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310800 Trauersonette Diederichs von dem Werder auf Anna Maria von Schilling
[Inhaltsverzeichnis]
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310800

Trauersonette Diederichs von dem Werder auf Anna Maria von Schilling


Diederich v. dem Werder (FG 31) ehrt das Gedächtnis seiner Schwägerin Anna Maria von Schilling, geb. v. Peblis, durch zwei Sonette über ihre letzten Worte „Victoria! Victoria! gewonnen gewonnen“. Dieser Ausruf regte ihn auch zu seinem Sonettzyklus Krieg vnd Sieg Christi (1631) an.

Beschreibung der Quelle


Q ULB Halle: Nv 1999 (57a), Sammelband mit Gelegenheitsschriften, welche ursprünglich aus dem Besitz des Bürgermeisters von Zerbst, Peter v. Jena (1584– 1639),1 stammten. 1 unsigniertes Bl. im Quartformat, recto Druck, verso Handschrift eines nicht identifizierten Schreibers. Der Separatdruck nicht in Dünnhaupt: Handbuch, Art. Werder.
Das erste Sonett erneut veröffentlicht in [Diederich von dem Werder:] Krieg vnd Sieg | Christi | Gesungen | Jn 100. Sonnetten | Da in jedem vnd jeglichem Verse die bey- | den wörter/ KRJEG vnd SJEG auffs | wenigste einmahl/ befindlich seyn. | Wittenberg/ | Gedruckt bey Johann Röhnern/ | [Linie] | Jm Jahr 1631. Bl. Aij r. SUB Göttingen: 8° P. Germ. II, 6301, zit. KuS 1631. — [Ders.:] Krieg vnd Sieg | Christi | Gesungen | Jn I00. Sonnetten | Da in jedem vnd jeglichem Verse die bey- | den wörter/ KRJEG vnd SJEG auffs | wenigste einmahl/ befindlich seyn. | Zum andern mahl Gedruckt/ | Zu Hall in Sachsen/ Bey Melchior Oelschle- | geln/ Buchführern daselbst/ | [Linie] | Jm Jahr 1633. Bl. A ij v – A iij r. HAB: 65.6 Poet. (33), zit. KuS 1633.Dünnhaupt: Handbuch, 4254f.

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SJEG2
Der weylandt wohl Edlen

viel ehr vndt tugentreichen Frawen/ Anna Marien gebornen von
Pöblitz des auch wohlEdlen gestrengen vnd vesten Friederichs von Schilling
Fürstlichen Anhaltischen Rahts vnd Hoffmeisters Ehlichen Haußfrawen:
welche den 4. Augusti/ dieses 1631. Jahrs in Gott
mit diesen Letzten worten
VICTORIA VICTORIA
seliglich verschieden.3

GEsiegt hab’ ich; vnd zwar den Sieg/ durch Krieg/ erstritten/
Mein gantzes leben war nur lauter Sieg vnd Krieg/
Gekrieget vnd gesiegt hab’ ich in meiner wieg’a
Vnd in der jugendb zeit mit siege kriegc erlitten/
So kriegt’ vnd Siegtd ich fort: ja ich hab’e in der mitten
Des kriegsf im Vaterland’ erhalten meinen siegg
Vnd obgesiegt der welth ; Als kriegi in mihrj auffstiegk
Gab kriegl vnd siegg es viel in allen schrit-m vnd tritten.

Der siegg mihrj blieb’ als mich bekriegt der hellenn not/
Jm sündenkrieg’ habo ich auch siegg durch Christum fundenp
Mit krieg’q vnd vollem sieg’r ging’s ich letzt durch den todt/
|| [421] Hab’ also allen kriegl gantz sieghafftt überwunden/
Leb’ ohne kriegl nuhmehru / vnd sieg’r jtztv jmmer fort.
Sieg war mein letztes werck/ Sieg Sieg mein letztes wort. [1v]


Ander Sonnet
Mit vorigen Endungen.

