 1677, 277 (HAB: Ge 4b 62); Egbert Hopp: Kurtze Beschreibung des Clevischen Landes. [Zuerst Cleve 1655]. Wesel/ Eisenach 1781, 44ff.; Th. W. J. Driessen/ M. P. J. van den Brand: 1000 Jaar Gennep. Nijmegen 1975, 104.
18 Im Anschluß an den Düsseldorfer Provisionalvergleich vom 9. 3. 1629 wurden im Zuge einer insbesondere von Pgf. Wolfgang Wilhelm v. Neuburg, Hz. v. Jülich-Berg, betriebenen emsigen Reisediplomatie die Fragen der Neutralität der jülich-klevischen Erblande und des Abzugs aller fremden Truppen zwischen Düsseldorf, Den Haag, Brüssel und Emmerich (als Sitz der brandenburg. Landesregierung im Hzt. Kleve) verhandelt. Londorp III, 1088–1103 legt wichtige Stükke des im Frühjahr/ Sommer 1629 geführten Schriftwechsels zw. den Generalstaaten und den kurbrandenburg. bzw. pfalz-neuburg. Unterhändlern in Den Haag vor; Londorp IV, 116–125 u. 208–213 dokumentiert die Verhandlungen zw. Pfalz-Neuburg und den Generalstaaten im Haag im Sommer 1630. In diesem Zusammenhang wurden Schreiben gewechselt, die die Wahl des Hzt.s Kleve statt des Ft.s Berg durch den Neuburger (es blieb dann aber bei Berg) ebenso behandeln wie die Durchführung des im Düsseldorfer Provisionalvergleich vom 9. 3. 1629 geforderten Abzugs der fremden Truppen. Letzteres war noch im Frühjahr 1631 Gegenstand verschiedener Vorschläe und Repliken. Auch Aitzema I dokumentiert diese Verhandlungen, ohne einen förmlichen Abzugs-Accord zu bringen. Eine offizielle Vereinbarung, die die Fragen der Aufgabe und Demolierung der Festungswerke regelte, haben wir nicht finden können. Zwar wurde am 26. 8. 1630 zwischen den Generalstaaten, dem kurbrandenburg. Gesandten (unter Vermittlung ndl. Unterhändler) und Pgf. Wolfgang Wilhelm ein Vertrag geschlossen; er korrigierte aber nur die im genannten Provisionalvergleich vorgesehene Teilung der Erblande, indem der Neuburger Kleve aufgab und definitiv Berg erhielt. Dieser Vertrag, den Kf. Georg Wilhelm v. Brandenburg (FG 307) am 16. 10. 1630 in Cölln ratifizierte, ist u. a. abgedruckt in: Londorp III, 1091 (lat. Text); Leo ab Aitzema: Historia Pacis, a Foederatis Belgis ab Anno M DC XXI. ad hoc usque tempus Tractatæ. (Lugduni Batavorum 1654), 63–65 (lat. Text) (HAB: Gp 5) und in ders. [Lieuwe van Aitzema]: Verhael van de Nederlandsche Vreede Handeling. Amsterdam 1653, 76–77 (nl. Text) (HAB: Gp 6). Der Vertrag findet sich in Regestenform in: Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601 bis 1700. Nach den Originalen des Königl. Geh. Staats-Archivs bearb. v. Theodor v. Moerner. Berlin 1867, 105; vgl. Borheck (s. Anm. 12) II, 636f., u. Schaumburg (s. Anm. 12), 202. Ein „Hinc est“ kommt in diesem Vertrag genauso wenig vor wie im Düsseldorfer Provisionalvergleich vom 9. 3. 1629. Dieser ist abgedruckt in: Londorp III, 1088ff. (lat. Text), Lieuwe van Aitzema: Historia Pacis, 57–63 (lat. Text) und in ders.: || [352] Verhael, 70–76 (nl. Text); Regest in Moerner, 97–101. — Man wird sich diese Übereinkunft folglich wohl als das Paket der multilateralen Vereinbarungen vorzustellen haben. Vgl. dazu die einschlägigen Akten im HSTA Düsseldorf, u. a. Jülich-Berg II 2868, 2874, 3056, 3057, 3105, 3060, 3061, 3069. Am 7. 