K Tobias Hübner (FG 25), der 1619–1631 seine große Übersetzung der
Sepmaines und
anderer Dichtungen von Guillaume de Saluste sieur Du Bartas veröffentlicht und — in
Konkurrenz zu Martin Opitz (FG 200) — den Vorrang bei der Entwicklung des regelmäßigen deutschen Alexandrinerverses beansprucht hatte (vgl. 250110, 250218A u.
310000), war in Dessau am 5. 5. 1636 gestorben (vgl. 360600 II). Zu Saluste sieur Du
Bartas vgl. auch unten K I 2. Fleming stellt in seinem lateinischen Epigramm feierliche
Exequien vor, welche die olympischen Götter dem Toten veranstalten. Wie schon Lappenberg
in seiner Ausgabe der lateinischen Gedichte Flemings (s. Q) S. 572 hervorhob, || [
662] bekam die Gesandtschaft Hz. Friedrichs III. v. Schleswig-Holstein-Gottorf (FG 388;1642) an den russischen Zaren und den persischen Schah (Safi, aus der Safawiden-Dynastie,
regierte als Nachfolger des Schah Abbas I. von 1629–1642) bei Wassiligorod (d.
i. Wasilsursk) an der Wolga am 5. August 1636 Briefe aus Moskau, welche im Mai in
Deutschland abgesandt worden waren. Sie werden u. a. Hübners Tod gemeldet haben.
Vgl. Adam Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen
Reyse. Schleswig 1656. Hg. Dieter Lohmeier. Tübingen 1971 (Deutsche Neudrucke,
Reihe Barock, 21), 210. Es fällt auf, daß das vierte Buch der Sonette in der Ausgabe
J
als Gedichte auf Dichter allein Flemings Sonett auf Hübner und Flemings Grabschrift
auf sich selbst enthält, daß dies auch noch in späteren Ausgaben (
F ,
M) der Fall war,
während Lappenberg in seinem zweiten Buch der deutschen Sonette auch Flemings Gedichte
auf den Tod von Opitz aufnahm (Paul Flemings deutsche Gedichte. Hg. J. M.
Lappenberg [s. oben, Q], I, 457–459, Nr. 9–12). Drei dieser Gedichte waren schon 1641
im
Prodromus, Bl. D iij – [D iiij]r erschienen: „An Deutschlandt/ nach Vernehmung des
Todesfallen Herrn Opitzens“; „Nach Herren Opitzen seinem Versterben“; „Auff eben
desselben seinen Todt/ welcher jhm in der Nagaischen Tartarey kunt gethan ward.“
Zum
Prodromus s. unten K II 4. Fleming hatte den von ihm sehr bewunderten Opitz auch
persönlich im März und Juli 1630 getroffen. Vgl. Opitz’ Eintrag in Flemings Stammbuch
am 31. 7. 1630, in: Paul Flemings deutsche Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg (s. oben, Q),
I, 571 u. 805 (fälschlich April);
Conermann: Opitz auf der Dresdner Fürstenhochzeit, 612
Anm. 65. Außerdem stand Fleming in vielfältigem Kontakt zu Freunden und Nachahmern
des Schlesiers, z. B. Augustus Buchner (FG 362; 1641), Gregor Gloger (1603–
1631) und Bernhard Wilhelm Nüßler. Vgl. dazu auch Buchners Brief an Fleming vom 11.
4. 1632 (HAB: Cod. Guelf. 234 Gud. lat., 133. Veröff. in: Paul Flemings deutsche Gedichte.
Hg. J. M. Lappenberg (s. oben, Q), II, 577f. u. 806f.
Moos, n. Maskulinum
bei Fleming, vgl. Paul Flemings deutsche Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg (s. oben, Q),
I, 102, v. 30; 297, v. 14; 499 (Nr. 17). Vgl. ferner
DW VI, 2518–2521;
Faber/ Buchner I,
Sp. 1370 hat „das Moß“;
Wachter, 1093 (s. v. Mos, keine Genus-Angabe).
