1 Die drei anonymen Gedichte haben sich handschriftlich (und
auch in dem im LHA Dessau nachgewiesenen Druckexemplar) „in den Acten der
fruchtbringenden Gesellschaft, ohne Zweifel von einem Mitgliede herrührend“,
erhalten, so 1879 der mit der Ordnung des hzl.-anhalt. Hofarchivs befaßte Gottlieb
Krause (
KL III, 33). Eine handschriftliche oder gedruckte
Überlieferung außer den in Q genannten Textzeugen läßt sich nicht nachweisen,
weder im ThHSTA Weimar (vgl. die Bestände: Fl. Haus A 972 u. 972a zum Tode Hz.
Bernhards; Großhzl. Hausarchiv HA A VIII, Nr. 1,2,3; Sammlungsbestand „Historische
Schriften und Drucke“ F 42, 43 u. 47–53; freundliche Auskunft von Volker
|| [
187]
Graupner), noch in der HAAB Weimar (starke Verluste durch den Brand im September
2004; freundliche Auskunft von Ingrid Arnhold), der FB Gotha (Teilnachlaß Hz.
Bernhards: Chart. A 1174–1183 u. Chart. A 721–734; freundliche Auskunft von
Cornelia Hopf) und dem ThSTA Gotha (reiche Bestände v. a. zur Rückführung der
Leiche nach Weimar und den Beisetzungsfeierlichkeiten 1655, dem Jubeljahr des
Augsburgischen Religionsfriedens: Geheimes Archiv E VI Nr. 5–14; Kammer Immediate
Nr. 1584; ferner Geheimes Archiv E VI 5 Nr. 13; freundliche Auskunft von Rosemarie
Barthel). Vgl. auch 390807A. — Denkt man wegen Hz. Bernhards Wirkungskreis/
Sterbeort und wegen des altdeutschen Kults an eine Entstehung im Straßburger Kreis
oder speziell in der 1633 dort gegründeten Aufrichtigen Tannengesellschaft (TaG),
kämen vielleicht auch Jesaias Rompler v. Löwenhalt (TaG) oder Johann Matthias
Schneuber (TaG; FG 498. 1648) als Verfasser in Frage. Zu erinnern ist hier an den
aufschlußreichen Umstand, daß Hz. Bernhard noch kurz vor seinem Tod Matthias
Berneggers und Johannes Freinsheims (s. u.) Tacitus-Arbeiten mit 100 span.
Dublonen unterstützt hatte. S. Edmund Kelter: Der Briefwechsel zwischen Matthias
Bernegger und Johann Freinsheim (1629, 1633–1636). Ein Beitrag zur
Kulturgeschichte der Zeit des Grossen Krieges. Hamburg 1905, 60; vgl. dazu Carl
Bünger: Matthias Bernegger. Ein Bild aus dem geistigen Leben Strassburgs zur Zeit
des Dreissigjährigen Krieges. Strassburg 1893, 330f. Romplers Verse allerdings
erscheinen ausgefeilter als die drei hier von uns veröffentlichten, mit neuartigen
Wortbildungen und eigener Orthographie, aber nicht ohne Dialektformen. Vgl.
370900. Ähnliches, wenn auch vermindert, gilt damals für Schneuber. In 470122 (
KE, 379) kritisiert F. Ludwig Schneubers grammatische Fehler
und dessen Einmischung von Daktylen in jambischen Versen. Die Alexandriner des
Anonymus sind in der Regel gewandt, nicht ohne stilistische Kunst (Verdoppelung
„Allhier hier“, „ob all-allen andern dingen“; Parallelismus „So lange hertz,
mundt, handt, wirdt dencken, reden, schreiben“), aber sie verstoßen nicht gegen
die Prosodie und Metrik von Opitz, entsprechen in Lexik und Grammatik wohl
meistens auch den Erwartungen des strengen Fürsten. — Das imposanteste
literarische Denkmal setzte dem Eroberer Breisachs Johannes Freinsheim (TaG) 1639,
noch vor Bernhards Tod, in
Teutscher Tugentspiegel Oder Gesang
von dem Stam̄en und Thaten deß Alten und Newen Teutschen
Hercules. Zur Prosodie und Grammatik des Straßburgers Freinsheim vgl.
400319. Unter den publizistischen Reaktionen auf die Einnahme Breisachs ragt
ferner hervor das Gedicht Kaspar van Baerles (1584–1648): CASPARIS BARLÆI BRISACVM
CAPTA, sive PANEGYRIS dicta Seren.
mo Invict.
moque Principi, BERNHARDO, Saxoniæ ...
Duci (Amstelodami: Jo. & Corn. Blaeu 1639). HAB: 95.6 Quod. 2° (3). Die
Gegenposition vertrat Jacob Balde S. J. (1603–1668) „AVCTORIS MELANCHOLIA. Quum è
campis redux, audiret Brisacum à Duce Vinmario occupatum. In: JACOBI BALDE E
SOCIETATE JESV LYRICORVM LIBER PRIMVS. O. O. u. J. (München 1643; HAB: Li 198),
Ode XXXVI. Ndr. in: Jacob Balde: Opera Poetica Omnia. Bd. I. Neudr. der Ausgabe
München 1729. Hrsg. u. eingel. v. Wilhelm Kühlmann u. Hermann Wiegand. Frankfurt
a. M. 1990, Liber I, Ode XXXVI (S. 45f.). Vgl. dazu
Krieg und
Frieden I, 174. — Zum älteren
Panegyricus Heinrichs
v. Friesen d. J. (FG 683. 1658) auf Hz. Bernhard aus dem Jahr 1634 s. 330918 K 7.
Hinsichtlich der Trauerdichtungen auf Hz. Bernhard sind die beiden Klagegedichte
des Latein- und Poesielehrers am Straßburger Gymnasium, Samuel Gloner (1598–1642),
zu erwähnen. Er war ksl. gekrönter Poet und ein in neulat. und dt.
Gelegenheitsdichtung produktiver, nach seinem Tode vom Straßburger Rat aufgrund
religiöser Intrigen damnierter, später weitgehend vergessener Autor. Gloner war
befreundet mit Matthias Bernegger, Schneuber, Johann Valentin Andreae (FG 464.
