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390125 Diederich von dem Werder an Fürst Ludwig
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390125

Diederich von dem Werder an Fürst Ludwig


Humorvoll beklagt sich Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte), bereits am frühen Morgen von der Post F. Ludwigs (Der Nährende) behelligt zu werden. — Er sendet eine nicht näher bezeichnete Vorrede nach ihrer Überlesung ohne kritische Beanstandungen wieder zurück, ebenso zwei zurückerbetene Zettel, die er auch in Görzig zur Kenntnis gebracht habe. — Nachrichten aus Plötzkau und Bernburg sind ungewiß. — Werder und seine Gemahlin befinden sich wohlauf. Gute Wünsche an F. Ludwig und seine Gemahlin Sophia (AL 1629. TG 38).

Beschreibung der Quelle


Q HM Köthen: V S 544, Bl. 400r–401v [A u. Empfangsvermerk: 401v], 400v u. 401r leer; 401 unterer Blatteil in großen Zacken abgeschnitten, dabei nicht näher bestimmbare spärliche Reste einer groben Tintenzeichnung sichtbar; eigenh.; rotes Lacksiegel. [Handschrift: [Bl. [400r]]

Anschrift


A Dem Nehrenden. Zu handen. Cöthen
Darunter eigenh. Empfangsvermerk F. Ludwigs: 26. Jenners 1639.
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Es ist ein wunder ding1 , das man ein paar geselschafter2 nicht ausschlaffen vndt sich des morgens erst mit einander beriechen3 lassen kan, sondern sie mit einen hauffen schreiben vndt wiederschreiben4 dran verstören mus.
Dieses seindt so aus halbschlaffender
vnbesonnenen vngedult raus-
gestossene worte.

Nein Nein, Es bedancken sich vielmehr beyde Reinsdorfer geselschafter5 für die wohlgemeinte besuchung, wünsche vndt nachricht auf das allerschönste, als man in gantzem Österreich schön dancken könte. Wünschen allen Cöhtnischen geselschaftern6 tausentmahl mehr an leibs vndt gemüts begnügung7 .
  Die vorrede8 ist ohne befindung9 einiger errinnerung durchlesen, Sende sie beneben wiederbegehrten beyden zetteln, so auch zu Görtzig10 gewesen, mit zurück.
  Von zeitungen hatt man zu plötzkaw vndt Bernburg11 noch eben solche vngewisheit, wie diese überschickte.12 Der hauswirdt vndt die hausehre befinden sich eben13 , wie sicha hier hinter klärlich ziemlich ausweiset,14 vndt baden vndt Essen auf der Cöthnischen geselschafter gesundtheit deren aller, insonderheit aber
  Des Nehrenden

  verbleibet willigst zu dienen
  Der Vielgekörnte

Reinsd.b an des vorigen hofpredigers zu Dresden nahmenstag15
25.c Jenners
                                           ümbgewendetd 16 .

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt bis hinter für <inligendes>
b Eingefügt für <Cöthen>
c Vermutlich gebessert aus 2<6>
d Rechts am unteren Seitenrand.

