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330920 Herzog Wilhem IV. von Sachsen-Weimar an Fürst Ludwig
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Herzog Wilhem IV. von Sachsen-Weimar an Fürst Ludwig


Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) erneuert auch im Namen seiner Brüder (Albrecht, Bernhard u. Ernst; FG 17, 30, 19) die Einladung F. Ludwigs und seines Bruders F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) für den nächsten Tag nach Weimar, um mit ihnen über einige Privatsachen und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse vertraulich zu beraten. F. Ludwig möge auch seinen Superintendenten (Daniel Sachse) aus Köthen mitbringen, da er, Wilhelm, gerade einige hervorragende Theologen bei sich habe und man sich über die Frage verständige, wie zwischen Glaubensverwandten lutherischer und reformierter Konfession ein christlich-friedlicher Ausgleich herbeizuführen sei. In dieser Hinsicht sei der anwesende Helmstedter Professor und Doktor der Theologie, (Georg) Calixt(us), guter Absichten. — F. Ludwig möge auch seinen Kanzler (in den Stiften Magdeburg und Halberstadt) (Johannes) Stalmann (FG 214) mitbringen, dessen Rates sich Hz. Wilhelm zu bedienen wünsche.

Beschreibung der Quelle


Q LA Oranienbaum: Abt. Köthen A 9a Nr. 49, Bl. 19r–20v, [A: 20v], 19v u. 20r leer; eigenh.; A: Schreiberh. mit Eingangsvermerk F. Ludwigs.

Anschrift


A Dem Hochgebornen Fürsten, Herrn Ludwigen Fürsten zu Anhalt, Graffen zue Ascanien, Herrn zue Bernburgk vndt Zerbst, Vnserm freündlichen liebenn Vettern, Herrn Vater: vnd Geuattern
Eingangsvermerk von F. Ludwig: Pres. 22. Septemb. 1633

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Hochgeborner Fürst viel geliebter Herr Vetter, vnd hochgeehrter Vetter Eg. habena ich beneben Meinen anderen H. brüdern besuchet1 daß Sie wolten sich also gefallen lasen vnd mit dero H. bruder Fürst Augustus auff den 21 dieses naher Weimar begeben, Wie nun Eg. beyderseitz mihr vnd meinen H. brüderen einen Sonderbaren angenehmen gevallen dardurch er Weisen[,] also habe ich Eg. nach males hochlichst zu bitten Sieh Ja nicht ausen bleiben wollen Sondern doch selbsten kommen vnd dero H. brudern Fürst Augusten mitt bringen vnder anderm vnseren priuaten sachen will Eg. ich auch viel vertraulich Communiciren So zub dem gemeinen Wesen sehr dienlich sein wird. So ich alles biß zur zusammenkunft will gesparet haben.
  Vber das wollen Eg. auch gebeten sein ihren superiententen  [sic] von Cohten2 || [488] mitt sich bringen, weil ich itzunder vornehme Teologen bey mihr habe vnd darauff betacht sein wie zwischen Vnser vnd der Reformirten in Religion man sich christlich vnd friedlich vergleichen kundt. Es ist ein furnehmer professor vnd doctor Teologiec vnd nicht Ein prediger von Helmstett Calixius3 genant alhier Welcher in diesen Sachen sehr guter Intention ist, deren wegen bringen Eg. ihren geistlichen mitt sich, Eg. bringen dend Cantzler Stallman4 Ja auch, dan ich Seines rahtes gerne gebrauchen wollen[.] Eg verzeihen mihr mein Eilig schreiben, dan ich zu Eilen gehabet vnd wilfahren mihr in diesem allen bin solches wieder zu verghelten verbleibe Eg

  getrewer Vetter vnd Sohn alleZeit

  Wilhelm Mp

  Erfurt den 20 Septembr. anno 1633.5

Textapparat
a Sic.
b Eingefügt.
c Für ⟨Teologe⟩.
d Folgt ⟨auch⟩.