1. 1631 [n. St.] zeigte sich Pgf. Wolfgang Wilhelm in einem Brief aus Zweibrücken an Weschpfenning erfreut, „das numehr der tag zur abfuhrung albereit bestimbt“ sei und forderte seinen Rat auf, alles zu tun, was „zur effectuirung deßen, was zwischen vns verglichen, dienlich vnd gereichendt seie“. (HSTA Düsseldorf: Jülich-Berg II 3056, Bl. 48rv.) Einen gewissen förmlichen Abschluß der Verhandlungen wird man in dem von Commelyn auszugsweise zitierten „Accord“ von 1631 zwischen Pfalz-Neuburg, Spanien und den Generalstaaten bezüglich des Truppenabzuges erblicken dürfen. I. Commelyn: Histoire ... de Frederic Henry de Nassau [s. 300410 K 4], 2 Tle. (1656), I, 135. Dieser Vertrag dürfte trotz gewisser sprachlicher Abweichungen derselbe sein, der auch im Theatrum europaeum, Tl. 2, 3. Aufl. 1646, 289f. (HAB: Ge 4b 54), wiedergegeben wird. Eine Abschrift dieses Dokuments (in frz. Sprache) d. d. Brüssel, 19. 2. 1631 [n. St.] hatte Pgf. Wolfgang Wilhelm seinem Unterhändler Weschpfenning als Beilage seines Briefes vom 21. 2. 1631 [n. St.] zugesandt. (HSTA Düsseldorf: Jülich-Berg II 3056, Bl. 89rv [Brief] u. 90r–91v [Beilage]; weitere Abschrift des Dokuments ebd., Bl. 99rv).
19 Hauptstadt des Fts. Berg; Regierungssitz Pgf. Wolfgang Wilhelms v. Neuburg in seinen jülich-bergischen Erblanden.
20 Die drei den Vereinigten Niederlanden eingeräumten Truppenstützpunkte (s. Anm. 12), alle im Hzt. Kleve gelegen.
21 Jülich, Sittard (Hzt. Jülich) und Orsoy (Hzt. Kleve), die drei den Spaniern eingeräumten Truppenstützpunkte in den jülich-klevischen Erblanden (s. Anm. 12).
22 Die 18 in der Versammlung der holländ. Provinzstände vereinigten Städte. Vgl. 300921 K 32, 301001, 310224.
23 Ohne. S. 301011 K 18.
24 Die Armut in den Südprovinzen im schroffen Gegensatz zum Wohlstand der Vereinigten Nordprovinzen war schon von zeitgenössischen Reisenden und ausländischen Gesandten festgehalten worden. Vgl. P. J. Blok: Geschichte der Niederlande. 4. Bd.: Bis 1648. Gotha 1910, 3ff. Vom dramatischen Bevölkerungsrückgang, dem Verfall der ländl. und städt.Ökonomie und dem völligen Ruin der Provinzen Flandern und Brabant — einst Herz der Niederlande — gegen Ende des 16. Jahrhunderts konnten sich die südl. Provinzen nur langsam erholen, ohne je an frühere Blütezeiten in Handel und Gewerbe anzuschließen. Vgl. Geoffrey Parker: Spain and the Netherlands 1559–1659. Ten Studies. Fontana/ Glasgow 1979, 180ff. Zur Not der Soldateska in den span. Niederlanden im Jahre 1631 schon Theatrum europaeum, Tl. 2, 3. Aufl. 1646, 508 (HAB: Ge 4° 54).
25 Antwerpen. S.300921 K 10.
26 Gemeint: sich. Häufige Verwechslung in Marios Briefen, vgl. z. B. 300410, 300921, 300924 u. ö.
27 Lier/ Brabant, zwischen Antwerpen und Mechelen gelegen. Lexikon Geographie, 762; Nijhoffs, 334.
28 Mechelen (Malines), Stadt, Hft. und Provinz der span. Niederlande, zwischen Antwerpen u. Brüssel gelegen, Sitz des höchsten Gerichtshofs der span. Niederlande. Lexikon Geographie, 836f.; Nijhoffs, 364.
