Friedrich Hortleder (FG 343; 1639), hzl. sachsen-weimarischer Hofrat, Archivar
und Historiker, auch ehedem Präzeptor der Herzöge von Sachsen-Weimar inklusive des
Briefschreibers, Hz. Ernsts I. v. Sachsen-Weimar(-Gotha) (FG 19). Zu erinnern ist im
vorliegenden Zusammenhang v. a. daran, daß die Herzöge Johann Ernst d. J. und Friedrich
v. Sachsen-Weimar (FG 3 u. 4) im Juni 1608 mit Friedrich Hortleder als Erzieher
und Lehrer (und Caspar v. Teutleben [FG 1] als Hofmeister) nach Jena zogen und dort
bis 1613 Hortleders Unterricht genossen. Auf dem Lehrplan standen in der fortgeschrittenen
Unterrichtsphase im Lateinischen u. a. ausgewählte Stellen aus „Cicero de officiis
und epistolae familiares“. S. Moriz Ritter: Friedrich Hortleder als Lehrer der Herzoge
Johann Ernst und Friedrich v. Sachsen-Weimar. In: Neues Archiv f. Sächsische Geschichte
und Alterthumskunde. 1 (1880), 188–202, 193; Andreas Klinger: Geschichte als
Lehrstück — Friedrich Hortleders Darstellung des Schmalkaldischen Krieges. In: Der
Schmalkaldische Bund u. die Stadt Schmalkalden. Hg. Verein f. Schmalkaldische Geschichte
u. Landeskunde e. V. Schmalkalden 1996, 101–111, 102f. Vgl. auch
Conermann
III, 20f. u. 392f.; ferner K. E. Reimann: Wo ist Friedrich Hortleder geboren? In: Neues
Archiv f. Sächs. Geschichte. 24 (1903), 174–178. Als Herausgeber der großen Aktensammlung
über den Schmalkaldischen Krieg und die Reichsgeschichte in der Mitte des || [
538]
16. Jahrhunderts lieferte Hortleder den Ernestinern die für das Verständnis ihrer Hausgeschichte
(Übergang der Kurwürde an die Albertiner) und für ihre Parteinahme im
Dreißigjährigen Krieg maßgeblichen Informationen und Motive. Hortleders gelehrtem
Rat vertrauten sich die Herzöge und deren Verwandte auch in vielen anderen Belangen
an. Vgl. z. B. 290120 und einen Brief Hortleders an Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar
(FG 30) vom 28. 9. 1635 über nicht näher bestimmte, vom Herzog verlangte historische
Auskünfte. FB Gotha: Chart. A 392, Bl. 68f. Nach seiner Aufnahme in die FG (s.
390826;
KE, 37–39) sandte F. Ludwig Hortleder d. d. 3. 9. 1639 die aus dem Französischen
des Jean Du Bec-Crespin übersetzte
Denckwürdige Geschichte/ Des grossen Tamerlanis
(1639; s.
Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 460ff.) und Martin
Opitz’ (FG 200) Ausgabe des Annolieds (
Dünnhaupt: Handbuch, 3071), erhoffte sich
auch Hortleders Hilfe bei der Erklärung der Sprache des frühmittelhochdeutschen Gedichts.
Vgl.
KE, 39f.
Hz. Ernsts Anliegen zu Eingang des vorliegenden Briefes erhellt
aus seinem vorangehenden Brief an Hortleder, d. d. Weimar 6. 3. 1635, a. a. O., Bl.
121rv, zu dem sich Hortleders Antwortschreiben mit der angesprochenen „vmbstendlichen
relation“ nicht erhalten hat. Der Brief des Herzogs lautet: „Wir möchten gerne sehen,
daß
M. Andreæ Crameri Past. & Scholarchæ Magdeburgici vber die
officia Ciceronis
verfaste kurze tabellen getrucket, vnd in beygefüegtes
Exemplar dergestaldt eingeleget
würden, daß eine iede tabellam ihr gehöriges ort, wo sich derselben
text oder
section anfanget,
allermaßen es der
autor observiret, füeglich eingebracht werden konten, zue dem
ende wir dann den
Autorem selbsten zu vberschicken vors beste zu sein erachtet, wofern
ihr nun solche tabellen der würdigkeit befindet, [
folgt: 〈daß dieser costen darauf zuwenden〉]
wollet ihr sie ufs ehiste mit einem kleinen
litera abtrucken, in das
Exemplar einlegen,
vnd vnß so dann in schwarz leder gebunden hervberschicken, falß ihr aber andere
tabellen, vnd sonderlich wollen vnß des
Gibentij Scholæ Hallensis Rect. vom herrn D.
