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350312 Herzog Ernst I. von Sachsen-Weimar(-Gotha) an Friedrich Hortleder
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Herzog Ernst I. von Sachsen-Weimar(-Gotha) an Friedrich Hortleder


Hz. Ernst I. v. Sachsen-Weimar(-Gotha) (FG 19) nimmt aufgrund der von Friedrich Hortleder (FG 343; 1639) angekündigten hohen Kosten Abstand von seinem Auftrag, Andreas Cramers tabellarische Übersichten zu Ciceros De officiis drucken (und in sein zuvor überschicktes Exemplar des ciceronischen Buches einfügen) zu lassen. Cramers Tabellen sollen stattdessen abgeschrieben und auf diese Weise in besagtes Exemplar eingebracht werden. Deshalb möge Hortleder dieses und Cramers Buch an den Fürsten zurücksenden. Wenn Hortleder das Werk des Gymnasialrektors zu Halle, Gibentius (Christian Gueintz[ius]; FG 361; 1641), in der in Aussicht gestellten Weise besorgen könnte, möge es allerdings gern zu dem erwähnten Zweck gedruckt werden. — Vor einiger Zeit habe er, Ernst, dem inzwischen verstorbenen Kammerrat (Friedrich v.) Kospoth (FG 55) Werke des (Ulisse) Aldrovandi über Tiere, Fische und Insekten in zwei in braunes Leder gebundenen Bänden verehrt. Hortleder möge Kospoths Witwe (Catharina, geb. v. Zerssen) bitten, ihm die Bücher für eine gewisse Zeit zu leihen, da darin etwas nachzuschlagen sei. Sie sollen gewiß unversehrt zurückgegeben werden. || [537]

Beschreibung der Quelle


Q Thür. HSTA Weimar: Hortlederiana Fasc. VII. 22, Bl. 117rv [A: 117v]; Schreiberh. mit eigenh. Unterschrift.

Anschrift


A Dem Hochgelahrten Vnserm Rhat vnd lieben getreuen herrn Friderich Hortlädern.1

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Von Gottes gnaden Ernst hertzog zu Sachsen, Gülch Cleue, vnd Berg etc.

Hochgelahrter, Rhat, vnd lieber getreuer, Wir haben Eur Vmbstendliche relation betreffende die tabellas vber die officia Ciceronis, vernommen,2 ists müglich daß wir deß Gibentij Rectoris Hallensis3 vff dise maß wie Jhr andeutet habhafftig werden können, wollen wir solches gerne sehn. Deß Crameri4 aber tabellen weiln sie so hoch ins gelt lauffen, wollen wir nunmehr anstehen5 , vnd die selben abschreiben lassen, also daß wir sie in daß kleine vberschikte exemplar6 an gehörige ort können inseriren: Zu dem Ende Jhr vnß beiderley officia7 wider zu rukh senden wollet.
Nechst deme erinnern wira vnß daß vor disem wir dem seelig verstorbenen CammerRath dem Von Cospott8 , Einen Authorem verehret Namens Aldrovandus de Animalibus, piscibus et de insectis, welcher in zweyen banden, vnd braun leder gebunden:9 in deme wolten wir gerne lassen was nachschlagen. Begeren derowegen an Euch, Jhr wollet mit der wittib reden, daß sie vnß solche bücher vff eine wenige zeit wolle leihen, welche wir Jhr vnversehret als denn wider vberschiken wollen. Daran verbringt Jhr vnsere meinung vnd wir seind Euch mit gnaden wol beygethan. Datum Weinmar am 12. Martij Ao. 1635.

Ernst hzSachssenmp

Textapparat
a Der am Beginn mit einem Aufwärtshaken versehene Strich wurde als Absatzmarkierung aufgefaßt und umgesetzt.