29 Pernambuco, Zentrum v. Holländisch-Brasilien. Vgl. 300410 K 25, 26 u. 34, 301001, 301011.
30 Diderich (Diederick) van Waerdenburg (Wardenburgh), 1630 Oberst über das Kriegsvolk der Westindischen Kompanie bei der Eroberung Pernambucos, zeitweise dort Gouverneur. S. 300410 K 32.
31 Der „die 2 Khönige“ (der Brasilianer) erwähnende Brief ist nicht überliefert.
32 Nl. Plakaat, offener Brief, offizielles, gesiegeltes Schriftstück zur öffentlichen Kenntnisgabe, Mandat. Kramer (1719) I, 294; Kramer (1759) I, 1335; WNT XII. 1, 2197ff. Vgl. auch 300410 K 36 u. 360703 K 7.
33 Nl. Bewindhebbers, Vorsteher, Oberaufseher. Kramer (1719) I, 47. Die ndl. Westindische Kompanie („Geoctroyeerde Westindische Compagnie“, 1621 gegründet; WIK), war in fünf lokale Sektionen (Kammern) und die Zentralverwaltung in Amsterdam gegliedert und wurde von 74 „bewindhebbers“ und einem geschäftsführenden Ausschuß (den „Heren XIX“) geleitet. Vgl. Israel, 326f.; Nijhoffs, 621f.; J. L. Price: Holland and the Dutch Republic in the Seventeenth Century. The Politics of Particularism. Oxford || [353] 1994, 219. — Was die angesprochene Missionierung betrifft, so war sie wenig erfolgreich und der (älteren) röm.-kathol. Missionsarbeit hoffnungslos unterlegen: „During the twenty-four years that Netherlands Brazil existed, converts from Romanism to Calvinism were as rare as hens’ teeth.“ (C. R. Boxer: The Dutch Seaborne Empire 1600–1800. London 31972, 149). — Eine weniger rosige Illustration der Verhältnisse in Niederländisch- Brasilien bietet das traurige Schicksal des Kolonialsoldaten Stephan Karl Behaim. Vgl. Anton Ernstberger: Abenteurer des Dreißigjährigen Krieges. Zur Kulturgeschichte der Zeit. Erlangen 1963, 9–90, 74ff. — Zur älteren Schwester der WIK, der Ostindischen Kompanie (VOC), vgl. Zu den Abbildungen S. 105ff. u. 360703 K 32.
34 François de L’Aubespine, Marquis d’Hauterive (Haulterive) (1584?–1670), 1609 Führer einer frz. Infanteriekompanie, seit 1615 Oberst eines neuen (des insgesamt dritten) frz. Infanterieregiments im Dienst der Republik, das durch frz. Subsidien unterhalten wurde. Ende 1630 auch als außerordentlicher Gesandter Frankreichs in den Niederlanden tätig. Im Frühjahr 1631 forderte Hauterive als außerordentlicher Unterhändler im Namen des frz. Königs die Generalstaaten dazu auf, den Krieg gegen Spanien fortzusetzen; er stellte die Auszahlung der vereinbarten Subsidiengelder in Aussicht. Hauterive, eng mit Constantijn Huygens befreundet, war ein Favorit F. Friedrich Heinrichs und Fn. Amalias v. Oranien und ihrer Hofkreise. 1633 weigerte sich F. Friedrich Heinrich, seinen von Richelieu der Zusammenarbeit mit dem notorischen Verschwörer Gaston d’Orleans verdächtigten „guten Freund“ an Frankreich auszuliefern. Von 1639 bis zu seinem Tode war Hauterive ndl. Gouverneur von Breda. In den Tagebüchern Gf. Wilhelm Friedrichs v. Nassau- Dietz fehlt es nicht an kritischen Untertönen, wenn ihm als „een oldt courtisaen“ Neigung zu Opportunismus, Falschheit und Mangel an praktischem militärischen Geschick beigelegt werden. (Gloria Parendi. Dagboeken van Willem Frederik stadhouder van Friesland, Groningen en Drenthe. 