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340604 Herzog Ernst I. von Sachsen-Weimar(-Gotha) an Fürst Ludwig
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340604

Herzog Ernst I. von Sachsen-Weimar(-Gotha) an Fürst Ludwig


Beantwortet durch 340609. — Hz. Ernst I. v. Sachsen-Weimar(-Gotha) (FG 19) bittet F. Ludwig, seinem Boten nach Ausweis einer (verschollenen) beiliegenden Liste Bücher auszuhändigen, die Hz. Ernst in seinen pädagogischen Bemühungen nützlich sein können. Er verstärke diese gerade mit Hilfe gelehrter Leute und wisse, daß der Fürst in seiner Bibliothek einschlägige Werke besitze, die er ihm für kurze Zeit auszuleihen bittet.

Beschreibung der Quelle


Q LA Oranienbaum: Abt. Köthen A 9a Nr. 51, Bl. 52r–53v [A: 53v]; Schreiberh. mit eigenh. Schlußkurialien u. eigener Unterschrift; Eingangsvermerk von F. Ludwig auf A. 53r: Briefkonzept F. Ludwigs 340609.

Anschrift


A Dem Hochgebornen Fürsten, Herrn Ludwigen Fürsten zu Anhalt, Graffen zu Ascanien, Herrn zu Zerbst vnd Bernburg, Königl. Mtt: zu Schweden Stadhaltern der Magdeburgischen vnd Halberstädtischen Länder, Vnserm freundlichen lieben Vetter vnd Herrn Vater./.
Eingangsvermerk von F. Ludwigs H.: Pres. 8. Junij 1634

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Vnsere freundvetter- vnd Söhnliche1 Dienste/ Auch
was wir sonsten mehr liebes vnd gutes vermögen zuuorn, Hochgeborner Fürst, Freundlicher lieber Vetter vnd Herr Vater,
  E. Gn. gute leibes gesundheit vnd erwünschtes wohlergehen, ist Vns iederzeit hocherfreulichen zu vernehmen, vnd das der Allerhöchste E. Gn. darbey lange Zeit bestendiglich erhalten wolle, thun wir zugleich von herzen wünschen,
  Vnd ist E. Gn. wohl bekand vnd bewust, wie wir vns iederzeit bemühet, vnd höchstes vleißes angelegen sein laßen, daß doch der Studirenden Jugend eine erleichterung zuwegen gebracht werden könte, Vnd demnach zu denen Mitteln, die vns GOTT der Allmächtige vorhin hat weisen laßen, nunmehr durch zuziehung verstendiger gelehrter Leuthe,2 Vns noch mehr an die hand gegeben werden, an welches aus zu arbeiten man itzo in vollem werck ist, vnd verhoffentlich || [518] bald zu dem erwünschten zweck gelangen wird, Wir vns [52v] auch erinnern, daß ezliche sonderbahre Bücher zu solchem werck sehr nütz vnd dienlich in E. Gn. Bibliothec zu Köthen,3 auch andere alda getruckte Sachen vorhanden, Als haben wir vnß erkühnet, E. Gn. vmb darleihung derselben freundvettervnd Söhnlich zuersuchen, Vnd gelanget an E. Gn. unser hochvleißige bitt, vns diese große gnade zuerweisen, vnd die Jhenigen Bücher, wie inliegendes Verzeichnüs4 ausweiset, bey diesen eigenen Bothen, vf eine kurtze Zeit zu beförderung solches hochnöthigen vnd nützlichen Wercks, anhero zusenden, sich gefallen laßen wolle, Sollen E. G. ohne schaden vnd mit schuldiger Danckbarkeit wiederumb eingeschicket werden, Vnd seind E. Gn. viel dienst, ehr, liebs vnd gutes zuerweisen allezeit willig vnd erböttig,
  Datum Weimar den 4. Junij Anno 1634.


  Von Gottes gnaden ERNST Hertzog zu Sachssen Jülich, Cleue vnd Berg, Landgraue in Thüringen, Marggraue zu Meisen, Graue zu der Marck vnd Rauensperg Herr zu Rauenstein ./.

  a EG dienstwilliger vetter allezeitt

  Ernst hzSachssenmp

Textapparat und Kommentar


Textapparat
a Folgender Text bis zum Schluß eigenh. von Hz. Ernst.