Kommentar
1 Friedrich Hortleder (FG 343; 1639), hzl. sachsen-weimarischer Hofrat, Archivar und Historiker, auch ehedem Präzeptor der Herzöge von Sachsen-Weimar inklusive des Briefschreibers, Hz. Ernsts I. v. Sachsen-Weimar(-Gotha) (FG 19). Zu erinnern ist im vorliegenden Zusammenhang v. a. daran, daß die Herzöge Johann Ernst d. J. und Friedrich v. Sachsen-Weimar (FG 3 u. 4) im Juni 1608 mit Friedrich Hortleder als Erzieher und Lehrer (und Caspar v. Teutleben [FG 1] als Hofmeister) nach Jena zogen und dort bis 1613 Hortleders Unterricht genossen. Auf dem Lehrplan standen in der fortgeschrittenen Unterrichtsphase im Lateinischen u. a. ausgewählte Stellen aus „Cicero de officiis und epistolae familiares“. S. Moriz Ritter: Friedrich Hortleder als Lehrer der Herzoge Johann Ernst und Friedrich v. Sachsen-Weimar. In: Neues Archiv f. Sächsische Geschichte und Alterthumskunde. 1 (1880), 188–202, 193; Andreas Klinger: Geschichte als Lehrstück — Friedrich Hortleders Darstellung des Schmalkaldischen Krieges. In: Der Schmalkaldische Bund u. die Stadt Schmalkalden. Hg. Verein f. Schmalkaldische Geschichte u. Landeskunde e. V. Schmalkalden 1996, 101–111, 102f. Vgl. auch Conermann III, 20f. u. 392f.; ferner K. E. Reimann: Wo ist Friedrich Hortleder geboren? In: Neues Archiv f. Sächs. Geschichte. 24 (1903), 174–178. Als Herausgeber der großen Aktensammlung über den Schmalkaldischen Krieg und die Reichsgeschichte in der Mitte des || [538] 16. Jahrhunderts lieferte Hortleder den Ernestinern die für das Verständnis ihrer Hausgeschichte (Übergang der Kurwürde an die Albertiner) und für ihre Parteinahme im Dreißigjährigen Krieg maßgeblichen Informationen und Motive. Hortleders gelehrtem Rat vertrauten sich die Herzöge und deren Verwandte auch in vielen anderen Belangen an. Vgl. z. B. 290120 und einen Brief Hortleders an Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar (FG 30) vom 28. 9. 1635 über nicht näher bestimmte, vom Herzog verlangte historische Auskünfte. FB Gotha: Chart. A 392, Bl. 68f. Nach seiner Aufnahme in die FG (s. 390826; KE, 37–39) sandte F. Ludwig Hortleder d. d. 3. 9. 1639 die aus dem Französischen des Jean Du Bec-Crespin übersetzte Denckwürdige Geschichte/ Des grossen Tamerlanis (1639; s. Conermann: Ludwig und Christian II. von Anhalt, 460ff.) und Martin Opitz’ (FG 200) Ausgabe des Annolieds (Dünnhaupt: Handbuch, 3071), erhoffte sich auch Hortleders Hilfe bei der Erklärung der Sprache des frühmittelhochdeutschen Gedichts. Vgl. KE, 39f.
2 Hz. Ernsts Anliegen zu Eingang des vorliegenden Briefes erhellt aus seinem vorangehenden Brief an Hortleder, d. d. Weimar 6. 3. 1635, a. a. O., Bl. 121rv, zu dem sich Hortleders Antwortschreiben mit der angesprochenen „vmbstendlichen relation“ nicht erhalten hat. Der Brief des Herzogs lautet: „Wir möchten gerne sehen, daß M. Andreæ Crameri Past. & Scholarchæ Magdeburgici vber die officia Ciceronis verfaste kurze tabellen getrucket, vnd in beygefüegtes Exemplar dergestaldt eingeleget würden, daß eine iede tabellam ihr gehöriges ort, wo sich derselben text oder section anfanget, allermaßen es der autor observiret, füeglich eingebracht werden konten, zue dem ende wir dann den Autorem selbsten zu vberschicken vors beste zu sein erachtet, wofern ihr nun solche tabellen der würdigkeit befindet, [folgt: 〈daß dieser costen darauf zuwenden〉] wollet ihr sie ufs ehiste mit einem kleinen litera abtrucken, in das Exemplar einlegen, vnd vnß so dann in schwarz leder gebunden hervberschicken, falß ihr aber andere tabellen, vnd sonderlich wollen vnß des Gibentij Scholæ Hallensis Rect. vom herrn D. himmel sehr commendirt werden, beßer zusein ermeßen würdet, stellen wir zu eurem belieben, ob ihr an statt dieser, andere eligiren vnd dem buchtrucker zustellen wollet[,] nur allein, daß sie succinct vnnd dabey ponderos sein, wie wir sonsten diese in solchem fall dafür halten, vndt könnet ihr vnß den costen bey zufallenheit notificiren [...].