Gf. Georg Ludwig v. Lö wenstein-Scharfeneck (1587–1633)
war wie sein Bruder Johann
Casimir (1588–1621) Parteigänger des Winterkönigs, wurde auch vom Kaiser
geächtet und verlor 1622 seinen Besitz. Er wurde schwed. Oberst und 1631 Kommandant
der schwed. Stadtgarnison in Erfurt, wo er am 3. 1. 1633 starb. Am 2. 3. 1620 hatte er in
Arolsen Gfn. Elisabeth Juliana v. Erbach (1600–1640) geheiratet. Sie wurde in zweiter
Ehe 1636 mit dem schwed. Feldmarschall Johan Banér (FG 222) vermählt. Der Witwe
und ihrer Tochter Maria Christiana schenkte Friherre (Greve) Axel Oxenstierna (FG || [
442] 232)
am 1. 3. 1633 das Amt Dreileben im Erzstift Magdeburg mit allen Einkünften und
Gerechtsamen, bis der einstige Besitz ihres verstorbenen Mannes zurückerstattet sei.
Maria Christiana (1625–1672) sollte sich 1644 mit dem schwed. Reichsmarschall Greve
Gabriel Gabrielsson Oxenstierna af Korsholm och Wasa (1619–1673) verheiraten, Sohn
Greve Gabriel Bengtsson Oxenstiernas (1586–1656), Vetter des Reichskanzlers Axel
Oxenstierna (Greve af Södermöre), seit 1651 schwed. Graf, Hauptvormund der Kgn.
Christina. Vgl.
EST VIII, T. 156;
Andreas Thiele: Erzählende genealogische Stammtafeln
zur europ. Geschichte. Bd. 3, Frankfurt a. M. 1994, T. 185;
Bertil Broomé: Handskriftssamlarna
och de svenska Arkiven 1700–1950. [Stockholm 1977]; Acta Bibliothecæ
Regiæ Stockholmiensis 29 [1977], 146. — In einem Nebenrezeß zum Prager Friedensschluß
wurde der protestantische Zweig der Familie ausdrücklich von der Amnestie ausgeschlossen.
S. LHA Magdeburg: Rep. A 2, Nr. 258. Vgl.
AOSB, FA VIII: Bref 1633 Januari
– Maj, Stockholm 1942, 783f. Vgl. ebd., FA VII: Bref 1632, Stockholm 1926, 23;
ebd., SA VII, 359f.;
AD IV, 77;
BA NF II.10, Tlbd. 3, 1524; Tlbd. 4, 1668;
BA Wallenstein
I, 223; III, 304;
Chemnitz I (HAB: 174. 6 Hist. 2° [1]), 228;
EST V, T. 65;
Hübner: Tabellen II, T. 367;
Kneschke V, 625ff.;
Patze V.1.1, 130, 134, 137, 138;
Sveriges Krig V, 49, 492; VI, 423–426, 453;
Zedler XVIII, 242, 246f.; Hubert Thomas Leodius:
Annales Palatini Libris XIV. Continentes Vitam & Res gestas ... Dn. Friderici II. Comitis
Palatini Rheni ... Itemque Genealogicum Stemma ... Comitum in Lövvenstein. Frankfurt
a. M. 1665 (HAB: Xb 6119), Bl. b 2r; Adelslexikon. Hauptbearb.: Walter v. Hueck. Bd.
8. Limburg a. d. L. 1997 (GHdA, Bd. 113 der Gesamtreihe), 34ff.; Andreas Thiele, a. a.
O., III, T. 69; Ulman Weiß: Von der Frühbürgerlichen Revolution bis zur völligen Unterwerfung
durch Kurmainz vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1664. In: Geschichte der
Stadt Erfurt. Hg. Willibald Gutsche. Weimar 1986, 103–144, 138f.; Wolfgang Huschke:
Herzog Wilhelm von Weimar als Statthalter Gustav Adolfs in Thüringen und schwedischer
Generalleutnant 1631–1635. Jena 1936, 4, 6, 27, 37f., 41, 49ff., 57f., 72ff.; Michael
Roberts: Gustavus Adolphus. A History of Sweden 1611–1632. Vol. 2: 1626–1632.