himmel sehr commendirt werden, beßer zusein ermeßen würdet, stellen wir zu eurem belieben,
ob ihr an statt dieser, andere
eligiren vnd dem buchtrucker zustellen wollet[,] nur
allein, daß sie
succinct vnnd dabey
ponderos sein, wie wir sonsten diese in solchem fall
dafür halten, vndt könnet ihr vnß den costen bey zufallenheit
notificiren [...].“ Notiz am
Rand v. anderer (Hortleders?) H.: „Von solchen tabellen müßen in die 20. abtruckh oder
mehr gemacht werden“. Der hier genannte Dr. (Johann) Himmel (1581–1642) war seit
1617 Professor der Theologie an der U. Jena u. seit Ratkes Aufenthalt in Jena vom Juli
1628 bis Juni 1631 heftiger Gegner Ratkes. Zudem war er Mitarbeiter und Redakteur am
Weimarer Bibelwerk Hz. Ernsts (vgl. dazu 340604 K 2). Vgl.
Vogt IV, 46, 52. — Was
besagt nun dieser Brief? Hz. Ernst überschickt Hortleder offenbar ein Exemplar einer
(uns nicht bezeugten) gedruckten Ausgabe von Ciceros
De officiis, an dessen Kapitelanfängen
noch zu druckende Tabellen eingefügt werden sollten. Diese Tafeln stammen von
dem Magdeburger Pastor und Schulaufseher Andreas Cramer, der sich in Magdeburg
1620–1622 für Ratke eingesetzt hatte. Wenn Cramer nicht später erneut Tabellen zu Ciceros
Werk über die Pflichten erstellt hat, so wird es sich bei den genannten Tabellen
wohl um jene handeln, die in Cramers ciceronianischem Kompilationswerk
M. Tullii Ciceronis
libri de officiis, dialogi de senectute et amicitia, cum paradoxis et somnio Scipionis,
Synopticis illustrati Tabellis von 1618 (s. Anm. 4) eingearbeitet sind. Es ist wohl dieser
Autor und dieses Werk, welche gemeint sind, wenn Hz. Ernst „den
Autorem selbsten“
mitzuschicken ankündigt. Wenn die Tabellen gedruckt und eingefügt seien, so Hz. Ernst
weiter, möge ihm Hortleder das um die Tabellen ergänzte Exemplar in kleiner Type
drucken und in schwarzes Leder binden lassen und zurücksenden. Es stehe aber Hortleder
frei, ggf. andere, jedoch kurze und inhaltsschwere Tabellen einzufügen, insbesondere
sollen sich die von Dr. (Johann) Himmel empfohlenen Tabellen des Rektors des Gymnasiums
zu Halle, „Gibentius“ (d. i. Christian Gueintz, s. Anm. 3), dazu anbieten. Nach
der unbekannten Antwort Hortleders nimmt Hz. Ernst im vorliegenden Brief aufgrund
der angekündigten hohen Kosten Abstand von einem Druck der Cramerschen Tabellen; || [
539]
sie sollen stattdessen abgeschrieben und in dieser Form seinem Exemplar der
Officia eingefügt
werden.
Der Name „Gibentius“ meint den Rektor des Akademischen Gymnasiums
zu Halle (1627–1650), Christian Gueintz(ius) (FG 361; 1641), der von 1619–
1622 aktiv an den seit 1617/ 1618 organisierten Schulreformen Wolfgang Ratkes und Johannes
Kromayers (1576–1643) in Köthen und Weimar mitgewirkt hatte, an welchen
Hz. Ernst bei seinen eigenen landesherrlichen Schulreformen der 30er Jahre in Franken
und Weimar und vollends der 40er Jahre in Gotha anknüpfte (vgl. 340604). In den späten 20er und frühen 30er Jahren war Hz. Ernst einer der Hoffnungsträger Gfn. Anna Sophias
v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) bei ihrem Bemühen, Wolfgang Ratke und seine
Reformdidaktik zu fördern. Vgl. 290120 K 13, aber auch 300426 K 12. — Das im Brief
genannte Werk „deß
Gibentij“ ist: CHRISTIANI GUEINZI CICERONIANI OPERIS
Totius ANALYSIS DICHOTOMICA GENERALIS. Cui Adjuncti Aphorismi ex libro I.
