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390630 Fürst Ludwig an Graf Wolrad IV. von Waldeck-Eisenberg
[Inhaltsverzeichnis]
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390630

Fürst Ludwig an Graf Wolrad IV. von Waldeck-Eisenberg


F. Ludwig (Der Nährende) bedankt sich bei Gf. Wolrad IV. v. Waldeck-Eisenberg (FG 114. Der Frühespate) für die ihm erwiesene Bewirtung. Er schickt ihm ein geliehenes Buch zurück, das er wegen anderer Beschäftigung kaum lesen konnte. — Die Zukunft bleibe abzuwarten, der Glaube beruhe nicht darauf. Die Seligkeit der Seele hänge nicht von der Zukunft ab und die des Leibes solle Gott und seiner Kirche dienen. Vielleicht finde der Graf in der ihm überreichten Dichtung F. Ludwigs (Das Buch Hiob) auch eine ähnliche Lehre. — Der Graf habe vergessen, Ludwig die ihm fehlenden Impresen des Gesellschaftsbuchs (GB 1629/30) zu nennen. — Ludwig schlägt vor, die Korrespondenz mit dem Grafen über Doktor Sebastian Neffen bzw. (Sebastian) Vesper in Erfurt abzuwickeln, in vertraulichen Briefen auch die dritte Person und die Gesellschaftsnamen zu benutzen.

Beschreibung der Quelle


Q STA Marburg: 115 Waldeck 2 Anhalt 2, 2 Bl. unfol. [A u. Eingangsvermerk: 2v], 1v u. 2r leer; eigenh. mit Zusatz auf A von anderer Hand; Sig.; beiliegend lat.-dt. Verse Gf. Wolrads IV. (Beil. I).

Anschrift


A A Monsieur. Monsieur mon Cousin, Le comte de Waldeck, Pirmond, et Culenbourg, seigneur de Tonna etc. A Arolsen. Es mains propres.
Darunter Eingangsvermerk von der Hand eines Kanzlisten/ Sekretärs: Ps. arolse 1. Julij 1639; am Rand Zusatz von derselben Hand: links: Rs. 12 Julij ut hic rechts: Fürst Ludwig zu Anhalt begehrt bericht was vor gemehl Jhrer Gn. noch mangeln bei der frucht- || [170] bringenden gesellschafft vnd advisirt wie die brief an Jhre fl. Gn. können bestellt werden.

Text


Wollgeborner freundlicher lieber Ohemb und schwager, gegen El. bedancke ich mich nochmals wegena der gutten mir erzeigeten bewirtung1 und anderer freundschafftt: Uberschicke ihr hierbey wieder das zugestelte buchlein,2 darinnen ich zwar weinig lesen können, wegen anderer gescheffte, will es aber bestellen; Von zukunftigen weltta sachen, weill der Christliche glaube nicht daran hafftett noch drinnen bestehett, Kan nichtt woll geurtheilt werden, bis solche vorüber oder erfullett, were auch einen glaubensArtickell daraus zu machen, sündlich, weill die sehligkeitt der sehlen darauff nicht beruhett, die sehligkeitt des leibes auff dieser weltt, wie es die alten genennett, soll anders nichtt gehoffet noch gewunschett werden, als wie es Gott zu ehren undb seiner Kirchen, die aber unterm kreutze am höchsten grünett, gereichen mag:
   Vielleicht werden El. bey deme ihr uberreichten deutschen Job3 etzliche lehren finden, die dieser nitt ungleich. El. haben jüngst vergeßen mir zu zustellen, was ihr an den zweyhundertt in kupffer gestochenen und gedruckten gemählden noch ermangeltt.4
   Do es ihr gefällig, können sie es mir mitt einem briefflein berichten, vnd auff Erfurtt an doctor Sebastian Neffen/ Vesper5 schicken, dahin will ich die verordnung thun, das diese und dergleichen brieffe auffgehoben und mitt gewißer bottschaft abgeholett werden. Wollen El. dan etwas vertrautes abgehen laßen, können sie dem Fruespaten an den Nehrenden6 in dritter person gesellschaft weise schreiben laßen, und den umbschlag an doctor Neffen machen, sollen des Nehrenden brieffe aldar abgefodertt, und wieder an den fruespaten mitt einen umbschlag zuruck bestellet werden.
   Meine gemahl7 nebst mir entbeutt El. und dero gemahlin8 ihre und meine willige dienste, und ich verbleibe
   El. freundwilliger Ohemb und schwager
   Ludwig F zuAnhalt

Willungen, den 30 Brachmonats 1639.