Kommentar

K  Zur Zeit der Abfassung des vorliegenden Briefes war Hz. Ernst I. v. Sachsen-Weimar (FG 19), seit 1640 regierender Herzog im selbständigen Teilhzt. Sachsen-Gotha, noch mit der Verwaltung jenes „Herzogtums Franken“ beschäftigt, das die Schweden als neugeschaffenes kgl. Lehen aus den Bistümern Würzburg und Bamberg Ernsts Bruder Bernhard (FG 30) verliehen hatten (vgl. 330920 K 3). Ernst selbst war mit Patent Kg. Gustavs II. Adolf v. Schweden d. d. Würzburg, 5. 10. 1631 zum Oberst über ein Reiterregiment bestellt worden, das er im eroberten Bst. Würzburg anwerben sollte. Er kam diesem Auftrag nach und beteiligte sich, wie er bereits schon im September 1631 mit der schwed. Hauptarmee gezogen war, aktiv an den militärischen Operationen des Königs in der sog. Pfaffengasse des Main-Rhein-Gebiets und im Süden Deutschlands. Er war regelmäßig im Hauptquartier des Königs, so etwa im August 1632 zu Neustadt a. d. Aisch, anzutreffen. An den Kämpfen gegen Wallensteins Armee vor Nürnberg im August 1632 nahm er ebenso teil wie das Regiment Diederichs v. dem Werder (FG 31), desgleichen an der Schlacht von Lützen am 6. 11., in der Kg. Gustav II. Adolf fiel und die Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar als Kommandant des linken Flügels für die Schweden retten sollte. Im zweiten Treffen des linken Flügels stand auch das kursächs. Regiment F. Ernsts v. Anhalt-Bernburg (FG 47), der am 4. 12. an seiner in der Schlacht erlittenen Schußverletzung am rechten Bein in Naumburg starb. (Sveriges Krig VI, 309, 366, 424ff.). Am Vorabend dieser Schlacht, als Gustav Adolf von Arnstadt kommend (s. 321201 K 8) in Erfurt die vereinigte Armee musterte und seinen erkrankten Statthalter von Thüringen, Hz. Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5), besuchte, speiste Hz. Ernst mit König, Königin, Bruder Wilhelm und dessen Gemahlin Eleonora Dorothea (TG 4; PA) am 28. 10. zu Abend. Nach der Lützener Schlacht war Hz. Ernst in Weimar anzutreffen, wo er am 16. 7. 1633 zu Ehren des gefallenen Königs in der Stadtkirche einen feierlichen Trauergottesdienst abhalten ließ. Am 21. 7. 1633 übertrug Hz. Bernhard seinem Bruder Ernst die Verwaltung des Hzt.s Franken (s. 330920 K 3). In dieser Funktion nahm er am 22. 2. || [519] 1634 am fränkischen Kreistag in Würzburg teil, traf sich Ende März zu einer Beratung mit Bruder Bernhard in Coburg und konferierte im Mai in Frankfurt a. M. mit dem schwed. Reichskanzler Friherre Axel Oxenstierna (FG 232). Im Juni 1634 befand er sich nach Ausweis des vorliegenden Briefes wieder in Weimar, bevor er sich im Juli wieder dem schwed. Heer unter seinem Bruder Bernhard anschloß und der Eroberung von Landshut und der Schlacht von Nördlingen am 6. 9. 1634 beiwohnte. In der letzten Zeit seiner kurzen Regierung in Würzburg war Hz. Ernst aufgrund der politisch-militärischen Lage immer wieder abwesend; er ließ sich dann von dem Geheimen Rat Tobias v. Ponickau (FG 206) als Statthalter in Franken vertreten. In Folge der bei Nördlingen erlittenen schweren Niederlage verloren die Schweden auch das Hzt. Franken und Hz. Ernst kehrte, den Kriegsdienst ganz aufgebend, nach Weimar zurück, um mit den Brüdern Wilhelm und Albrecht eine gemeinsame Regierung zu bilden. Die drei Herzöge konnten sich mit Not dem Prager Frieden vom Mai 1635 anschließen. Im Oktober 1640 trat Ernst seine Regierung in dem ihm zugefallenen Landesteil Gotha an (kraft der Altenburger Landesteilung vom 13. 2. 1640 bzw. deren Bestätigung durch den Gothaer Hauptteilungsvertrag vom 12. 9. 