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390504 Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig
[Inhaltsverzeichnis]
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390504

Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig


Beantwortet durch 390504A. — F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51) dankt F. Ludwig für die ihm durch seine [in Köthen lebende] Schwester Pzn. Anna Sophia (AL 1617[?]. PA. TG 38) mitgeteilte Einladung zu einem kurzfristigen Besuch, um die Drucklegung eines Buches — gemeint ist Fürst Christian II.: Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten (1639) — zu besprechen. Christian werde der Einladung gern folgen und auch die Hälfte der Druckkosten übernehmen, wenn sich der Gesamtbetrag in Grenzen halte. Allerdings zweifele er, ob er wirklich willkommen sei. Die kürzlich auf seine Notklage hin ergangene scharfe, ja ehrenrührige Rüge durch F. Ludwig habe Christian allen Trosts und jeder Orientierung beraubt. Er vermöge ihre Angemessenheit, besonders während der Bedrängnis seiner Untertanen und hinsichtlich der Ungleichheit der Lastenverteilung der anhaltischen Landesteile, nicht zu erkennen und bitte F. Ludwig, künftig solche Herabsetzungen seiner Person und seiner fürstlichen Kompetenz zu unterlassen. Er habe ein großes Vertrauen zu F. Ludwig gehabt, sich seiner Sache auch in den politischen Turbulenzen 1634/35 angenommen und bittet um Beibehaltung einer vertrauensvollen Verbindung.

Beschreibung der Quelle


Q LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 30, Bl. 177r–179v [A u. Empfangsvermerk: 179v], 179r leer; eigenh., Sig.; 178rv eingelegtes Antwortkonzept F. Ludwigs 390504A.

Anschrift


A A Son Altesse, Monseigneur mon Treshonnorè Oncle le Prince Louys d’Anhalt etc., a Cöhten. aux mains propres.
Empfangsvermerk von F. Ludwigs H.: Pres. 4 May 1639

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Hochgeborner Fürst, gnediger geehrter Herrvetter, vndt Gevatter. Es hatt mir Meine Schwester1 schriftlich zu erkennen gegeben, daß EG. meiner begehrten, vndt sich mitt mir, von wegen eines buchs, welches gedruckt sollte werden, || [160] vndterreden wollten, Daß ich dann gerne, dena Nachkömbling heütte oder Morgen zum besten geschehen laßen kan, will auch vorgeschlagener maßen, die helfte darzu schießen, wann die Summa nur nicht allzuhoch, vndt vnerträglich steiget.2 Thue mich sonsten dieses neẅlichstenẅ, durch obgedachte meine Schwester, mir zuentbottenen frl. grußes, hiemitt freundvetterlich bedancken, vndt meine person, hinwieder zu E. G. anverwandtlichen freundschaft anbefehlen. Jch weiß aber nicht, ob ich mich noch zur zeitt bey E. G., præsentiren darf, sintemahl Sie mich so gar vnlengst nicht, auf meine höchstnohtwendige, angebrachte hertzensklage, an stadt der gehoften consolation deren ich mich vnzweifelich versehen, mitt so scharfen anzüglichen wortten, durch den schreiber angetastet, vndt an meine Ehre gerühret, daß ich destwegen [sic] gantz trostloß geblieben, vndt in langer zeitt fast nicht gewust, waß ich anfangen sollte.3 Wer beyderley schreiben (ohne passion) ansiehet, wirdt leichtlich vrtheilen können, ob die Klage vndt beschwehrung, so ich gleichwol nicht ohne grundt geführet, einer solchen anzüglichen vndt verweißlichen scharfen antwortt, zumahl zu der zeitt, (da ich in voller affliction vndt bedrengnüß, mitt meinen armen vndterthanen, scharff herhalten vndt leyden müßen) würdig gewesen.4 Will gerne alles von EG. leyden, waß ich leiden kan, bitte nur gantz freundvetterlich, Sie wollen mir meine Ehre nicht touchiren, [177v] vndt mich mitt empfindlichen schreiben vndt wortten, inß künftige verschonen, auch mir nichtt verargen, wann ich die noht meiner vndterthanen klage, oder mich auf die so offte von andern in consiliis oder sonsten, mir