Officiorum JOHANNIS ÆSCHARDI. (Halle: Michael Oelschlegels Erben 1629: Christoph
Salfeld); HAB: Lh 694. Nach der Widmung an die Schüler des Gymnasiums zu
Halle und einer Übersicht über Ciceros Werke folgt Gueintz’ Darstellung von Aufbau
und Inhalt der ciceronischen Werke in insgesamt zwanzig Sektionen mit jeweils zwanzig
Thesen, zu denen je drei Begründungen geboten werden. Jede Sektion ist schematisch
(aber nicht als Stemma) aufgebaut, Thesen und Begründungen sind knapp in je einen
Satz gefaßt. Sectio IV etwa behandelt die Gerechtigkeit (Justitia) als die erste oder vornehmste
Tugend. Die erste These erklärt dazu, die Gerechtigkeit stehe allen ethischen
Tugenden vor, und wird sogleich mit drei Sätzen a, b und c begründet. Ebenso die zweite
These, die bestimmt, daß die drei Prinzipien des Rechts (Jus), ehrenvoll zu leben, niemanden
zu beleidigen und jedem das Seine zuzubilligen, nicht der Natur, sondern der
,zweiten Natur‘ (also der Kultur des Menschen) entstammen und zugehören. Auch hierfür
werden drei Begründungssätze a bis c vorgebracht, u. s. f. Auf diese Weise wird Ciceros
Werk zwar nicht, wie sonst bei Gueintz häufig anzutreffen, etwa in seinem
Deutscher
Sprachlehre Entwurf von 1641, in (durch den Leser schwer nachvollziehbarer) voranschreitender
Zergliederung dichotomisiert, sondern in ein übersichtliches, hierarchisch
geordnetes Kompendium definitorischer Sätze gebracht; ein Sachregister am Schluß erleichtert
das Auffinden gesuchter Begriffe und Zusammenhänge. — Auch wenn der Korrespondenzzusammenhang
(Hz. Ernsts Brief vom 6. 3. 1635, s. Anm. 2) nicht zu der Annahme
verleitet, des Herzogs Initiative habe auf die Erstellung eines neuen geeigneten
Lehrwerks über Ciceros
De officiis zu Unterrichtszwecken abgezielt (auszuschließen ist
dies allerdings auch nicht), so begegnet mit der tabellarischen Methode der Lehrstoff-
Darbietung doch ein wesentliches Merkmal ratichianischer Lehrmittel-Didaktik. Schon
in den beiden von Johannes Kromayer (1576–1643) — s. 180508 K 8 u. K 10, 270406 K
13, 280616 K 4, 290120 K 2, 340604 K 2 — stammenden Schulschriften, seiner Weimarer
Erstlingsschrift von 1614 an Hz. Dorothea Maria v. Sachsen-Weimar und seiner weimarischen
Schulordnung von 1617, spielte Cicero eine markante Rolle. (Übrigens wurde
Kromayer 1617 von Hz. Johann Ernst d. J. die Schulinspektion und die Einführung des
neuen Lehrverfahrens offiziell aufgetragen.) — Diese Schulordnung löste ältere Regelungen
und Stundenpläne von 1562 und 1610 (s.
Weniger, 248ff.) ab und wurde ihrerseits
1644 und 1670 durch eine neue ersetzt, die die ratichianische Lehrart Kromayers im
doppelten Sinne ,aufhob‘ (vgl. 340604 K 2). In Kromayers „EndWerffung des Methodi
in allen Disciplinen vnd sprachen, Anno 1614. 20. Augusti“, die sich auf „Particular-
Schulen“ und Universitäten bezieht, wird in Kapitel 4 zu den Partikularschulen festgelegt,
wie nach dem anfänglichen, auf Terenz und die Grammatik gestützten Elementarunterricht
des Lateinischen „die lateinische Sprache aus dem Cicerone immer vollkommener“
gemacht werden soll. Dazu sind in erster Linie die
Epistolae familiares geeignet.