1646) u. Johann Michael Moscherosch (FG 436. 1645). Dieser bat ihn in zwei Briefen
vom 6. 4. und 23. 10. 1640 (Thomasarchiv Straßburg: Ms. 164) um Hilfe bei der
Korrekturdurchsicht der Druckfahnen seiner Quevedo-Bearbeitung
Wunderbahre Satyrische gesichte Verteutscht durch Philanders von
Sittewald (Straßburg 1640), zu der Gloner dann auch ein deutsches
Alexandrinergedicht beisteuerte. Vgl. Walter Ernst Schäfer: Eine Freundschaft im
Zeichen
|| [
188]
„deutscher Spracharbeit“: Moscherosch und Harsdörffer. In: Daphnis 34
(2005), 137–183, hier 139ff.; Helmut Thomke: Josua Wetter und sein Straßburger
Kostherr Samuel Gloner. In: Wolfenbütteler Beiträge 4 (1981), 205–233, hier 213f.
Vgl. die Gedächtnisschrift auf den verstorbenen Gloner: Sanctis Manibus Eximii
Literatißimique Viri DN. M. SAMUELIS GLONERI P. L. C. Latinitatis in celeberrimo
Argentoratensium Gymnasio Præceptoris fidelissimi, de arte poëtica præclare meriti
... Hoc ... monumentum Consecravit Fautorum, Collegarum, & amicorum Pietas
(Straßburg 1642), HAB: 48.7 Poet. (75); ferner
DBA I, 397/
269 u. 271;
Faber du Faur II, 39;
Literatur-Lexikon IV, 176f.; Monika Bopp: Die „Tannengesellschaft“:
Studien zu einer Straßburger Sprachgesellschaft von 1633 bis um 1670. Frankfurt a.
M. 1998, 123ff. (mit weiterer Literatur); Wilhelm Kühlmann u. Walter E. Schäfer:
Frühbarocke Stadtkultur am Oberrhein. Studien zum literarischen Werdegang J. M.
Moscheroschs (1601–1669). Berlin 1983, 26, 37, 41 u. ö.; Dieselben: Literatur im
Elsaß von Fischart bis Moscherosch. Gesammelte Studien. Tübingen 2001, mit
häufigen Verweisen auf Gloners Briefwechsel, s. bes. S. 128f., 203 u. 217; Rudolf
Reuss: M. Samuel Gloner, ein Strassburger Lehrerbild aus den Zeiten des 30jährigen
Krieges. In: Festschrift zur Feier des 350jährigen Bestehens des protestantischen
Gymnasiums zu Strassburg. Hrsg. v. der Lehrerschaft desselben. 2 Tle. Strassburg
1888, I, 143–226, hier v. a. 214f. Die zwei Klagschriften Gloners zum Tode Hz.
Bernhards sind: LESSUS IN BEATUM OBITUM SERENISS. ... DOMINI BERNHARDI SAXONIAE
... DUCIS ... REGNORUM CONFOED. ORDINUMQUE EVANGELIC. GENERALISSIMI ... SCRIPTUS
... à M. SAMUELE GLONERO, P. L. [o. O. 1640], mit einem allegorischen Porträt Hz.
Bernhards (Frontispiz). HAB 48.7 Poet. (27) u. 202.67 Quod. (1); Klagschrifft Vber
den hochbetrawrlichen frühezeitigen todtfall ... Herren BERNHARDEN/ Hertzogen zu
Sachsen ... der Confœderirten Königreichen vnd Evangelischen Ständt GENERALISSIMI;
Welcher zu Newenburg am Rhein sanfft vnnd seelig im Herren entschlaffen/ Den 8.
Julij im jahr Christi M. DC. XXXIX. ... geschriben von Samuel Glonern. Gedrukt im
Jahr/ 1640. HAB: 48.7 Pol. (28) u. 202.67 Quod. (2). Gloner geht ins militärische
Detail, schildert die Etappen von Bernhards Aufstieg, exponiert aber auch sehr
entschieden die Versatzstücke antihabsburg. und evangel. Propaganda. Hz. Bernhard
erscheint als Verteidiger der reinen Glaubenslehre und „der alten freyheit“ (S.
20). Er „Solt der erretter sein vnd friedens widerbringer/ | Wir meinten daß er
solt befreyen gantz vnd gar | Vom joch der dienstbarkeit vnd noth die Teutsche
schar“, indem er das „harte hertz“ des Feindes „Zu lang gewünschtem frid“ bewegen
wollte (S. 6 u. 19). — Von Georg Rodolf Weckherlin stammen nicht nur ein Gedicht
auf Hz. Bernhards langjährigen Geheimen Rat und Chefunterhändler Tobias v.
Ponickau (FG 206), sondern auch fünf Gedichte auf den siegreichen und eine
„Grabschrifft“ auf den verstorbenen Feldherrn. Letztere lautet: „STeh/ Leser/
seufz vnd wein. Der welcher keine müh | Gespahret/ des Reichs Recht vnd Freyheit
hand zu haben, | Bernhard/ des Teutschlands Held/ vnd mit ihm ist alhie | Die
Teutsche Redlichkeit vnd Dapferkeit begraben.“ Das Gedicht auf Ponickau und die
Grabschrift auf Hz. Bernhard in Weckherlins Sammlung
Gaistliche vnd Weltliche Gedichte (Amsterdam: Jan Jansson 1648), 555–560
u. 635, vgl. auch das Druckfehlerverzeichnis am Ende des Bandes (
Faber du Faur II, Nr. 164a, Microfilm-Edition. HAB: Microfilm 1: 39).
Ndr. in: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte hrsg. v. Hermann Fischer. 2. Bd.,
Tübingen 1895 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart, CC), 245ff. (Nr.
[282]) und 298 (Nr. [291]). Die übrigen Gedichte auf Bernhard stehen schon in
Weckherlins früherer Ausgabe
Gaistliche und Weltliche Gedichte (Amsterdam: Iohan Iansson 1641; HAB: 110.3 Poet. [1]), 161–165
(in der o. g. Ausgabe Amsterdam 1648: S. 654–658). Ndr. in: Georg Rudolf
Weckherlins Gedichte hrsg. v. Hermann Fischer. I, 427ff. (Nr. [150–154]) u. jüngst
in
Schmid: Quellen, 127ff. Zu weiteren Trauerdichtungen s.