selber erinnerte gleichheitt der gesamptung, bewerten muß. Jch bin numehr im 40. Jahr, habe meine Kinderschue lengst vertretten, vndt meine ehre, Leumuht vndt guten Nahmen, (so mir vndt vnserm gantzen hause angebohren) erhalten, auch fernerb erworben, vndt biß dato majnteniret. Jnsonderheitt aber, habe ich eine sonderbahre confidentz in EG. person gesetztt, ia mich deroselben ohne ruhm treẅlichẅ angenommen, alß dero Antheil bey der Schwedischen verenderung, in nicht geringer gefahr, bevorab ao. 1634 vndt 1635 gewesen, da ich weiß, waß ich ohne Ruhm præstiret.5 Begehre aber keinen andern danck davor, alß den Ruhm eines guten gewißens vor Gott vndt Menschen, beynebens einem guten Nahmen, der redligkeitt. Bitte nochmalß freundtvetterlich, Sie wollen mich auch an ihrem ortt, in solchem guten concept erhalten helfen, Sich nichts wiedriges von mir einbilden, mir in meinen anliegen vndt vielfältigen bekümmernüßen, allezeitt tröstlich vndt behülflich erscheinen, vndt sich versichern, das ich alßdann desto eyveriger sein werde, EG. vndt den ihrigen hinwieder zu dienen, verbleibe sonsten,

   Deroselben, dienstwilliger treẅerẅ vetter, Christian, fzu Anhaltt etc. mppria.

Bernburg, den 4ten May. 1639.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Lies: dem
b auch ferner eigenh. eingefügt.

Kommentar
1 Pzn. Anna Sophia v. Anhalt-Bernburg (AL 1617[?]. PA. TG 19), die unvermählt gebliebene, engvertraute Lieblingsschwester F. Christians II. v. Anhalt-Bernburg (FG 51), war literarisch begabt und lebte seit 1636 vorwiegend bei ihrem Onkel F. Ludwig in Köthen. Ihre Gesundheit war seit Jahren angegriffen; sie starb schon am 1. 9. 1640 in Bern- || [161] burg, von wo sie sich einer Reise ihres Bruders zu einer Kur in Eger anschließen wollte. Vgl. 370517 K 2 u. K I, 400312 sowie 400902.
2 Es kann hier nur die Guevara-/Roseo-Übersetzung Fürst Christian II.: Vnterweisung Eines Christlichen Fürsten (1639) gemeint sein: [Antonio de Guevara: Reloj de príncipes, ital. Übs. u. Bearb. v. Mambrino Roseo da Fabriano (d. i. Collenuccio Costo): L'institutione del prencipe christiano (Mantova 1577) (IP, 324r). Dt. Übers. v. F. Christian II. v. Anhalt-Bernburg:] Die Vnterweisung | Eines Christlichen Fürsten/ | Aus dem Spanischen ins Jtaliänische | erstlich übergesetzt/ | Durch | MAMBRINUM ROSEUM | von Fabriano, | Vor Jahren verdeutschet durch ein Mitglied | der Fruchtbringenden Geselschaft/ | Vnd anetzo im Druck | gegeben. | [Holzschnitt-Vignette] | Cöthen im Fürstenthumb Anhalt/ | [Linie] | Jm Jahr 1639. Vgl. IP, 329r u. 334r. HAB: 218.4 Qu. (1); QuN 199 (2); Sf 310. Auch VD17. S. Kat. Dessau BB, Nr. 16167; Dünnhaupt: Druckerei, Nr. 77; Conermann: Ludwig und Christian II. v. Anhalt, 481ff. — Dafür spricht F. Christians II. Ankündigung, die Hälfte der Verlags- und Druckkosten übernehmen zu wollen; ferner, daß er nachstehend von einem „Nachkömbling“ spricht, was nur als Anspielung auf die lange Zeit der eigenen Übersetzungs-, wie auch der Korrekturarbeit F. Ludwigs und Diederichs v. dem Werder (FG 31) verständlich wird: F. Christian II. hatte seit 1622 an dieser Übersetzung gearbeitet, die 1629 im Manuskript abgeschlossen vorlag. Die intensiven Korrekturdurchsichten durch F. Ludwig und Diederich v. dem Werder fanden erst 1639 mit dem Druck in der fl. Offizin zu Köthen ihren Abschluß. Da eine datierte Widmung F. Christians II. fehlt, ist der Erscheinungstermin nicht genauer zu bestimmen. Allerdings sandte F. Ludwig ein Druckexemplar mit 391028 an Augustus Buchner (FG 362. 1641). Damit muß der Druck zwischen Mai und Oktober 1639 erfolgt sein, wenn er nicht bereits aufgrund des knappen Hinweises in 390912 im September abgeschlossen war. Vgl. 371027 K 4 u. K 5; 390504A K, 390904 K I 0, 390912, 391028 u. I, 391100, 391119, 391203 K 3, 391217, 400122 K I 6 u. 400312 K 1.
