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390429 Christian Ernst Knoch an Fürst Ludwig
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Christian Ernst Knoch an Fürst Ludwig


Christian Ernst (v.) Knoch (FG 268) dankt F. Ludwig für das Geschenk eines Gesellschaftspfennigs. Er hofft auf seine Entlassung aus dem kursächs. Militärdienst. — Ludwig werde erfahren haben, daß Pirna und Leitmeritz (von den Schweden unter Johan Banér [FG 222. Der Haltende]) erobert wurden und daß (der ksl. Generalwachtmeister) Gf. Rudolph Camill v. Morzin in (ksl.) Haft geriet. Bis auf sechs Regimenter unter dem Obristen Arvid Wittenberg, die bei Stolpen stünden, seien alle Schweden nun in Böhmen. — Doppeltes Rendezvous der Kaiserlichen in Böhmen bei Laun. — Hans Georg v. Arnim (FG 255. Der Gepriesene) reist in dänischem Auftrag, wäre beinahe wieder von den Schweden gefangen worden. Der niedersächsische Kreis hat einen Obristlt. Gallas zu ihm abgefertigt. Offenbar sei Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg (FG 231) nach Dänemark (wegen einer antischwed. Allianz) gegen die Offensive Johan Banérs unterwegs. — General Johann Caspar v. Klitzing sei noch nicht aus dem kurbrandenburgischen in den hzl.-braunschweigischen Dienst gewechselt.

Beschreibung der Quelle


Q LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 94, Bl. 39r–40v [A u. Empfangsvermerk: 40v]; eigenh.; Sig.

Anschrift


A Dem Durchleuchtigen Hochgebohrenen Fursten vnd Herren, Herren Ludwigen, Fürsten zue Anhaldt, Graffen zue Aßcanien, Herrn zue Bernburgk vndt Zerbst etc. Meinem gnedigsten Fürsten vndt Herren etc.
Eigenh. Empfangsvermerk v. F. Ludwig: Pres. 30. April. 16391 .

Text


Durchleuchtiger Hochgeborner Gnedigster Fürst vndt Herr,
E. fl. gn. vnterthenigster Diener werde ich sterben berichte deroselben hiermitt gehorsambst daß ich deroselben gnedigstes brieflein beneben dem geselschafter pfennigk2 mitt vnterthenigster reverenz empfangen, vndt gleich wie ich hierauß E. fl. gn. hohe furstl. gnade gegen mein wenige persohn satsamb verspüre, dafür || [157] ich vnterthenigst danckbar, Alß werde ich mich eußerst benehmen, solche hohe gnade mitt meinen vnterthenigsten gehorsambsten diensten; (da ich dan eine occasion von hertzen wuntsche) umb E. fl. gn. vndt deroselben gantzen furstl. Hause gehorsambst zue demeriren vndt zuverdienen[.] Nach meinem paß3 verlanget mich wol von herzen darmitt ich nur einmal möchte erloßett werden dan ich alhier wie in einem gefengnüß sitze,a Daß Pirne mitt stürmender handt so wol auch leittmaritz4 vber, wie auch Marrazin5 auf seinen guttern gefangen worden werden Efl. gn. albereitt wißen.Banner liegt noch stille bey Birne Ob. Wittbergk6 mitt 6 Regimenter zue pferde bey stolpen die andern seindt alle nach Böhmen gangen. Die Kays. haben zwei rendezvous bey Laun7 gehalten seindt aber wieder zurugk hatt ein närrisch aufsehen. Jch verhoffe heutte noch schreiben von dreßden ist wan von Jmportance, avisire ich eß E. fl. gn. alselbst gehorsambst, Der gutte gepriesene8 were baldt wieder gefangen worden ist aber noch glücklich nach [39v] der priz beneben H. Obristen Christo kommen. er ist von Dennemargk abgeschickt, seine commission ist mir vnwißendt. Der Niedersachsische Creyß hatt Ob. Leutt. Gallas9 vorgestern auf der post zu ihme abgefertigt wie auch herzogk Georg10 eilends zue Denemargk verreiset dörfte ettwas neues dawider gesponen werden sintemaln deß haltenden tractamente gar zue rüde vor sie, Vndt hatt er sich wol vorzuesehen Gen. Klitzingk11 hatt noch nicht accordirt wirdt aber ehest vollends richtigk werden. Solches ich E. Fl. gn. in hochste Eil vnterthenigst hinterbringen sollen dieselbe gottes des allerhochsten gnedigen schuz mich aber derselben beharlichen hohen furstl. gnaden vnterthenigst empfehlende verbleibendt

   Zerbst den 29. April Ao. 1639
   Vnterthenigster gehorsambster Diener CEKnoche

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Satzende.