Kommentar
F. Ludwig und Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5), die beiden Hauptvertreter aus dem anhaltisch/sächsischen und reformiert/ lutherischen Gründungskreis der FG treffen sich, um den religiösen Ausgleich unter den Protestanten zu befördern. Aufgrund der Erfolge der schwed. Waffen war ein solches Projekt religiöser Friedens- und Einheitsstiftung auch politisch von größter Bedeutung für die protestant. Stände Deutschlands und Mächte Europas. Denn nur so konnte man zu einem beständigen protestant. Bündnis gelangen, wie es von den Schweden seit deren Eingreifen in das deutsche Kriegsgeschehen angestrebt wurde. Mit dem Leipziger Konvent vom Frühjahr 1631 waren entsprechende Hoffnungen Schwedens und der protestant. Aktionspartei am Widerstand insbesondere Kursachsens gescheitert. Auch der am 23. 4. 1633 gegründete und unter dem Direktorium Friherre Axel Oxenstiernas (FG 232) stehende Heilbronner Bund, in dem die evangel. Stände des fränkischen, schwäbischen, ober- und kurrheinischen Kreises vereinigt waren, ersetzte nicht die große Universalallianz der Protestanten. Der Bund büßte mit der protestant. Niederlage bei Nördlingen am 6. 9. 1634 seine Wirksamkeit ein. — Mit den Briefpartnern und Georg Calixt(us) [s. Anm. 3] aus dem Hzt. Braunschweig-Wolfenbüttel sind im vorliegenden Brief drei Territorien bzw. Landeskirchen vertreten, die ein starkes Interesse an einer protestantischen Union bekundeten. Die Motive waren allerdings sehr verschieden: Die anhaltischen Fürsten hatten 1537 die Schmalkaldischen Artikel, die Confessio Augustana und die Apologie derselben angenommen. Unter dem Zerbster Generalsuperintendenten Wolfgang Amling (1542–1606, seit 1578 im höchsten Kirchenamt) vollzog sich die Ablehnung der Konkordienformel und die Verteidigung Melanchthons und des Philippismus gegen lutherische Orthodoxie, schließlich die Annäherung und Annahme des reformierten Bekenntnisses durch die Fürsten und einen Teil des Volks Ende des 16. Jahrhunderts, dessen Grundlage die Confessio Augustana variata von 1540, der Heidelberger Katechismus und die Pfälzer Kirchenagende bildeten. Vor allem mit F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) wurde Anhalt auch politisch in den Wirkungskreis der antihabsburgischen protestant. Aktionspartei gezogen, was sich unter neuen, lutherischen Vorzeichen mit F. Ludwigs schwed. Statthalterschaft in den Stiftern Magdeburg und Halberstadt 1631–1635 wiederholte (s. dazu 320313). S. auch 270406 K 11 u. K 24. — Das welfische Teilhzt. Wolfenbüttel war mit seinen Landesherren Julius und Heinrich Julius erst spät und gemäßigt der Reformation beigetreten; das Konkordienbuch kam hier zugunsten größerer konfessioneller Freiheit (auch der Altgläubigen) nicht zur Anwendung, was sich auch in der Ausrichtung der Landesuniversität Helmstedt auswirkte. Gnesiolutheranismus, Calvinismus oder prote- stantische Heterodoxien traten im Lande nicht in Erscheinung, dafür lehrte seit 1614 Georg Calixt an der U. Helmstedt, der im Sinne Melanchthons der Tugend Synergien beimaß und eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen anstrebte. — Die ernestinischen Wettiner, nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Verlust