“ Notiz am Rand v. anderer (Hortleders?) H.: „Von solchen tabellen müßen in die 20. abtruckh oder mehr gemacht werden“. Der hier genannte Dr. (Johann) Himmel (1581–1642) war seit 1617 Professor der Theologie an der U. Jena u. seit Ratkes Aufenthalt in Jena vom Juli 1628 bis Juni 1631 heftiger Gegner Ratkes. Zudem war er Mitarbeiter und Redakteur am Weimarer Bibelwerk Hz. Ernsts (vgl. dazu 340604 K 2). Vgl. Vogt IV, 46, 52. — Was besagt nun dieser Brief? Hz. Ernst überschickt Hortleder offenbar ein Exemplar einer (uns nicht bezeugten) gedruckten Ausgabe von Ciceros De officiis, an dessen Kapitelanfängen noch zu druckende Tabellen eingefügt werden sollten. Diese Tafeln stammen von dem Magdeburger Pastor und Schulaufseher Andreas Cramer, der sich in Magdeburg 1620–1622 für Ratke eingesetzt hatte. Wenn Cramer nicht später erneut Tabellen zu Ciceros Werk über die Pflichten erstellt hat, so wird es sich bei den genannten Tabellen wohl um jene handeln, die in Cramers ciceronianischem Kompilationswerk M. Tullii Ciceronis libri de officiis, dialogi de senectute et amicitia, cum paradoxis et somnio Scipionis, Synopticis illustrati Tabellis von 1618 (s. Anm. 4) eingearbeitet sind. Es ist wohl dieser Autor und dieses Werk, welche gemeint sind, wenn Hz. Ernst „den Autorem selbsten“ mitzuschicken ankündigt. Wenn die Tabellen gedruckt und eingefügt seien, so Hz. Ernst weiter, möge ihm Hortleder das um die Tabellen ergänzte Exemplar in kleiner Type drucken und in schwarzes Leder binden lassen und zurücksenden. Es stehe aber Hortleder frei, ggf. andere, jedoch kurze und inhaltsschwere Tabellen einzufügen, insbesondere sollen sich die von Dr. (Johann) Himmel empfohlenen Tabellen des Rektors des Gymnasiums zu Halle, „Gibentius“ (d. i. Christian Gueintz, s. Anm. 3), dazu anbieten. Nach der unbekannten Antwort Hortleders nimmt Hz. Ernst im vorliegenden Brief aufgrund der angekündigten hohen Kosten Abstand von einem Druck der Cramerschen Tabellen; || [539] sie sollen stattdessen abgeschrieben und in dieser Form seinem Exemplar der Officia eingefügt werden.
3 Der Name „Gibentius“ meint den Rektor des Akademischen Gymnasiums zu Halle (1627–1650), Christian Gueintz(ius) (FG 361; 1641), der von 1619– 1622 aktiv an den seit 1617/ 1618 organisierten Schulreformen Wolfgang Ratkes und Johannes Kromayers (1576–1643) in Köthen und Weimar mitgewirkt hatte, an welchen Hz. Ernst bei seinen eigenen landesherrlichen Schulreformen der 30er Jahre in Franken und Weimar und vollends der 40er Jahre in Gotha anknüpfte (vgl. 340604). In den späten 20er und frühen 30er Jahren war Hz. Ernst einer der Hoffnungsträger Gfn. Anna Sophias v. Schwarzburg-Rudolstadt (TG 1) bei ihrem Bemühen, Wolfgang Ratke und seine Reformdidaktik zu fördern. Vgl. 290120 K 13, aber auch 300426 K 12. — Das im Brief genannte Werk „deß Gibentij“ ist: CHRISTIANI GUEINZI CICERONIANI OPERIS Totius ANALYSIS DICHOTOMICA GENERALIS. Cui Adjuncti Aphorismi ex libro I. Officiorum JOHANNIS ÆSCHARDI. (Halle: Michael Oelschlegels Erben 1629: Christoph Salfeld); HAB: Lh 694. Nach der Widmung an die Schüler des Gymnasiums zu Halle und einer Übersicht über Ciceros Werke folgt Gueintz’ Darstellung von Aufbau und Inhalt der ciceronischen Werke in insgesamt zwanzig Sektionen mit jeweils zwanzig Thesen, zu denen je drei Begründungen geboten werden. Jede Sektion ist schematisch (aber nicht als Stemma) aufgebaut, Thesen und Begründungen sind knapp in je einen Satz gefaßt. Sectio IV etwa behandelt die Gerechtigkeit (Justitia) als die erste oder vornehmste Tugend. Die erste These erklärt dazu, die Gerechtigkeit stehe allen ethischen Tugenden vor, und wird sogleich mit drei Sätzen a, b