Kommentar
1 Das Simplex verstärkendes Kompositum „wunder ding“. Stieler, 319: „Wunderdinge/ admiranda“. Nach DW XIV.2, 1866 in Glossierungen wie magnalia, jedoch wenig „selbständiger gebrauch“, vgl. insbesondere a. a. O., 1870 „namentlich es ist (ein, kein) wunderding mit abhängigem satz wie gleichbedeutendes es ist (ein, kein) wunder, dasz“. Hier wohl nicht als adjektivisch wunder vgl. a. a. O., 1838 „adj., ‚auszerordentlich‘, ‚wunderlich‘, ‚wunderbar‘. vom ersten drittel des 16. jhs. bis ins späte 17. jh. in mäszigem gebrauch“. A. a. O., 1839: „deutlich als qualitätsbegriff im sinne von ‚wunderbar‘: [...] ein kleines schifflein sie da sahn vnd hinden drein | die, die sie leiten solt, das wundre jungfräwlein. Dietrich v. d. Werder, d. erlösete Jerusalem (1626), 176.“
2 Diederich v. dem Werder (FG 31. Der Vielgekörnte) und seine Gattin in zweiter Ehe, Juliana Ursula v. Peblis (Die Vielgekörnte. PA). Frauen sind zwar nicht offiziell in die FG aufgenommen worden, jedoch wurden sie mit der weiblichen Form des Gesellschaftsnamens ihres Gatten benannt. Sie wurden manchmal so sehr in Arbeiten und Bestrebungen der Gesellschaft einbezogen, daß sie wie Mitglieder geschätzt wurden, vgl. 371110 K 8. Zur Gattin Werders als „Die Vielgekörnte“, s. unten „beyde Reinsdorfer geselschafter“, zudem 390712A, 390921, 391223 u. 400509; vgl. etwa auch 400619 u. 401228.
3 Stieler, 1531: „Sich mit einander beriechen/ expiscari invicem ingenia, tentare vires inter se. Wir müßen uns vorher, zusammen beriechen/ praenoscendus, & indagandus ante utriusqve animus est, qualis qvisqve sit, & qvid praestare poterit, trutinandum.“ S. DW I, 1524. || [141]
4 Stieler, 1929: „rescribere, respondere, literarum vicem referre, reddere responsum.
5 Werder und seine Gattin, s. Anm. 2.
6 Werder bezieht sich hier auf F. Ludwig und seine Gattin, Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen (AL 1629. TG 38. Die Nährende), aber auch wohl auf andere am Köthener Hof lebende Mitglieder der FG und ihre Frauen.
7 Begnügung, im Fnhd. und bis ins 18. Jh. synonym für Vergnügung. Vgl. Henisch, 1499; Stieler, 678; DW I, 1303 (mit einem Zitat aus Werders Ariost-Übersetzung); Paul Wb., 146.
8 Hier kann eine der in 390115 nicht näher bezeichneten Beilagen gemeint sein. Vermutlich wird es sich um einen Entwurf F. Ludwigs zu der gemeinsamen Vorrede des Fürsten und Werders in ihrer Neuausgabe der Übersetzung der Ersten und Anderen Woche (1640) gehandelt haben, die eine Überarbeitung der Saluste-Übersetzung Tobias Hübners (FG 25) darstellt, s. 400000. Vgl. 390115 K 1.
9 Stieler, 484: „experientia, cognitio, vulgò etiam apparentia, eventus, status, conditio, animadversio, constitutio.DW I, 1263: „nach befindung der sachen“.
10 Görzig, direkter südlicher Nachbarort von Reinsdorf, Wohnsitz von Werders Freund und Kollegen in der anhaltischen Ständevertretung, Cuno Ordomar v. Bodenhausen (FG 69). S. 380000 K 2 u. 390126A.
11 Die Plötzkau und Bernburg interessierenden Nachrichten beziehen sich wahrscheinlich auf die Kriegslage (s. 390504 K 3 u. K 4). Allgemein wurde das Herannahen des schwed. Heeres unter Johan Banér (FG 222) befürchtet. Die im Ft. verbliebenen ksl. und kursächs. Verbände ließen sich zu gewalttätigen, sogar kannibalistischen Exzessen hinreißen („die exorbitantzien nehmen allzusehr vberhandt“, Christian: Tageb. XV, Bl. 95r, d. d. 5. 1. 1639), und die Not der Bevölkerung führte nicht weniger zu Extremen: „Avis: daß im Zerbster Antheil zweene Kinder, in einer Scheune in einem dorff gefunden worden, welche ihre verstorbene elltern gegeßen. Solche vielfältige abscheẅliche vnerhörte enormiteten sejndt in dem gantzen vnwesen, nicht baldt vorkommen, ia ärger, als die zerstörung der Stadt Jerusalem. Gott erbame sich doch seines volcks, der armen bedrangten Christen, auch so vieler betrübter Leutte, wittwen, vndt waysen.“ A. a. O., 95v. Am 3. Januar notierte F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), a. a. O., 93v, zu Plötzkau: „Es seindt greẅliche zeittungen von den vbelhausenden 7 Kayl. Regimentern von Aschersleben einkommen [...] haben auch zu Aschersleben zu plündern gedroẅet, also daß Plötzkaw in gefahr. Die Regimenter sollen schwürig sein [...]“. Da sich F. Christian am 16. Januar für kurze Zeit zu Plötzkau aufhalten konnte (a. a. O., 101v), scheint sich die Situation beruhigt zu haben. Die Nennung beider Orte ist jedoch vorrangig im Zusammenhang mit den von den Teilfürstentümern zu entrichtenden Kontributionslasten bzw. den Anteilen an der Reichsanlage zu sehen, vgl. KU IV, 382–386 (Nr. 22: 5.12.1638: Kf. zu Sachsen an die anhaltinischen F.en; 23: 3.1.1639: Dito; 24: 12.1.1639: F. August v. Anhalt-Plözkau [FG 46] an die gesamte Herrschaft; 25: Anlage der Contribution). Am 19. Januar kam F. Christian auf die Kontributionskosten der Stadt Bernburg zu sprechen und glaubte, sie sei im Verhältnis zur Stadt Köthen krass benachteiligt (vgl. zur Entfremdung zwischen F. Christian und F. Ludwig, die sicher auch Werder bewußt war, 390504 K 3): „F. L. (F. Ludwig) fait difficultè a cause de la Reichsanlage, a laquelle la ville de Cöhten, doit contribuer, quasj [...(?)] unefois autant, que la ville de Bernburg, la quelle n’est a moitiè si bonne, que Cöhten, apres tant des enlogemens, pilleries, & malheur a cause du passage de la riviere [Saale], la ou Cöthen a estè espargnè entierement au regard de Bernburgk, & il n’y a nulle proportionj esgalitè.“ (A. a. O., 102v).
12 Liegt nicht mehr bei.
13 Gelegen, angenehm, schicklich, s. DW III, 7f. Stieler, 356: „Es ist mir ietzo nicht eben/ jam mihi commodum non est.
14 Die Textkorrektur (s. T a) bekräftigt, daß hier eine Briefbeilage angesprochen sein muß, die jedoch nicht mehr vorhanden ist. || [142]
15 Der kursächs. Hofprediger vor dem im Berichtszeitraum tätigen Dr. Matthias Hoë von Hoënegg hieß Paul Jenisch (1610–1612). Der Paulustag oder genauer der Tag der Bekehrung des Apostel Paulus ist der 25. Januar. Vgl. Gustav Ludwig Zeißler: Geschichte der Sächsischen Oberhofprediger und deren Vorgänger in gleicher Stellung von der Reformation an bis auf die gegenwärtige Zeit dargestellt. Leipzig 1856, 35–40. Damit ist der 25. 1. zu lesen.
16 Der Hinweis, das Blatt umzuwenden, bleibt hier gegenstandslos, da die Rückseite vacat ist. Auch als Aufforderung, zur Beilage (s. Anm. 12 u. 14) weiterzugehen, vermögen wir den Hinweis nicht gut zu deuten.
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