Der vorliegende Brief findet hier wegen der von F.
Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) gegen seinen Oheim F. Ludwig in 390504
erhobenen Beschuldigungen Berücksichtigung. In der vorliegenden Replik, die bis
zum Folgejahr auch das vorerst letzte Wort in der fruchtbringerischen
Korrespondenz zwischen Oheim und Neffe bleiben sollte, geht F. Ludwig auch nicht
mehr auf die noch in 390504 angesprochene Drucklegung von
ein. Vgl.
auch 390504 K 2. Das Werk Christians sollte dennoch 1639 in Köthen gedruckt
werden.
1 Die Einlagerung der zwei schwed. Regimenter unter den
Obristen Gaspard Corneille de Mortaigne (FG 419. 1644) und Friedrich v. Baur (FG
237) im Februar/ März 1639, von der neben Köthen besonders der bernburg.
Landesteil betroffen war, hatte unter den anhalt. Fürsten für Verstimmung und
Gereiztheit gesorgt. Vgl. 390504 K. Am 5. 3. 1639 hatte sich F. Ludwig in einem
Schreiben an den Senior des Hauses, F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46), beklagt,
über Gebühr und wider den ursprünglichen Quotenschlüssel mit dem Unterhalt dieser
Truppen belastet worden zu sein, und sich weiterer Zahlungen entpflichtet.
KU IV.1, 437ff. Am 7. 3. 1639 wiederum forderte F. Christian
II. v. Anhalt-Bernburg sämtliche fl. Vettern auf, ihren Anteil „vollkömmlich vndt
eilendt“ abzustatten und die Drohung angeschlossen: „Solte aber ja bei einem vnd
andern orte die Christliche Liebe an den unserigen in der noth nicht erwiesen,
vndt ein eingang zur trennung gemacht werden, bezeugen wir hiermit vor Gott vnd
aller Welt, daß wir an bitten, erinnern, auch verordnung bey den vnserigen nichts
vnterlaßen, sondern wir das vnserige, auch vnsere arme Unterthanen das ihrige
Dreifach mehr als andere gethan, vndt werden es diejenige, so die total ruin
dieses orths verhengen, zu verantworten haben“.
KU IV.1,
441f. Eine Antwort F. Ludwigs liegt uns nicht vor, jedoch wies er am 11. 3. ohne
Umschweife den Vorschlag aus Bernburg zurück, an der Abrechnung mit den nach Halle
abziehenden beiden Obristen teilzunehmen.
KU IV.1, 447.
2 Ob es nach diesem Verweis noch zu einer persönlichen
Unterredung zwischen F. Ludwig, der im Begriff war, zu einer Kur nach Wildungen
aufzubrechen (vgl. 390630), und seinem Neffen kam, darf bezweifelt werden.
Vielleicht ist bereits das Fehlen einer Widmungsepistel oder -vorrede F.
Christians in seinem
Christlichen Fürsten (1639) ein Indiz,
daß es zu keinem Austausch vor dem Druck des Werkes mehr gekommen ist. Vgl.
390504. — Zu den polit.-militärischen Pressionen (vgl. Anm. 1) kamen damals
weitere Spannungen im Hause Anhalt, die den scharfen Ton des Briefes und die
folgende Mißstimmung erklären helfen. So lud sich Christian im Juni 1639 durch
eigenmächtige Grenzziehungen weiteren Ärger mit dem benachbarten Köthen auf den
Hals. S.
Christian: Tageb. XV, Bl. 162rff. Bereits im März
1639 entspann sich ein langwieriger Konflikt aus der Behandlung der vor den
Mortaigneschen und Baurschen Regimentern nach Harzgerode geflohenen Ballenstedter
Untertanen durch den dortigen Amtmann und einstigen Reisehofmeister F. Christians,
Hans Ernst v. Börstel (FG 41, seit Juli 1635 Amtshauptmann in Harzgerode, s.
Christian: Tageb. XIII, Bl. 354v). Börstel wurde von F.
Christian wucherischer Handel mit Lebensmitteln und hinterhältiges Ausnutzen der
Notlage der Ballenstedter vorgeworfen. Der Konflikt schwoll zu einer ernsten und
grundsätzlichen Auseinandersetzung um die Frage der Regierungspartizipation von
Christians jüngerem Bruder F. Friedrich v. Anhalt-Harzgerode (FG 62) im Teilft.
Bernburg, ja zu einer Auseinandersetzung um Sein oder Nichtsein der anhalt.
Gesamtung bzw. der eingeschränkten Souveränität der Teilfürstentümer an, nachdem
der fürstbrüderliche, auch von F. Christian II.
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unterzeichnete und gesiegelte
Erbeinigungsvertrag vom 15. 4. 1635 die Einigkeit und Verträglichkeit im
Gesamthaus hatte wahren sollen. S.
KU III, 140ff.;
Lentz, 825–830; Johann Christian Lünig: Das Teutsche
Reichs-Archiv. 24 Bde. [Pars generalis nebst zwei Continuationen (4 Bde.), Pars
specialis nebst vier Continuationen (10 Bde.), Spicilegium ecclesiasticum nebst
drei Continuationen (7 Bde.), Spicilegium seculare (2 Bde.), Generalregister (=Bd.
24)]. Leipzig 1710–1722. (HAB: Gl 4° 272), [Bd. 10: Pars specialis, Continuatio
II] Der andern Continvation Dritte Fortsetzung, Vierte Abtheilung, Dreyzehender
Absatz: „Von dem Fürstl. Hause Anhalt“ (S. 166–296), hier 234–239. Im Laufe vieler
Monate und etlicher Jahre wurde die gesamte Fürstenfamilie von diesem Streit
ergriffen; wiederum trat ein tiefes Zerwürfnis zwischen Christian und den Onkeln
August und Ludwig ein. Vgl. die Akte LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Bernburg A 10 Nr.
4;
KL II, 271f.;
KU III, 873 u.
IV.2, 27 Anm.;
Christian: Tageb. XV, Bl. 127v, 129v, 173rf.
u. ö., auch den gereizten Eintrag vom 23. 8. 1639, Bl. 196r; ferner 234v, 241vf.
u. 242vf. (23. 12. 1639): „Dieu m’eust consolé en ma grande tristesse a me avenue
a cause des grandes persecutions, quj m’arrivent de mon frere, de mes oncles,
& du Presidt.“ Vgl. ferner
Herz: Tagebücher F. Christians
II., 988ff. u. 1032ff.