und c begründet. Ebenso die zweite These, die bestimmt, daß die drei Prinzipien des Rechts (Jus), ehrenvoll zu leben, niemanden zu beleidigen und jedem das Seine zuzubilligen, nicht der Natur, sondern der ,zweiten Natur‘ (also der Kultur des Menschen) entstammen und zugehören. Auch hierfür werden drei Begründungssätze a bis c vorgebracht, u. s. f. Auf diese Weise wird Ciceros Werk zwar nicht, wie sonst bei Gueintz häufig anzutreffen, etwa in seinem Deutscher Sprachlehre Entwurf von 1641, in (durch den Leser schwer nachvollziehbarer) voranschreitender Zergliederung dichotomisiert, sondern in ein übersichtliches, hierarchisch geordnetes Kompendium definitorischer Sätze gebracht; ein Sachregister am Schluß erleichtert das Auffinden gesuchter Begriffe und Zusammenhänge. — Auch wenn der Korrespondenzzusammenhang (Hz. Ernsts Brief vom 6. 3. 1635, s. Anm. 2) nicht zu der Annahme verleitet, des Herzogs Initiative habe auf die Erstellung eines neuen geeigneten Lehrwerks über Ciceros De officiis zu Unterrichtszwecken abgezielt (auszuschließen ist dies allerdings auch nicht), so begegnet mit der tabellarischen Methode der Lehrstoff- Darbietung doch ein wesentliches Merkmal ratichianischer Lehrmittel-Didaktik. Schon in den beiden von Johannes Kromayer (1576–1643) — s. 180508 K 8 u. K 10, 270406 K 13, 280616 K 4, 290120 K 2, 340604 K 2 — stammenden Schulschriften, seiner Weimarer Erstlingsschrift von 1614 an Hz. Dorothea Maria v. Sachsen-Weimar und seiner weimarischen Schulordnung von 1617, spielte Cicero eine markante Rolle. (Übrigens wurde Kromayer 1617 von Hz. Johann Ernst d. J. die Schulinspektion und die Einführung des neuen Lehrverfahrens offiziell aufgetragen.) — Diese Schulordnung löste ältere Regelungen und Stundenpläne von 1562 und 1610 (s. Weniger, 248ff.) ab und wurde ihrerseits 1644 und 1670 durch eine neue ersetzt, die die ratichianische Lehrart Kromayers im doppelten Sinne ,aufhob‘ (vgl. 340604 K 2). In Kromayers „EndWerffung des Methodi in allen Disciplinen vnd sprachen, Anno 1614. 20. Augusti“, die sich auf „Particular- Schulen“ und Universitäten bezieht, wird in Kapitel 4 zu den Partikularschulen festgelegt, wie nach dem anfänglichen, auf Terenz und die Grammatik gestützten Elementarunterricht des Lateinischen „die lateinische Sprache aus dem Cicerone immer vollkommener“ gemacht werden soll. Dazu sind in erster Linie die Epistolae familiares geeignet. Nach einem Jahr dieses Aufbauunterrichts seien dann die Lateinkenntnisse der Schüler durch weitere Texte zu vertiefen, als deren erster „die Officia Ciceronis, mit etwa einen kurtzen Commentario“ empfohlen werden. Im weiteren Schul-Curriculum sind schließ- || [540] lich auch Ciceros Werke zur ars rhetorica vorgesehen. (Die EndWerffung aus der damals in der Herzoglichen Bibliothek Gotha bewahrten Hs. veröffentlicht in: Ludwig Weniger (Hg.): Johannes Kromayers Weimarische Schulordnungen von 1614 und 1617. Wissenschaftliche Beilage zu den Jahresberichten des Weimarischen Gymnasiums von 1900 und 1901. Weimar 1900, 5ff., Zitate S. 15f.). — Einen ähnlichen Lehrplan entwirft auch die „Form vnd weise Nach welcher die ordtnung der lectionum in der Weimarischen Schuel allhier [d. i. das Gymnasium zu Weimar], der neuen Lehrarth gemeß, ietzigem Zustandte nach, in vorbesserung vnnd richtigkeit könne gebracht werden ... Auff ... befehlich ... Herrn Johann Ernstens des Jüngern, Herzogen zu Sachsen ... auffgesetzet den 10. 11. 12. 14. 16. 17. Novembris vnnd vbergeben Ao. etc. 1617.