I

Ein mittelalterliches lateinisches Distichon mit der deutschen

Übersetzung Graf Wolrads IV. von Waldeck-Eisenberg

Beschreibung der Quelle


Q A. a. O., lose beiliegendes Blatt; F. Ludwigs H.

Text


Sanguine fundata est Ecclesia sanguine cœpita
Sanguine succrevit, sanguine finis erit.

Jn Christi blutt und Tod die kirche ward gegründett
   Von gott in ewigkeitt: Jm blutte fieng sie anb
   Jm blutte nahm sie zu: Hier nicht vergehen kan. || [171]
Biß wieder sie im blutt den wahren ausgang findett.
   Wie Christus liedc im blutt’ auch so muß leiden sie
   Ohn blutigs leiden doch kan sie bestehen nie.

Dergestalt haben obige Lateinische gedancken fur dißmall in Deutsche Reime gesetzett fallen wollen.1 Wildungen den 30 BrachMonats im Jhar 1639.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt.
b Eingefügt für <oder>

T I
a S. die verbesserte Version crevit in 390701 I.
b Vgl. wuchs sie ran in 390701 I.
c Lies: litt

Kommentar

K Der Beginn der Wildunger Badekur F. Ludwigs (Der Nährende) und seiner Gemahlin Sophia (s. Anm. 7) war für die Zeit unmittelbar nach Ostern 1639 (14. April) geplant, verzögerte sich jedoch. S. LHA Sa.-Anh./ Dessau: Abt. Köthen A 9a Nr. 16. Erst am Montag, dem 20. Mai, wurde die Reise angetreten (Bl. 21r) und dauerte sieben Tage bis Wildungen (Bl. 20r). Der Kuraufenthalt fiel in eine Phase relativer Ruhe Waldecks im Krieg, bis die Grafschaft im August/September 1640 die Stationierung der schwed. Hauptstreitmacht unter Johan Banér (FG 222) bei Wildungen zu erdulden hatte, die ihre Stellungen um Fritzlar — gegenüber der ksl. Armee unter Ehz. Leopold Wilhelm und Piccolomini (FG 356. 1641) — einnahm. Vgl. 400810 K 7. In diesem Zusammenhang fand auf dem Schloß zu Arolsen am 16. 9. 1640 a. St. Banérs Vermählung mit seiner dritten Frau Mgfn. Johanna Margaretha v. Baden-Durlach (1623–1661) statt. Vgl. Pufendorf: Kriegs-Geschichte, 12. Buch, 545; Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 385 u. 394; Friedrich Seidel: Waldeck im 30jährigen Kriege. In: Historische Forschungen und Probleme. Peter Rassow zum 70. Geburtstage. Hg. K.-E. Born. Wiesbaden 1961, 44–65, hier 57 u. 59f. Zurück zum Sommer 1639: Am 2. 7. traten F. Ludwig und seine Begleitung die Rückreise von Wildungen an (s. 390701), am 6. Juli traf die Reisegruppe wieder in Köthen ein (a. a. O., Bl. 26r). Am 19. 5. 1639 (Bl. 18rv) hatte Ludwig Diederich v. dem Werder (FG 31) von der bevorstehenden Badereise unterrichtet (Bl. 18r). Werder möge während der Abwesenheit den Räten des Teilft.s Anhalt-Köthen in allen Fragen beratend zur Seite stehen und auf Gesandtschaften oder auf den vom Senior des Gesamtfürstenhauses, F. August v. Anhalt-Plötzkau (FG 46), einberufenen Zusammenkünften Ludwig vertreten. Am selben Tag erging auch eine Ermahnung des Fürsten an die Köthener Regierung, während seiner Abwesenheit Sorgfalt und Umsicht walten zu lassen und im Bedarfsfall Werders Rat einzuholen (Bl. 17rv). Vgl. außerdem LHA Sa.-Anh./Dessau: Abt. Bernburg B 2l Nr. 17. S. auch 390504A, 390701, 390712, 390712A u. 390814. Zum geschätzten Wildunger Sauerbrunnen vgl. zuletzt 380522 u. Carl Reichardt: Geschichte von Stadt und Bad Wildungen. Bad Wildungen 1949, 103ff.