1641). Vgl. Christ-Fürstlicher Lebens-Lauff/ Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn/ Herrn Ernstens/ dieses Namens des III. Hertzogens zu Sachsen ... Christmildesten Andenckens/ Auff sonderbahren Fürstlichen Befehl absonderlich zum Druck verfertiget. (Gotha 1676), Bl. B ij v ff. (HAB: Gm 1872); Elias Martin Eyring: VITA | ERNESTI PII, | DVCIS SAXONIAE, | descripta ... LIPSIAE, | Apud JO. FRIDER. GLEDITSCH. | M DCC IV.; ADB VI, 302ff.; NDB IV, 161f.; Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer. Wissenschaftl. Beiträge u. Katalog zur Ausstellung. Hg. Roswitha Jacobsen u. Hans-Jörg Ruge. Bucha bei Jena 2002, 280, 291 u. 293, 305ff.; Veronika Albrecht-Birkner: Absichten und Wirkungen einer „Reformation des Lebens“ in Sachsen-Gotha unter Hz. Ernst dem Frommen (1640– 1675). In: Pietas in der Lutherischen Orthodoxie. Hg. Udo Sträter. Halle/ Wittenberg 1998, 125–136; August Beck: Ernst der Fromme, Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg. 2 Tle. Weimar 1865, I, 68ff.; II, 89ff., 98f.; Detlef Ignasiak: Ernst I. (III.), der Fromme, Herzog von Sachsen-Gotha (und Altenburg) 1640–1674/75. In: Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von Hermenfred bis Georg II. Hg. D. I. Rudolstadt u. Jena 1994, 193–221, 202ff.; Andreas Klinger: Herzog Ernst der Fromme — ein Mitläufer der Fruchtbringenden Gesellschaft?In: Die Fruchtbringer — eine Teutschhertzige Gesellschaft. Hg. Klaus Manger. Heidelberg 2001, 61–78, 65.
1 Die Anredeformel mit der Selbstkennzeichnung „söhnlich“ spiegelt den engen Verwandtschaftsgrad wider: Durch seine (1617 verstorbene) Mutter Hzn. Dorothea Maria, geb. Fn. v. Anhalt, war Hz. Ernst ein Neffe F. Ludwigs.
2 Schon Hz. Johann Ernst d. J. v. Sachsen-Weimar (FG 3, vgl. 180000, 270700 u. ö.) hatte seit 1618, auch im Namen seiner Brüder, das gemeinsame ratichianische Schulprojekt zusammen mit F. Ludwig finanziert. Auch sein jüngerer Bruder Hz. Ernst war bereits in früher Jugend in Weimar mit Ratke zusammengetroffen, den seine Mutter, Hzn. Dorothea Maria, gefördert und bei dem sie Latein und Hebräisch erlernt hatte (s. 270827 K 1; vgl. ihre Korrespondenz mit Ratke 1613 in STA Weimar: Fl. Hausarchiv A 274 sowie: Wolfgang Ratich mit seiner neuen Lehrart am Hofe der Herzogin Dorothea Maria von Sachsen-Weimar. In: Weimar’s Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. 6. 1840. Weimar [1840], 31–51; Weniger). Seit 1627 war Hz. Ernst unter Vermittlung Gfn. Anna Sophias v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) verschiedentlich mit Ratke in Kontakt getreten, so etwa im Oktober 1627 in Weimar, im November 1627 u. im Juni 1628 in Rudolstadt, am 1. 7. 1629 in Jena. S. 270827 K 1, 280616 K 4, 290614, 300203 K 1 u. ö. Vgl. Vogt IV, 12ff.; Julius Lattmann: Ratichius und die Ratichianer. Helwig, Fürst Ludwig und Walther, Kromayer, Evenius und Herzog Ernst; auch Rhenius. Göttingen 1898, 217, 220ff. Zudem sorgten die Schulordnungen und pädagogischen Grundsätze des Weimarer Hofpredigers und Generalsuperintendenten Johannes Kromayer (1576–1643, s. 180508 K 8 u. K 10, 270406 K 13, || [520] 280616 K 4, 290120 K 2, 350312 K 3), der dem Didacticus Wolfgang Ratke und seinen methodischen Ideen im Anliegen nahe, im persönlichen Verhältnis aber distanziert gegenüber stand, seit 1614 für Kontinuität in den reformpädagogischen Ausrichtungen des Weimarer Schulwesens. Vgl. 350312 K 3. An Hz. Ernst wußten schon die Zeitgenossen zu rühmen, „daß [...] Jhre Fürstl. Durchl. durch die von GOtt verliehene sonderbahre Fähigkeit und Schärffe des Verstandes/ auch die hertzliche Begierde Gottes