“ Hier folgt dem Deutschunterricht der zwei untersten („deutschen“) Klassen 6 und 5 in Klasse 4 der lateinische Elementarunterricht, wiederum mit der Kombination von Terenz und einer einfachen, klar gegliederten lateinischen Grammatik. Die dritte Klasse („classis Ciceroniana“) widmet sich neben der Übung und Vertiefung der Grundkenntnisse der Erlernung der sprachlichen Eleganz des Lateinischen. Auch hier sind Ciceros Briefe (Ad familiares u. a.) für die Lektüre und Bearbeitung vorgesehen, ferner „die officia Ciceronis“ u. a. In der Prima, die sich der Rhetorik, Logik, Philosophie, dem Hebräischen und der Theologie zu widmen hat, wird auch Ciceros Rednerkunst im Unterricht behandelt. (Auch diese Schulordnung aus der Hs. veröffentlicht in Weniger, a. a. O., 29ff.). Es sind vorab die Dorf- oder Landschulen, die in Kromayers Weimarer Schulordnung von 1619 behandelt werden: Bericht vom newen Methodo: Wie es in den Schulen des Weymarischen Fürstenthumbs, mit Unterweisung der Jugend gehalten werden soll. Weimar 1619 (gedruckt in: Evangelische Schulordnungen im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Hg. Reinhold Vormbaum. 3 Bde. Gütersloh 1860–1864, II, 215–260). Der Lateinunterricht in den höheren Schulen beginnt auch hier mit Terenz und der Grammatik und sieht andere Autoren wie „Cicero, Virgilius etc.“ erst im Aufbauunterricht vor, auf den nicht näher eingegangen wird (S. 240–247). — Um 1620 hält ein weiteres Aktenstück analog fest: „In quarta Classe tractent Ciceronem ita, ut copiam et elegantiam latini sermonis sibi pueri comparent.“ (Weniger, 265). — Fast wörtlich taucht dieser Satz verdeutscht in Kromayers programmatischer Schulschrift von 1629 auf, die jener auf Befehl Hz. Wilhelms IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) durchgeführten Unterredung zwischen Hz. Wilhelm und Hz. Ernst, Friedrich v. Kospoth (s. Anm. 8), Friedrich Hortleder (s. Anm. 1) und anderen Weimarer Abgeordneten sowie Ratke nebst schwarzburgischen Vertretern vom 21. bis 24. 1. 1629 in Weimar zugrundelag (vgl. 290120 K 2): „Summarischer Bericht vom Methodo durch alle Classen“ (FB Gotha: Chart. B 830 F [1]; aus der Hs. in der damaligen hzl. Bibliothek zu Gotha veröffentlicht in: Ludwig Weniger [Hg.]: Johannes Kromayer. Zwei Schulschriften von 1629 und 1640. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresberichte des Weimarischen Gymnasiums von 1906. Weimar 1906). In der geteilten zweiten oder „Lateinischen Claß“ ist die lat. Sprache zunächst in der Terenz-Lektüre in Verbindung mit der latein. Grammatik zu lernen (,classis Terentiana‘); im zweiten Teil (,classis Ciceroniana‘) „sollenn die knabenn ferner lernen elegantiam et copiam Latinitatis auß dem Cicerone“. (Zit. n. Weniger, a. a. O., 5.) Weiter unten heißt es dazu noch einmal: „Hierauf [dem lat. Elementarunterricht an Terenz und Grammatik] soll folgen elegantia et copia latinitatis ex Cicerone et Plauto, darvon specialius Zuberathen itzo nicht Zeit gewesen ist“. Der früher angegebene Lernstoff, etwa Ciceros Officia, wird hier folglich nicht näher namhaft gemacht. (Die Kromayersche Schulschrift von 1640 kann hier übergangen werden, da sie nur organisatorische Regeln für die „Anordnung eines Gymnasii“ enthält, a. a. O., 9ff.). Eine Art Zusammenfassung des bis dahin am „Newen Methodo“ Geleisteten stellt Johannes Kromayers Druckschrift von 1629 dar: METHODUS SCHOLARUM im Fürstenthumb Weymar. Weimar [1629:] Johann Weischner (Factor der fürstl. Druckerei). HAB: 240. 61 Quod. (13). Zu Cicero wird hier nichts mitgeteilt.— Weder in der EndWerffung von 1614 noch im Summarischen Bericht von 1629 und der || [541] Schulordnung von 1617 mit ihrem angehängten „Vorzeuchnusz derer bücher, welche zu obbeschriebener schuelordnung gehörigk“ (a. a. O., 53f.), das insgesamt 26 Lehrwerke aufführt, werden Schul-Ausgaben zu Cicero angeführt. Es heißt dort lediglich: „Des Ciceronis bücher kan man entzeln habenn, vnnd was nicht vorhanden soll aufgeleget werden.