1643–1649, 1651–1654. Uitg. door J. Visser onder eindred. van G. N. van der Plaat. Den Haag 1995, 75, 392, 417, 689f., 701, vgl. auch 10, 46, 55, 57, 60 u. ö.). S. auch Anm. 36. Vgl. Het Staatsche Leger III, 49, 74, 123, 167, 170, 185ff. u. ö.; IV, 6, 81, 98, 117, 197, 218f., 248 u. ö.; V, 374, 422, 445, 523 u. ö.; Hübner: Tabellen IV, T. 1197; Theatrum europaeum, Tl. 2, 3. Aufl. 1646, 384 (HAB: Ge 4° 54); De Briefwisseling van Constantijn Huygens (1608–1687). (Hg.) J. A. Worp: Eerste (–Deerde) Deel. ’s-Gravenhage 1911 (–1914), passim; P. J. Blok: Frederik Hendrik Prins van Oranje. Amsterdam 1924, 155, vgl. 95, 144, 160f., 169, 178; ferner ABF I, 963/ 72f.; Poelhekke (s. Anm. 12), 318, 417; A. Waddington: La République des Provinces-Unies, La France & Les Pays-Bas Espagnols de 1630 a 1650. Tome 1: 1630–1642. Paris 1895, 393–396 (Abdruck der „Instruction au sieur de Haulterive, collonel d’une régiment de gens de guerre françois, entretenu en Holande, Sa Majestél’envoyant audit pais, comme personne qu’elle tient en estime et en qui elle prend entière confiance, pour affaires importans à son service“, Paris, 27. 12. 1630). — In einem wohl auf den 20./ 30. 4. 1630 zu datierenden Bruchstück eines Briefs Marios an Schilling (a. a. O., Bl. 12v, 12r) war der Name des Obersten schon einmal gefallen. Offenbar war er ein wichtiger Verbindungsmann zur frz. Regierung: „[...] bin Jch nach hoff vmb aufzuwartten gangen aldar ich den Ambassator von Franckhreich bej Jhro F. G. gefunden, der einen expressen Currir auß Franckhreich bekhumen, so an den Pr. vnd herren Statten schreibenß mit gebracht, Jnhaltß wie ich vom Colonel Hauteriue verstanden, der König gantz vmbstendig anhalten thuet, daß wir frue zu velt sollen ziehen, darmit er seinem Desein in Jtalien [Mantua/ Monferrat, s. 300410 K 18, 300921 K 23 u. 310311] desto besser verziehen solle“ (12v). Der hier erwähnte frz. Gesandte war Sieur Nicolas de Baugy, von 1628 bis Ende September 1634 im Haag wirkend. Aitzema I, 771, 834, 976–980; Groen van Prinsterer III, S. XXX u. 25; Schutte, 7; Michel Le Vassor: Histoire de Louis XIII. Nouvelle Ed. Tome III. Amsterdam 1757, 489; P. J. Blok: Geschichte der Niederlande, IV (s. Anm. 24), 379, 381, 471, 478, 489; ders.: Frederik Hendrik Prins van Oranje (s. o.), 142f., 155; Briefwisseling van Constantijn Huygens I, 345.
35 In zeitgenössischen ndl. || [354] Quellen erscheint des öfteren „eine Tonne Gold“ als Zahlungs- oder Rechengröße. Darunter wurden 100.000 Gulden verstanden. Hier also 1,5 Millionen Gulden. Vgl. Boxer (s. Anm. 33), 304 („Appendix III: A note on the principal coins, weights and measures mentioned in the text“).