London [u. a.] 1958, 622. Gf. Georg Ludwig war einer der von Gfn. Anna Sophia v.
Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) beharrlich gesuchten Förderer Wolfgang Ratkes beim
schwed. König. Sie hatte ihn bereits in ihren Schreiben an Ratke vom 26. 9. 1631 (FB
Gotha: Chart. B 856 [Nr. 34], Bl. 63r–64v) und vom 3. 10. 1631 (a. a. O., [Nr. 35], Bl.
65r–66v) erwähnt; der vorliegende Brief zeigt nun,
daß sie im April des Jahres 1632 persönlich mit ihm in Erfurt verhandelte.
Ratke hielt sich damals in Kranichfeld, unweit Erfurts
gelegen, auf. Vgl. Anm. 3.
Dr. Jacob Steinberg (†1661), 1626 diplomatischer
Agent in dän. Dienst, der am 5. 3. 1628 als dän. Gesandter nach Stralsund gekommen
war. Seit 1630 wichtiger schwed. Diplomat und Geheimer Hof- und Kriegsrat. Der spätere
schwed. Resident in Hamburg, Generallegat in Deutschland und Gesandter bei den
Friedenskongressen in Osnabrück und Münster, Johan Adler Salvius (1590–1652) schlug
1630 vor, daß Steinberg in Wallensteins Dienste trete und für Schweden spioniere (
Sveriges
Krig Bilagsbd. I, 319). Der Vorschlag kam nicht zur Ausführung, und Steinberg wurde
eine der zentralen Figuren der schwed. Diplomatie in Deutschland. So verhandelte er
als kgl.-schwed. Gesandter im Juli 1630 in Lübeck mit den mecklenburg. Herzögen über
ein Bündnis mit der Krone Schweden. Auch in Brandenburg war Steinberg im Auftrag
des Wasa-Königs im Januar 1631 tätig, um den Kurfürsten zum unzweideutigen Anschluß
an Schweden zu bewegen, bevor er maßgeblich Kg. Gustavs II. Adolf v. Schweden
politisch-strategische Programmschrift für das schwedische Auftreten in Deutschland,
die „norma futurarum actionum“ vom Sommer 1631 erstellte. Er war dann in Dresden
der entscheidende Architekt des schwedisch-sächsischen Bündnisses vom 1. 9. 1630, bis
er von Kg. Gustav II. Adolf seinem damaligen Statthalter in Thüringen, Hz. Wilhelm IV.
v. Sachsen-Weimar (FG 5), in Erfurt als „ordinarie legat och krigsråd vid sin sida“ gestellt
wurde (
Sveriges Krig V, 35), um diesen zu unterstützen, aber auch um dessen mögliche
Eigenmächtigkeiten zu zügeln. S. auch Anm. 3. Steinberg wechselte im Dezember || [
443] 1631 als Resident nach Braunschweig, um von dort als schwed. Gesandter an den Höfen
der welfischen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg zu wirken. Als Resident in Erfurt
wurde Steinberg im März 1632 von (Friherre) Alexander Erskein (FG 421) abgelöst
(vgl. 321201 K 6). Steinberg unterstützte seinen König aktiv bei dem Bemühen, die Welfenherzöge
zum Anschluß an Schweden zu bewegen. Als Hz. Friedrich Ulrich v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 38) am 20. 12. 1631 eine Audienz bei Gustav Adolf erhielt,
waren Steinberg und F. Ludwig dabei (
Sveriges Krig V, 210f.).
Der Vorwurf, Steinberg
habe mehr die Interessen des mit Schweden verbündeten Herzogs Georg v. Braunschweig-Calenberg (FG 231)
als des schwedischen Königs „universalintention“ beachtet,
führte im September 1632 zu kritischen Hinweisen an die Adresse Oxenstiernas (
AOSB
SA IX, 813f.). Für seine Dienste wurden er und seine Erben gleichwohl in Ausführung eines
königlichen Vorhabens am 12. Januar 1633 von Oxenstierna mit dem Klostergut Hamersleben
erb- und eigentümlich beschenkt. Nach dem Prager Frieden spielte Steinberg
im Niedersächs. Kreis bei Oxenstiernas Bemühen, die Bundesgenossen bei der schwed.