Kommentar
1 Der Brief ist wohl nach altem Stil datiert und am folgenden Tag F. Ludwig vorgelegt worden.
2 FG-Medaille Christian Ernsts (v.) Knoch (FG 268); verschollen oder nicht erhalten. Üblicherweise hatte jedes Mitglied für die Anfertigung und Bezahlung des goldenen, in Emaille bemalten Gesellschaftspfennigs zu sorgen. F. Ludwig beschenkte Knoch jedoch mit dem ‚Gnadenpfennig’. Zu einer anderen Mitgliedsmedaille vgl. DA Köthen I.3, 96f. u. 138.
3 Der Obristlt. Knoch begehrte seinen Abschied aus der kursächs. Armee. Am 7. 4. 1639 unterrichtete er den Fürsten detailliert von der Niederlage gegen die Schweden unter Johan Banér (FG 222. Der Haltende) bei Chemnitz (4./14. 4. 1639). Der Troß und die ganze sächs. Kavallerie bis auf lediglich 300 Pferde wurden verloren, viele Offiziere gerieten in Gefangenschaft, die Kaiserlichen flüchteten Hals über Kopf nach Böhmen. Über seinen Obristen Hans v. Rochow (FG 317) teilt Knoch mit: „Mein Obrister hatt seinen abschied erlangt undt das Regiment quitirt. verhoffe auch baldt loß zue kommen. [...]“. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 94, Bl. 37v. F. Ludwig wird diesen Brief wegen einer Bitte Knochs um Auszahlung einer Geldsumme auch an Diederich v. dem Werder (FG 31) weiterleiten, s. ebd. Vgl. Steckzén: Banér, 232. Schon am 16. 3. 1639 war Knoch des Kriegs überdrüssig, da er in einem Treffen bei Dresden knapp mit einem Streifschuß entkommen war. Noch am selben Tag „haben vnsere eigne leutte zue dresden und || [158] Rostock meine paquage geblündert. Vndt mir nicht ein wischtuch geschweige den ettwas mehrers gelassen, an vergangnen sontagk bin ich mit dem pferde gestürzet ein sehr groß loch in den Kopf gefallen undt als ich mich beym Wachtfürer verbinden laßen, bin ich wegen großer verbluthungk in ohnmacht fallendt ins feuer gerahten. Vndt mir den gantzen rücken jemmerlich verbrandt. gestern hatt mir mein eigen pferd noch dar zue baldt den rechten schenckel entzwey geschlagen, bin also gewiß ein 14 tage her sehr vnglückseligk gewesen, seindt gewiße ernstliche Warnungen, daß ich diesen boßen Kriegk quitieren vnd drauß scheiden soll, Jch habe zwar zue 2 vnterschiedenen mahlen Jh. Durchl. vmb erlasungk meiner charge vnterhenigst schriftlich vnd mündtlichen angelangen laßen, sonderlich weil ich von derselben in ettwas unverschuldete sache disgoustiret worden, habe aber abschlägige antwortt bekommen verhoffe aber dennoch in kurzen meine vorgenommene Jntention zuerreichen, [...].“ A. a. O., 35rv. Offenbar hatte Knoch, während er auf seinen förmlichen Abschied wartete, schon die Erlaubnis erhalten, sich im Anhaltischen (Zerbst) zu erholen, wo er den vorliegenden Brief schrieb. In allen nachfolgenden Briefen seit dem 16. 5. 1639 scheint er schon anhaltische Dienste, vorab für F. Ludwig, wahrgenommen zu haben. Vermutlich hat er seine Demission zwischenzeitlich erhalten, sonst die Erlaubnis, der Truppe für längere Zeit fernzubleiben. S. 391000, 391209, 400203, 400810, und die angegebene Akte (s. Q), 9r–10v (16. 5. 1639), 41r–43r (3. 10. 1639), 44r–45v (11. 11. 1639), 48r–49v (14. 4. 1640), 50r–52v (21. 7. 1640), 54r–55v (11. 8. 1640), 53rv (17. 8. 1640) usw. Im Januar 1640 erscheint er als fl. anhalt-dessauischer Hofmarschall. S. KU IV.2, 40; vgl. Conermann III, 297f.
4 Nach dem Sieg von Chemnitz eröffnete Banér seinem Heer den Weg nach Böhmen, eroberte Pirna, schnitt die Versorgung Dresdens ab und setzte sich in Leitmeritz fest. Er machte Vorstöße in der nordböhm. Region, konnte Prag aber nicht besetzen. Vgl. 390504 K 3.