3 In diesem Brief und in F. Ludwigs Antwort 390504A tritt ein schon seit längerem schwelender Konflikt zutage, der die Ursache für ein fast einjähriges Verstummen der fruchtbringerischen Korrespondenz zwischen F. Ludwig und seinem Bernburger Neffen Christian gewesen sein dürfte. S. 380122 K 1 u. 380609 K. Erst mit 400312 liegt uns das nächste (erhaltene) Stück aus der FG-Korrespondenz zwischen Ludwig und Christian vor. Wir erinnern an die Aussage Johan Banérs (FG 222) vom Februar/ März 1636, wonach „dass gantze fürstenthumb Anhald [...] durch feind und freundt totaliter ruiniret und erödet“ wurde und nichts sei denn „ein öde, wüst unndt auff den eussersten grundt verderbtes landt“ (AOSB SA VI, 297 u. 304). Nun, gerade von seiner letzten Reise nach Regensburg und Wien zum Kaiser (10. 10. – 21. 12. 1638) zurückgekehrt (s. Christian: Tageb. XV, Bl. 41r ff.), fand F. Christian II. die anhalt. Lande erneut durch die Veränderungen im „status belli“ bedroht. Dies hing mit dem Vorrücken der schwed. Hauptstreitmacht unter Johan Banér zusammen, der sich seit dem Frühjahr 1638 verstärken und an der Küste Pommerns gegen die numerisch überlegene ksl. und Reichs-Armee behaupten konnte. Deren Sommeroffensive war aus Mangel an Unterhalt, Organisation und Quartieren, auch geschwächt durch Abkommandierungen, Hunger und Seuchen, in sich zusammengebrochen. Schon im Oktober 1638 hatte sich Matthias Gallas’ zusammengeschmolzene Hauptarmada aus Pommern und Mecklenburg in die Prignitz zurückgezogen, danach wich sie in die Alt- und Neumark und weiter nach Sachsen und Böhmen zurück. Vgl. 381107 K 1 u. 390131 K 0; AOSB SA VI, 554; Guthrie II, 59f.; Rebitsch, 186ff. Banér brach, gestärkt durch frische Truppen und Gelder, im Januar 1639 zu einem Vorstoß nach Sachsen und in die ksl. Erbländer auf. Auch der Kaiser hatte zum Ende des Jahres 1638 die Aufstellung von vier großen Armeecorps geplant, die eine Kriegsentscheidung herbeizwingen, aber nie die angesetzte Sollstärke erreichen sollten: Kaiserliche, kursächs. und kurbrandenburg. Truppen von 26.000 Mann unter Gallas, 24.000 Mann am Rhein unter Piccolomini, 14.000 Mann unter Hatzfeld an der Weser und in Westfalen und 19.000 || [162] Mann Kaiserliche und Kurbayerische unter Gf. Götz und Goltz, samt der kroatischen Reiterei. Für den Unterhalt der Gallas-Armee sollten der ober- und der niedersächs. Reichskreis mit je 150 Monaten einfacher Römerzug aufkommen. S. KU IV.1, 357ff. Während der niedersächs. Kreis auf dem Lüneburger Kreistag am 7. 11. 1638 bewaffnete Neutralität beschloß und im Februar 1639 die vorgesehene Kriegssteuer ablehnte (s. 390131 K 7), setzten Kursachsen und Kurbrandenburg beim obersächs. Kreistags-Abschied, d. d. Leipzig 12. 11. 1638, durch, daß der Kreis 120 Monate einfachen Römerzugs als Beisteuer auf sich nahm. Vgl. Karlheinz Blaschke: Der Obersächsische Reichskreis. In: Regionen in der Frühen Neuzeit. Hg. Peter Claus Hartmann. Berlin 1994, 127–144, hier137f. (Zs. f. histor. Forschung, Beih. 17); Ferdinand Magen: Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges. In: Zs. f. Historische Forschung IX (1982), 409–460, hier 450ff.; Brockhaus, 55. Vergeblich hatten die anhalt. Gesandten Martinus Milagius (FG 315) und Heinrich v. Börstel (FG 78) auf die desaströse Lage im Ft. Anhalt hingewiesen und sich mit den sachsen-weimar. Gesandten Georg Frantzke (FG 428. 