Fahne zu halten, eine wichtige Rolle. Vgl.
AOSB,
FA VIII, 43ff., 63, 114, 757f.; vgl. ferner
54ff., 116, 130; IX, 418f., 544f.; X, 201, 204, 620f. u. ö.; XI, 678f., 816f. u. ö.; XIII,
487ff.; XIV, 56ff. u. ö.; ebd. SA VII, 335, 343, 350, 353, 356–359; SA IX, 585, 794; SA
XIII, 477;
Chemnitz I, 228;
Patze V.1.1, 130, 136;
Sveriges Krig III,
61, 75, 448, 456,
470–472, 540; IV, 399ff., 432ff., 437 u. ö.; V, 12, 28, 35f., 78, 143, 210f., 213; VI, 92,
112–114, 117, 228, 235f., 243, 252, 298; Bilagsbd. I, 314f., 319; Sam. E. Bring: Bibliografisk
Handbok till Sveriges Historia. Stockh. 1934, 420; Heiko Droste: Die Großmacht
Schweden im Spiegel der Wolfenbütteler Überlieferung. In: WBN 27 (2000), 19–
32, 22; Huschke (s. Anm. 1), 4, 13ff., 20, 23ff., 38f., 77; E. Hildebrand: Den svenska diplomatiens
organisation i Tyskland under 1600-talet. In: Historisk Tidskrift 4 (Stockholm
1884), 155–174, 161 (nur kurze Erwähnung Steinbergs); Roberts: Gustavus Adolphus
(s. Anm. 1), 492, 504, 533, 632, 694; Walter Struck: Das Bündniß Wilhelms von
Weimar mit Gustav Adolf. Ein Beitrag zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Stralsund
1895, 149ff., 154f., 157.
Kg. Gustav II. Adolf v. Schweden, der nach der siegreichen
Schlacht von Breitenfeld am 17. 9. 1631 in Süddeutschland operierte und auch
zum Hoffnungsträger Wolfgang Ratkes wurde. Ratke hatte mit Unterstützung Gfn. Anna
Sophias Jena Pfingsten 1631 verlassen und sich in Könitz, Anfang 1632 in Rudolstadt
und Kranichfeld niedergelassen. Ausschlaggebend für das Ende des Jenaer Aufenthalts
(vgl. 290531 u. 290616) war schließlich, neben der fehlenden Unterstützung seines Vorhabens
seitens der Universität und der Landesherrschaft, die näher rückende Kriegsgefahr
gewesen. Ratkes Hoffnungen richteten sich im Herbst 1631 auf Kg. Gustav II.
Adolf, der am 21. 9 1631 in der (Ende September von weimarischen Truppen besetzten)
Stadt Erfurt feierlich Einzug hielt. Am 25. 9. ernannte der König Hz. Wilhelm IV. v.
Sachsen-Weimar zum schwed. Statthalter in Thüringen. Vgl. 330920 K 3. Während der
König an der Spitze seiner Truppen nach Franken weiterzog, Frankfurt a. M. und Mainz
zu den Hauptquartieren der Schweden wurden (vgl.
Ritter: Deutsche Geschichte, 503)
und Hz. Wilhelm in Erfurt residierte, entfaltete Gfn. Anna Sophia eine intensive Diplomatie,
die Ratke und sein Lebenswerk in schwed. Förderung vermitteln sollte. Bereits im
September 1631 gelang es Gfn. Anna Sophia tatsächlich, mit der Hilfe von Mittelsmännern
wie dem kgl. Geheimsekretär Philipp Sadler (s. 321201), dem weimarischen Kriegsrat
Daniel Burckhard († 27. 9. 1632; s. Huschke, [s. Anm. 1], 75) und dem Erfurter
Kommandanten Gf. Georg Ludwig v. Löwenstein-Scharfeneck (s. Anm. 1) das Interesse
des Schwedenkönigs auf Ratke zu lenken. So schrieb sie, gerade aus Weimar nach Kranichfeld
zurückgekehrt, dem in Könitz weilenden Ratke am 26. 9. 1631, der schwed.