Götze, 162
unterscheidet zwischen „das mos“ (Moor) und „der moß“ (obd. Sumpfland),
Stieler,
1294f. „das Mos“ (Moor). — Zum transitiven Gebrauch von fließen („floß“) vgl.
Lexer:
Taschenlex., 291 „vliezen tr. fliessen, sich ergiessen über; wegspülen; schmelzen“ u.
Henisch
I, 1153f. „flössen/ beflössen/ mit dem fluß vbergehn/ sich ergiessen/ außlaufen/
inundare/ exundare [...] Der kalte Schweiß floß oder ran jhm vber den gantzen Leib
hinab“.
Die Schöne, n., d. i. Schönheit.
Baufeld, 210;
Götze, 194.
(Göttin der) Morgenröte.
Cynthius, Beiname des Phoebus Apollo, hier also: die Sonne.
Kasan,
Rußland. Hauptstadt der Tatarischen Republik und des ehemaligen gleichnamigen
tatar. Khanats. Vgl. Olearius: Reisebeschreibung (s. Anm. 1), 347–351 (mit Stadtansicht).
Vor „Casan Tartarorum“ lag das Schiff der Gesandtschaft vom 13. – 15. 8. 1636.
Die Bezeichnung „in Zeremissen“ meint offenbar ein viel größeres Gebiet (s. Wolga-Karte bei Olearius) als das Land der heute im Mari-Gebiet (links der Wolga und nördl.
Kasan) konzentrierten Tscheremissen, eines ostfinnischen Volkes. Vgl. Paul Flemings lateinische
Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg (s. oben, Q), 300 (Epigr. lib. 1, Nr. 52) eine
Oratio pro incolumitate, die Fleming auch Anfang August 1636 schrieb, „In Tartaria
post factam absolutionem.“ Vgl.
Prodromus (1642; s. K II 4), vor Bl. F: „Die Wilden Ceremissen
seind Tärttern 150. Meil hinter der Muskaw/ den Großfürsten von Muskovienn
vnterthan/ Jhre Hauptstadt Cassan vor Zeiten ein eigen Königreich/ ehe es von
den Russen eröbert worden.“
K I
1 In unserem Zusammenhang interessiert vor allem, daß Fleming neben Tobias Hübner
auch Diederich v. dem Werder (FG 31), einer anderen Leitfigur der frühen FG, seinen
Tribut zollte. Er widmete ihm das vierte Buch seiner Sonette (Paul Flemings deutsche
Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg [s. oben, Q], I, 491) und gedachte seiner im No- || [
663] vember 1634 in einem Abschiedsgedicht an einen Reisegenossen, den Nürnberger Patriziersohn
Georg Wilhelm Pömer v. Diepoldsdorff (Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister
des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg. Bayreuth 1748, T.
DLXXXIII B): „Was Opitz hat geschrieben, | was unser Werder singt, das kanst du ohn’
Gefähr | und sagst es ohne Buch auf einen Nagel her.“ (a. a. O., 136). Als Fleming verfrüht aufgrund einer falschen Nachricht schon im Juni 1638 ein Sonett „Nach Herrn
Opitzens seinem Versterben“ schrieb, begann er es mit der Verszeile „Um Werthern hats
Gefahr, von Hübnern lebt sein Tod;“ (a. a. O., 459; Werthern = Werdern). Zu diesem
Vers vermerkt der unten (K II 4) zit.
Prodromus (1642), Bl. [F vj]v: „Werther ein Oberster
vnd trefflicher Deutscher Poet/ wie auch Hubner/ ein Hoffmeister gewesen/ zu Anhalt
bey den Fürsten. Buchner ein trefflicher Poet zu Wittenberg.“ Besonders merkwürdig
ist das bisher nur ungenau datierbare Sonett Flemings auch deshalb, weil Fleming die
Koexistenz (und Ambivalenz) von Rittertum und Gelehrtentum, welches u. a. Hübner in
der Frühzeit der FG in ein Argument für seinen Ruhm verwandelt, thematisiert und für
sich beansprucht hatte (vgl.