36 Am 16. Juni 1630 war der 1627 getroffene, aber nicht ratifizierte Allianzvertrag zwischen Frankreich (vertreten durch den Gesandten Sieur Nicolas de Baugy, s. Anm. 34) und den Generalstaaten überarbeitet und neu beschlossen worden. Der alte (und neue) Pakt verpflichtete die Generalstaaten, keinen Frieden mit Spanien ohne Konsultation des frz. Königs zu schließen; Kg. Ludwig XIII. war lt. Vertragstext von 1627 obligiert, den Generalstaaten während der folgenden neun Jahre jährlich eine Summe von hunderttausend Pfund zu überweisen, sofern die Generalstaaten den Krieg gegen Spanien fortsetzten: „[...] per sequentes Annos novem, centies librarum mille quotannis annumerabit“ (Londorp IV, 128f.). Diese Dauer wurde 1630 umgewandelt in eine Laufzeit von sieben Jahren, in denen jährlich eine Million Pfund zu zahlen sei. Vgl. Aitzema I, 971ff. (frz. u. nl. Vertragstext S. 978ff.); Aitzema: Historia Pacis (s. Anm. 18), 82–84, 91–94 (lat. Text); [Jan Wagenaar:] Allgemeine Geschichte der Vereinigten Niederlande (s. Anm. 12) V, 62f., 70; Algemene Geschiedenis der Nederlanden in twaalf delen. Onder redactie van J. A. van Houtte [u. a.]. Deel VI: De Tachtigjarige Oorlog 1609–1648. Utrecht [u. a.] 1953, 267. — Zu Beginn des Jahres 1631 war Hauterive (s. Anm. 34) mit Schreiben des frz. Königs aus Frankreich zurückgekehrt. Die Stornierung der Zahlung des Vorjahres begründete der König mit dem ausgebliebenen Feldzug seitens der Generalstaaten (vgl. 300921 K 3). Diese mahnten zur Zahlung der „million subsidie“ des Vorjahrs wie auch des laufenden Jahrs, die der König ihnen lt. Allianzvertrag schulde. Aitzema I, 1087. Zur Kampagne des Jahres 1631 vgl. 300921 K 6 u. 301001 K 16. — Am 10. 4. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 61r–62v) berichtet Mario seinem Korrespondenzpartner Schilling, daß sich ein starkes staat. Reiteraufgebot bereitmache, die „Milion Goltß“ abzuholen. Zur Allianz mit Frankreich vgl. auch P. J. Blok: Geschichte der Niederlande, IV (s. Anm. 24), 378, 471ff.
37 (Dem hl. Thomas, dem Zweifler) schlachten, d. i. nacharten, gleichkommen. Im Hd. selten, meist nd. und nl. slachten; DW IX, 240f. S. auch 310311 K 10. Vgl. Steinbach, 422: „ich schlachte nach, mores alicujus assumo“.
38 Frz. dessin, Plan. S. 300410 K 12.
39 Nl. achterstellen, hintan-, zurücksetzen.
40 Der Kf. u. Ebf. Ferdinand v. Köln, Hz. v. Bayern, Bf. v. Hildesheim, Lüttich, Münster u. Paderborn. Vgl. auch 300410 K 7 u. K 10.
41 Arnold van Boeckholt (Bocholtz/ Boecholt) (1561–1632), aus lütticher Adelsfamilie, Geheimer Rat Kf. Ferdinands v. Köln, 1619–1632 als „prévôt“ (Domprobst) der zweihöchste Mann im Kirchenregiment nach dem Fürstbischof, mit dem das Domkapitel als „co-souverain“, zwar ohne direkten Einfluß auf die Exekutive, aber doch mittels verschiedener Prärogative, das Bistum regierte. Vgl. Joseph Daris: Histoire du diocèse et de la principauté de Liège pendant le XVIIe siècle. 2 Bde. Liège 1877, I, 3 (Anm. 1), 22, 27, 29 u. ö.; Alice Dubois: Le Chapitre Cathédral de St.-Lambert a Liège au XVIIe Siècle. Liège 1949, 30, 62, 260ff. u. ö.; ferner Olivier Chapeau: Le recrutement des chanoines du Capitre cathédral de Saint- Lambert à Liège (1581–1794). Université de Liège 1975/76 (Masch.schr.), 57, 104; Peter Hersche: Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert. 3 Bde. Bern 1984, I, 118ff.; II, 150. Daris’ (S. 3 Anm. 1) Angabe des Sterbejahrs 1642 ist vermutlich ein Druckfehler. — Seit Jahren befehdeten sich in Lüttich die Parteien der Chiroux (konservative Bürger mitsamt dem Domkapitel, die den Bischof unterstützten) und der Grignoux (Handwerksleute). Die Volkspartei hatte in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, gestützt auf die 32 Zünfte der Stadt, die Vorherrschaft errungen. Sie stellte die zwei Bürgermeister der Hauptstadt nach dem Wahlreglement von 1603, das den 32 Zünften ihre errungenen Rechte gesetzlich zugestand und die alte Regelung von 1424 formell abgelöst hatte. Zwar erreichte Kf. Ferdinand 1613 bei Ks. Matthias die Aufhebung des