König habe soeben Erfurt eingenommen. Aufgrund der sich überstürzenden Ereignisse
habe er nicht nach Weimar kommen können; ihr sei aber aus Hofkreisen versichert worden,
„der König hette eß gar in guther obacht, wir sollten vnß nur gedulden, biß ein wenig
die hendel vorvber weren, wirde eß der König gewiß nicht vergessen“.
Anna Sophia || [
444] berichtet weiter, daß sie den zweiten Teil von Ratkes
Regenten Ampts-Lehre
(s. Anm. 4),
der es als ethisch-praktische Regierungslehre in lutherischem Geist offenbar zufiel, ein
prominentes Stück der Überzeugungsarbeit zu leisten, dem „Camerrath“ zu lesen gegeben
habe, dem das Werk sehr gut gefiel. Gemeint ist hier Friedrich v. Kospoth (FG 55),
sachsen-weimarischer Geheimer Kammerrat, der wie Gfn. Anna Sophia bei Ratke Hebräisch
studiert und während der ratichianischen Reformen in Anhalt-Köthen und während
der Verhandlungen zu einem neuen sachsen-weimarischen Reformversuch als Finanzbeamter,
Kommissionsmitglied und Gesandter wichtige Funktionen ausgeübt hatte.
Sein Urteil über Ratkes
Regenten Ampts-Lehre war in den Augen der Gräfin für eine Förderung
Ratkes durch Herzog Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar und besonders durch König Gustav II. Adolf v. Schweden bedeutsam, jedoch sicher auch für F. Ludwig und die
FG von Interesse. Weiter heißt es in dem von uns zitierten Brief, der Herr von Wartenberg
(s. Anm. 6) sei mit seiner Gattin (s. u.) in Könitz zu erwarten und nach besten Kräften
zu empfangen und zu bedienen. (FB Gotha: Chart. B 856 [Nr. 34], Bl. 63r–64v.) —
Kurz darauf, am 3. 10. 1631, mußte Anna Sophia bekennen, daß ihre Annäherung an
die schwed. Seite in Sachen Ratke einstweilen ins Stocken geraten sei. Der König sei von
Erfurt zur ,Pfaffengasse‘ gezogen, und von Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar, der
sich in Erfurt mit dem Grafen v. Löwenstein (s. Anm. 1) bis zur Rückkehr des Königs
aufhalten sollte, bekomme sie keine Antwort. Dann aber, im Januar 1632, lud nach einem
Zeugnis des Johann Amos Comenius der schwed. Kanzler Axel Oxenstierna Ratke
zu einer Unterredung nach Erfurt ein, in der es auch um die
Regenten Ampts-Lehre ging
(vgl. die Einführung von Gerd Hohendorf in: Wolfgang Ratke: Allunterweisung. Schriften
zur Bildungs-, Wissenschafts- und Gesellschaftsreform. Hg. Gerd Hohendorf u.
Franz Hofmann. Bearb. v. Christa Breschke. 2 Tle. Berlin 1970/71 [Monumenta Paedagogica
8 u. 9], II, S. 9). Jedenfalls berichtet Comenius von einem Gespräch, das er im
August 1642 mit Oxenstierna führte. Darin habe sich der Kanzler erinnert, daß ihm Ratke
während der Unterredung einen dicken Quartband überreicht habe. Oxenstierna habe
ihn durchgesehen, in der Analyse der Schuldefizite für richtig, in den Reformen aber für
nicht ausreichend erachtet. Vgl.
Kordes, 101f.;
Müller VII
(1878), 611f. u.
Vogt IV, 53
Anm. *; Karl August Heinrich Stoerl: Wolfgang Ratke (Ratichius). Ein Beitrag zur Geschichte
der Paedagogik des XVII. Jahrhunderts. Leipzig 1876, 42. — Vgl. auch den
Brief, den Ratke an Gfn. Anna Sophia am 15. 11. 1632 schrieb (FB Gotha: Chart A 697
[Nr. 137], 250r–251v), als er Oxenstierna in der Hoffnung auf eine Audienz in Erfurt erwartete.
Bei dem Gespräch im Januar 1632 gelang es dem Didacticus, Oxenstiernas Interesse
zu wecken und eine künftige schwed. Unterstützung seiner Bestrebungen anzubahnen.