DA Köthen I.1, 12ff.), nun als Grund für die Laudatio auf
Diederich v. dem Werder heranzieht.
2 Der erste Vers erinnert an Werders Tasso-Übertragung
Gottfried von Bulljon, Oder Das Erlösete Jerusalem (1626) und sein 100 eigene
Sonette umfassendes Buch
Krieg vnd Sieg Christi (1631). Die von Lappenberg (Paul
Flemings deutsche Gedichte [s. oben, Q], I, 770) vermuteten weiteren Bezüge in Flemings
Sonett auf Werders Werk erweisen sich aus chronologischen Gründen als gegenstandslos.
Allerdings war Werders Rang eines schwed. Obristen (1631–1635) vielleicht
nicht ohne Einfluß auf Flemings Argumentation. Wie genau Fleming Werders Tasso-Übertragung
und Hübners Du Bartas-Übersetzung kannte, ist kaum abzuschätzen. Die
zweite und dritte Strophe seiner Ode „Auf Herrn Timothei Poli Namenstag“ (Paul Flemings
deutsche Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg, I, 370–373, hier 371) läßt vermuten,
daß Fleming auch Hübners und Werders Übersetzungen als Argument dafür ansah, daß
die hochdeutsche (und die sprachlich eng verschwisterte niederländische) Dichtung im
Wettstreit mit neuzeitlicher europäischer Literatur die Vorbilder vereinnahmt und übertroffen
und sogar die Alten „verjüngt“, also gewissermaßen wiedergeboren hatte:
Vnser wird/ was andern war.
Tass/ Torquat/ Petrarche weichen.
Vnsern Deutschen mag nicht gleichen
Bartas/ Sidney/ Sannazar
Wenn Catz/ Heins/ vnd Opitz singen/
So wil gantz nichts frembdes klingen.
Auch das alte wird verjüngt.
Der Pelasger schönes Wesen/
Vnd was Rom zuvor gelesen/
Hört man/ wie mans bey vns singt.
Venus vnd jhr gantzer Orden
Jst nun kurtz auch Hochdeutsch worden.
Hier zit. nach
Prodromus (1642; s. unten K II 4), Bl. Ev. Vgl. Paul Flemings lateinische
Gedichte. Hg. J. M. Lappenberg (s. oben, Q), 347 und Klaus Garber: Paul Fleming in
Riga. Die wiederentdeckten Gedichte aus der Sammlung Gadebusch, in: Chloë 7 (1988),
284. Die „Pelasger“ als älteste Bewohner Griechenlands hier synonym für Griechenland.
K II
1 Paul Flemings Dichtungen. Der Autor der Vorrede bleibt anonym. Nach Heinz
Entner: Paul Fleming. Ein deutscher Dichter im Dreißigjährigen Krieg. Leipzig 1989,
533 ist kaum mehr an Adam Olearius (FG 543; 1651) zu denken.
2 Da die Formulierung
leicht mißverstanden werden kan (oder nach Absicht des Anonymus vielleicht sogar
mißverstanden werden soll), sei ausdrücklich festgestellt, daß Paul Fleming kein Mit- || [
664] glied der FG war. Martin Opitz (FG 200; 1629), Diederich v. dem Werder (FG 31;
1620) und Augustus Buchner (FG 362; 1641) gehörten der FG auch wegen ihrer dichterischen
Leistungen an, jedoch verstand sich die FG weder ausschließlich noch vornehmlich
als eine Gesellschaft der Poeten.
3 Fleming hatte sich 1639 mit Heinrich Niehausens
Tochter Anna verlobt. Er starb aber vor der Heirat. Vgl. Entner (s. Anm. 1).