Ob sünde, Teuffel, weltt hab ich den sig erstritten,
Mit sünde Teuffel weltt führt ich stets einen krieg,
Von sünde Teuffel weltt hab ich seitt meiner wieg
Vnnd zarten Jugend her, viel harte stöß erlitten
Sie hab ich allezeit, wo ichs vermocht, gemitten4
Gott gab mihr wieder sie krafft, v̈ber sie den sig
So oft als ihre lust, betrug vnd pracht aufstig
Jn mihr, so macht er sie zu spott in ihren tritten,

Als sie vermochten nichts, hub an der hellen noth
Die hatt durch Gottes hülff auch sich zu schwach befunden,
Denn als duchbrochen ich durch einen sanften Todt,
Hab ich derselben macht mit Gott auch vberwunden,
Drumb im Triumph ich hier Sig sig schrei immer fort,
Wo Gott die losung gibt vnnd Christus ist das Wort.

Textapparat
a KuS 1631, KuS 1633 Wieg’
b KuS 1631, KuS 1633 Jugend
c KuS 1631, KuS 1633 Siege Krieg
d KuS 1631, KuS 1633 Kriegt’ vnd Siegt’
e KuS 1633 hab
f KuS 1631, KuS 1633 Kriegs
g KuS 1631, KuS 1633 Sieg
h KuS 1631, KuS 1633 Welt
i KuS 1631, KuS 1633Krieg KuS 1633: hinzugesetzte Marginalnote oder anfechtung.
j KuS 1631, KuS 1633 mir
k KuS 1631, KuS 1633 auffstieg/
l KuS 1631, KuS 1633 Krieg
m KuS 1631, KuS 1633 schritt
n KuS 1631, KuS 1633 Hellen
o KuS 1631, KuS 1633 SündenKrieg’ hab’
p KuS 1631, KuS 1633 fundē
q KuS 1631, KuS 1633 Krieg’
r KuS 1631, KuS 1633 Sieg’
s KuS 1631, KuS 1633 gieng
t KuS 1631, KuS 1633 Sieghafft
u KuS 1631, KuS 1633 numehr
v KuS 1631, KuS 1633 jetzt