Ein weiteres Zeugnis dieser Annäherung liegt mit einem undatierten Brief Gfn.
Anna Sophias (FB Gotha: Chart. B 856 [Nr. 44], Bl. 82rv) vor, der an den gerade in Erfurt
weilenden Ratke adressiert ist. Anna Sophia schickte ihm danach die
Regenten
Ampts-Lehre, da sie ihm in seinen Verhandlungen mit dem Grafen [v. Löwenstein, s.
Anm. 1] vielleicht nützlich sein könne. Dies, und daß Ratke die Beförderung einiger
Schreiben an die Frau Sabina v. Wartenberg (TG 37; s. 320715) aufgetragen wird, sprechen
für eine Datierung auf das Jahr 1632. Vgl.
Vogt IV, 51ff.
Zum weiteren Verlauf der schwed. Sondierungen Ratkes und seiner Förderer s. 320715.
Wolfgang Ratke: Die
Regenten Ampts-Lehre Der Christlichen Schule Welche in der wahren Glaubens, Natur,
vnd Sprachen Harmony Auß heiliger Gottlicher Schrift, der Natur vnd Sprachen anzustellen,
zu bestätigen und zu erhalten. Zu der Lehrart Ratichii. (FB Gotha: Chart. B 825
P [1]; 240 S. und 13 S. Register, eigenh. von Ratke). — Von der
Regenten Ampts-Lehre,
die um das Ende des Jahres 1631 vollendet worden sein dürfte, liegen zwei weitere Abschriften
von verschiedenen Händen vor (FB Gotha: Chart. B 825 P [2] und [3]). Vgl.
Beil. I Q;
Müller [1878], 599f.;
Vogt (Quellen),
22; Wolfgang Ratke: Allunterweisung.
Schriften zur Bildungs-, Wissenschafts- und Gesellschaftsreform (s. I Q), I, 36; II, 17–
257 (vollständige Erstveröffentlichung). In Chart. B 829 umfangreiche Ergänzungen
und || [
445] Urteile zur
Regenten Ampts-Lehre (vgl.
Müller [1878], 600).
— Daß es sich bei dem im
vorliegenden Brief genannten „büchlein“ um die
Regenten Ampts-Lehre handeln könnte,
wird schon von
Müller (1878), 600, 612 und
Vogt IV, 52 Anm.
*† vermutet. Sie wird um
diese Zeit auch in anderen Schreiben Gfn. Anna Sophias erwähnt. Vgl.
Kordes, 99f.;
Müller (1878), 600;
Vogt IV, 51f. Vgl. 321201 K 8. — Ratkes
Regenten Ampts-Lehre
war keine ,moderne‘ legitimistische Regierungskunst oder „Politic“ im Zeichen von ratio status
und ,ars gubernatoria‘ (Wolfgang Weber), sondern eine ethisch-praktische Anleitung,
wie ein Fürst „seine Regierung glücklich anstellen und dieselbe mit seiner Untertanen
Wohlfahrt von Amts wegen recht fortsetzen solle.“ (Wolfgang Ratke: Allunterweisung.
Schriften zur Bildungs-, Wissenschafts- und Gesellschaftsreform [s. I Q], II, 22.)
In ihrer einschränkenden Herrschaftslegitimation berief sie sich ebenso auf die Lehren
der Bibel wie auf die (vernünftigen) Regeln der Natur. Damit und in ihrem kritischen
protestantischen Obrigkeits-Ethos arbeitete sie Veit Ludwigs v. Seckendorff (FG 615)
Teutschem Fürsten-Staat (erstmals 1656) vor.
Friherre Axel Oxenstierna.
Herr
Hans Georg v. Wartenberg (FG 143), ein böhmischer Exulant. Vgl. 271211 K 3, 280122,
280128, 320715 K 1, 321201 K 12.
Johannes Botwedsson (latinisiert Botvidi/ Bothvidius/
Botvidus u. ä.), 1573–1635, D. theol., seit September 1617 Hofprediger und
Beichtvater Kg. Gustavs II. Adolf v. Schweden, dem er auf seinen Kriegszügen in Rußland,
Polen sowie Deutschland als Feldsuperintendent folgte. Zu seinen Kriegsgebeten
für das schwed. Militär vgl. 320313 K 1. 1631 wurde er zum Bischof von Linköping ernannt,
jedoch zunächst mit der Begleitung Kgn. Maria Eleonoras nach Deutschland betraut
und folgends mit der Wiederherstellung des evangelischen Kirchenwesens im Ebst.