Reglements von 1603, doch hielt die Popularpartei in Lüttich daran fest. Steuerlasten und die beständigen Durchzüge und Einquartierungen spanischer und staatischer, schließlich || [355] auch kaiserlicher und ligistischer Truppen hatten die Spannungen noch erhöht. Als Ferdinand die Stadt 1628 mit Waffengewalt zum Gehorsam zwingen wollte, erwirkte sie beim Kaiser im April 1629 ein Mandat, das Kurköln Gewaltanwendung ohne ksl. Zustimmung untersagte und eine ksl. Schiedskommission anordnete. Im Juli 1629 verhinderte die Bevölkerung die Ausführung der Wahlordnung von 1613 und rief den Führer der Popularpartei, Guillaume Beeckman, zum Bürgermeister aus. Im Oktober räumten ligist. Truppen das Bistum, statt ihrer nahmen jedoch span. Truppen unter Gf. Hendrik van den Bergh (s. Anm. 14) in Lüttich ihre Winterquartiere ein. Nach dieser neuerlichen Verletzung der Neutralität kam es zum Aufstand in der Hauptstadt. Das der Kollaboration verdächtigte Domkapitel wurde überfallen, der Domprobst Boeckholt mißhandelt. Der frz. König Ludwig XIII., um Beistand angerufen, erklärte sich dazu im Februar 1630 bereit (s. Anm. 45, vgl. 310311). Am 25. Juli 1630 wurden Beeckman und Sébastien La Ruelle von der Popularpartei nach dem Reglement von 1603 zu Bürgermeistern gewählt, jedoch von den ksl. Kommissaren nicht anerkannt. Es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Ein ksl. Erlaß erklärte die Wahl für ungültig und bestätigte die Wahlordnung von 1613; Kf. Ferdinand berief außerhalb der Stadt eine Ständeversammlung ein. Als Beeckman Ende des Jahres starb und der frz. König sich zurückhielt, kam es zum Kompromiß. Kf. Ferdinand ordnete eine neue Bürgermeisterwahl nach der Wahlordnung von 1613 an, die der Rat schließlich akzeptierte, aber wie zum Spott auf den Fastnachts-Sonntag 1631 festsetzte. Neben La Ruelle wird nun auch ein Vertreter der kfl. Partei, Henri de Rivière, Gf. v. Heers, gewählt. Im März kommt es erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen, die u. a. den alten Domdekan Arnold van Wachtendonck (s. Anm. 42) und wiederum den Domprobst Boeckholt treffen. Aufgrund der Vermittlung des Domkapitels und der Stände leistet La Ruelle schließlich öffentlich Abbitte für die Ausschreitungen; Kf. Ferdinand verzichtet auch auf ksl. Anraten auf eine Publikation der Achtserklärung gegen La Ruelle und die Aufrührer und erläßt im April eine Amnestie. Mit einer feierlichen Erklärung der Neutralität am 7. 7. 1631 beruhigt sich die Situation vorerst, bleibt aber gespannt. — Die im vorliegenden Brief (s. u.) berichtete Ermordung des Domprobsts ist eine Falschmeldung. Nicht dieser, sondern ein Hauptmann, der mit der Anwerbung von Schutztruppen für den Bischof beauftragte Capitain Jaminet, wurde ermordet. Er hatte sich in die Kirche St. Adalbert, nicht den Dom St. Lambert geflüchtet. Vgl. Anm. 45, 310311 u. 360703; ferner Nuntiaturberichte Köln VII.1, S. 58 Anm. 3, VII.2, 408ff., 413f., 419ff., 429, 458ff. u. ö., VII.3, 17, 21ff., 32f., 40ff., 48, 50, 54ff., 59, 62f., 67 u. ö.; BA NF II.5, 34, 238, 260f.; Nijhoffs, 120, 344f.; Daris, a. a. O., I, 28–84, insbes. 71f.; Dubois, a. a. O., 266ff.; P. Harsin: Het prinsdom Luik van 1477– 1795. In: Algemene Geschiedenis der Nederlanden in twaalf delen. Red. J. A. van Houtte u. a. Tl. 8, 1955, 195–221, 204f., 207f.; Henri Pirenne: Histoire de Belgique des origines à nos jours. 4 Bde. Bruxelles 1949–1952, II, 432–434; ders.: Geschichte Belgiens. Dt. Übers. v. Fritz Arnheim. Bd. 4. Gotha 1913, 434–440; Politische Correspondenz des Grafen Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischofs von Osnabrück, aus den Jahren 1621–1631. Hg. H. Forst. Leipzig 1897 (Publicationen aus den Königlich Preußischen Staatsarchiven, 68), XXVIIIff., 313ff., 356, 364, 369, 374ff., 468–470, 472ff., 480ff., 500, 514; A. E. M. Jannssen/ P. J. A. Nissen: Niederlande, Lüttich. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land u. Konfession 1500–1650. Bd. 3: Der Nordwesten. Hg. Anton Schindling u. W. Ziegler. Münster 1991, 201–235, 229f.