1645) und Johann Jacobus Draco auf eine gemeinsame Verhandlungsstrategie zur Verminderung der Forderungen verständigt. Das kursächs. Kreisdirektorium entschied anders, und so war F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46) als Senior des Hauses gezwungen, am 13. 1. 1639 einen Vorschlag für die „Anlage der Contribution“ vorzulegen, „so auff den verwilligten 120fachen Römerzug [vom Ft. Anhalt] abzugeben“: monatlich insgesamt 1.624 Tl. Vgl. KU IV.1, 384f. Sogleich unterstellte F. Christian am 19. 1. 1639 F. Ludwig, dieser verteile die Reichsumlage ungerecht auf die anhalt. Teilfürstentümer (Christian: Tageb. XV, Bl. 102v). Zu dieser Zeit kam aufgrund des forcierten schwed. Vorrückens bereits wachsende Unruhe in der gesamten Region auf. Vgl. etwa KU IV.1, 385; Christian: Tageb. XV, Bl. 94r, 95rf. u. ö. Als Banér zu Jahresbeginn 1639 bei Lauenburg die Elbe überschritt und schwed. Truppen in die Altmark und die Stifter Halberstadt und Magdeburg legte, sah sich Kf. Johann Georg I. v. Sachsen am 25. 1. 1639 genötigt, berittene Regimenter an die Saale zu schicken. Anhalt war durch die Verfügung zur Einlagerung des Reiter-Regiments unter dem kursächs. Obristen Augustus v. Hanow (FG 250) mitbetroffen. Vgl. KU IV.1, 387f. Zwar versicherte man diesem Fruchtbringer am 4. 2. 1639, ihn „viel lieber alß einigen andern in vnserm Fürstenthum haben“ zu wollen, versuchte aber die Einquartierung abzuwenden (KU IV.1, 390). Als die Gefahr des ,Totalruins‘ vor Augen stand (vgl. KU IV.1, 388 u. 394), blieb die von Feldmarschall Gf. Rudolph Camill v. Morzin gezeichnete Anweisung der Winterquartiere für das Hanowische Regiment in Anhalt (d. d. Dresden 30. 1. 1639) aufgrund des raschen Vormarsches der Schweden glücklicherweise nur Papier. Schon Mitte Februar 1639 war Halle eingenommen und zu Banérs Hauptquartier geworden. Vgl. KU IV.1, 393ff.; Gottfried Olearius: HALYGRAPHIA Topo-Chronologica, Das ist: Ort- und Zeit-Beschreibung der Stadt Hall in Sachsen (Leipzig: Johann Wittigau) 1667, 407ff. Die letzten ksl.-kursächs. Verbände, die noch zwischen Banérs Heer und Böhmen im Felde standen, die Kavallerie-Abteilung unter Generalfeldzeugmeister Frh. Hans Wolf v. Salis und das sächs.-ksl. Armeekorps unter FM Morzin, wurden am 6. 3. bei Plauen bzw. am 4./ 14. 4. bei Chemnitz aufgerieben. Vgl. 390407 u. 390429, s. auch Paas VII, P-2065. Da der schwed. Marsch nach Süden Anhalt weitgehend unberührt gelassen hatte und Banér gesonnen zu sein schien, Anhalt zu schonen — vgl. sein Schutzmandat an F. Ludwig vom 31. 1. 1639 (HM Köthen: V S 224f) —, konnte der Bernburger Präsident Heinrich v. Börstel am 14. 2. 1639 aufatmen: „Gott sey Danck, der vnß aus dieser Tyranney vor dißmahl wunderlich gerettet“ (KU IV.1, 401, vgl. 405 u. 408).