Nach einem Jahr dieses Aufbauunterrichts seien dann die Lateinkenntnisse der Schüler
durch weitere Texte zu vertiefen, als deren erster „die Officia Ciceronis, mit etwa einen
kurtzen Commentario“ empfohlen werden. Im weiteren Schul-Curriculum sind schließ- || [
540] lich
auch Ciceros Werke zur
ars rhetorica vorgesehen. (Die
EndWerffung aus der damals
in der Herzoglichen Bibliothek Gotha bewahrten Hs. veröffentlicht in: Ludwig Weniger
(Hg.): Johannes Kromayers Weimarische Schulordnungen von 1614 und 1617. Wissenschaftliche
Beilage zu den Jahresberichten des Weimarischen Gymnasiums von 1900 und
1901. Weimar 1900, 5ff., Zitate S. 15f.). — Einen ähnlichen Lehrplan entwirft auch die
„Form vnd weise Nach welcher die ordtnung der lectionum in der Weimarischen Schuel
allhier [d. i. das Gymnasium zu Weimar], der neuen Lehrarth gemeß, ietzigem Zustandte
nach, in vorbesserung vnnd richtigkeit könne gebracht werden ... Auff ... befehlich
... Herrn Johann Ernstens des Jüngern, Herzogen zu Sachsen ... auffgesetzet den
10. 11. 12. 14. 16. 17. Novembris vnnd vbergeben Ao. etc. 1617.“ Hier folgt dem
Deutschunterricht der zwei untersten („deutschen“) Klassen 6 und 5 in Klasse 4 der lateinische
Elementarunterricht, wiederum mit der Kombination von Terenz und einer einfachen,
klar gegliederten lateinischen Grammatik. Die dritte Klasse („classis Ciceroniana“)
widmet sich neben der Übung und Vertiefung der Grundkenntnisse der Erlernung
der sprachlichen Eleganz des Lateinischen. Auch hier sind Ciceros Briefe (
Ad familiares
u. a.) für die Lektüre und Bearbeitung vorgesehen, ferner „die officia Ciceronis“ u. a. In
der Prima, die sich der Rhetorik, Logik, Philosophie, dem Hebräischen und der Theologie
zu widmen hat, wird auch Ciceros Rednerkunst im Unterricht behandelt. (Auch
diese Schulordnung aus der Hs. veröffentlicht in Weniger, a. a. O., 29ff.). Es sind vorab
die Dorf- oder Landschulen, die in Kromayers Weimarer Schulordnung von 1619 behandelt
werden: Bericht vom newen Methodo: Wie es in den Schulen des Weymarischen
Fürstenthumbs, mit Unterweisung der Jugend gehalten werden soll. Weimar 1619 (gedruckt
in: Evangelische Schulordnungen im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Hg. Reinhold
Vormbaum. 3 Bde. Gütersloh 1860–1864, II, 215–260). Der Lateinunterricht in den höheren
Schulen beginnt auch hier mit Terenz und der Grammatik und sieht andere Autoren
wie „Cicero, Virgilius etc.“ erst im Aufbauunterricht vor, auf den nicht näher eingegangen
wird (S. 240–247). — Um 1620 hält ein weiteres Aktenstück analog fest: „In
quarta Classe tractent Ciceronem ita, ut copiam et elegantiam latini sermonis sibi pueri
comparent.“ (
Weniger, 265). — Fast wörtlich taucht dieser Satz verdeutscht in Kromayers
programmatischer Schulschrift von 1629 auf, die jener auf Befehl Hz. Wilhelms
IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) durchgeführten Unterredung zwischen Hz. Wilhelm und
Hz. Ernst, Friedrich v. Kospoth (s. Anm. 8), Friedrich Hortleder (s. Anm. 1) und anderen
Weimarer Abgeordneten sowie Ratke nebst schwarzburgischen Vertretern vom 21.
bis 24. 1. 1629 in Weimar zugrundelag (vgl. 290120 K 2): „Summarischer Bericht vom
Methodo durch alle Classen“ (FB Gotha: Chart. B 830 F [1]; aus der Hs. in der damaligen
hzl. Bibliothek zu Gotha veröffentlicht in: Ludwig Weniger [Hg.]: Johannes Kromayer.