1 Seit 1628 stand Gf. Wolrad IV. v. Waldeck-Eisenberg (FG 114. Der Frühespate) nachweislich mit Fürst Ludwig in brieflichem und persönlichem Kontakt. S. 281105 u. 281126. In die Gesellschaft wurde der Graf während eines Kuraufenthaltes F. Ludwigs im August 1626 aufgenommen. Am 23. 6. 1639 hatte F. Ludwig aus Wildungen an den Grafen geschrieben und angefragt, ob ihm ein Besuch am 27. 6. in Arolsen gelegen käme (STA Marburg: 115 Waldeck 2 Anhalt 2, 1 Bl.), was dieser am 24. 6. bejahte (s. sein Antwortkonzept, a. a. O., 1 Bl.). Am 30. 6. dankt Gf. Wolrad für den Besuch F. Ludwigs und seiner Angehörigen und erkundigt sich nach der hoffentlich reibungslosen Rückkehr des Fürstenpaares nach Wildungen (Konzept, a. a. O., 1 Bl.). Vielleicht stellt, falls sich die Schreiben nicht überschnitten haben, der vorliegende Brief die Antwort auf Gf. Wolrads Brief vom selben Tage dar.
2 Es wird sich kaum um den in 390701 genannten „frantzösischen Alexandre“ handeln || [172] (s. dort K 2), da F. Ludwig das „zugestelte buchlein“ mit vorliegendem Brief an Gf. Wolrad IV. zurücksendet, während er tags darauf (390701) die Mitnahme des „frantzösischen Alexandre“ nach Köthen ankündigt.
3 Fürst Ludwig: Das Buch Hiob (1638), vgl. 390110 K 1.
4 Das GB 1629/30 enthält die Impresen der ersten 200 FG-Mitglieder. Gf. Wolrad IV. besaß eine der noch unvollständigen Ausgaben dieses Gesellschaftsbuchs aus dem Jahre 1629, das nur die Impresen, Reimgesetze und anderen Gesellschaftsangaben der ersten 148 FG-Mitglieder umfaßte. S. 390712. Erst 1630 war das Gesellschaftsbuch bis auf das 200. Mitglied erweitert worden. 1641 erschien das nächste, um die neuen Mitglieder erweiterte, aber nichtillustrierte Gesellschaftsbuch (GB 1641; 353 Mitglieder).
5 D. i. Sebastian Neffen bzw. (Sebastian) Vesper. Unbekannt.
6 Die FG-Gesellschaftsnamen Gf. Wolrads IV. und F. Ludwigs. Der Nährende beschreibt hier den unpersönlichen Stil der Gesellschaftsbriefe. Vgl. 390903.
7 Fn. Sophia v. Anhalt-Köthen, geb. Gfn. zur Lippe (AL 1629. TG 38).
8 Gfn. Anna v. Waldeck-Eisenberg (1587–1649), geb. Mgfn. v. Baden-Durlach.
1 Vermutlich ist es während des Besuchs F. Ludwigs und seiner Gattin Sophia (s. K 7) von Wildungen aus bei Gf. Wolrad IV. v. Waldeck-Eisenberg (FG 114) in Arolsen am 27. 6. (vgl. K 1) auch zu einem Gespräch über die Lage der evangel. Glaubensverwandten gekommen. In seinem Verlauf könnte der Fürst oder der Graf die Frage nach der Verdeutschung jenes bekannten latein. Distichons aufgebracht haben, das als Sprichwort überliefert ist, s. Walther IV, Nr. 27490:
„Sanguine fundata est ecclesia, sanguine crevit,
Sanguine succrevit, sanguine finis erit.“
Nachweis ohne Quellenangabe in: Supplementum ad opus: Florilegium proverbiorum universae latinitatis ... collegit et in novum ordinem redegit Eduardus Margalits. Budapest 1910, 231. In Wander II, 1337 (s. v. Kirche, Nr. 33) die deutsche Version: „Die Kirche ist auf Blut gegründet, im Blute gewachsen und aufgewachsen und im Blute wird sie endigen.“
Das Thema könnte auch gut im Zusammenhang mit F. Ludwigs Hiob-Dichtung besprochen worden sein. S. oben K 3. Meistens ging die sprachlich-literarische Initiative vom Nährenden aus, so daß dieser auch hier den Grafen zur Übersetzung in deutsche Verse aufgefordert haben könnte. S. die Korrektur F. Ludwigs in 390701 I.
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