der Kurwürde politisch und konfessionell in tiefer Gegnerschaft zu den albertinischen Vettern, hatten sich zunächst als Bollwerk unverfälschten (Gnesio-)Luthertums verstanden, bis es in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts zum Ausgleich mit Kursachsen und zur konfessionellen Annäherung beider wettin. Landesteile kam. Das Konkordienbuch (1577/80) wurde zur Richtschnur eines gemeinsam vertretenen Luthertums, das nun die Gnesiolutheraner ebenso wie die Philippisten und die Calvinisten ablehnte und bekämpfte. Ansätze zu einer reformierten Konfessionalisierung wurden in den 90er Jahren wieder getilgt. Um die Wiedergewinnung der Kurwürde bemüht, suchten aber vor allem die jungen weimar. Ernestiner — die Herzöge Johann Ernst d. J. (FG 3), Wilhelm IV. (FG 5), Albrecht (FG 17), Ernst (,der Fromme‘, FG 19) und Bernhard (FG 30) — den Anschluß an die kurpfälzisch- böhmische Aktionspartei, später die Niederlande und die Schweden, bis sie die Niederlage von Nördlingen 1634 zur Preisgabe ihrer machtpolitischen Ambitionen und, mit Ausnahme Hz. Bernhards, zum Beitritt zum Prager Frieden zwang. Vgl. Anton Schindling/ Walter Ziegler (Hg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation u. Konfessionalisierung. Land u. Konfession 1500–1650. Bd. 2: Der Nordosten. Münster 1990, 88ff.; Bd. 3: Der Nordwesten. Münster 1991, 8ff.; Bd. 4: Mittleres Deutschland. Münster 1992, 8ff.; ferner G. Allihn: Die Reformierte Kirche in Anhalt. Ein Stück Reformations- und Unionsgeschichte. Köthen 1874, 7ff.; Inge Mager: Die Beziehung Herzog Augusts von Braunschweig-Wolfenbüttel zu den Theologen Georg Calixt und Johann Valentin Andreae. In: Pietismus und Neuzeit VI (1980), 76–98. Vgl. auch 330603. — Wie weit die Unionsbestrebungen teilweise unter den Protestanten gingen, zeigen die „Unvorgreifflichen Vorschläge, wie eine guthe einigkeit in den Evangel. Kirchen wiederumb anzurichten“ (KU II, 695ff.; ungezeichnet und nicht datiert, wegen der vermutlichen Anspielung auf die Pirnaer Verhandlungen über Friedenspräliminarien etwa Sept./ Okt. 1634). Der wohl lutherische Verfasser — daher eher Georg Calixt als John Durie (vgl. 330603) bzw. ein süddeutscher Parteigänger (es heißt S. 698: „in etlicher dieser Ober Ländischen Lutherischen Kirchen“) — wünscht, „daß doch dermahleinsten die vnzehliche streytigkeiten in den Evangelischen Kirchen aufhören, vnd hinwiederumb gute einigkeit in derselbigen gestiftet, vnd bestendig erhalten werden möge“. Der Streit zwischen den protestant. Glaubensrichtungen übertreffe zum Schaden der Kirche, der Gläubigen und des Staats fast die Auseinandersetzungen mit dem Katholizismus, der, nicht zuletzt in Gestalt der Jesuiten, größten Nutzen aus der evangel. Uneinigkeit ziehe. Die einfachen Gläubigen, denen die „hohen subtiliteten, distinctiones vndt subdistinctiones“ ohnehin fremd blieben, würden nur „irre gemacht“, zumal „quod magis doceamur disputare, quam piè vivere.“ Christliche Liebe, Sanftmut und Friedfertigkeit seien verdrängt von Bitterkeit, Verdruß, Haß und Streitsucht. Eine Reorganisation innerprotestant. Einigkeit sei aber auch deshalb gerade jetzt so nötig, weil anders nicht zu „Einem sichern, allgemeinen vnd bestendigen frieden“ zu gelangen sei. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen geistlichem und politischen Frieden, „werden wir aber mehr nach dem Politischen, als dem Geistlichen Kirchenfrieden trachten, so stehet zu besorgen, daß wir darüber beydes vf einmahl verliehren möchten [...].“ Es gebe kein besseres Mittel zum genannten Zweck, als „daß beyderseits Theologi, welche den streit bishero vornehmlich geführet, auf eine gewiße Zeit vnd an einem gewißen ort Zusammen kommen, vnd sich vber alle glaubens articul mit einander freundlich vernehmen vnd vergleichen“. Nun gelte es, heißt es dort weiter, das anläßlich des Leipziger Konvents 1631 geführte Gespräch wieder aufzunehmen und zwar unter Einbeziehung aller evangel. Stände des Reichs und der evangel. Mächte Europas. Kurbrandenburg und Kursachsen, als ehemalige Teilnehmer des Leipziger Religionsgesprächs, sollten Einladungen an alle ergehen lassen, ihre „friedliebenden Theologi“ an einen zu nennenden sicheren Ort zu einer bestimmten Zeit, „als etwa gegen den künftigen Majum des annahenden 1635. Jahres“, zu entsenden. Im Vorfeld seien Papiere vorzulegen, um auf der Konferenz dann die Standpunkte von Glaubensartikel zu Glaubensartikel sorgfältig zu vergleichen und nach Möglichkeit „nach der Richtschnur des Wortes Gottes“ zu vereinbaren. Bliebe es bei Differenzen, sei zu prüfen, ob sie das Glaubensfundament berühren oder nur Nebensächlichkeiten betreffen. [Dieses Vorgehen empfahl auch G. Calixt.] Unwesentliche Unterschiede könnten zur Not bestehen bleiben, ohne die grundsätzliche Einheit in Frage zu stellen oder gestellt zu sehen. Ansonsten bliebe nur die beharrliche freundliche Unterredung und argumentative Überzeugungsarbeit, um Irrtümer und Fehlmeinungen zu korrigieren. Jede Polemik und Unterstellung habe zu unterbleiben. Ratsam sei, zu dieser Konferenz auch „Gottesfürchtige vnd Friedliebende Politici“ beizuziehen. Nach der Vergleichung und Vereinbarung der Lehren sei mit der Vereinheitlichung der Zeremonien fortzufahren, „damit in den Evangelischen Kirchen überall eine guthe conformitet Zu spüren“. Grundsatz müsse hier die größtmögliche Distanz zum „Pabstthumb“ und die größtmögliche Nähe zum Usus Christi, der Apostel und der frühen Kirche sein. [Hier könnte Calixts Idee, daß das Apostolikum und der Consensus quinquesaecularis den heilsnotwendigen Glauben bekunden, auf die sog. Zeremonien eingeengt sein.] „Uber dieses seindt die Ceremonien, so in etlicher dieser Ober Ländischen Lutherischen Kirchen gebraucht werden, schon also fern reformiret, daß Zwischen ihnen vnd den reformirten kein großer vnterscheidt, sondern der vergleich gar leichtlich Zu treffen sein wirdt“. Sollte dies dennoch nicht gelingen, haben Differenzen im Zeremoniellen grundsätzlich nicht soviel Gewicht, um die Einigkeit der Evangelischen aufzuheben. — Calixt nahm 1631 an der beim Leipziger Konvent durchgeführten Konferenz zwischen kursächsischen, kurbrandenburgischen und landgräflich-hessischen Theologen selbst nicht teil. Der dazugehörige Rezeß ist als Beilage wiedergegeben in KU II, 744ff. Vgl. LAO: Abt. Bernburg D 8 Nr. 8: Vergleich so in der Conferenz zwischen den Lutherischen und Reformierten Theologen zu Leipzig anno 1631 auf dem Convente daselbst getroffen. 