Zwei Schulschriften von 1629 und 1640. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte
des Weimarischen Gymnasiums von 1906. Weimar 1906). In der geteilten zweiten
oder „Lateinischen Claß“ ist die lat. Sprache zunächst in der Terenz-Lektüre in Verbindung
mit der latein. Grammatik zu lernen (,classis Terentiana‘); im zweiten Teil (,classis
Ciceroniana‘) „sollenn die knabenn ferner lernen
elegantiam et copiam Latinitatis auß
dem
Cicerone“. (Zit. n. Weniger, a. a. O., 5.) Weiter unten heißt es dazu noch einmal:
„Hierauf [dem lat. Elementarunterricht an Terenz und Grammatik] soll folgen
elegantia
et copia latinitatis ex Cicerone et Plauto, darvon
specialius Zuberathen itzo nicht Zeit gewesen
ist“. Der früher angegebene Lernstoff, etwa
Ciceros Officia, wird hier folglich
nicht näher namhaft gemacht. (Die Kromayersche Schulschrift von 1640 kann hier übergangen
werden, da sie nur organisatorische Regeln für die „Anordnung eines Gymnasii“
enthält, a. a. O., 9ff.). Eine Art Zusammenfassung des bis dahin am „Newen Methodo“
Geleisteten stellt Johannes Kromayers Druckschrift von 1629 dar: METHODUS
SCHOLARUM im Fürstenthumb Weymar. Weimar [1629:] Johann Weischner (Factor
der fürstl. Druckerei). HAB: 240. 61 Quod. (13). Zu Cicero wird hier nichts mitgeteilt.—
Weder in der
EndWerffung von 1614 noch im
Summarischen Bericht von 1629 und der || [
541]
Schulordnung von 1617 mit ihrem angehängten „Vorzeuchnusz derer bücher, welche zu
obbeschriebener schuelordnung gehörigk“ (a. a. O., 53f.), das insgesamt 26 Lehrwerke
aufführt, werden Schul-Ausgaben zu Cicero angeführt. Es heißt dort lediglich: „Des Ciceronis
bücher kan man entzeln habenn, vnnd was nicht vorhanden soll aufgeleget werden.“
(S. 53). Unter den in der Köthener Offizin seit 1619 gedruckten ratichianischen
Lehrwerken findet sich ebenfalls noch keine Schulausgabe von Ciceros
De Officiis oder
anderen Ciceroniana, wohl aber war dort 1621 ein Druck „Orationes Cicerones cum judicibus“
geplant (
KL I, 270). Vgl.
Conermann: Fürstl. Offizin, 128ff., 172ff.;
Dünnhaupt:
Druckerei, 917ff. Zu Kromayer s. auch Jens Brachmann: Ernst der Fromme und
das „Ambt der Præceptorum vnd Schulmeister“ im 17. Jahrhundert. In: Ernst der
Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer. Wissenschaftl. Beiträge u. Katalog zur
Ausstellung. Hg. Roswitha Jacobsen u. Hans-Jörg Ruge. Bucha bei Jena 2002, 69–78,
73, und a. a. O. (Katalogteil), 349ff.; Franz Josef Hilfenhaus: Die pädagogischen Bestrebungen
Johannes Kromayers. Ein Beitrag zur Geschichte der pädagog. Zustände im
XVII. Jahrhundert. Leipzig 1889; Julius Lattmann: Ratichius und die Ratichianer. Helwig,
Fürst Ludwig und Walther, Kromayer, Evenius und Herzog Ernst; auch Rhenius.
Göttingen 1898, 198–239; Theodor Mahlmann: Johannes Kromayers Wirken f. Schule
und Kirche im frühen 17. Jahrhundert. In: Von der Reformation zur Aufklärung. Vorträge ... anläßlich des 60. Geb. von Martin Schloemann hg. Wilfried Eckey. (Wuppertal
1991), 9–38. — Abschließend sei noch Sigismund Evenius aufgerufen (s. 340604 K 2),
der 1614 für das Gymnasium Halle a. d. S. ein Programm „Formul und Abriß, wie eine
christliche und evangelische Schule wol und richtig anzustellen sei“ aufgesetzt hatte.