42 Arnold van Wachtendonck (1564–1633), „doyen“ (Domdekan) in Lüttich von 1619 bis 1633. Der „doyen“ bekleidete das nächsthöchste Amt nach dem „prévôt“; Marios Angabe über den Rang Boeckholts (vgl. Anm. 41) stimmt also nicht. Der Dekan stand den Kanonikern und der niederen Geistlichkeit sowie der geistlichen Verwaltung vor. Nuntiaturberichte Köln VII. 3, 2, 54ff.; Daris (s. Anm. 41), I, 30, 55, 60, 77 u. ö.; Dubois (s. Anm. 41), 12, 53, 80, 85 u. ö.
43 Nl. vermoorden, ermorden.
44 Prager Fenstersturz am 23. 5. 1618. Mario war zwar daran nicht unmittelbar, je- || [356] doch als Obristleutnant Gf. Georg Friedrichs v. Hohenlohe-Neuenstein (FG 44) und F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) am ,böhmischen Abenteuer‘ beteiligt. Vgl. 300410 K 1.
45 Vgl. Pirenne (s. Anm. 41); Daris: Histoire du diocèse et de la principautéde Liège, I (s. Anm. 41), 31. — Bereits 1623 hatte sich ein frz. Agent, Louis René de Ficquelmont, Abt v. Mouzon, in Lüttich niedergelassen und die Bevölkerung und den Rat, der ohnehin mehrheitlich profranzösisch und proniederländisch eingestellt war, zu beeinflussen gesucht. Am 12. 2. 1630 erklärte sich Kg. Ludwig XIII. v. Frankreich auf Ersuchen der Stadt bereit, ihre Neutralität zu verteidigen. Er sandte nun als seinen offiziellen Repräsentanten den Sieur de Cadenet in die Stadt, intervenierte aber nicht. Der Kurfürst und die Stadt einigten sich am 20. 6. 1631 hinsichtlich der Ratsverfassung auf einen die alten städtischen Privilegien wahrenden Kompromiß. S. auch Anm. 41 u. 310311. Zum Abbé de Mouzon s. BA II.9, 88; Pierre Grillon (Ed.): Les Papiers de Richelieu. Section politique intérieure Correspondance et Papiers d’Etat. Tome VI: 1631. Paris 1985, 53.
46 Fn. Amalia v. Oranien, die die Stadt auf ihrer Bäderreise aufsuchte, als sie im September 1630 auch zu den im Bst. Lüttich gelegenen und in ganz Europa berühmten Heilquellen von Spa fuhr. Vgl. 300921 K 18, außerdem T a: Lüttich hatte die Fürstin freigehalten, von Kosten ,defrayirt‘.
47 Nach monatelanger Belagerung wurde die Stadt ’s-Hertogenbosch in Nordbrabant 1629 von staatischen Truppen unter F. Friedrich Heinrich v. Oranien eingenommen. S. 300924 K 15.