Ehre und gemeine Wohlfahrt zufördern/ bewogen [...] biß in dero hohes Alter/ die Erkäntniß und Verbesserung derer bey Informirung der Jugend/ vorfallender Fehler/ mit so grosser Emsigkeit und herrlichem Succes gesucht“ habe. (Christ-Fürstlicher Lebens-Lauff [s. Anm. 0], Bl. B[i]r). Der vorliegende Brief läßt zwar Hz. Ernsts herangezogene kompetente Mitarbeiter namentlich im Dunkeln. Wichtige Kontakte zu dieser Zeit treten aber als in diesem Zusammenhang maßgeblich hervor. So berief Hz. Ernst 1634 den früheren Rektor der Gymnasien zu Halle (seit 1613) und Magdeburg (seit 1622 und bis zur Zerstörung der Stadt 1631), einst Freund und Schüler Wolfgang Ratkes, dann Johann Amos Comenius zuneigend, Sigismund Evenius († Weimar, 17. 9. 1639, vgl. 270406 K 18 u. ö.), dauerhaft als Kirchen- und Schulrat nach Weimar. Paul Stötzner: Sigismund Evenius. Ein Beitrag zur Geschichte des Ratichianismus. Beilage zum Jahresberichte des Gymnasiums zu Zwickau Ostern 1895, Zwickau 1895, 13, veröffentlicht Hz. Ernsts Brief an Evenius, d. d. Weimar 25. 9. 1634, in dem er mitteilt, wie Evenius im September aus Schleiz nach Weimar abgeholt werden soll. Dies dokumentiert den förmlichen Übertritt des Evenius aus seinem kurzzeitigen Engagement am Regensburger Gymnasium in seine Weimarer Kirchen- und Schulratsstellung. Doch schon zuvor, im Sommer 1634, war es zu einer engen Verbindung zw. dem Herzog und Evenius im Zuge der fränkischen Schulreform (s. 330920 K 3) gekommen. Ernst holte nämlich nicht nur den einstigen Jenaer Professor für griechische und hebräische Sprache und seit 1621 als Superintendent zu Gotha amtierenden Balthasar Walther (Gualtherus, 1586–1640) nach Würzburg, auch er erfahren im Schulfach und mit den reformdidaktischen Grundsätzen des Ratichianismus vertraut. Ernst versicherte sich auch der Mitarbeit des Evenius, der, vielleicht gemeinsam mit Walther, die „Generalverfassung der Schuelen im Hertzogthumb Franken“ verfaßte mit einem Katalog konkreter Verbesserungsmaßnahmen für den Religionsunterricht und die Lehre der Sprachen und Freien Künste, die sie im Auftrag Hz. Ernsts in Jena den Theologen und anderen Professoren der Universität zur kritischen Begutachtung vorlegten. Die erste Konferenz mit den Theologen fand denn auch am 9. 6. 1634, die mit den Philosophen tags darauf in Jena statt. Erneute Zusammenkünfte mit den Theologen schlossen sich dann am 11. 6. in Jena und am 12. 6. 1634 in Lützendorf an, zu welch letzterer sich auch die Jenaer Theologie-Professoren Johann Major, Johann Gerhard und Johann Himmel einfanden. Evenius hielt dabei einen Vortrag und teilte die Bemühungen Hz. Ernsts um weitere Expertisen mit (Bericht von Evenius u. Walther an Hz. Ernst in FB Gotha: Chart. A 462; vgl. Beck [s. Anm. 0], I, 503f.; Waldemar Böhne: Die pädagogischen Bestrebungen Ernst des Frommen von Gotha. Gotha 1888, 8ff.; Jens Brachmann: Ernst der Fromme und das „Ambt der Præceptorum vnd Schulmeister“ im 17. Jahrhundert. In: Ernst der Fromme [1601–1675]. Staatsmann und Reformer [s. Anm. 0], 69–78, 72f.). — In die heimische und fränkische Kirchenarbeit spannte Hz. Ernst auch Johannes Kromayer (s. o.) ein, der seit 1613 als Hofprediger, seit 1617 als Schulinspektor und seit 1627 als Generalsuperintendent zu Weimar amtierte und sich seit 1617 als Reformer des Weimarer Schulwesens hervorgetan hatte, jedoch gegenüber den mit der Schul- und Kirchenvisitation Hz. Ernsts verbundenen neuen, weitausgreifenden Impulsen und ihren durchaus nicht unproblematischen Ansprüchen an Kirchenzucht, Gewissenskontrolle und Sozialregulierung (,Reformation des Lebens‘) skeptisch blieb und folglich auch zu Evenius auf Distanz ging. Auf Anordnung Hz. Ernsts verfaßte Evenius eine Katechismusschule (1636), d. h. eine allgemeinverständliche Erklärung von Luthers Katechismus, und eine Christlich gottselige Bilderschule (1636), d. h. ein religionspäd- || [521] agogisches Unterrichtswerk für die Kleinsten mit biblischen Bildern, Vorbild für Comenius’ Orbis sensualium pictus (1658). Um diese Zeit, im Frühjahr 1636, faßte Hz. Ernst auf Anregung des Evenius hin auch den Plan zu jenem berühmten Bibelwerk (sog. „Weimarer Bibel“, auch „ernestinische“ bzw. „Kurfürsten-Bibel“ genannt), wodurch die auf der Grundlage der Luther-Bibel edierte und allgemeinverständlich erklärte Heilige Schrift „füglich von allen und jeden Christen könne gelesen, verstanden und heilsamlich gebraucht werden.“ (Zit. n. Beck I, 660). Mit Entwurf und Organisation dieses Werkes wurde wiederum Evenius beauftragt, das wichtigste Bindeglied in Gotha zwischen Ratkes neuer Didaktik und Andreas Reyhers neuem Schulmethodus von 1641. Es gelang in großer organisatorischer Leistung, zahlreiche Theologen für die Mitarbeit (das Jenaer Dreigespann Major, Gerhard, Himmel, s. o., Salomon Glass [Glassius, s. u.], Hieronymus Praetorius, Johann Michael Dilherr, Antonius Mylius, Balthasar Walther [s. o.], Johannes Kromayer [s. o.] usw.) heranzuziehen und die Firma Endter in Nürnberg für den Verlag und Druck zu gewinnen. Am 24. 12. 1640 lag das Bibelwerk komplett in seiner Erstauflage vor, der bis 1768 13 weitere Auflagen folgten. Die Vorrede des Herzogs war auf den 25. 6. 1640 datiert, auf den Tag 110 Jahre nach der Verlesung des Augsburgischen Bekenntnisses vor dem Reichstag, dessen Text das Gesamtwerk abschloß. Daß Hz. Ernst erst seit 1640 in seinem eigenständigen Landesteil Gotha seine Pläne zu einer Generalkirchen- und Schulreform uneingeschränkt durchführen konnte, sei hier abschließend bemerkt. Vgl. ADB VI, 431f.; NDB IV, 691; Deutsche Biographische Enzyklopädie III, 195; Beck (s. Anm. 0), I, 498, 505, 659ff; II, 19f., 40, 120f.; Böhne, a. a. O., 21ff. (er verweist für Evenius’ Wirken auf die Akte Chart. A 462 in der ehemals Hzl. Bibliothek zu Gotha, heute FB Gotha, s. o.); Ernst Bötiger: Leipzig als Zufluchtsort von Magdeburger Einwohnern nach der Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1631. In: Beiträge zur Geschichte des 10. Mai 1631. In: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. Jg. 66/67 (1931/1932), 68–101 (80–83 u. a. Biogr. v. Sigismund Evenius); Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer (s. Anm. 0), Katalogteil, 351ff. (zu Evenius); Eyring: Vita Ernesti Pii (s. Anm. 0), 23ff., 78ff. (Übersicht über die Mitarbeiter am Bibelwerk); Ludwig Fertig: Obrigkeit und Schule. Die Schulreform unter Hz. Ernst dem Frommen (1601–1675) u. die Erziehung zur Brauchbarkeit im Zeitalter des Absolutismus. Neuburgweier/ Karlsruhe 1971, 58ff.; Ignasiak (s. Anm. 0), 204f.; Ernst Koch: Das ernestinische Bibelwerk. In: Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer (s. Anm. 0), 53–58; Lattmann, a. a. O., 129, 138ff., 239ff.; Theodor Mahlmann: Johannes Kromayers Wirken für Schule und Kirche im frühen 17. Jahrhundert. In: Von der Reformation zur Aufklärung. Vorträge ... anläßlich des 60. Geb. von Martin Schloemann hg. Wilfried Eckey. (Wuppertal 1991), 9–38, 21ff.; Stötzner, a. a. O., 12ff. — Nach seinem Regierungsantritt in Gotha 1640 widmete Hz. Ernst den Schul- und Kirchenverhältnissen sofort hohe Aufmerksamkeit. Hier gelang, was seit 1618 in Köthen und