Dieses sah eine dreiklassige Volksschule vor, auf welcher das Gymnasium mit sieben
Klassen fußte. Evenius — wie die älteren humanistischen Schulmänner — sah für den lat.
Elementarunterricht noch nicht Terenz, wohl aber ausgewählte Texte verschiedener
klassischer Autoren vor. In der fortgeschrittenen 2. Lateinklasse sollte dann Terenz
ebenso gelesen werden wie „Ciceronis epistolae, officia, orationes“ (zit. n. Lattmann, a.
a. O., 151); im Hinblick auf die Lektüre Ciceros im fortgeschrittenen Lateinunterricht
herrschte demnach auch unter den Reformpädagogen Einigkeit. Gegen große und zähe
Widerstände vermochte sich Evenius in Halle mit seinen Reformvorstellungen durchzusetzen,
bis er 1622 nach Magdeburg wechselte. S. 340604 K, vgl. Lattmann, 140ff.
Andreas Cramer (1582–1640), nach dem Theologiestudium in Helmstedt seit 1607 Rektor
der Schule zu Quedlinburg, von 1613/ 1615 bis 1631 Geistlicher bei bzw. in Magdeburg,
auch Scholarch und Beisitzer des Konsistoriums dort. Nach seiner Flucht aus der
zerstörten Stadt 1631 Superintendent in Mühlhausen. In Magdeburg waren der fundamentalistisch
eingestellte Lutheraner Cramer und seine Partei 1622 in eine heftige Kontroverse
u. a. mit dem Rektor des dortigen Gymnasiums, Sigismund Evenius — Freund
und Mitarbeiter Ratkes (s. Anm. 3 sowie 270406 K 18, 280122 K II 1) — verwickelt. Vgl.
270406 K 18;
ADB IV, 545f.;
DBA 205/ 12–18. Noch vor dem Streit mit Evenius u. a.
kompilierte Cramer ein auf die Logik abgestelltes Werk: M. TULLII CICERONIS Libri
De Officiis, DIALOGI DE SENECTUTE ET AMICITIA, CUM PARADOXIS ET
SOMNIO SCIPIONIS, Synopticis illustrati Tabellis: Quæ non tantum artificium logicum
delineant, sed totam commentationem Ciceronianam ita illustrant, ut ... studijs
Scholasticæ juventutis non parum utilitatis adferant ... Studio & Opera M. Andreæ Crameri,
Pastoris & Scholarchæ Magdeburgici. (Magdeburg: Ambrosius Kirchner 1618:
Andreas Betzel). HAB: Lh 497. 8°, 8 Bl., 450 S., 3 Bl. (Weitere Exemplare lt. VD 17:
ULB Halle: AB 65731 [(3) Bl. am Ende fehlen]; FB Gotha: Phil. 8° 78a/2 [1] [Titelbl.
fehlt].) Das Widmungsschreiben an Joachim Mynsinger v. Frundeck ist datiert Magdeburg,
5. 8. 1618. Im Vorwort an den Leser berichtet Cramer, er habe im schrecklichen
Pestjahr 1611 mit den wenigen übriggebliebenen Schülern zu Quedlinburg „Ciceronianam
de officiis commentationem cum duobus annexis dialogis intra paucos menses percurri,
& in tabellis artificium logicum rudi potius Minerva delineavi, quam vivis coloribus || [
542]
depinxi. Has igitur tabulas Ciceronianæ commentationi suis insitas locis publicare volui,
tum literatorum quorundam suasu inductus, tum ut scholæ nostræ, cujus inspectio mihi
demandata, usibus quantum possum, inservirem.“ (Bl. A 5r.) Es folgt eine Aufzählung
der Vorzüge der Tabellen: die leichtere Faßlichkeit des Stoffes, die erhöhte Memorabilität
u. a. m. Der Name Ratke (oder anderer Mitarbeiter am Ratkeschen Reformwerk)
fällt nicht. Der Haupttext bietet tabellarische Gliederungen des Gegenstandes — die drei
Bücher Ciceros
De officiis — nebst Erläuterungen, beginnend mit einer Tafel über den
allgemeinen Aufbau der drei Bücher sowie über deren Lehrinhalte („Synopsis Trium Librorum
De Officiis Ciceronis, Tabula generalis“, S. 7), und schreitet im folgenden zum