“ (S. 53). Unter den in der Köthener Offizin seit 1619 gedruckten ratichianischen Lehrwerken findet sich ebenfalls noch keine Schulausgabe von Ciceros De Officiis oder anderen Ciceroniana, wohl aber war dort 1621 ein Druck „Orationes Cicerones cum judicibus“ geplant (KL I, 270). Vgl. Conermann: Fürstl. Offizin, 128ff., 172ff.; Dünnhaupt: Druckerei, 917ff. Zu Kromayer s. auch Jens Brachmann: Ernst der Fromme und das „Ambt der Præceptorum vnd Schulmeister“ im 17. Jahrhundert. In: Ernst der Fromme (1601–1675). Staatsmann und Reformer. Wissenschaftl. Beiträge u. Katalog zur Ausstellung. Hg. Roswitha Jacobsen u. Hans-Jörg Ruge. Bucha bei Jena 2002, 69–78, 73, und a. a. O. (Katalogteil), 349ff.; Franz Josef Hilfenhaus: Die pädagogischen Bestrebungen Johannes Kromayers. Ein Beitrag zur Geschichte der pädagog. Zustände im XVII. Jahrhundert. Leipzig 1889; Julius Lattmann: Ratichius und die Ratichianer. Helwig, Fürst Ludwig und Walther, Kromayer, Evenius und Herzog Ernst; auch Rhenius. Göttingen 1898, 198–239; Theodor Mahlmann: Johannes Kromayers Wirken f. Schule und Kirche im frühen 17. Jahrhundert. In: Von der Reformation zur Aufklärung. Vorträge ... anläßlich des 60. Geb. von Martin Schloemann hg. Wilfried Eckey. (Wuppertal 1991), 9–38. — Abschließend sei noch Sigismund Evenius aufgerufen (s. 340604 K 2), der 1614 für das Gymnasium Halle a. d. S. ein Programm „Formul und Abriß, wie eine christliche und evangelische Schule wol und richtig anzustellen sei“ aufgesetzt hatte. Dieses sah eine dreiklassige Volksschule vor, auf welcher das Gymnasium mit sieben Klassen fußte. Evenius — wie die älteren humanistischen Schulmänner — sah für den lat. Elementarunterricht noch nicht Terenz, wohl aber ausgewählte Texte verschiedener klassischer Autoren vor. In der fortgeschrittenen 2. Lateinklasse sollte dann Terenz ebenso gelesen werden wie „Ciceronis epistolae, officia, orationes“ (zit. n. Lattmann, a. a. O., 151); im Hinblick auf die Lektüre Ciceros im fortgeschrittenen Lateinunterricht herrschte demnach auch unter den Reformpädagogen Einigkeit. Gegen große und zähe Widerstände vermochte sich Evenius in Halle mit seinen Reformvorstellungen durchzusetzen, bis er 1622 nach Magdeburg wechselte. S. 340604 K, vgl. Lattmann, 140ff.
4 Andreas Cramer (1582–1640), nach dem Theologiestudium in Helmstedt seit 1607 Rektor der Schule zu Quedlinburg, von 1613/ 1615 bis 1631 Geistlicher bei bzw. in Magdeburg, auch Scholarch und Beisitzer des Konsistoriums dort. Nach seiner Flucht aus der zerstörten Stadt 1631 Superintendent in Mühlhausen. In Magdeburg waren der fundamentalistisch eingestellte Lutheraner Cramer und seine Partei 1622 in eine heftige Kontroverse u. a. mit dem Rektor des dortigen Gymnasiums, Sigismund Evenius — Freund und Mitarbeiter Ratkes (s. Anm. 3 sowie 270406 K 18, 280122 K II 1) — verwickelt. Vgl. 270406 K 18; ADB IV, 545f.; DBA 205/ 12–18. Noch vor dem Streit mit Evenius u. a. kompilierte Cramer ein auf die Logik abgestelltes Werk: M. TULLII CICERONIS Libri De Officiis, DIALOGI DE SENECTUTE ET AMICITIA, CUM PARADOXIS ET SOMNIO SCIPIONIS, Synopticis illustrati Tabellis: Quæ non tantum artificium logicum delineant, sed totam commentationem Ciceronianam ita illustrant, ut ... studijs Scholasticæ juventutis non parum utilitatis adferant ... Studio & Opera M. Andreæ Crameri, Pastoris & Scholarchæ Magdeburgici. (Magdeburg: Ambrosius Kirchner 1618: Andreas Betzel). HAB: Lh 497. 8°, 8 Bl., 450 S., 3 Bl. (Weitere Exemplare lt. VD 17: ULB Halle: AB 65731 [(3) Bl. am Ende fehlen]; FB Gotha: Phil. 8° 78a/2 [1] [Titelbl. fehlt].) Das Widmungsschreiben an Joachim Mynsinger v. Frundeck ist datiert Magdeburg, 5. 8. 