Kommentar
1 Peter v. Jena, Mag. phil., Rektor der Zerbster Johannisschule, Prof. am dortigen Akadem. Gymnasium, Oberbürgermeister von Zerbst, Beisitzer im engeren Ausschuß der anhaltischen Stände. Sein Sohn Friedrich v. Jena (Zerbst 1. 12. 1620 – Berlin 10. 9. 1682), Geheimer Rat (1655) und Erster Minister (1679) des Großen Kurfürsten, wurde am 12. 2. 1668 als 801. Mitglied in die FG aufgenommen. ADB XIII, 759ff.; DBA 603/ 289ff; NDB X, 398f.; DA Halle I, 300, 366, 374, 380. Durch Friedrich oder eher noch durch dessen später kinderlos in Halle verstorbenen Bruder Gottfried (1620–1703), gleichfalls kurbrandenburg. Geheimer bzw. Wirklicher Geheimer Rat (1658 bzw. 1674), zudem seit 1680 Kanzler des Hzt.s Magdeburg, gelangten die Bücher Peter v. Jenas wohl in den Besitz des kurbrandenburg. Geheimen Rats Frh. Daniel Ludolph v. Danckelmann (1648–1709), der sie als Prokurator der neugegründeten Universität Halle nach Information seines Exlibris 1709 testamentarisch der Bibliotheca Academiae Fridericianae (ULB Halle) vermachte, so auch den Band Nk 112. Vgl. ADB XIII, 762f. u. NDB III, 502f.; Wolfram Suchier: Kurze Geschichte der Universitätsbibliothek zu Halle 1698 bis || [422] 1878. Halle a. d. S. 1913, 5; (Max Perlbach:) Aus alten Büchern der hallischen Universitäts-Bibliothek. Herrn Ober-Bibliothekar Dr. Oscar Grulich ... dargebracht von einem Sammler. Halle a. d. S. 1900, 25, 41, 42f., 51f. u. 56. Diese fleißige Arbeit teilt u. a. Eintragungen in einigen Büchern Peter v. Jenas mit, die in Danckelmanns Besitz gelangten. Eintragungen Diederichs v. dem Werder (FG 31) sind nicht vermerkt.
2 Diederich v. dem Werder schildert in der „Vorrede“ zu KuS 1631 sein Vorhaben, etwas „von den allerhöchsten vnd wichtigsten Kriegen vnd Siegen vnsers einigen Erlösers vnd Seligmacher Jesu Christi/ wie er dieselbe von anfang der Welt/ theils durch seine außerwehlte glieder/ theils hernach selbst geführet vnd ausgeführet hat/ vnd noch immer fort/ biß auff jenen grossen Tag/ führen vnd außführen wird/ gesangsweise zu papier zubringen.“ Den unmittelbaren Anlaß zur Abfassung seines 102 Sonette umfassenden Zyklus, den Werder innerhalb von maximal fünfeinhalb Wochen niederschrieb (vgl. die vom 12. 9. 1631 datierte Vorrede mit dem Datum des Separatdrucks; die Tagesangabe im HAB-Ex. von KuS 1633 ist zerstört), nannte er in KuS 1631 und KuS 1633: „Es gab mir aber zu dieser vnterwindung noch fernern anlas folgendes Sonnet/ daß Jch/ zum ehrengedächtnüs einer meiner vornehmen Anverwandtinen Seeligen/ die den 4. Augustmonat dieses jetzigen Jahres/ mit diesen beyden letzten worten Victoria, Victoria, seliglich verschieden/ auff solche materie gedichtet/ vnd dasselbe das erste ist (dieweil Jch nie besondere beliebung zu den Sonnetten getragen) so Jch jemals auffzusetzen versuchet habe. [Folgt das in T berücksichtigte Sonett.] Hiernechst/ wie gesagt/ vnterwandt ich mich hundert Sonnette vom Krieg vnd Sieg Christi auff solche weise zustellen/ das in einem jeglichen Vers Krieg vnd Sieg mit eingezwungen stehen solte/ wie ich dann dieselben nach dem maß/ das mir Christus hierzu verliehen/ in kurtzer zeit also vollendet habe/ als sie hier nach der reye folgende befindtlichen seyn.“ (A. a. O.). S. Anm. 3. Vgl. Dieter Merzbacher: „O seltner Held/ Dem Mars und Febus frönt“ — Diederich von dem Werder, der hochrangige „Reimmeister“ der Fruchtbringenden Gesellschaft. In: MVAL 3 (1994), 47–77, insbes. 53f.
3 Anna Maria v. Schilling (Durlach 1589 – Köthen 4. 8. 1631), die Tochter des Reformierten Wilhelm v. Peblis († Straßburg 1623), eines badendurlachschen Geheimen Rats und Statthalters, sodann kurpfälz. Geheimen Rats und Obersten Kirchenpräsidenten in der Ober- und Unterpfalz, und der Johanna, Tochter des Jacob v. Ettler (vgl. 310108 K II 25). Wilhelms Vater Paul, der einem alten schottischen Geschlecht entstammte, war einst nach Österreich ausgewandert (Name meist eingedeutscht Pöblitz, Pöplitz oder Peblitz). Er diente Ks. Maximilian II. als Kammerrat. Anna Maria war die Schwester des Georg Hans v. Peblis (FG 102) und zweier anderer, mit frühen Mitgliedern der FG vermählter Damen v. Peblis: Catharina Elisabeth, Gattin des (Albrecht) Christof v. Krosigk (FG 7); Juliana Ursula (PA; †1655), Witwe Adolf Wittichs v. Krosigk, eines Bruders von Christof v. K. (s. 240301 K 24, 240718 K 32 u. K I 3, 250305 K 11). Sie heiratete Diederich v. dem Werder in dessen zweiter Ehe am 14. 