48 Im Januar 1631 war eine Gesandtschaft aus Hamburg in Den Haag eingetroffen, die die Generalstaaten um Unterstützung gegen den dän. Kg. Christian IV. bat, der im April 1630 in Glückstadt an der Unterelbe einen neuen Zoll verhängt, neue Befestigungsanlagen errichtet und Kriegsschiffe stationiert hatte. Bisherige Interventionen der Stadt, unterstützt auch vom ndl. Residenten in Hamburg, Foppe van Aitzema, waren ebenso ergebnislos geblieben wie ernste Mahnungen seitens des Kaisers und der vom Juni bis Dezember in Regensburg versammelten Kurfürsten. Die Generalstaaten lehnten im März 1631 zwar den Vorschlag der Gesandten ab, den freien Handel auf der Elbe durch bewaffneten Geleitschutz zu sichern, entsandten aber im September eine Delegation nach Hamburg und Glückstadt, die dort mit dem König die strittigen Punkte um den dän. Øresund-Zoll, der den Ostseehandel der Niederlande beeinträchtigte, und den Glückstadter Zoll verhandelte. Die staat. Delegation reiste im Januar 1632 von Glückstadt ab, ohne ein verbindliches Übereinkommen erzielt zu haben. Vgl. Aitzema I, 1100ff., 1145ff.; Theatrum europaeum, Tl. 2, 3. Aufl. 1646, 151–157, 277, 379f. (HAB: Ge 4° 54); [Jan Wagenaar:] Allgemeine Geschichte der Vereinigten Niederlande, V (s. Anm. 12), 65. — Mario in seinem Schreiben an Schilling vom 20. 2. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 26r–27v): „Die gesandten der Statt Hamburg so v̈ber 4 wochen alhier, haben noch wenig außgerichtet“ (Bl. 27r, Postskript).
49 Vgl. 310311.
50 Zur Heirat Pgf. Wolfgang Wilhelms v. Neuburg mit Catherina Charlotta, der Tochter Pgf. Johanns II. v. Zweibrücken, s. 300921 K 27, 301001 K 10, 310224 u. 310311. In seinem Brief an Schilling vom 20. 2. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 26r–27v) fürchtet Mario, zur Hochzeit des Neuburgers entsandt zu werden: „der von Neuburg solle nun disen Fastelabent zu Düsseldorff sein Fürstlich beyLager haben. befürchte mich daß ich solle aldar wegen meineß Pr. Reissen müessen, vmb das Gottloße vollsauffenß halben“ (Bl. 26v). Die Vermählung fand erst am 11. 11. 1631 n. St. statt.
51 Zu den Gesellschaftsmedaillen (Gesellschaftspfennige) der FG s. 270306 K 4. Am 10. 4. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 61r–62v) wiederholt Mario seine Bitte um Zusendung der FGMedaille: „p.s. Jch lebe noch alzeit der gewissen Zuesage vnd hoffnung, ehe wir mit Gott zu velt ziehen, so doch in Monatsfrist derffte geschehen dem zuegesagten hochLöblichen orter [nl. orde, Orden/ Ehrenzeichen] vnd geselschafft gedechtnuß, so ich für gewiß kheinen tage noch Stundt von meinem halse werde Lassen sondern zu hohen Ehren vnd gedechtnuß tragen werde, auch andere dero Einverleibten hochLöblichen geselschafft, so mir zur hant sollen khumen, darzue vermanen, daß sie Jm gleichen solichen tragen sollen, bitt vmb verZeichnuß [Verzeihung] diseß anmahnenß“ (Bl. 62r).
52 Gemalte || [357] Porträts (Gnadenpfennige?) F. Augusts v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) und Fn. Sibyllas, geb. Gfn. v. Solms-Laubach (AL 1622, TG 23).
53 Bildnis Fn. Loysa Amalias v. Anhalt- Bernburg (AL 1617, TG 20), das Mario zur Einfädelung einer Heirat benutzen wollte. S. 300921 K I 4. Loysa Amalia lebte lange am Hof F. Ludwigs in Köthen. Vgl. 300921 K I 4, 310108 u. 340716.
54 Mehr Porträts der Fürsten und Fürstinnen von Anhalt-Bernburg. Im Brief vom 10. 4. 1631 n. St. (a. a. O., Bl. 61r–62v) faßt sich Mario in Erwartung von Porträts weiter in Geduld: „die hochLöblichen contrafetten werden zur gelegenheit der zeit woll volgen, so vnß Gott das Leben spart, vnd ich mit gesundheit auß dem velt mit Gott khumen solle“ (Bl. 62r).
55 Zur Ungnade F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) s. 300410 K 51, 300924 u. 310224.
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