1618. Im Vorwort an den Leser berichtet Cramer, er habe im schrecklichen Pestjahr 1611 mit den wenigen übriggebliebenen Schülern zu Quedlinburg „Ciceronianam de officiis commentationem cum duobus annexis dialogis intra paucos menses percurri, & in tabellis artificium logicum rudi potius Minerva delineavi, quam vivis coloribus || [542] depinxi. Has igitur tabulas Ciceronianæ commentationi suis insitas locis publicare volui, tum literatorum quorundam suasu inductus, tum ut scholæ nostræ, cujus inspectio mihi demandata, usibus quantum possum, inservirem.“ (Bl. A 5r.) Es folgt eine Aufzählung der Vorzüge der Tabellen: die leichtere Faßlichkeit des Stoffes, die erhöhte Memorabilität u. a. m. Der Name Ratke (oder anderer Mitarbeiter am Ratkeschen Reformwerk) fällt nicht. Der Haupttext bietet tabellarische Gliederungen des Gegenstandes — die drei Bücher Ciceros De officiis — nebst Erläuterungen, beginnend mit einer Tafel über den allgemeinen Aufbau der drei Bücher sowie über deren Lehrinhalte („Synopsis Trium Librorum De Officiis Ciceronis, Tabula generalis“, S. 7), und schreitet im folgenden zum immer Spezielleren und Kleingliedrigeren vor. S. 17 etwa finden wir die Tafel über das erste Buch „de honesto“; S. 18ff. wird zur Tafel über die Quelle der Ehrbarkeit, ihre Verteilung und die einzelnen Bestandteile fortgeschritten bis Klugheit, Gerechtigkeit und Freiheit behandelt werden usw. (S. 116 beginnen die Tafeln/ Erläuterungen zum zweiten Buch der Officia, S. 181 zum dritten Buch [bis S. 263].) Dieselbe Bearbeitung erfahren dann die im Titel angezeigten anderen Werke Ciceros, der Dialogus de Senectute sive Cato Major (S. 264–316), de Amicitia sive Laelius (317–402), die Paradoxa Sex ad M. Brutum (403–435), De Scipionis somnio ex Libro sexto de Republica (436–450). Philipp Melanchthons Ekloge auf die Officia Ciceronis (S. [451]–[454]) schließt das Buch ab. — Im selben Jahr ist von Andreas Cramer die „Deutliche/ Richtige/ vnd Wolgemeinte Anleitung Wie die Zarte Jugendt von Kindt auff in Gottes Furcht/ Künsten/ vnd Sprachen/ recht wol/ vnd Förmlich könne erzogen vnd ad Academica studia præpariret werden: Mit beygefügten gleichmessigen bedencken Dn. DAVIDIS VVOLDERI. M. SOPHONIÆ HASENMULLERI. M. JOHANNIS RHENII. Item: Magni PETRI RAMI, Professoris Regij. (Magdeburg: Ambrosius Kirchner 1618: Andreas Betzel); HAB: Q 101. 8° Helmst. [1] und Pa 93. 1622 wurde dieser Titel erneut in Magdeburg aufgelegt (HAAB Weimar). In der Vorrede und im Haupttext taucht Ratkes Name oder der seiner Mitarbeiter nicht auf. Gelegentlich sind im Text stemmatisierte Tafeln eingestreut (S. 92f., 101f., 104f. u. ö.). S. 149–173: „PETRI RAMI DE JUVENTUtis informatione judicium ex oratione anno 1550 d. 15. Cal. Martij coram Senatu Parisiensi habita“. In der Logik des Pierre de La Ramée könnte vielleicht eine Wurzel der Cramerschen Dichotomien zu suchen sein. Diese Methode der begrifflichen Aufgliederung ist allerdings auch von anderen, namentlich von dem Straßburger Schulmann Johannes Sturmius, geübt worden.
5 Anstehen, v., im Fnhd. mit einem auffallend heterogenen Bedeutungsfeld. Es meint auch unterbleiben, von etw. abstehen oder absehen, etw. unterlassen oder auf sich beruhen lassen. Möglicherweise kommt hier aber auch die Bedeutung etwas verzögern, aufhalten, aufschieben zum Tragen. Vgl. Baufeld, 11; Frnhd. Wb. I, 1483–1487, hier 1485f.; Götze, 11 (s. v. „anstand“), 12 (s. v. „anste[he]n“).
6 Das genannte „exemplar“ (von Ciceros De officiis) kann nur jenes sein, welches Hz. Ernst Hortleder mit der Bitte geschickte hatte, die gedruckten Tabellen über Ciceros Werk an den entsprechenden Stellen einzufügen und es ihm dann, in schwarzes Leder gebunden, zurückzusenden. S. Anm. 2.
7 Unter den „beiderley officia“ ist neben Hz. Ernsts persönlichem Exemplar, das er zuvor an Hortleder geschickt hatte (s. Anm. 6), wohl auch Cramers Kompilationswerk (s. Anm. 4) zu verstehen, das er ebenfalls zuvor überschickt haben muß. Ein neuerlicher Separatdruck der dort eingearbeiteten Tabellen wurde anscheinend von Hortleder als zu kostspielig eingeschätzt.