4 D. Paul
Flemings POetischer Gedichten So nach seinem Tode haben sollen herauß gegeben werden/
PRODROMUS. Hamburg. Gedruckt bey Hans Gutwasser/ in Verlegung Tobiæ
Gundermans Buchhandhändlers
[sic]/ ANNO M. DC. XLII. Yale University Library;
Faber du Faur I, 82f. (Nr. 317), Mikrofilm. Mit einer Vorrede des Adam Olearius aus
Reval, 10. 6. 1641. Druckvariante (lautgleicher Titel) des schon 1641 a. a. O. erschienenen
Werks (SUB Göttingen).
Dünnhaupt: Handbuch, 1492. Mit Lappenberg (Paul Flemings
deutsche Gedichte [s. oben, Q], I, 847), Entner, 532f. und Dünnhaupt datieren
wir trotz der hier naheliegenden Vermutung die Erscheinung der Sammlung Teütsche
Poemata (
J) nicht auf das Jahr 1642 (wie z. B.
Faber du Faur I, 84, Nr. 318), sondern auf
1646. Vgl. Olearius in seiner 1648 datierten Vorrede zu Flemings
Epigrammata latina,
Bl. a 4r (s. o.): „Hinc ante bienniū, me urgente, publici juris fiebant opera ipsius germanica,
quamvis vitio Typographi, valde mendosa; nunc jam prodeunt & latina, (an sorte feliciori,
dubito.) Non quidem omnia simul, sed Epigrammatum tantum libri 12. quippe
præter illos accepimus Sylvarum libros X. suo tempore secuturos.“
5 Während der
Prodromus, die vorliegende Sammelausgabe
J und spätere Ausgaben wie
F und
M Hz.
Friedrich III. v. Schleswig-Holstein-Gottorf (FG 388; 1642), dem Auftraggeber der russisch-
persischen Gesandtschaftsreise (1633–1639), als Ganzes dediziert sind, weisen die
einzelnen Bücher des Werks Widmungen an andere Personen auf, darunter Diederich v.
dem Werder und (nochmals) den erwähnten Herzog (Poet. Wälder I), Hz. August v.
Sachsen-Weißenfels (FG 402; 1643; Poet. Wälder II), Hz. Hans v. Schleswig-Holstein-Gottorf,
Bf. v. Lübeck (FG 286; 1636; Poet. Wälder, Neues Buch), Hans Christoph v.
Uechtritz (FG 392; 1642; Oden I) und Ludwig V. v. der Asseburg („auff Schermicke/
Fürstl. Schleßwig-Holsteinischen Kammer-Juncker zu Gottorff“, 1611–1693; Poet. Wälder
V). Es ist unklar, ob dieser oder der Obrist Ludwig IV. v. der Asseburg (1589–1669)
in die FG (740; 1660) aufgenommen wurden. Dazu bzw. zur Teilnahme an der russ.-
pers. Gesandtschaft schweigt Max Trippenbach: Asseburger Familiengeschichte. Hannover
1915, 261ff. (Ludwig IV.) u. 267ff. Vgl. dort auch S. 271 (Ludwig VI., 1652–1686)
und 271f. Ludwig VII. (1622–1673). Die genannten Zuschriften und die Einteilung der
Gedichtausgabe stammen noch von Paul Fleming. Zu den bis 1649 aufgenommenen Mitgliedern
der FG vgl.
Conermann III, zur literarischen und wissenschaftlichen Kultur am
Hofe Hz. Friedrichs vor allem Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum: Gottorf im
Glanz des Barock. Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713. Kataloge der Ausstellung.
Hg. Heinz Spielmann u. Jan Drees. 4 Tle. Schleswig 1997.
6 Es erschienen
nur 1649 die oben zitierten
Epigrammata latina. S. oben, Q, vgl. Olearius in Anm. 4.