4 Trotz des in Anm. 3 skizzierten glimpflichen Ausgangs der kursächs. Bedrohung kam aus Halberstadt, wo der schwed. Generalfeldzeugmeister Lennart Torstensson zurückgeblieben war und mit den niedersächs. Kreisständen um die von diesen gewünschte Neutralität verhandelte, schon bald schweres Ungemach über Bernburg. Dort fürchtete Christian aufgrund seiner Kaisertreue „une estrange & terrible metamorphose“ (Christian: Tageb. XV, Bl. 108v, vgl. 104r). Zu den Einzelheiten s. KU IV.1, 402ff. Zunächst wurde Die- || [163] derich v. dem Werder am 9. 2. 1639 zu Banér entsandt, um für Anhalt Schutz vor Einquartierungen und Durchzügen zu erwirken. Er traf den schwed. General-Feldmarschall am 12. 2. in Aschersleben und folgte ihm dann über Eisleben nach Halle (14. 2.), wo er aber noch nichts Gewisses ausrichten konnte, da Banér selbst seinen „Staat noch nicht allerdings recht gefaßet“ hatte. KU IV.1, 411; vgl. Christian: Tageb. XV, Bl. 115v. Am 3. 3. 1639 erreichte Werder erneut Banér, im Lager vor der Stadt Freiberg, die von den Schweden bis zum 18. 3. 1639 erfolglos berannt wurde. Vgl. KU IV.1, 388f., 399f., 401, 405, 408f., 411 u. 423f.; Christian: Tageb. XV, Bl. 119v. In der Zwischenzeit aber hatte der noch in Halberstadt liegende Torstensson die zwei Regimenter der Obristen Gaspard Corneille de Mortaigne dit de Pottelles (FG 419. 1644) und Friedrich v. Baur (FG 237) aus den Gft.en Regenstein und Blankenburg in Ballenstedter und Bernburger Quartiere abkommandiert, woher Mortaigne am 16. 2. entsetzt Torstensson berichtete, er habe hier „nicht einen Menschen, viel weniger Mittel die Regimenter zu vnterhalten gefunden“. In Bernburg stehe es nicht besser, die dort eingewiesenen Soldaten hätten „nicht einen bißen Brots“. Vgl. KU IV.1, 412ff.; Christian: Tageb. XV, Bl. 117rff. Alle Versuche, die Einlagerung der zwei Regimenter abzuwenden, scheiterten. Am 19. 2. teilte Generalkriegscommissarius Conrad Bernhard v. Pfuel die Regimenter Mortaigne und Baur nebst einem Regimentsstab in die Quartiere Bernburg, Köthen, Harzgerode und Ballenstedt auf. S. KU IV.1, 421. Immerhin zeigte sich Mortaigne bereit, die Truppen allesamt in und um Ballenstedt zu konzentrieren, wenn nur die nochmals auf ein Minimum reduzierten Unterhaltsleistungen (10tägige Löhnung und Proviantierung à insges. 1.600 Tl.) von den angewiesenen Orten einkämen. KU IV.1, 420ff. Auch einigten sich die Fürsten zögerlich auf die Verteilung der Kosten. Selbst F. Ludwig sparte nicht mit Vorhaltungen und sah sich benachteiligt, denn es „scheinet fast, daß man vnsere gute bezeigung, die wir dem publico im Lande allezeit willig conferiren laßen, gar nicht achten, [...] wan gleich vnser oder der vnserigen vnterhalt, ia Haut vnd Haar drüber vfgehen solte, wie die Bernburgische außgießungen nunmehr gnugsamb ahn tag geben.“ KU IV.1, 437ff., Zitat 438, vgl. 447. Auch F. Christian II. beharrte, Stadt und Landesteil Bernburg hätten „iederzeit das härteste ausgestanden“ und „das ihrige Dreifach mehr als andere gethan“ (Brief an die fl. Onkel u. Vettern vom 7. 3. 1639; KU IV.1, 441f.). Er verdächtigte besonders F. Ludwig, sich auf Kosten Bernburgs Vorteile zu verschaffen, und klagte am 8. 