1631; 19 fol. vollst. Unterzeichnet im März 1631 v. M. Hoe (d. i. Matthias Höe v. Höenegg, Oberhofprediger zu Dresden), P. Leyser (d. i. Polykarp Leyser d. J., Prof. der Theologie in Leipzig), Hr. Hopfner (d. i. Heinrich Höpfner, Prof. der Theologie in Leipzig), Joh. Bergius (d. i. Johann Bergius, reformierter Hofprediger Kf. Georg Wilhelms v. Brandenburg [FG 307] und kurbrandenburg. Konsistorialrat, Förderer evangel. Unionsbestrebungen), Joh. Crocius (d. i. Johann Crocius, Prof. der Theologie, Prediger u. Konsistorialrat in Kassel und Marburg, Vertreter einer vermittelnden, nicht streng calvinistischen reformierten Theologie), Theophil Neuberger (d. i. Theophilus Neuberger, Hofprediger Lgf. Wilhelms V. v. Hessen-Kassel [FG 65]). Abschrift. Vgl. auch: RELATION Der Privat- Conferentz/ Welche Bey wehrendem Convent Der Protestirenden Evangelischen Chur-Fürsten vnd Stände Zu Leipzig/ Jm Jahr 1631. im Monat Martio, Zwischen den anwesenden Chur-Sächsischen/ Chur-Brandenburgischen/ vnd Fürstlichen Hessischen Theologen gehalten worden/ Nebenst einer Vorrede ... Durch D. JOHANNEM BERGIUM, Churf. Brandenburgischen Hoffprediger. Berlin 1636 (HAB: 283. 14 Theol. 4° [2]; Abermaliger Abdruck Der RELATION Von der Privat-Conferentz ... ans Liecht gegeben. Berlin 1644: Georg Rungen. HAB: QuN 229.2 [5]). Vgl. C. W. Hering: Geschichte der kirchlichen Unionsversuche. Bd. 1. Leipzig 1836, 327ff.; Art. „Leipziger Kolloquium von 1631“ in REThK [1896] XI, 363ff. Das Leipziger Unions-Kolloquium, von den Beteiligten vorsichtig als Privatkonferenz qualifiziert, schloß sich an die im Februar und März 1631 in Leipzig auf Einladung Kf. Johann Georgs I. v. Sachsen (als Direktor der evangelischen Stände in Deutschland) durchgeführte Versammlung protestant. Stände an, auf der der Protest gegen das ksl. Restitutionsedikt von 1629 bekräftigt und militär. Aufrüstung beschlossen, ein förmliches Bündnis mit Kg. Gustav II. Adolf v. Schweden jedoch ausgeschlagen wurde. Das Kolloquium dauerte vom 3. – 23. März und endete mit einem Protokoll (s. o.), das die Übereinstimmungen und die Abweichungen hinsichtlich der 28 Artikel der Confessio Augustana invariata festhielt. Der Erfolg des Religionsgesprächs, an dem auch die Herzöge Wilhelm IV. und Bernhard v. Sachsen-Weimar teilnahmen, bestand darin, daß es überhaupt zustande gekommen war. Immerhin: zu denen, die dem Protokoll nachträglich zustimmten, gehörte auch Anhalt-Köthen (am 16. 4. 1633; vgl. Tollin: Johann Duraeus. In: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 32 (1897), 227–285 u. 33 (1898), 26–81, 235; ferner August Beck: Ernst der Fromme, Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg. Ein Beitrag zur Geschichte des 17. Jahrhunderts. 2 Tle., Weimar 1865, I, 63; Hermann Schüssler: Georg Calixt. Theologie und Kirchenpolitik. Wiesbaden 1961, 89ff. S. auch 330603 K 1.
1 ersucht. Diefenbach, 211. Vgl. auch „besuchbriefflein“, 280726 K 2.
2 Daniel Sachse (1596–1669), reformierter Theologe, 1624 Pfarrer im Dessauischen, 1627 Hofprediger in Bernburg, seit 1632 Superintendent und Konsistorialrat in Köthen; förderte die Unionsbestrebungen John Duries (s. 330603 K 2). Beckmann VII, 357ff.; Graf: Anh. Pfarrerbuch, 405.