Emil Weller: Annalen der Poetischen National-Literatur der Deutschen im XVI. und
XVII. Jahrhundert. 2 Bde. Freiburg i. Br. 1862 u. 1864, I, Abt. 1, Nr. 914, 916,
917, 919 u. 1085. — Von den übrigen Trauerschriften auf Hz. Bernhard sind zu
nennen: zunächst der illustrierte Einblattdruck Christ-
|| [
189]
liche kurtze Trawer=Klag
über den vnverhofften tödlichen Abgang | Deß Weiland Durchleuchtigsten/
Hochgebornen Fürsten vnd Herrns/ | Herrn Bernhards/ Hertzogs zu Sachsen ... der
vereinigten Cronen vnd Evangelischen Stände
Generalissimi, | welcher den 8. Julij
deß 1639. Jahrs/ in der Stadt Newenburg am Rhein/ sanfft vnd selig in Christo Jesu
entschlaffen/ vnd darauff den 19. Julij zu Breisach im Münster | in
hochansehlicher Versamblung mit herrlichen
Solenniteten beygesetzt worden. o. O.
u. J. (1639). Darunter Kupferstich: Herzog Bernhard auf dem Totenbett. Darunter
ein ungez., undat. dt. Gedicht von 3 Strophen à 4 Zeilen. FB Gotha: Biogr. gr. 2°
593/2, Bl. 137v. Druckvariante in BSB München: Einbl. V,8 mn. Beide Blätter in
Paas VII, P-2070f. — Ob der kurz nach 1612 in Weimar als
Erzieher Pz. Bernhards tätige, dann im Zuge der ratichianischen Schulreform in
Köthen und Weimar 1618 mehrfach genannte Barthold Nihus(ius) (s. 390901 K 16) als
Verfasser der Gedichte in Frage kommt, ist aufgrund seiner Konversion zum
Katholizismus 1622 und seiner in den 30er, vollends in den 40er Jahren
demonstrierten Streitlust v. a. gegen seinen einstigen Helmstedter Lehrer
Cornelius Martini und den Helmstedter Theologen Georg Calixt, aber auch gegen die
„Weimarer Bibel“, unwahrscheinlich. Immerhin widmete er seinem einstigen Zögling
ein anerkennendes Epigramm:
„In obitum Illustrißimi BERNARDI, Saxoniæ Ducis Vinariensis,
Principis bellicosi, mei quondam domini.
Qui tumulant te, non tumulant; nisi, quicquid in orbe
Bernardum norit, contumulent pariter.“
(D. i.: Die Dich begraben, begraben Dich nicht, es sei denn, sie könnten das, was
Dich in der Welt bekannt gemacht hat, zugleich mitbegraben.) BARTOLDI NIHVSII
DISTICHA. LIBRI QVATVOR.
Accedit ejusdem EPIGRAMMATVM
VARIORVM LIBER SINGVLARIS. COLONIÆ AGRIPPINÆ Apud IOHANNEM KINCKIVM. M DC XLII, S.
36. HAB: Li 6685. Vgl. auch seine eigene Sammlung
Epigrammatum
Libri duo, Köln 1641 (FB Gotha, StB Nürnberg; VD17 547: 664221P) und die
Sammelausgabe
Epigrammata Disticha Poetarum Latinorum, Veterum
et Recentum, Köln 1642 (FB Gotha; VD17 547: 664056L), in denen sich das
Distichon aber nicht befindet (wir danken Wolfgang Schlosser, UB Erfurt, für
freundliche Auskunft). Vgl.
ADB XXIII, 699f.; zur
Kontroverse Nihus(ius) und Calixt auch Christoph Böttigheimer: Zwischen Polemik
und Irenik. Die Theologie der einen Kirche bei Georg Calixt. Münster 1996,
50f.
2 Es ist hier nicht der Ort, Hz. Bernhards v. Sachsen-Weimar
(FG 30) Leben und seine historische Bedeutung ausgiebig darzustellen. Das Bild des
Glaubenshelden und Freiheitskämpfers wird in der jüngeren Forschung in seiner
Ambivalenz gesehen und zurückhaltend beurteilt. In der FG hat er kaum eine
nachweisbare Rolle gespielt: Kein einziger Gesellschaftsbrief an oder von F.
Ludwig ist überliefert, keine der hier veröffentlichten bzw. genannten Lob- und
Trauerschriften auf Bernhard erwähnt seine Mitgliedschaft. Immerhin erscheint „der
Austrucknende“ auf dem Isselburg-Stich, der ein frühes FG-Gesellschaftertreffen
zeigt (um 1622, abgebildet in
DA Köthen I.1, S. 86); auch
war er als „Aristander“ Mitglied der PA (vgl. 240112, 240301 u. ö.). Mit Ausnahme
des Juli und September 1624, als Hz. Bernhard den Dessauer Hof besuchte, begegnet
er in den FG-Korrespondenzen allenfalls am Rande und nur im Hinblick auf seine
politischen und militärischen Funktionen. Was ihn mit der FG verband, ist ein
stark protestantisch getragener, sich in der FG immer auch und zunehmend seit 1635
überkonfessionell-säkular verstehender Reichs- und Kulturpatriotismus. Hz.
Bernhard, seit 1622 in evangel. Heeren kämpfend, hatte sich für die Fortsetzung
des Krieges gegen Habsburg entschieden und trat daher nicht (wie seine Brüder) dem
Prager Frieden bei, ließ sich von diesen auch nicht 1638 zu einem Beitritt
bewegen. Hier war nicht zuletzt das Druckmittel der ksl. Belehnung maßgeblich, die
die Weimarer Herzöge nicht verspielen wollten und zu einer Gesandtschaft an den
Bruder veranlaßte. Am 3. 8. 1638 stellte der Kaiser die Lehensurkunde aus,
allerdings war Bernhard darin nicht eingeschlossen. Vgl.
Patze V.1.1, 169f.; Gustav Droysen: Bernhard von Weimar. 2 Bde. Leipzig
1885, II, 549. Bernhard agierte seit 1634 formal
|| [
190]
selbständig als Oberbefehlshaber
der Truppen des (zerfallenen) Heilbronner Bundes (Bestallungsurkunde in Bernhard
Röse: Herzog Bernhard der Große von Sachsen-Weimar. 2 Teile, Weimar 1828 u. 1829,
II, 457–461; vgl. BSB München: Clm 10404, Bl. 93r–95v), seit der vertraglichen
Allianz mit Frankreich (St. Germain, 27. 10. 1635, in Röse II, 469–476) faktisch
aber abhängig nicht nur von Subsidien, sondern auch von Direktiven der französ.
Regierung — eine Abhängigkeit, die er zwar zu umgehen hoffte, jedoch nicht
abschütteln konnte. So bedingte er sich die Lgft. Elsaß als souveränes Fürstentum,
nicht als französ. Lehen aus; ebenso lehnte er den persönlichen Eid auf den frz.