8 Friedrich v. Kospoth (FG 55), langjähriger sachsen-weimarischer Geheimer Kammerrat, Regierungsdirektor und Hofrichter, war am 9. 6. 1632 verstorben. Kospoth war zur Zeit der ratichianischen Reformen in Köthen und Weimar (s. Anm. 3) der für die weimarischen Subsidien zuständige Beamte. Die Witwe, eine ehemalige anhalt-zerbstische Kammerjungfer, war Catharina, geb. von Zerssen (1594–1676). Vgl. ConermannIII, 59f. und die Leichenpredigt von Theophilus Colerus: Der Herrliche und Unaussprechliche Wechsel/ Welchen es mit den Gläubigen Kindern Gottes ... haben soll ... Als ... Fr. Catharinen/ von Zerßen ... Herrn Friederi- || [543] chen von Koßpoth ... HochFürstlichen Sächsischen Weymarischen Geheymten Cammer- Rathes und Directoris der Regirung daselbst/ hinterlaßenen Seligen Frau Wittwen ... zu St. Michaelis/ in Jena/ den 12. Novembris . . . Anno 1676. ... beygesetzet wurde ... außgeleget. Jena 1677 (HAB: LP Stolberg 14642). Lebenslauf S. 24ff. Die Witwe hatte übrigens einen Tag nach dem Tod ihres Mannes, am 10. 6. 1632, Ratke persönlich zu den Beisetzungsfeierlichkeiten für den 27. 6. auf das Jenaer Schloß gebeten. S. ihren Brief d. d. 10. 6. 1632, FB Gotha: Chart. B 856 (Nr. 38), Bl. 72r–73v.
9 Welche Titel der zoologischen Arbeiten des Ulisse Aldrovandi (1522–1605) Hz. Ernst einst Kospoth vermacht hatte, läßt sich nicht mehr genau nachweisen. In der FB Gotha findet sich noch die dreiteilige Ornithologiae hoc est, de avibus historiae libri XII von 1610–1613 (bei Bassaeus in Frankfurt erschienen; FB Gotha: Math. 2° 139/3 (1,1–1,3); auch HAB: Nx 2° 4 [3]). Der eigenhändige Schenkungseintrag Hz. Ernsts befindet sich im ersten Teil dieses Werks: VLYSSIS ALDROVANDI | PHILOSOPHI AC | MEDICI BONONIENSIS, | Historiam Naturalem in Gymnasio Bononiensi profitentis, | ORNITHOLOGIÆ | HOC EST, | DE AVIBVS HISTORIÆ | Libri XII. ... Adiectus est INDEX geminus: alter Capitum; alter | Rerum & Verborum. | Cum gratia & priuilegio Sacr. Cæs. Maiest. | FRANCOFVRTI, | Typis Wolffgangi Richteri, sumptibus heredum | Nicolai Bassæi. | [Linie] | M. DC. X. (FB Gotha: Math 2° 139/3 (1,1). Der Eintrag des Herzogs auf der Innenseite des Vorderdeckels lautet: „Dis buch habe ich den 2 Novemp Anno 1625 dem von Kospott als vnsern Cammer Raht vnd lieben getreuen in seine bibliotheck Genedieg ver Ehrett meiner im besten darbey zu gedencken geschehen in der Cammerstuben in vnserm Schlos alhir zu Weimar Ernst hzSachssen mpp.“ Vgl. zu Aldrovandis Ornithologia auch Claus Nissen: Die illustrierten Vogelbücher. Ihre Geschichte und Bibliographie. Stuttgart 1953, S. 82; zum Sprach- und Schriftforscher s. Jacques Hellemans: Ulyssis Aldovandi. Bibl(i)ologia. In: Revue de bibliologie: schéma et schématisation. 39 (1993), 19–25. — Da Hz. Ernst im vorliegenden Brief ausdrücklich von Aldrovandis „de Animalibus, piscibus et de insectis, welcher in zweyen banden, vnd braun leder gebunden“, bzw. von „bücher[n]“ spricht, mögen auch Aldrovandis De reliquis animalibus exanguibus libri 4 (Bologna 1606, HAB: Nh 2° 11, u. ö.), De piscibus libri V et de cetis lib. I (Bologna 1613, HAB: 12 A Phys. 2°, u. ö.) und De animalibus insectis libri septem (Frankfurt 1618, HAB: Nx 2° 4 [1], u. ö.) in den genannten zwei Bänden mit eingebunden gewesen sein.
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