3.: „Meine arme bürgerschaft allhier in der Stadt, weinet, seuftzet, vndt weheklaget vber solche große preßuren, vndt beschwehrungen, die andern Antheil laßen vnß stecken, Gott verzeyhe es ihnen“. Christian: Tageb. XV, Bl. 127r, vgl. 121r, 124r u. 126r. Als die Zerreißprobe ihrem Höhepunkt zusteuerte (vgl. KU IV.1, 442, aber auch IV.2, 20), kam Rettung von Werder. Er mochte Banér vielleicht durch seine Loyalitätserklärung in guter Erinnerung geblieben sein, in der dt. Offiziere in kgl.-schwed. Diensten am 11. 8. 1635 ihre Loyalität zur Krone Schweden beteuert hatten, auf „dass ein guhter, Erbar universal vnd sicherer Friede im Heyl. Röhmischen Reich Teutscher Nation gestifftet“ werden möge, der auch Schweden einschlösse. S. Sverges Traktater, 325–330. Im Lager vor Freiberg konnte Werder am 6. 3. 1639 eine Order von Banér erwirken, in der er die beiden Regimenter Mortaigne und Baur umgehend zu sich abkommandierte und ihnen befahl, auf alle noch ausstehenden Ansprüche und Forderungen zu verzichten. Am 9. 3. stellte Banér ein Patent zu Gunsten des Ft.s Anhalt aus, wonach das Ft. wegen einer eigens aufzurichtenden allgemeinen Kontributionszahlung unter Banérs besonderem Schutz stehe. KU IV.1, 451. Werder schloß dann im Namen der Fürsten am 31. 3. 1639 in Zeitz mit Banér einen Vergleich, wonach das Fürstentum gegen eine monatliche Zahlung von 600 Tl. Kontribution von allen Einlagerungen, Durchzügen und sonstigen Belastungen verschont bleibe. Das hielt bis Ende 1640 vor. S. KU IV.1, 452 u. 401212 K 4. Werder hatte diese Vereinbarung in einem Brief an F. August, d. d. Chemnitz 26. 3. 1639, angekündigt: „welche, ob sie vns zwar für vndt an sich selbst schwehr fallen mag. so wirdt sie doch, ob Gott wil in vergleichung der beschwerden vnserer nachbarrn aller miteinander, gutt vnd erleichtlich sein.“ BJ Kraków (ehem. Preuß. STB || [164] Berlin): acc. ms. 1915, 80. S. F. Augusts Antwort in KU IV.1, 453. Am 11. 3. waren die beiden schwed. Regimenter bereits von Ballenstedt nach Halle abgezogen, am 13. 3. wurden die Offiziere endgültig abgefunden, wobei Mortaigne von F. August das Zeugnis ausgestellt wurde, er habe sich „discret gegen vns vnd vnsere Lande erwiesen“. KU IV.1, 450, vgl. 446ff.; Christian: Tageb. XV, Bl. 128r. Auch dieses Verhalten dürfte Mortaigne für die Aufnahme in die FG 1644 qualifiziert haben; im Januar 1645 zeichnete er sich erneut durch die Schonung Anhalts aus. Vgl. Conermann III, 501. Vgl. insgesamt AOSB SA VI, 576ff. u. VIII, 341f.; Documenta Bohemica VI, Nr. 739, 748ff., 791, 801, 804 u. 820 (Vorgeschichte, Schlacht v. Chemnitz, Untersuchung gegen Morzin, seine Verhaftung); Englund, 196ff.; Guthrie II, 58ff.; Parker, 248 u. 253; Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 11. Buch, 484ff.; Rebitsch, 191ff.; Ritter: Deutsche Geschichte, 607f.; Steckzén: Banér, 234f.; Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 75, 93–127, 378–381; Jenny Öhman: Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg. Wien 2005, 125ff.; Ernst Samuel: Johann Baner als Ermattungsstratege in den Feldzügen 1634–1639. Gießen 1921, 54ff.; Fritz Schröer: Das Havelland im Dreissigjährigen Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte der Mark Brandenburg. Erg. u. hg. Gerd Heinrich. Köln, Graz 1966, 93ff.