5 Der ksl. Generalwachtmeister Gf. Rudolph Camill v. Morzin. S. 381107 K 31. Er war als Feldmarschall an Kursachsen abgestellt und befehligte die ksl. und sächs. Truppen bei dem verlustreichen Treffen von Chemnitz. Morzin konnte fliehen, wurde aber vom Kaiser in Prag in Haft gesetzt. Vgl. 390504 K 3.
6 Der schwed. Obrist (Gf.) Arvid Wittenberg (1606‒1657) lag bei Stolpen (bei Pirna). Noch 1639 wurde er Generalmajor und 1655 schwed. Feldmarschall. AOSB SA VI, 496, 606, 725, 728, 729 u. ö.; Documenta Bohemica VI, Nr. 646, 1024 u. 1193; Zdenek Hojda: Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreissigjährigen Krieges. In: Krieg und Frieden II, 403–412, hier 406f. Er zeichnete sich in den Schlachten von Breitenfeld (1642) und Jankau (1645) und im poln. Krieg Kg. Karls X. Gustav aus. Als schwed. Kommandeur von Warschau mußte er sich 1656 ergeben und starb in poln. Gefangenschaft. Sein Porträt von 1649 in Skokloster abgebildet in: Arne Losman: Carl Gustaf Wrangel, Skokloster und Europa. In: Krieg und Frieden III, 639–648, 643.
7 Musterungstreffen der Kaiserlichen bei Laun (Louny/ Böhmen). Vgl. Documenta Bohemica VI, Nr. 784.
8 Der ehemalige kursächs. Generallt. Johann Georg v. Arnim (FG 255. Der Gepriesene) war 1637 von den Schweden entführt und im November 1638 aus der Haft nach Hamburg entflohen. Um eine Allianz gegen Schweden zu schmieden, reiste er etwa Mitte März 1639 nach Dänemark, von da per Schiff nach Danzig und im April auf dem Seeweg zurück nach Hamburg. Er begab sich nach Dresden, wo er am 11. 5. 1639 (n. St.) eintraf, jedoch erst 1640 seine ausgearbeiteten Pläne für einen ksl.-kursächs. Feldzug (unter seiner Leitung) Kf. Johann Georg I. vorlegte. S. 390131 K 22, vgl. 390903 K 2, 391113, 391209, 401007 K 2 u. 401025 K 3. Knochs Nachricht wird sich auf einen erneuten Überfall der Schweden beziehen, der sich auf Arnims Reise nach Dänemark (Pries bei Eckernförde oder Preetz bei Plön?) oder auf dem Weg (Prietzen im Westhavelland?) nach Dresden ereignete. Reisebegleiter Christo ist uns unbekannt geblieben.
9 Unbekannt. Wohl verwandt mit dem ksl. Feldmarschall Gf. Matthias Gallas (s. || [159] 370805 K 6), jedoch kein Sohn (die Söhne hießen Franz Ferdinand, 1635–1697, u. Anton Pancratius, 1638–1695). Vgl. Rebitsch, 371, 378 u. 399.
10 Hz. Georg v. Braunschweig-Calenberg (FG 231). Von dieser Reise berichten Decken: Georg; Langenbeck u. Michael Reimann: Der Goslarer Frieden von 1642, Hildesheim 1979, nichts. Kg. Christian IV. v. Dänemark spielte damals die Rolle eines Vermittlers der niedersächs. Neutralitätspolitik gegenüber dem Kaiser und war überhaupt eine treibende Kraft in der sog. dritten Partei — gegen den Kaiser und gegen die auswärtigen Mächte, vorab Schweden. So tat er alles, die Neutralität auch gegenüber dem mächtigen Nachbarn im Norden durchzusetzen und einen Kampf gegen den Kaiser zu verhindern, wie übrigens auch Hz. August d. J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227). Schweden gestand aber nur dem Haus Braunschweig-Lüneburg Neutralität zu und gab die niedersächs. Kreisstände Mecklenburg und Lauenburg sowie die Stifte Magdeburg und Halberstadt als schwed. Operations- und Verfügungsgebiete nicht preis. Vgl. 390903 K 2, ferner 391209 K 9; Londorp (HAB: 2.5.2. Pol. 2°), 697ff., 709ff. u. 789ff.; Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 11. Buch, 486f., 498ff; Theatrum europaeum, 4. Teil (1643), 73ff., 94 u. 97; Reimann: Der Goslarer Frieden (s. o.), 14f.
11 Der aus dem kurbrandenburg. (u. kursächs.) Dienst ausscheidende General Johann Caspar v. Klitzing, der in den Dienst Hz. Georgs v. Braunschweig-Calenberg wechselte. S. 390131 K 10.
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