König ab oder verwarf kategorisch die Vertretung seiner Interessen auf dem Kölner
Friedenskongress durch die frz. Gesandten. Desgleichen schloß er allein in eigenem
Namen den Übergabe-Akkord von Breisach und bestellte dort eigene Kommandanten und
Statthalter. In seiner unmittelbar vor seinem Tod, in der Frühe des 8. 7. 1639
diktierten testamentarischen Verfügung (Röse II, 554–556) bekräftigte Bernhard
seinen Wunsch, daß die von ihm eroberten Plätze „bey dem Reich Teutscher Nation
erhalten werden“ und seinen Brüdern, allenfalls bei deren Weigerung interimsweise,
bis „zu einem Universal Friden“, Frankreich zufallen sollten (zit. n. Röse II,
555). Vgl. 390807A K 3; zu Hz. Bernhard vgl. auch die Korrespondenz zwischen Frh.
Enno Wilhelm v. Innhausen u. Knyphausen (FG 238) u. F. Ludwig 390814, 390909,
390929, 391113 K 8, 391125 K 10; s. auch
AOSB SA VII,
325f.;
Theatrum europaeum, Tl. 4 (1643), 13ff. u. 132. Vgl.
zur Reaktion der weimar. Brüder 390807A K 3. Bekanntlich fielen Bernhards Truppen,
Eroberungen und Besitzungen am Oberrhein einschließlich Breisachs und der Lgft.
Elsaß nach seinem Tod an Frankreich (Vergleich von Colmar, 29. 9. 1639, Vertrag
von Breisach, 9. 12. 1639, zw. der Krone Frankreich und den vier Direktoren im
Militärstab und Hofstaat Hz. Bernhards um Johann Ludwig v. Erlach mit den Obristen
Reinhold v. Rosa/Rosen, Gf. Wilhelm Otto v. Nassau-Siegen, Johann Bernhard v.
Ehm/Öhm). Vgl. 390903 K 2 u. 390909 K 17;
AOSB SA VI, 662,
677, 679f. u. ö.;
Engelsüß (HAB: 441.19 Hist. [1]), 131ff.;
Guthrie II, 92f.;
Pufendorf:
Kriegs-Geschichte, 11. Buch, 505–513;
Theatrum
europaeum, Tl. 4 (1643), 9f., 11ff., 33ff. 132, 193, 214ff.;
Wedgwood, 369ff. Vgl. insgesamt zu Hz. Bernhard
ADB II, 439ff.;
Conermann III, 33;
DBE I, 466;
Findeisen, 286ff.;
Krieg und Frieden I, 104f.;
NDB
II, 113ff.;
Parker, 234f., 245, 248 u. 286; Droysen (s.
o.); Johann Czerny: Über den Tod des Herzogs Bernhard von Weimar. In: Programm des
K. K. Staats-Ober-Gymnasiums zu Wiener-Neustadt. 2 Tle., Wien 1905/06; Günther
Franz: Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar. In: Forschungen zur thüringischen
Landesgeschichte. Friedrich Schneider zum 70. Geburtstag. Weimar 1958, 43–54;
Ariane Jendre: Diplomatie und Feldherrnkunst im Dreißigjährigen Krieg. Herzog
Bernhard von Weimar im Spannungsfeld der französischen Reichspolitik 1633–1639.
Berlin 1998 (Masch.schr./ Mikrofilm), v. a. 161ff.; Bernhard Röse: Herzog Bernhard
der Große von Sachsen-Weimar. 2 Teile, Weimar 1828 u. 1829, II, v. a. 290 u.
311ff.; A. Scherlen: Der dreißigjährige Krieg im Elsaß (1618–1648). Fortsetzung
des Geschichtswerkes von J. B. Ellerbach. 3. Bd.: 1633–1648. Mülhausen/ Oberelsaß
1928, 341ff.; Georg Schmidt: „Absolutes Dominat“ oder „deutsche Freiheit“. Der
Kampf um die Reichsverfassung zwischen Prager und Westfälischem Frieden. In:
Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im
deutsch-britischen Vergleich. Hg. Robert v. Friedeburg. Berlin 2001, 265–284, hier
279; ders. [Rezension]: Christoph Kampmann: Europa und das Reich im
Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart usw.
2008. In: sehepunkte 8 (2008), Nr. 7 (15. 7. 2008), URL:
http://www.sehepunkte.de/2008/07/11170.html.; Wilhelm Ernst Tentzel: Saxonia
Numismatica oder Medaillen-Cabinet ... der Ernestinischen Linie ... Reprint der
Ausg. von 1714, Berlin 1982, 3 Bde., II, 532–556 u. III, T. 38–40.
3 Nach bedeutenden Eroberungen in der Franche Comté im Winter
1638/39 und in Hochburgund (Frühjahr 1639), konnte Bernhard den Sommerfeldzug
seiner Truppen, die im Juli 1639 bei Neuenburg über den Oberrhein setzten, schon
nicht mehr begleiten. Er starb dort am 8. 7. und wurde im Breisacher Münster St.
Stephan beerdigt (1655 holten
|| [
191]
seine beiden überlebenden Brüder Wilhelm [FG 5] und
Ernst [FG 19] die Leiche heim, um sie in der Weimarer Stadtkirche triumphal
beizusetzen). Sein Tod wurde in Leichenpredigten, öffentlichen Bekundungen und
Epicedien betrauert. Vgl.
Engelsüß, 107–121; die Akte
„Herzog Bernhards Lebenslauf“, ThSTA Gotha: Geheimes Archiv E XVI Nr. 26. Vielfach
aufgelegt wurde Daniel Rückers Trauerpredigt, von der sich im ThSTA Gotha eine
Handschrift erhalten hat (in: Geheimes Archiv E VI 5 Nr. 13) und die lt. VD17 in
mindestens 13 Ausgaben und Druckvarianten in Colmar, Basel, Hamburg und
möglicherweise weiteren ungenannten Druckorten erschien: Christliche
Trawr-Predigt/ Uber den hochbetrawrlichen tödlichen Fall ... Herrn Bernharden/
Hertzogs zu Sachsen ... der vereinigten Cronen/ vnd Evangelischen Stände
Generalissimi. Welcher den 8. Julij dises 1639. Jahrs/ in der Stadt Newenburg am
Rhein/ sanfft vnd selig in Christo JEsu entschlaffen/ Vnd Den 19. diß Monats zu
Breisach im Münster ... beygesetzet worden. Gehalten im Münster daselbsten/ vnd
auff Begehren in Druck verfertiget Durch D
anielem R
ückerum ... Erstlich gedruckt
zu Colmar (1639). ULB Halle: Pon. Wc 126a, QK (VD17 3: 630893E). In dieser Ausgabe
befindet sich als Frontispiz ein Kupferstich, das den Verstorbenen auf dem
Totenbett mit daruntergesetztem deutschen Gedicht zeigt, bei dem am Schluß durch
Blattbeschnitt (mind.) eine Zeile fehlt. Dasselbe ohne Frontispiz in ULB Halle: an
Nv 4403 (6) (VD17 3: 606367E). Ausgaben und Druckvarianten ohne Angabe von
Druckort und -jahr, aber ebenfalls mit dem Hinweis „Erstlich gedruckt zu Colmar“
u. a. in: HAB: 302.3 Theol. (20); ULB Halle: Pon. Wc 126b, QK; STB Berlin — PK: Ee
710-143; ferner in der HAB: Yv 418.8° Helmst. (7) u. RB Zwickau: 20.9.8. (25). Den
beiden zuletzt genannten Drucken ist die fehlerhafte Verfasserangabe „Danielem
Rvckrerum“ gemein. Schließlich mit dem Hinweis „Erstlich gedrnckt
[sic] zu Colmar“ eine Ausgabe in STB Berlin — PK: Ee
710-209. Von den durch Georg Decker besorgten Basler Ausgaben nennen wir hier:
Christliche Trawr-predigt/ vber den hochbetrawrlichen tödlichen Fall ... Herren
Bernharden/ Hertzogs zu Sachsen ... Der vereinigten Cronen/ vnd E
vangelischen S
tänden G
eneralissimi ... G
ehalten ...