3 Georg Calixt(us) (1586–1656), seit Januar 1615 Prof. theol. an der U. Helmstedt. Calixts philippistisch geprägte irenische Ausgleichstheologie trug ihm unter dem Vorwurf des Synkretismus und Kryptopapismus oder wahlweise Kryptocalvinismus schon seit den frühen 30er Jahren heftige Angriffe der lutherischen Orthodoxie ein, die mit dem Thorner Religionsgespräch von 1645 zu einem heftig geführten Streit anwuchsen, der Calixt bis an sein Lebensende verfolgen sollte. Rege Kontakte verbanden ihn mit anderen Anhängern einer christlichen Union oder Universalkirche wie Hugo Grotius, Gerardus Ioannes Vossius und John Durie (s. 330603). Vgl. 300725. In Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) fand Calixt später einen Schutzherrn, der seinerseits allen religiösen Streiteifer verabscheute. Vgl. Schüssler (s. Anm. 0), 89, 99f. — Im Juli 1633 hatte Hz. Ernst I. v. Sachsen-Weimar (seit 1640 regierender Herzog im Teilhzt. Gotha) versucht, Georg Calixt in ernestin. Dienste zu nehmen. Dahinter stand insbesondere der Wunsch, ihn im überwiegend altgläubigen Hzt. Franken einzusetzen, wofür Calixts irenisches Luthertum besonders geeignet schien. Der historische Hintergrund war folgender: Die weimarischen Herzöge hatten sich relativ früh den Schweden in Deutschland angeschlossen; schon im Juni 1631 war Hz. Wilhelm zu Kg. Gustav II. Adolf nach Spandau gereist, um mit ihm einen Bündnisvertrag zu schließen, der nach der Schlacht von Breitenfeld (7. 9. 1631) in Halle a. d. S. vollzogen wurde. Wilhelm wurde zum kgl. schwed. Statthalter von Thüringen mit Sitz in Erfurt ernannt. Dort wurde am 14. 11. 1631 der Allianzvertrag auch auf die drei hzl. Brüder Albrecht, Bernhard und Ernst (s. Anm. 0) ausgedehnt. Im Februar 1633 drangen die Weimarer Herzöge in Erfurt bei Oxenstierna auf Entgeltung der von ihnen geleisteten Dienste und Ausgaben. So wurde am 10./ 20. 6. 1633 in Heidelberg die Schenkungsurkunde ausgestellt, durch die Hz. Bernhard das Hzt. Franken, bestehend aus Ländereien der Bistümer Würzburg und Bamberg, eigentümlich erhielt (abgedruckt in Bernhard Röse: Herzog Bernhard der Große v. Sachsen-Weimar. 2 Tle. Weimar 1828 u. 1829, I, 423–430, vgl. 226ff. Vgl. Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer. Wissenschaftl. Beiträge u. Katalog zur Ausstellung. Hg. Roswitha Jacobsen u. Hans-Jörg Ruge. Bucha bei Jena 2002, 291 u. 293; Abb. der Urkunden-Ausfertigung mit dem Siegel des schwed. Reichskanzlers Oxenstierna aus dem Thür. STA Gotha: Geheimes Archiv QQ (KK) Nr. I, hier S. 294.). Die Landstände, Kollegien und der Rat der Stadt Würzburg leisteten am 19./ 29. 7. 1633 die Huldigung. Am 21. 7. 1633 a. St. stellte Bernhard seinem Bruder Ernst die Vollmacht aus, das Land in seinem Namen und Auftrag zu verwalten. (August Beck: Ernst der Fromme, Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg. 2 Tle. Weimar 1865, I, 65ff; II, 98f.). Zur Visitation und Reorganisation des Schul- und Kirchenwesens im Hzt. Franken bat sich Hz. Ernst noch im Juli 1633 Calixt aus. Dessen Landes- und Dienstherr, Hz. Friedrich Ulrich v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 38), gab ihn aber nicht frei, sondern stellte ihn mit Schreiben vom 1. 