Der Brief wurde im Anschluß an einen Besuch F. Ludwigs bei
Gf. Wolrad IV. v. Waldeck-Eisenberg (FG 114. Der Frühespate) während einer Badekur
der fl. Familie in Wildungen geschrieben. Das Treffen (in Arolsen am 27. 6., s.
390630 K 1) bot Gelegenheit zu literarischen und religiösen Gesprächen. S. 390630
u. I. Auch Politisches mag verhandelt worden sein, da sich damals auch F.
Friedrich v. Anhalt-Harzgerode (FG 62) und Pgf. Christian I. v. Bischweiler (FG
205) in Wildungen eingefunden hatten. S.
XV, Bl. 172r (1. 7. 1639).
2 Es handelte sich wahrscheinlich um eine Bearbeitung des
spätantiken Romanstoffs auf der Grundlage des frz. mittelalterlichen
Alexanderromans (
Roman d’Alexandre, seit etwa 1130), der
dem Alexandrinervers den Namen gab), denn F. Ludwig sprach in 400619 von einem
„aus dem alt-frantzösischen verdeutschte[n] grosse[n] Alex mit dem Haupstücke“.
Obwohl das Werk also offenbar übersetzt wurde, erschien es nicht im Druck und fand
sich nach Ausweis des
IP weder als frz. Original noch als
dt. Übersetzung in F. Ludwigs hinterlassener Bibliothek. Vielleicht bezieht sich
F. Ludwig auf das zwischen 1506–1587 in sieben Auflagen gedruckte Werk „L’histoire
du noble et tres vaillant Roy Alexandre le Grand, jadis Roy et Seigneur de tout le
monde, avec les grandes prouesces qu’il a faites en son tempes“. Der Druck scheint
verloren gegangen zu sein. Vgl. Alfons Hilka: Der altfranzösische
Prosa-Alexanderroman. Nach der Berliner Bilderhandschrift. Nebst dem lateinischen
Original der Historia de preliis (Rezension J2). Halle 1920, S. II. Daß ein
zeitgenössisches Interesse insbesondere in Frankreich am „Alexander“ unter der
Regentschaft Kg. Heinrichs IV. u. Kg. Ludwigs XIII. bestand, belegen drei Werke
des im fruchtbringerischen Kontext rezipierten Franzosen und produktiven
Schriftstellers Jean Puget de La Serre (1595–1665), der Bibliothekar des Gaston
d’Orléans und Hofmann der frz. Königinmutter Maria de’ Medici am Brüsseler Hof
war, auch wenn die drei Werke keine neuen dichterischen Bearbeitungen des
Alexanderstoffes darstellten, sondern heroische Geschichtsdarstellungen (z. T. im
Stile Plutarchs). Puget schrieb eine „Nouvelle Histoire D’Alexandre Le Grand
Dediée à son Excelence Monseigneur le Comte de Piccolomini, general des Armées de
sa Majesté Imperiale Par le Sieur de la Serre, Historiographe de France“
(Bruxelles: Luc de Meerbeque 1637), HAB: 258.1.1 Hist. 2°, bzw. (Lyon: Jean Ayme
Candy 1639). Zum anderen verfaßte er noch „Le portrait d’Alexandre le Grand“
(Paris: 1641, s.
Arbour, Nr. 17548) und „L’Alexandre ou les
parallèles de Monseigneur le Duc d’Anguien [d’Enghien, später: Pz. v. Condé] avec
ce fameux Monarque, Epistre“ (Paris: Nicolas Talon 1645; 2. ed. Paris 1647:
Parallèles et éloges historiques d’Alexandre le Grand et de Mgr [Monseigneur] le
duc d’Anguien; beide Werke s.
Cioranescu III, 1657). Eine
dt. Übersetzung dieser Werke Pugets ist nicht bekannt. Zu Puget und der dt.
Übersetzung seines
L’entretien des bons esprits sur les vanités
du monde durch Lgf. Wilhelm V. v. Hessen-Kassel (FG 65) s. 370422 I u. III
Q. Vgl. auch Werner Ginzl: Puget de La Serre. Eine literarhistorische
Charakterstudie. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Literatur im 17.
Jahrhundert. Diss. Rostock 1936. Die
Nouvelle Histoire u.
L’Alexandre ou les parallèles werden dort im
ausführlichen Verzeichnis der Werke Pugets, S. 40–45, nicht erwähnt. S. dagegen
die detailreiche Darstellung (mit Abbn. aus
L’Alexandre ou les
parallèles) bei Mark Bannister: Heroic hierarchies: Classical models for
panegyrics in seventeenth-century France. In: International Journal of Classical
tradition 8 (2001) H. 1, 38–59, hier 47f. u. 53–58. Daß es sich bei dem Hinweis im
vorliegenden Brief um die Ausgabe Puget de la Serres (
NouvelleHistoire D’Alexandre) handelt, können wir nicht
ausschließen, wenn dabei auch deren Widmungsempfänger, das spätere FG-Mitglied F.
Octavio Piccolomini d’Aragona, Duca d’Amalfi (FG 356. 1641), noch nicht den
Ausschlag gibt. Wir gehen jedoch, bedingt durch F. Ludwigs oben zitierte
Formulierung aus 400619, eher von einer alten frz. Vorlage aus. Insgesamt ist auf
Hartmut Kuglers Satz zu verweisen, wonach „die Überlieferungsgeschichte des
Alexanderromans zu einem gewaltigen und fast undurchdringlichen Dickicht“ geworden
ist. H. K.: Alexanders Greifenflug. In: IASL 12 (1987) 1–25, hier 5. — F. Ludwig
hatte das frz. Manuskript — wie der vorliegende Brief nahelegt — von Gf. Wolrad
IV. erhalten. S. auch
Conermann III, 119. Ob F. Ludwigs
Interesse auch durch den Alexanderbericht im
Annolied
angeregt wurde, ist nicht bekannt, s.
VL (2. Aufl.) I,
369 u. V, 502. Die Würdigung des Hl. Anno wurde im engeren Fruchtbringer-Kreis
diskutiert und das
Annolied von Opitz 1639 herausgegeben
und mit lat. Anmerkungen versehen:
Opitz: Anno (1639), vgl.
390121A K 5. Im Dezember des gleichen Jahres
|| [
175]
bat F. Ludwig darum, ihm die altfrz.
Ausgabe noch etwas länger zu überlassen, da er aus Zeitgründen bisher nicht zur
Übersetzung gekommen sei. Der Korrespondenz nach sandte Diederich v. dem Werder
(FG 31) bereits im Mai 1640 beide Werke, das frz. u. das deutsche Manuskript des
„Alexander“, an F. Ludwig unbeanstandet zurück. Einen Monat später wiederum wandte
sich F. Ludwig erneut an Werder, um eine sichere Zustellungsmöglichkeit an den
„Frühespaten“ in Erfahrung zu bringen, da er diesem das Original und die
Übersetzung gern zugestellt hätte. Werder konnte diese Bitte nicht erfüllen, da er
den Angesprochenen nicht persönlich kannte und ihm sein Aufenthaltsort auch
unbekannt war. Vgl. zu diesem Zusammenhang 390630, 391200, 400514, 400619 u.
400620.
Zur Entstehung und Korrektur der von Gf. Wolrad
stammenden dt. Übersetzung des mittelalterlichen latein. Distichons durch F.
Ludwig vgl. T und 390630 I mit K I 1.