vnd ...
verfertiget/ D
urch D
anielem
Rückerum ... Gedruckt zu Basel/ bey Georg Decker (1639). HAB: 375.7 Theol. (6) u.
Gm 4131. Weitere Baseler Ausgaben: HAB: QuN 236 (2); ULB Halle: an Pon. Wc 122, QK
(1); STB Berlin — PK: Ee 710-121; RB Zwickau: 49.3.6. (10). Vgl. schließlich noch
die Ausgabe „Erstlich gedruckt zu Basel/ bey Georg Decker“, FB Gotha: Theol. 4°
00888/04 und die von Tobias Gundermann verlegte und von Hans Gutwasser gedruckte
Hamburger Ausgabe, HAB: 393.3 Theol. (6) u. J 110.4° Helmst. (17).
4 Stieler, 2626: Zeug, der, pl. die Zeuge; „materia rerum, ex
qvâ, & in qvâ omnia sunt, [...]
etiam est, ipse
exercitus, copiae militares“, s. auch Rüstzeug, Zeughaus (Waffenhaus),
Feldzeugmeister („praefectus officio tormentario“) usw.; also sowohl die gesamte
Ausrüstung eines Kriegers oder eines Heeres mit Waffen, Munition, Rüstung,
Saumzeug usw., wie auch der gerüstete Zug selbst, wie im vorliegenden Falle. Vgl.
auch unten „Zu schützen diesen Zeug“, ebenfalls
Adelung Wb.
IV, 1695ff.;
DW XV, 831f.
5 Diese poetische Erfindung geht wohl auf Daniel Rückers
Trawr-predigt zurück, Ausg. Basel (1639), S. 24 (HAB: 375.7
Theol. [6]; s. Anm. 3): „Es hat Jhn Gott gleichsam mit diesen Worten/ als Er jhn
abgefordert/ angeredt: Ey du getrewer Knecht/ du bist mir getrew gewest/ du hast
das deine gethan/ du hast dem Evangelischen Wesen widerumb einen guten Grund
gelegt/ niemand wills erken̄en/ niemand will darauff achten/
niemand will sein Leben bessern/ darumb gehe eyn in deines HERREN Frewde/ du bist
groß gnug/ dein Name ist groß gnug/ deine Thaten sind groß gnug.“ Eine in Coburg,
der damaligen Residenz Hz. Ernsts v. Sachsen-Gotha, vielleicht auf dessen
Anordnung geprägte Gedächtnismünze zeigt auf dem Revers den im Harnisch knieend
betenden Herzog, den eine Hand aus den Wolken mit einem Lorbeerkranz krönt, dabei
das Wort „EVGE Serve Bone“ („Ey du frommer Knecht“). Tentzel (s. Anm. 0), II,
551ff. u. III, T. 40, Nr. 2.
6 1638 war es Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar gelungen, seine
Armee wieder auf das rechte Rheinufer zu führen, um im Inneren des Reiches in das
Kriegsgeschehen einzugrei-
|| [
192]
fen. Im Frühjahr 1638 wurden die vier österreich.
„Waldstädte“ am Hochrhein, Säckingen, Laufenburg, Waldshut (Januar/ Februar) und
Rheinfelden (12./ 22. 3.) erobert, wobei der bayer. Feldmarschalleutnant Frh. Jan
v. Werth gefangen genommen werden konnte. Bald darauf erfolgte die Einnahme
Freiburgs i. Br. (1./ 11. 4.). Am 30. 7./ 9. 8. schlug Bernhard das vereinigte
ksl.-bayer. Heer des Duca di Savelli und des Gf.en Götz’ bei Wittenweier. Im
August wurde die Belagerung der als uneinnehmbar geltenden Festung Breisach
begonnen, die zugleich Sitz der vorderösterreich. Regierung und Verwaltung war.
Alle zum Entsatz der Stadt herbeieilenden ksl. Korps wurden geschlagen, so daß
sich die ausgehungerte Stadt am 7./ 17. 12. ergab. Vgl.
AOSB SA VII, 315ff.;
Engelsüß, 77–104;
Krieg und Frieden I, 385;
Pufendorf:
Kriegs-Geschichte, 10. Buch, 449–460;
Ritter: Deutsche
Geschichte, 603f. u. 606f.;
Theatrum europaeum, Tl.
3 (1644), 1021ff. u. Tl. 4 (1643), 7;
Wedgwood, 364ff.;
Droysen (s. Anm. 2) II, 483ff.; Günther Haselier: Geschichte der Stadt Breisach am
Rhein. 1. Halbbd.: Von den Anfängen bis 1700. Breisach 1969, 352ff.; Scherlen (s.
Anm. 2), 310ff. Das Wolfenbütteler Exemplar der Flugschrift
Warhafftige/ Vnparteyische Erzehlung was sich von dem 14/ 24 Octobr. biß den
23 Octobr./ 2 Novembr. an. 1638. vor: vnd vmb die Vestung Brysach begeben vnd
zugetragen/ vnnd wie es nunmehr mit derselben auffs eusserste kommen (o.