Weimar in der Praxis noch gescheitert war: die Einführung der Schulpflicht für alle Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Noch im Jahr 1640 wurde Andreas Reyher (1601–1673), Schulleiter in Schleusingen, zum Rektor des Gothaer Gymnasiums berufen, welches aus der Verantwortlichkeit der Stadt in die des Herzogs überging und umgebildet wurde. Reyher, unterstützt vom ebenfalls 1640 nach Gotha geholten Generalsuperintendenten Salomon Glass (1593–1656; Nachfolger Balthasar Walthers, s. o.), vom Weimarer Rat (seit 1633) und hzl.-gothaischen Kanzler und Konsistorialpräsidenten (seit 1641) Georg Frantzke (FG 428; 1645; vgl. 321201 K 1), legte 1641 und 1642 einen neuen Schulmethodus für das Gothaer Gymnasium und eine neue Schulordnung für alle gothaischen Stadt- und Landschulen vor. Eine Druckerei wurde mit hzl. Verfügung vom 31. 12. 1640 in Gotha eingerichtet, nicht zuletzt um dort „alle gemeine Schulbücher“, die im Lande gebraucht werden, zu drucken (zit. n. Beck [s. Anm. 0] II, 125) — auch dies in deutlicher Analogie zum ratichianischen Schulversuch in Köthen und Weimar 1618–1620 (vgl. Anm. 3). Schulstipendien und -gesetze, Visitationen usw. ergänzten die || [522] Bildungsanstrengungen. Damit wird die zurückhaltendere frühere Schulreform Kromayers in Weimar für Gotha aufgehoben; die ,Reformation‘ allen Wissens und des ganzen Lebens verbindet das gothaische Projekt wieder enger sowohl mit Ratkes universalen „Harmonie“-Konzepten als auch mit Evenius. Vgl. Veronika Albrecht-Birkner: Gott, der Fürst, die Pfarrer und das Volk — zur Generalkirchenvisitation Hz. Ernsts des Frommen 1641–1645. In: Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert. Hg. Jürgen John. Weimar, Köln, Wien 1994, 123–138; dies.: Politik, Theologie und Alltag in Sachsen-Gotha zwischen 1640 und 1652. In: Der Westfälische Frieden 1648 und der deutsche Protestantismus. Hg. Bernd Hey. Bielefeld 1998, 113–145, 121ff.; Beck I, 505ff.; Böhne, a. a. O., 29ff.; Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer (s. Anm. 0), 343ff., insbes. 348ff.; Fertig, a. a. O., 27f., 30f., 55ff.; Ignasiak (s. Anm. 0), 209ff.; Klinger (s. Anm. 0), 68f.; ders.: Vom Werden des Fürstenstaats. Die Anfänge des Hzt.s Gotha. 2000 (konnte nicht eingesehen werden); Magister Andreas Reyher (1601–1673). Handschriften und Drucke. Bestandsverz. bearb. v. Annette Gerlach, Cornelia Hopf, Susanne Werner. Mit e. Einleitung v. Detlef Ignasiak. Gotha 1992, 22ff.; Helmut Roob: Der Gothaer Schulmethodus — Pädagogik unter Hz. Ernst dem Frommen v. Sachsen-Gotha u. Andreas Reyher. In: Gothaer Museumsheft. Beiträge zur Regionalgeschichte. Gotha 1993, Sonderh., 22–34; ders.: Ernst I. der Fromme und die Gründung des Herzogtums Sachsen-Gotha. In: Residenzstädte und ihre Bedeutung im Territorialstaat des 17. und 18. Jahrhunderts. Gotha 1991, 27–32; Wilhelm Kühlmann: Pädagogische Konzeptionen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. 1: 15. – 17. Jh. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe. Hg. Notker Hammerstein u. Mitw. v. August Buck. München 1996, 153– 196, 154, 177ff.
3 Der vorliegende Brief legt Zeugnis ab, daß die vielen Lehrwerke zu den Sprachen und Wissenschaften, die eigens von Gelehrten nach den Regeln Wolfgang Ratkes und im Auftrag F. Ludwigs und Hz. Johann Ernsts d. J. v. Sachsen-Weimar geschrieben und in der Köthener Offizin gedruckt wurden, weiterhin attraktiv erschienen. S. Conermann: Fürstl. Offizin, 128ff. Vgl. 350312.
4 Liegt dem Brief und der Akte nicht mehr bei.
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