5 Wohl eine Anspielung darauf, daß F. Ludwig beim Kaiser in Verruf geraten war, als er im September 1631 das Amt eines kgl.-schwed. Statthalters der Stifte Halberstadt und Magdeburg annahm. Im Zuge der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem Kaiser und Kursachsen in Leitmeritz und Pirna, die im Juni 1634 aufgenommen wurden und zum Prager Frieden (Mai 1635) führten, galten F. Ludwig „und andere dergleichen gelichters“ dem Kaiser lange als nicht amnestiewürdig, zumal F. Ludwig erst im Juni 1635 sein Amt als kgl.-schwed. Statthalter der beiden Stifte niederlegte. S. 320313 K 0, S. 435; 350800 K 7. Als F. Christian II. am Ende einer langen Europareise im August 1634 nach Wien reiste, um die Belehnung Christians „für sich vndt im Nahmen dero bruders vndt vettern“ zu erhalten, war er in Sorge, erfolglos zu bleiben oder F. Ludwig könnte aus der anhalt. Belehnung ausgeschlossen werden („l’on voudroit exclurre le Prince Louys“). Gewisse Signale am Kaiserhofe alarmierten ihn (s. Christian: Tageb. XIII, Bl. 117r, 144r, 132r u. 143r, vgl. 138r), und tatsächlich erreichte er am 18./ 28. 8. 1634 nur ein Diplom, daß die Verzögerung der Belehnung den Anhaltinern und ihren Erben nicht zu Präjudiz und Nachteil gereichen solle. A. a. O., 144r. Ein weiterer Aufenthalt Christians in Wien (April bis Ende September 1635) inmitten der Verkündung und Publikation des Prager Friedens verlief in der Belehnungsangelegenheit ebenso schleppend, aber am Ende erfolgreich. S. Christian: Tageb. XIII, Bl. 245v ff. u. 259r ff. Wiederum sollte Christian die Belehnung für seine Verwandten mit empfangen; auch bat F. August v. Anhalt-Plötzkau Christian ausdrücklich, sich für den Einschluß des „Cöthn. Antheils“ (in den Friedensschluß) einzusetzen, jedoch stand zu befürchten, „F. Ludwig vndt herzog Wilhelm v. [Sachsen-]Weimar [FG 5] würden auch mitt darundter außgenommen“ und als Rebellen geächtet werden. So monierte auch Heinrich Gf. Schlick v. Passaun und Weißkirchen (1632–1649 Präsident des ksl. Hofkriegsrats) in einer Unterredung mit F. Christian II., „daß F. L. sich hette in das StadthalterAmpt, mitt eingesteckt“. A. a. O., 279v, 271r, 287r u. 288r (Einträge vom 28. u. 20. 5. sowie 1. 6. 1635), vgl. auch etwa 297v, 304r, 309v, 318v, 321v, 335vf., 352rff., 356rff. u. ö. Daß sich Christian für den Einschluß F. Ludwigs in die Amnestie des Prager Friedens eingesetzt hat, zeigt etwa sein Tagebuch-Eintrag vom 8. 8. 1635 (387v). F. Ludwig jedenfalls fürchtete bis in den Mai 1635, nicht in den Prager Frieden eingeschlossen zu werden, sein Teilft. zu verlieren, möglicherweise sogar auf schwed. Exil angewiesen zu sein. S. 350800 K 7. Nach langen Verzögerungen empfing F. Christian am 18. 8. 1635 die ksl. Belehnung „mitt vnserm Fürstenthumb vndt Regalien“ (a. a. O., 399r). Der eigens von den fl. Vettern mit nötigen Papieren entsandte Curt v. Börstel (FG 324), Rat und Hofmeister F. Augusts v. Anhalt-Plötzkau, nahm an der Zeremonie teil. Vgl. a. a. O., 398vff. F. Christian feierte diesen Tag als „un de mes grands jours“ (401r). Auch der Einschluß Anhalts in die Friedensamnestie war gesichert, wie Christian bilanzierte, „Et tout cela non seulement pour || [165] moy, mais aussy pour mes Oncles & Cousins, & frere, entre lesquels particulierement le Prince Louys & Frideric, comme serviteurs actuels de Swede avoyent besoing de reconciliation, & cela s’estend sur nos Conseilleurs & serviteurs, & tous les Estats de nostre pays. Que si la tetrarche de Cöhten, auroit esté perdue ou donnée en gage, comme il y en avoit grande apparence, cela auroit beaucoup coustè de peine & d’argent a rachepter“ (402r). (Christians Bruder F. Friedrich von Anhalt-Harzgerode [FG 62] kommandierte 1634–35 ein schwed. Regiment unter Johan Banér [s. Anm. 3].) Am 1. 9. 1635 hielt Christian die ksl. Bescheinigung über seine „acceptation des Friedens“ „in omnibus punctis, capitulis, et clausulis“ (a. a. O., 423rf.) in Händen, am 16. 9. den ksl. „Lehenbrief in optima formâ, & non vulgarj, benebens der Lehenträgerey-concession (dem Elltisten in der familiâ allezeitt)“ (434v) und am 23. 9. das begehrte ksl. Vermittlungsschreiben an Kursachsen (444r). Vgl. auch 457r u. Beckmann IV, 521 u. V, 364; Lentz, 718.
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