8. nur für eine begrenzte Zeit den Ernesti- || [492] nern zur Verfügung. Calixt scheint im August 1633 nach Weimar und Würzburg aufgebrochen zu sein, begleitet von seinem Schüler Brandanus Daetrius (1607–1688). Im November 1633 war Calixt bereits wieder in Helmstedt anzutreffen. Offenbar stand das im vorliegenden Brief angekündigte Religionsgespräch und Calixts Anwesenheit in Weimar zeitlich mit seinem fränk. Kirchenauftrag in Verbindung. Neben Calixt, der sein Gutachten am 2. 12. einreichte, wurden auch Theologen Weimars und der U. Jena um Stellungnahme gebeten. In das Schul- und Kirchenkonsistorium des Hzt.s Franken berief Ernst auch Hieronymus Praetorius, der sich am ratichianischen Reformwerk beteiligt hatte und später Konsistorialrat in Weimar und Mitarbeiter an Hz. Ernsts Projekt der „Weimarer Bibel“ wurde. Zwei weitere frühere Mitarbeiter Ratkes, Sigismund Evenius und Balthasar Walther (Gualtherus), hatte der Herzog um diese Zeit ebenfalls an sich gebunden (s. 340604 K 2). Am 14. 10. 1634 fiel wegen der verheerenden Niederlage der Schweden und ihrer deutschen Verbündeten in der Schlacht von Nördlingen auch das Hzt. Franken an die Kaiserlichen zurück. (Beck, a. a. O., I, 81ff., 503ff). Vgl. ADB| III, 696– 704; REThK (1896) III, 643–647; RGG4 II, 12f.; Sammler Fürst Gelehrter, 344ff., insbes. 348 u. 363; TRE VII, 552–559; Waldemar Böhne: Die pädagogischen Bestrebungen Ernst des Frommen von Gotha. Gotha 1888, hier insbes. 1–27; Christoph Böttigheimer: Zwischen Polemik und Irenik. Die Theologie der einen Kirche bei Georg Calixt. Münster 1996, 44ff., insbes. 49f.; Das exemte Bst. Bamberg. Die Bischofsreihe von 1522 bis 1693. Bearb. Dieter J. Weiss. Berlin/ N. Y. 2000, 438ff.; Ludwig Fertig: Obrigkeit und Schule. Die Schulreform unter Hz. Ernst dem Frommen (1601–1675) u. die Erziehung zur Brauchbarkeit im Zeitalter des Absolutismus. Neuburgweier/ Karlsruhe 1971, 16f., 31; Ernst Ludwig Theodor Henke: Georg Calixt u. seine Zeit. 2 Bde. Halle 1853 u. 1856, I, 460f., 475ff.; Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Das Ringen um die Einheit der Kirche im Jahrhundert der Reformation. Stuttgart 1957, 230ff.; Hans Leube: Kalvinismus und Luthertum im Zeitalter der Orthodoxie. 1. Bd. Leipzig 1928, 274ff.; Heinrich Schmid: Geschichte der synkretistischen Streitigkeiten in der Zeit des Georg Calixt. Erlangen 1846, 35ff.; Schüssler (s. Anm. 0), 89ff., insbes. 103f.; Reinhard Weber: Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg. Würzburg 1979, 81ff.
4 Johannes Stalmann (FG 214), zu dieser Zeit Kanzler in der kgl.-schwed. Regierung der Stifte Magdeburg und Halberstadt, der F. Ludwig als kgl.-schwed. Statthalter vorstand. Vgl. 320313 K 0 u. 350800
5 Ob es zu der Unterredung in Weimar gekommen ist, bleibt fraglich. Am 23. 9. 1633 schreiben F. Ludwig und F. August aus Plötzkau, s. KU II, 531, vgl. 565f. Eine Reise der fl. Herrschaft nach Weimar wird auch in den sonstigen in KU II und KL II veröffentlichten Schreiben dieses Zeitraums nicht erwähnt; auch scheidet der Termin 21. 9. schon aufgrund des Empfangsvermerks (22. 9.) aus.
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