immer Spezielleren und Kleingliedrigeren vor. S. 17 etwa finden wir die Tafel über das
erste Buch „de honesto“; S. 18ff. wird zur Tafel über die Quelle der Ehrbarkeit, ihre
Verteilung und die einzelnen Bestandteile fortgeschritten bis Klugheit, Gerechtigkeit
und Freiheit behandelt werden usw. (S. 116 beginnen die Tafeln/ Erläuterungen zum
zweiten Buch der
Officia, S. 181 zum dritten Buch [bis S. 263].) Dieselbe Bearbeitung
erfahren dann die im Titel angezeigten anderen Werke Ciceros, der Dialogus de Senectute
sive
Cato Major (S. 264–316),
de Amicitia sive Laelius (317–402),
die Paradoxa Sex ad
M. Brutum (403–435),
De Scipionis somnio ex Libro sexto de Republica (436–450). Philipp
Melanchthons Ekloge auf die
Officia Ciceronis (S. [451]–[454]) schließt das Buch
ab. — Im selben Jahr ist von Andreas Cramer die „Deutliche/ Richtige/ vnd Wolgemeinte
Anleitung Wie die Zarte Jugendt von Kindt auff in Gottes Furcht/ Künsten/ vnd
Sprachen/ recht wol/ vnd Förmlich könne erzogen vnd ad Academica studia præpariret
werden: Mit beygefügten gleichmessigen bedencken Dn. DAVIDIS VVOLDERI. M.
SOPHONIÆ HASENMULLERI. M. JOHANNIS RHENII. Item: Magni PETRI RAMI,
Professoris Regij. (Magdeburg: Ambrosius Kirchner 1618: Andreas Betzel); HAB:
Q 101. 8° Helmst. [1] und Pa 93. 1622 wurde dieser Titel erneut in Magdeburg aufgelegt
(HAAB Weimar). In der Vorrede und im Haupttext taucht Ratkes Name oder der seiner
Mitarbeiter nicht auf. Gelegentlich sind im Text stemmatisierte Tafeln eingestreut (S.
92f., 101f., 104f. u. ö.). S. 149–173: „PETRI RAMI DE JUVENTUtis informatione judicium
ex oratione anno 1550 d. 15. Cal. Martij coram Senatu Parisiensi habita“. In der
Logik des Pierre de La Ramée könnte vielleicht eine Wurzel der Cramerschen Dichotomien
zu suchen sein. Diese Methode der begrifflichen Aufgliederung ist allerdings auch
von anderen, namentlich von dem Straßburger Schulmann Johannes Sturmius, geübt
worden.
Anstehen, v., im Fnhd. mit einem auffallend heterogenen Bedeutungsfeld.
Es meint auch unterbleiben, von etw. abstehen oder absehen, etw. unterlassen oder auf
sich beruhen lassen. Möglicherweise kommt hier aber auch die Bedeutung etwas verzögern, aufhalten, aufschieben zum Tragen. Vgl.
Baufeld, 11;
Frnhd. Wb. I, 1483–1487,
hier 1485f.;
Götze, 11 (s. v. „anstand“), 12 (s. v. „anste[he]n“).
Das genannte „
exemplar“
(von Ciceros
De officiis) kann nur jenes sein, welches Hz. Ernst Hortleder mit der
Bitte geschickte hatte, die gedruckten Tabellen über Ciceros Werk an den entsprechenden
Stellen einzufügen und es ihm dann, in schwarzes Leder gebunden, zurückzusenden.
S. Anm. 2.
Unter den „beiderley
officia“ ist neben Hz. Ernsts persönlichem Exemplar,
das er zuvor an Hortleder geschickt hatte (s. Anm. 6), wohl auch Cramers Kompilationswerk
(s. Anm. 4) zu verstehen, das er ebenfalls zuvor überschickt haben muß. Ein
neuerlicher Separatdruck der dort eingearbeiteten Tabellen wurde anscheinend von
Hortleder als zu kostspielig eingeschätzt.
Friedrich v. Kospoth (FG 55), langjähriger
sachsen-weimarischer Geheimer Kammerrat, Regierungsdirektor und Hofrichter,
war am 9. 6. 1632 verstorben. Kospoth war zur Zeit der ratichianischen Reformen in Köthen
und Weimar (s. Anm. 3) der für die weimarischen Subsidien zuständige Beamte.