O. 1638; HAB: 57.12 Pol. [43]) war wohl durch Matthias Bernegger an Hz. August d.
J. v. Braunschweig-Wolfenbüttel (FG 227) gelangt. Vgl. Berneggers Brief an August,
d. d. Straßburg 21. 11. 1638. NSTA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 Nr. 169, Bl. 9rv
(überschickt zwei Exemplare der „Brysachischen belegerung“). Am 10. 12. 1638
drückt Bernegger Hz. August gegenüber dann die Freude aus, Breisach sei
eingenommen, der Rheinpaß stehe offen. Ebd., 10rv. Für den Frieden aber war damit
nicht viel gewonnen. Bernegger am 8. 2. 1639: Hz. Bernhard sei mit seinem Heer
nach Burgund gezogen; „Jederman seuffzet nach dem edlen fried
en“. Ebd., 13rv. — Die Einnahme Breisachs war nicht nur eine schwere
Niederlage Habsburgs, die zum dauerhaften Verlust seiner oberrhein. Territorien
führte, er schwächte auch nachhaltig die militärischen Optionen Spaniens und des
Kaisers an der „Spanischen Straße“ bzw. im Westen des Reichs. Vgl. das Original
der Kapitulationsurkunde im Nachlaß Hz. Bernhards in der FB Gotha: Chart. A 730,
Bl. 408–410. Vgl. auch die Flugschriften: Warhaffter Bericht/ Vnd Beschreibung:
Was? Nach deme ... der fast vnüberwindliche Platz/ Prysach/ in dem OberRheinStrom
gelegen/ von J. F. G. Hertzog Bernhard von Sachsen Weinmar/ etc. den 7. Decemb.
Anno 1638 eingenommen ... Anno 1639. HAB: 57.12 Pol. (39); dass., anderer Druck
HAB: 57.12 Pol. (41); Zeitungen Von Brysach/ Wie solche vornehme Festung/ nach
langer Blocquir= vnd Belagerung endlich den 9. Decembr. mit Accord vbergangen/ vnd
also aus den H. Römischen Reichs Händen/ in Frantzösische Gewalt gerahten. Darbey
die Accords-Puncten (o. O. 1639). ULB Halle: Pon. Vc 4401, QK; ACCORDS-Puncten/
zwischen Jhr. Fürstlichen Gnaden Herrn Bernharden/ Hertzogen zu Sachsen ... Vnd
dem Herrn General Feldzeugmeistern/ Freyherrn von Reinach/ als Gouverneur zu
Brysach/ wegen Vbergab derselben Stadt und Vestung/ etc. O. O. (1638). HAB: 57.12
Pol. (40); Brysachische Accords=Puncten. zwischen Dem Durchleuchtigen/
Hochgebornen Fürsten vnd Herrn ... Bernharden/ Hertzogen zu Sachsen ... Vnd dann
Herrn General FeldZeugmeister/ Freyherrn von Rheinach/ als Gubernatorn der Stadt
vnd Festung Brysach. Neben einer kurtzen Relation des von den Keyserischen
beschehenen Außzugs/ vnd der in Brysach gewesenen Hungersnoth. Den 9. 19. Decembr.
1638 (o. O. u. J.). HAB: T 645.4° Helmst. (10), ULB Halle: Pon. Vc 4397, QK;
Druckvariante ULB Halle: Pon. Vc 4397a, QK. Weitere Drucke u. Druckvarianten der
Übergabe-Vereinbarungen in SLB Dresden: Hist. Germ. C 569, 39 und SLB Dresden:
Hist. Germ. C 569, 42. Vgl. auch die im Stile der Flugblätter verfaßten Zwey
schöne HochzeitLieder/ Vber der Vestung Brysach/ Wie J. F. Gn. Hertzog Bernhard
von Weymar nach Jhr lange Zeit gefreyet/ vnd endlich Sie zur Braut bekommen
(Frankfurt 1640). HAB: QuN 564a (7); Ein hüpsch new Lied/ Von der Belägerung vnnd
Eroberung der Statt Breysach/ im Elsaß gelegen: Durch ... Hertzog Bernharden von
Sachsen Weinmar/ deß Evangelischen Bunds Generalissimum... Gedruckt im
|| [
193]
Jahr
Christi/ 1639. STB Berlin — PK: Ye 6901 = R; schließlich den illustrierten
Einblattdruck: Preisachischer Accordts Puncten Extract So zwischen der Röm. Kais.
Majest. Herrn General FeldZeugmeistern Freyherrn von Reinach/ vnd Hertzog
Bernhardts von Weimar Fürstl. Gn. den 18 (28) Decembr. 1638. vorgangen und
beschlossen worden/ darauff folgenden Tags der Außzug geschehen (o. O. 1638). STB
Berlin — PK: Einbl. YA 7485m. Vgl.
Paas VII, P-2060f. Auch
ließ Hz. Bernhard seinen Hofprediger Daniel Rücker (1605–1665) umgehend eine
Dankpredigt im Breisacher Münster halten: Christliche Danck- Vnd Erste
Evangelische Predigt/ Jn der vornehmen vnd weitberümbten Vestung Breysach/ alß
selbige Dem Durchleuchtigsten ... Fürsten vnd Herrn/ Herrn Bernhardt/ Hertzogen zu
Sachsen ... der alliirten Cronen vnnd Evangelischen Ständen Generalissimo ... den
7. Decemb. 1638. vbergeben worden. ... Auff Christliche Anordnung Hochgedachter
Jhrer Fürstl. Gn. den darauff folgenden 16. Tag ermeldten Monats gehalten/ durch
DANIELEM RÜCKERUM, Fürstlichen Sächsischen HoffPredigern/ vnd deß Feld-Consistorij
Præsidem. Gedruckt zu Colmar/ Durch Georg Friderich Spannseil/ Jm Jahr 1639. FB
Gotha: Hist. 8° 06540-6541 (43); ULB Halle: Pon. Wc 122a, QK. Eine weitere Ausgabe
erschien ebd. („erstlich Gedruckt zu Colmar/ Durch Georg Friderich Spannseil/ 1638
[sic]“): HAB: 375.7 Theol. (5) u. 502.13 Theol. (17);
eine weitere ohne Angabe von Ort, Verlag und Drucker „im Jahr 1639“, ULB Halle:
Pon. Wc 122b, QK. Der schwed. Kommandant in Erfurt, Oberst Heinrich v. der Goltz
(1600–1643), tat es Hz. Bernhard nach und ließ am 27. 12. 1638 einen
Dankgottesdienst abhalten: Tripudium Gera-Svedicum, Das ist: Christliches Frewden=
vnd DanckFest. Der Schwedischen vnd aller rechtgläubigen Christen. Für die
vnterschiedenen herrlichen Victorien/ die im abgewichenen 1638. Jahr/ der
allmächtige Gott ... Herrn Bernharden/ Hertzogen zu Sachsen ... verliehen hat. ...
Von Joachimo Sturmio ... Gedruckt zu Erffurdt (1638). SLB Dresden. Hist. Sax. B.