Magdeburg und Bst. Halberstadt beauftragt. Im Januar 1632 führte er die Königin bis in
das Rhein-Main-Gebiet; am 20. 1. hielt sie an der Seite Gustav Adolfs feierlichen Einzug
in Frankfurt a. M. (S.
Arma Suecica II, 8f.;
Theatrum europaeum, 2. Teil, 3. Aufl. [1646],
601 [HAB: Ge 4° 54]). Bereits im Dez. 1631 hatte sich F. Ludwig nach Mainz zu Gustav
Adolf begeben, um wichtige Fragen zu beraten, die das Ebst. Magdeburg und das Bst.
Halberstadt betrafen, denn am 17. 9. 1631 war F. Ludwig zum kgl.-schwed. Statthalter
dieser Territorien berufen worden (vgl. 320313). Bei dieser Beratung kam man überein,
daß der König einen Theologen abordnen sollte, der mit Hilfe F. Ludwigs und einheimischer
Gottesgelehrter die evangelische Kirche und das Kirchenregiment dort reorganisieren
sollte. In Ausführung dieses Vorhabens trat Botvidi am 7. 4. 1632 seine Reise von
Frankfurt über Erfurt ins Magdeburgische an. Vgl. LHA Magdeburg: Rep. A 2, Nr. 237:
„Die Commission des von Königl. Majestät zu Schweden an Fürst Ludwig zu Anhalt abgeschickten
Bischofs Johannes Bodvidius zur Untersuchung des Kirchen- und Schul-Wesens
im Erzstift Magdeburg und Fürstenthum Halberstadt. (1632)“. Vgl. ferner
SBA B,
33/ 29ff.;
KL II, 215ff.; Ed. Jacobs:
Die Wiederherstellung des evangelischen Kirchenwesens
im Erzstift Magdeburg und im Hochstift Halberstadt durch König Gustav Adolf
von Schweden im Jahre 1632. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde.
30 (1897), 113–298, 140, 160ff. — Nach der wechselvollen Geschichte des
Primat- bzw. Hochstifts unter den konkurrierenden Administratoren bzw. Erzbischöfen
Mgf. Christian Wilhelm v. Brandenburg und Ehz. Leopold Wilhelm v. Österreich war
mit dem Siegeszug der Schweden und der Schlacht von Breitenfeld (7. 9. 1631) auch die
zweite Periode der katholischen Restauration in den beiden Stiftern (seit Tillys Eroberung
der Stadt Magdeburg am 10./ 20. 5. 1631) beendet. Schon am 17. 9. 1631 war eine
schwed. Regierung unter F. Ludwig als Statthalter für die beiden Stifter eingesetzt und
damit zugleich das Domkapitel entmachtet worden (vgl. 320313). Am 11. 1. 1632 waren
die Schweden auch in der von Pappenheim geräumten Stadt Magdeburg eingezogen,
womit sie dort das Ende katholisch-habsburg. Restitutionsansprüche besiegelten. Am 18.
4. 1632 traf Botvidi in Halle a. d. Saale ein, dem Sitz der schwed. Territorial-Regierung.
Tags darauf, am 19. 4. lud F. Ludwig Botvidi zu einer Unterredung zu sich auf die Moritzburg.
Botvidi wies zwei Schreiben vor, einen Legitimationsbrief Oxenstiernas
d. d. || [
446] Mainz, 5. 4. 1632 und eine Vollmacht
Kg. Gustavs II. Adolf d. d. Frankfurt a. M., 27. 2.