6. 1629. Vgl. dazu: Gottfried Colerus: Der Vom Vater gegebene/ Vom Sohne ausgeführete/ Und vom H. Geiste versiegelte Raht des Heils/ Bey ... Leichbestattung ... Dieterichs von dem Werder ... Eröffnet und gepredigt. Köthen (1657), Bl. L 1rf. (HAB: Xa 1: 47 [10]). — Anna Maria hatte ungefähr zehn Jahre lang zwei Gräfinnen gedient: Gfn. Anna Catharina, geb. Gfn. v. Nassau-Wiesbaden-Idstein (1590–1622), in erster Ehe vermählt mit Gf. Simon VII. zur Lippe-Detmold (FG 110); und der verwitweten, in ihre Heimat zurückgekehrten Gfn. Elisabeth, geb. Gfn. zur Lippe (1592–1646), die mit Gf. Georg Hermann v. Holstein-Schaumburg (1577–1616) vermählt gewesen war. 1617 rief sie ihr Vater nach dem Tode der Mutter nach Heidelberg. Angesichts der drohenden Besetzung Heidelbergs und der Kurpfalz durch die Spanier floh sie mit ihrem Vater nach Straßburg (1621) und pflegte den vom Schlag Gerührten. Nach dessen Tod im Straßburger Exil zog sie 1623 zu ihren Geschwistern nach Anhalt, wo sie etwa acht Jahre lang der fl. Herrschaft zu Köthen diente und am 6. 7. 1629 F. Ludwigs Hofmeister Friedrich v. Schilling (FG 21) heiratete. Die Ehe blieb kinderlos. Vgl.: [Holzschnittrahmen] Leich- || [423] || [424] || [425] predigt | vber den spruch Pauli/ an die Philipper/ 1. 21. | Christus ist mein leben; sterben ist mein gewinn. | Bey Christlicher begrebnis der Weiland wol- | Edlen/ viel Ehr vnd tugentreichen Frawen/ | Anna Marien/ gebor- | ner von Pöplitz/ des auch wohl Edlen/ gestrengen | vnnd vesten Friedrichs von Schilling/ auff Hartlib Erb- | sassen/ Fürstlichen Anhaltischen Raths vnnd Hoffmeisters | Ehlichen hausfrawen/ welche zu Cöthen am 4. Au- | gusti des 1631. Jahrs im Herren selig- | lich entschlaffen/ vnd am 13. Augusti | in ihre ruhcammer ge- | setzt worden. | gehalten von | M. Daniele Angelocratore, pfarrern | vnd Superintendenten daselbs. | [Zierstück] | Gedruckt zu Cöthen/ bey Martin Rauschern/ | im Fürstenthumb Anhalt im Jahr 1631. — SUB Göttingen: 4° N. II 15; LP Göttingen II, 215. (4°; Titelbl., Rücks. „Marmori inscribendum“ 6 lat. Verse, gez. „D. A.“ [Daniel Angelocrator], incipit: „Si Divinus Amor, [virtutum nexa corona]“; Bl. A 2r – [C 4]v Leichenpredigt mit Vita [C v – C 3r]. Ohne Abdankung oder Ehrengedichte.)
Angelocrator bekräftigt in seinem Bericht über den Tod Anna Maria v. Schillings Werders Angabe über die letzten Worte der Sterbenden: „Endlich da es kurtz vor vieren war/ vnd ich jhr zusprach/ ohngefer mit diesen worten: Last vns mit gedult lauffen in dem kampff/ der vns verordnet ist/ vnd auffsehen auff Jesum/ der den himmel offen helt/ vnserm kampff zu sihet/ vnd mit dem gantzen himlischen heer bereitet ist vns zu sich zu nemen. Jtem Jch lig im streit vnnd wiederstreb/ hilff o Herr Christ dem schwachen. Da schrey sie auff mit lauter stimme: Victoria! Victoria! gewonnen gewonnen. Darauff ist sie sobald sanfft vnd still entschlaffen/ vnd hat jren Geist Gott auffgeopffert.“ (Bl. [C 4]r). Die Schrift enthält nur einige lateinische Verse Angelocrators, so daß — soweit bekannt — allein die beiden Klinggedichte Werders das Gedächtnis seiner der christlichen ars moriendi nach so vorbildlich verstorbenen Schwägerin in deutscher Trauerdichtung ehren. Daniel Angelocrator (Engelhardt, 1569–1635), der Köthener Superintendent F. Ludwigs, war der Vater Michael Engelhardts (FG 335; 1639). Zur Familie v. Peblis vgl. auch LP Stolberg 1527 und LP Roth R 4943 (LP auf Johanna von Peblis, geb. v. Ettler); LP Roth R 2590 (LP auf Ursula Elisabeth v. Peblis [1593–1619], einer weiteren Schwester Anna Marias); ferner 300410 K 3.
4 Part. praet. zu meiden, starkes Verb der 1. Klasse mit grammatischem Wechsel (d/t); dieser und der Ablaut sind in „gemitten“ noch nicht wie im heutigen ,gemieden’ ausgeglichen. Vgl. mhd. mı̂de — meit — miten — gemiten. Paul, § 55 u. 158; vgl. Frnhd. Wb., § M 104 Anm. 3 u. 4, § M 105 Anm. 2.
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