180, 24. Die zahlreichen die Belagerung, Einnahme und Hz. Bernhard selbst
betreffenden Gerüchte und Nachrichten haben auch in
Christian:
Tageb. ihren Niederschlag gefunden, vgl. Bd. XV, Bl. 36v, 38r, 40r, 44v,
60r u. 75r. Bl. 57v (in Wien, 10. 11. 1638): „Man sagt allhier, die gewaltige
festung Brisach seye eingenom
men [...]. Jch kan es ab
er noch nicht glauben.“ 80v (in Prag, 8. 12. 1638): „Man
sagt: Breysach seye vber, mais je ne ce croy pas encors“. Am Vortage nach Bernburg
zurückgekehrt, ereilte F. Christian II. am 22. 12. 1638 die Nachricht von der
Übergabe der Stadt (88r, vgl. 88v u. 89v).
7 Aus der Testamentsbeglaubigung des Kanzlers Hans Ulrich
Rehlingers v. Leder, Breisach, 25. 9. 1639, dem Hz. Bernhard sein Testament
diktiert hatte: „[...] haben Jhro Fürstl. Gn. geantwortet, Ja, Sie hätten noch
viel zu befehlen; aber die Zeit wolte Jhnen zu kurz werden“. Er habe Rehlinger
nach Abschluß des Diktats zur sauberen Niederschrift hinausgeschickt, „damit Jhre
Fürstl. Gn. Zeit hätten, sich zu Gott zu schicken, weil das Ende nun mehr
vorhanden wäre.“ Zuletzt habe er auch andere Anwesende aus seinem Gemach gewiesen:
„Jhr Brüder gehet hinauß, Jhr machet mich sonst irre, Jch habe genug mit euch
geredt, Jch muß nun mit Gott reden.“ Zit. n. Röse (s. Anm. 2) II, 558, vgl. 326f.
Auch Rücker berichtet in seiner
Trawr-predigt von den
letzten Stunden Hz. Bernhards, in denen er ihm beigestanden habe. Kurz vor dem
Ende habe Bernhard gebeten: „Jhr Brüder/ gehet hinauß/ jhr hindert mich/ dann ich
hab jetzund mit Gott zu reden.“ Ausg. Basel (1639), S. 42 (HAB: 375.7 Theol. [6]).
Vgl. Droysen (s. Anm. 2), II, 573f.
8 Die Frömmigkeit Hz. Bernhards auch während seiner
Kriegszüge wird immer wieder betont, vgl. etwa Freinsheim: Teutscher Tugentspiegel
(1639; s. Anm. 1 u. 400319 K 3), Bl. Q [i]v f.;
Engelsüß,
83, 88, 99: Bernhard als „Exempel eines frommen Fürstens vnd Gottsförchtigen
Feldhauptmans“; vgl. auch Röse (s. Anm. 2) II, 221.
9 Es gab lt. Röse (s. Anm. 2), II, 328, Schmähschriften des
Grafen Virgilio Malvezzi und des Mönches Fossati, die Bernhards Qualitäten dennoch
anerkennen mußten. Schon
Engelsüß, 97, kolportierte das
herrliche „Judicium“ der Feinde über Hz. Bernhard.
10 Die drei hier veröffentlichten Gedichte aus dem Erzschrein
[sowie das Lied Herzog Wilhelms IV. v. Sachsen-Weimar (FG 5) (Beil. I)] sind — im
Vergleich zu den oben ge-
|| [
194]
nannten Leichenpredigten und Epicedien — in ihrer
auffälligen propagandistischen Zurückhaltung doch bemerkenswert: Weder werden die
konfessionelle Karte wie etwa in den Predigten Daniel Rückers oder bei Georg
Engelsüß und Samuel Gloner emphatisch ausgespielt, noch militärische Karriere und
Erfolge Bernhards en detail nachgezeichnet wie bei Freinsheim, noch auch das
Testament des Herzogs politisch-patriotisch ausgewertet und gegenüber der
erstarkenden französ. Position am Oberrhein verteidigt, wie bei Rücker oder im
Falle des ungenannt bleibenden weimar. Offiziers (vgl. 390807A K I 2). Die
theologische Legitimation, die etwa Bernhard zum „Heerführer“ Gottes erhob, der
die Kinder der wahren Kirche aus der typologischen ägyptischen „Dienstbarkeit“
errettet habe, oder die „den gerechten GOtt auff vnserer Seiten“ verortete (Rücker
in seiner Breisacher
Danck-Predigt von 1638/39, Bl. A ijr,
B ijv u. [C iv]v (HAB: 375.7 Theol. [5], s. Anm. 6), bleibt hier relativ
unausgeführt und auf einen Satz zu Eingang des ersten Gedichtes beschränkt, so daß
es den Anschein hat, die sonst gefeierte Größe als Glaubensstreiter und Kriegsheld
werde für das Bild des moralischen Heiligen stark zurückgenommen, so daß auch der
patriotische „Verfechter der Freyheit“, der mit „Tugend/ Trew vnnd Redlichkeit das
gemeine Wesen“ gefördert habe und mit dem „gefallen [ist] das teutsche Wesen/ die
teutsche Freyheit/ der Teutschen Zuflucht vnd Trost“ (Rücker über Bernhard in
seiner
Trawr-predigt, Basel 1639, S. 6, 20 u. 7; HAB: 375.7
Theol. [6]), eher verhalten bezeugt wird. Ob sich hier eine im Vergleich zu den
Genannten mangelnde Kenntnis der Situation, fehlende unmittelbare Betroffenheit
oder eine politische Tendenz niedergeschlagen hat, die entweder den ernestinischen
Brüdern noch Verhandlungsspielräume mit dem Kaiser freihalten, oder womöglich die
militärische Option und die konfessionelle Frontstellung bereits aufgegeben hat,
wird nicht ersichtlich, verdiente aber eine genauere Untersuchung. Denkbar ist,
daß Bernhard als Tugend-„Held“ den weiteren politisch-militärischen Konflikten,
die sich um seine und die Rolle seiner Armee entspinnen sollten, ein Stück weit
entrückt und der für seine Parteigänger, Anhänger und die Ernestiner darin
verborgene Zündstoff entschärft werden sollte, was für einen Verfasser aus dem
Umkreis des Hauses Weimar sprechen könnte. Da v. a. das erste Gedicht in
Erfindung, Disposition und elokutiver Raffinesse zwar nicht ohne Kunstgriffe (s.
Anm. 1), insgesamt aber doch einfach und schlicht erscheint, dürfte der Verfasser
kein professioneller „virtuoso“, sondern eher ein Laiendichter gewesen sein, wie
sie im fruchtbringerischen Hof- und Adelsmilieu zu finden waren. Das gattungsgemäß
einfache und metrisch obendrein holperige Lied (s. etwa Anfang der 3. Strophe) Hz.