1632. Diese kgl. Autorisation informierte Ludwig über Botvidis Auftrag und bat um dessen
materielle Versorgung und politisch-organisatorische Unterstützung. Oxenstierna
bekräftigte die kgl. Vollmacht in seinem Legitimationsschreiben an Ludwig; s. Jacobs, a.
a. O., 255; vgl. ebd., 164ff., 253ff. und
AOSB FA VII,
146. Der genaue Arbeitsauftrag
Botvidis ist aus einem Schreiben Gustav Adolfs an die magdeburgischen (und gleichlautend
an die halberstädtischen) Stände abzulesen, das vermutlich ebenfalls im Februar
1632 aufgesetzt worden war: „Mittimus itaque ad vos reverendum virum D. D. Johannem
Botvithi, S. S. Theol. D. et Episcopum Lincopensem. Is Superintendentem introducet
lutheranum, informabit Consistorium, Scholam eriget et certam Ecclesiastici regiminis
formam, videlicet ceremoniarum, disciplinæ et visitationum, congruentem cum Saxonia
(nisi propriam habuerint) præscribet.“ (Zit. n. Jacobs, 254). Mit Unterstützung F.
Ludwigs und herbeigezogener einheimischer Juristen und Theologen ist dieses Arbeitsvorhaben
innerhalb weniger Wochen durchgeführt worden. Eine rasch ausgearbeitete
Kirchen-Agende sowie Kirchen-, Konsistorial-, Visitations- bzw. Schulordnungen fanden
am 7. 6. 1632 die Zustimmung der gemeinsam versammelten magdeburgischen und
halberstädtischen Stände. Vgl. Magdeburg: vnd Halberstadische KJRCHEN-AGENDA,
Auff sonderbaren gnädigsten Befehl Des Durchlauchtigsten/ Großmächtigsten
Fürsten vnd Herrn/ Herrn GVstav-ADolphs/ der Schweden/ Gothen vnd Wenden Königs
... Verfasset Jm Jahr Christi M. DC. XXXII. Halle a. d. Saale: Melchior Oelschlegel
(1632). HAB: Tk 47 [1]; 4 Bll., 140 S.; 4°. Kolophon: „Gedruckt zu Hall in Sachsen/
bey Christoff Salfeld/ Jm Jahr 1632.“ Enthält u. a. S. 94ff. „Ordnung der Gesenge
durchs gantze Jahr“ (mit Texten); S. 115ff. „Von Ordination der Prediger“ u. S. 122ff.
„Von Introduction, Jnvestitur oder Anweisung derselben.“ (Weitere Exemplare in der
HAB: 302. 2 Theol. [19], 450.15 Theol. [1], S 406. 4° Helmst. [1]). — Noch im Juni
1632 wurden die Konsistorien für Magdeburg und Halberstadt im Einvernehmen mit
den Ständen besetzt. Ende Juni reiste Botvidi über Stettin und Wolgast nach Schweden
zurück, um sein Bischofsamt in Linköping anzutreten. Die förmliche kgl.-schwed. Anerkennung
der genannten Ordnungen und Konsistorien zog sich indes bis zum 15. 2. 1634
hin, als Oxenstierna sie in Halberstadt anläßlich einer Ständeversammlung des Niedersächsischen
Kreises vollzog (
AOSB FA XI. 1, 255–258; vgl. 258ff.). Bis auf die Schulordnung
wurden die revidierten Texte zur magdeburg-halberstädt. Kirchenverfassung
1635 in Halle gedruckt. Aus der Einführung eines lutherischen Kirchen- und Schulregiments
resultierten Spannungen zu reformierten Amtsträgern der schwed. Herrschaft wie
F. Ludwig und Johannes Stalmann (FG 214). Vgl. 320313 K 0 u. 350800; vgl. auch F.
Ludwigs Bericht in seiner Rechtfertigungsschrift von Ende 1633:
KU III,
215ff.; ferner
Chemnitz II, 306f. (HAB: 174. 6 Hist. 2b [2]);
Jacobs, a. a. O.; Günther Hoppe: Fürst Ludwig von Anhalt
und die schwedische Statthalterschaft in den magdeburgischen und
halberstädtischen Stiftslanden (1631–1635). U. Halle, (masch.) Diplomarbeit 1965 (der
Verfasser stellte uns freundlicherweise eine überarbeitete Kopie zur Verfügung), 83ff.;
Rudolf Joppen: Das Erzstift Magdeburg unter Leopold Wilhelm von Österreich (1628–
1635). In: Franz Schrader (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Magdeburg.