Die Witwe, eine ehemalige anhalt-zerbstische Kammerjungfer, war Catharina, geb. von
Zerssen (1594–1676). Vgl.
ConermannIII, 59f. und die Leichenpredigt von Theophilus
Colerus: Der Herrliche und Unaussprechliche Wechsel/ Welchen es mit den Gläubigen
Kindern Gottes ... haben soll ... Als ... Fr. Catharinen/ von Zerßen ... Herrn Friederi- || [
543] chen von Koßpoth ... HochFürstlichen Sächsischen Weymarischen Geheymten Cammer-
Rathes und
Directoris der Regirung daselbst/ hinterlaßenen Seligen Frau Wittwen
... zu St. Michaelis/ in Jena/ den
12. Novembris . . .
Anno 1676. ... beygesetzet wurde ...
außgeleget. Jena 1677 (HAB: LP Stolberg 14642). Lebenslauf S. 24ff. Die Witwe hatte
übrigens einen Tag nach dem Tod ihres Mannes, am 10. 6. 1632, Ratke persönlich zu
den Beisetzungsfeierlichkeiten für den 27. 6. auf das Jenaer Schloß gebeten. S. ihren
Brief d. d. 10. 6. 1632, FB Gotha: Chart. B 856 (Nr. 38), Bl. 72r–73v.
Welche Titel
der zoologischen Arbeiten des Ulisse Aldrovandi (1522–1605) Hz. Ernst einst Kospoth
vermacht hatte, läßt sich nicht mehr genau nachweisen. In der FB Gotha findet sich noch
die dreiteilige
Ornithologiae hoc est, de avibus historiae libri XII von 1610–1613 (bei Bassaeus
in Frankfurt erschienen; FB Gotha: Math. 2° 139/3 (1,1–1,3); auch HAB: Nx 2° 4
[3]). Der eigenhändige Schenkungseintrag Hz. Ernsts befindet sich im ersten Teil dieses
Werks: VLYSSIS ALDROVANDI | PHILOSOPHI AC | MEDICI BONONIENSIS, |
Historiam Naturalem in Gymnasio Bononiensi profitentis, | ORNITHOLOGIÆ | HOC
EST, | DE AVIBVS HISTORIÆ | Libri XII. ... Adiectus est INDEX geminus: alter Capitum;
alter | Rerum & Verborum. | Cum gratia & priuilegio Sacr. Cæs. Maiest. | FRANCOFVRTI,
| Typis Wolffgangi Richteri, sumptibus heredum | Nicolai Bassæi. | [Linie] |
M. DC. X. (FB Gotha: Math 2° 139/3 (1,1). Der Eintrag des Herzogs auf der Innenseite
des Vorderdeckels lautet: „Dis buch habe ich den 2
Novemp Anno 1625 dem von Kospott
als vnsern Cammer Raht vnd lieben getreuen in seine
bibliotheck Genedieg ver Ehrett
meiner im besten darbey zu gedencken geschehen in der Cammerstuben in vnserm Schlos
alhir zu Weimar Ernst hzSachssen mpp.“ Vgl. zu Aldrovandis
Ornithologia auch Claus
Nissen: Die illustrierten Vogelbücher. Ihre Geschichte und Bibliographie. Stuttgart
1953, S. 82; zum Sprach- und Schriftforscher s. Jacques Hellemans: Ulyssis Aldovandi.
Bibl(i)ologia. In: Revue de bibliologie: schéma et schématisation. 39 (1993), 19–25. —
Da Hz. Ernst im vorliegenden Brief ausdrücklich von Aldrovandis „
de Animalibus,
piscibus
et de insectis, welcher in zweyen band
en, vnd braun leder gebund
en“, bzw. von „bücher[n]“ spricht, mögen auch Aldrovandis
De reliquis animalibus exanguibus libri 4 (Bologna
1606, HAB: Nh 2° 11, u. ö.),
De piscibus libri V et de cetis lib. I (Bologna 1613,
HAB: 12 A Phys. 2°, u. ö.) und
De animalibus insectis libri septem (Frankfurt 1618, HAB:
Nx 2° 4 [1], u. ö.) in den genannten zwei Bänden mit eingebunden gewesen sein.