Wilhelms (Beil. I) läßt sich dieser Einschätzung mühelos anschließen.
1 Das im Titel des Lieddrucks erwähnte Kirchenlied „An
Wasserflüssen Babylon“ ging auf Ps. 137 zurück und stammte in Text und Melodie von
dem Straßburger Organisten und Musiklehrer Wolfgang Dachstein (1487–1553). Es war
erstmalig erschienen in „Der dritt theil Straßburger kirchen ampt“, Straßburg
1525, dann weit verbreitet und lange in Geltung, so in allen Straßburger und
vielen anderen Gesangbüchern des 16. Jahrhunderts (Nürnberg 1531 etc., Magdeburg
1540 etc., Zürich 1540, Pfalz-Neuburg 1557 usw.). Martin Luther nahm Text und
Weise — die bis heute als wunderbares „Melodiegebilde“ gerühmt wird — 1545 in das
Babstsche Gesangbuch (Leipzig 1545) auf. Vgl. das Babstsche Gesangbuch von 1545.
Faks.dr. mit e. Geleitwort hg. v. Konrad Ameln. Kassel usw. 1966, in den „Psalmen
vnd Geistlichen Liedern“ als Nr. 1 unter dem Titel: „Der hundert vnd sieben vnd
dreissigst Psalm.
Super flumina Babylonis“; Handbuch zum Evangelischen
Kirchengesangbuch. Bd. III.1: Liederkunde. 1. Teil: Lied 1 bis 175. Von Eberhard
Weismann u. a. Göttingen 1970, 289–293, hier 293. Auch im 17. u. 18. Jh. war das
Lied in evangelischen Gesangbüchern noch populär. Vgl. etwa GEsangbüchlein DOCT.
MART. LUTH. mit etlichen D. Philippi Nicolai, vnd D. Cornel. Beckers/ Item mit
anderen Teütschen/ vnd Lateinischen newen Gesängen erweitert ... Durch G
ottlieb
V
om H
agen (Jena: Er-
|| [
195]
hard Berger 1654), 262f. (HAB: Tl 294); CANTIONAL, Oder
Gesang=Buch Augspurgischer Confession/ Jn welchem des Herrn D. Martini Lutheri,
vnd anderer from̄en Christen/ auch des Autoris eigene Lieder vnd
Psalmen ... So in Chur= vnd Fürstenthümen Sachsen/ insonderheit aber ... allhier
zu Leipzig bräuchlich. Verfertiget/ vnd ... componiret Von JOHAN-HERMANO Schein/
Grünhain. Director der Music daselbsten. Zum andern mal gedruckt/ vnd ...
vermehret (Leipzig: Jacob Schuster 1645: Timotheus Ritzsch), Lied Nr. CLXXXIII
(mit Noten) (HAB: Tl 543); Neuvermehrtes Weimarisches Gesangbuch, bestehend aus
1185 alten und neuen geistlichen Liedern zum nützlichen Gebrauch in Kirchen und
Schulen, der sämtl. Hochfürstl. Weimarischen Lande ... Jetzo neu übersehen, mit
einem Anhange und einer Vorrede begleitet von Johann Gottfried Herder. Weimar
1784, Nr. 727 (HAB: Tl 660). Paul Gerhardt (1607–1676) dichtete zu der
Dachsteinschen Melodie 1647 sein Passionslied „Ein Lämmlein geht und trägt die
Schuld“, das bis heute im Evangelischen Gesangbuch zu finden ist. S. Evangelisches
Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Niedersachsen und
für die Bremische Evangelische Kirche. Hannover 1994, Nr. 83. Gerhardts Lied wurde
neu zu einem geistlichen Konzert vertont von Johann Hermann Schein: An
Wasserflüssen Babylon: [oder Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld: geistliches
Konzert für 2 Soprane, Instrumentalbass (ad. lib.) und Continuo]. Hg. Paul Horn.
Stuttgart-Hohenheim 1962 (Das geistliche Konzert, 115). Siehe auch Johann
Sebastian Bachs Choral, BWV 653, 653a u. b. Vgl. Jörg Erb: Dichter und Sänger des
Kirchenliedes. Bd. 1. Lahr-Dinglingen
21970, 73f.; Albert Friedrich Wilhelm
Fischer: Kirchenlieder-Lexicon. Hymnologisch-literarische Nachweisungen über ca.
4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten in
alphabetischer Folge nebst einer Übersicht der Liederdichter. 1. Hälfte, Gotha
1878, 44; 2. Hälfte, Gotha 1879, 434, und Supplement, Gotha 1886, 12; Handbuch zum
Evangelischen Kirchengesangbuch. Bd. II.1: Lebensbilder der Liederdichter und
Melodisten. Bearb. v. Wilhelm Lueken. Göttingen 1957, 65f.; Handbuch zum
Evangelischen Gesangbuch. Bd. 2: Komponisten und Liederdichter des Evangelischen
Gesangbuchs. Hg. Wolfgang Herbst. Göttingen 1999, 70f.; dass., Bd. 3: Liederkunde
zum Evangelischen Gesangbuch. Hg. Gerhard Hahn u. Jürgen Henkys. Heft 5, Göttingen
2002, 60–69; Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit
bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. 3. Bd., Leipzig 1870, 98 (Text); Johannes
Zahn: Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder, aus den Quellen
geschöpft und mitgeteilt. 4. Bd., Gütersloh 1891, 508f. (Nr. 7663) (Text und
Melodie); Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Abt.
III, Bd. 1: Die Melodien bis 1570. Teil 2: Melodien aus mehrstimmigen
Sammelwerken, Agenden und Gesangbüchern I. Vorgelegt von Joachim Stalmann, bearb.
v. Daniela Garbe u. a. Notenband. Kassel usw. 1996, 123; dass., Textband. Kassel
usw. 1997, 128ff.; dass., Abt. III, Bd. 2: Die Melodien 1571–1580. Vorgelegt von
Joachim Stalmann, bearb. v. Rainer H. Jung u. a. Textband. Kassel usw. 2002,
303f.
2 Der im Mai 1639 verstorbene Prinz Johann Wilhelm v.
Sachsen-Weimar (Weimar, 16. 8. 1630 – Weimar, 16. 5. 1639). S.
AD I, 406;
EST I.1, T. 155; Otto Posse: Die
Wettiner. Genealogie des Gesamthauses Wettin ernestinischer und albertinischer
Linie. Leipzig u. Berlin 1897, T. 10. || [
196] || [
197] || [
198]