Leipzig 1968, 290–342, insbes. 339; Georg Arndt: Die Kirchenordnung des Schwedenkönigs
Gustav Adolf für die Stifter Magdeburg und Halberstadt vom Jahre 1632. In:
Deutsche Zeitschrift f. Kirchenrecht 11 (1902), H. 2, 247–276, 393–472, 12 (1903), H.
1, 46–74; Friedrich Wilhelm Hoffmann: Geschichte der Stadt Magdeburg. 3. Bd. Magdeburg
1850, 207. Die „Relation“ von Georg Adam Brunner aus dem Jahre 1643 faßt die
Ereignisse knapp und kritisch von dem Interessensstandpunkt des Domkapitels aus zusammen:
G. A. Brunners Geschichte des Erzstifts Magdeburg von 1608–1638. Hg. E.
Neubauer. In: Geschichtsblätter f. Stadt und Land Magdeburg. Mitteilungen des Vereins
f. Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg 28 (1893),
367–390, insbes. 388.
Antonius Mylius, eigentlich Müller gen. Gering (1593–1655), || [
447] s. 311205 K 6.
Da Ratke seine Lehransätze in Zusammenfassungen und Memorialen
immer wieder darstellte, ist es schwierig, die hier gemeinte Schrift zu identifizieren. Vgl.
etwa 270827 (K 2). So werden Ratkes „puncta“ von 1632 kaum übereinstimmen mit seinen
1618 von Fürst Ludwig verwendeten
13 Puncten, auff welchen die Didactica oder
Lehrkunst Wolffgangi Ratichii gründlichen beruhet (FB Gotha: Chart. B 825 W [1]). Vgl.
Müller (1880), 70f.;
Niemeyer (1842), 12f.;
Vogt II,
6f. Aus dem Jahr 1624 stammt eine
Vereinbarung zur Gestaltung der Reuß’schen Hofschule zu Gera:
Diese nachfolgende
puncten sindt mit Ratichio den 27. Januarij 1624 Abgeredet worden (FB Gotha: Chart. B
829 C, zit. n.
Müller [1880], 157ff.). Am ehesten kommen in Betracht:
Unterschiedene erinnerungs
puncten wegen ettlicher Verfaßung, sonderlich der Regentenlehr (FB Gotha:
Chart. B 829 T, T
a – T
g. S.
Müller [1884], 452f.).
K I
1 Zu dem auffälligen Umlaut bei Wolfgang Ratke unter Dialekt-Einfluß des Schleswig-
Holsteinischen vgl. 270406 K 7.
2 Am 24. 9. 1630 war Gf. Carl Günther v.
Schwarzburg-Rudolstadt (FG 23) verstorben; seine jüngeren Brüder Ludwig Günther
(FG 29) und Albrecht Günther folgten ihm in der Regierung, während Anna Sophia die
Hft. Kranichfeld als Wittum blieb.
3 Peter Dietrich (Petrus Theodoricus; Peter [Samuel]
Thiederich) (1580–nach 1637 [1640/1641?]), gebürtig aus Grössen bei Naumburg,
studierte in Leipzig und Jena, wurde 1619 Professor der Rechte an der U. Jena,
Assessor am dortigen gesamternestinischen Hofgericht, Beisitzer, von 1637–1641[?]
Vorsitzender des Schöppenstuhls in Jena, hzl. Rat daselbst, „einer der bedeutendsten
Strafrechtslehrer seiner Zeit“ (Geschichte der Universität Jena 1548/58–1958. Festgabe
zum 400jährigen Universitätsjubiläum. 2 Bde. Jena 1958, I, 91). Dietrich war schon früh
als
Institutiones-Editor an den ratichianischen Lehrreformen beteiligt. S. 190424 K 11.
Vgl.
Jöcher IV, 1101;
Weniger, 282; Johannes Günther: Lebensskizzen der Professoren
der Universität Jena seit 1558 bis 1858. Ndr. d. Ausg. Jena 1858, Aalen 1979, 57 (Druckfehler
beim angegebenen Todesjahr 1604); Barbara Oehme: Jenaer Professoren im Bildnis.
Gemälde aus 425 Jahren Universitätsgeschichte (1548/58–1983). Jena (1983), 96.